Aber, meine sehr geehrten Herren, auch in diesem Zusammenhange
lassen Sie mich gleich einige politische Bemerkungen machen. Sie
haben sich angewöhnt, die Opposition in zwei Teile zu teilen:
eine státotvorná - ich glaube, die beste Übersetzung
ist "staatsschöpferisch" - und in eine Opposition,
für die Sie eine reichliche Variante von Ausdrücken
haben, deren extremster ist: "die irredentistische Opposition".
Ich will darüber heute nur das sagen, was zu den Vorlagen
gehört. Meine Herren, es ist von größtem Interesse,
daß gerade bei so lang währenden Koalitionen, wie bei
uns, die Funktion der Opposition erhalten wird. In allen Parlamenten
ist und war die Aufgabe der Opposition die, eine Kontrolle auszuüben
und der Regierung Schwierigkeiten zu machen, selbstverständlich,
vor allem auf sachlichem Boden. Meine Herren, das war doch die
Stärke des Zweiparteiensystems in England, wo die Verantwortung
zwischen den zwei großen Parteien im großen und ganzen
gewechselt hat, wo aber die eine, die in Opposition war, der anderen
die größten Schwierigkeiten gemacht hat. Meine Herren,
Sie stehen auf dem Standpunkt, daß die Funktion der Opposition,
also gegen die gesetzgeberischen Handlungen der Regierung und
der sie repräsentierenden Parteien Stellung zu nehmen, eigentlich
schon in Frage stellt, ob eine Opposition staatsschöpferisch
ist oder nicht - ein auf die Dauer absolut unhaltbarer Standpunkt!
Eine Opposition kann nicht anders als kritisch sein, weil sie
ja nicht nur ideologisch eine große Masse hinter sich gesammelt
hat, sondern auch eine Masse, die eine ganze Reihe sehr wichtiger
Lebensinteressen repräsentiert, deren Verfolgung und deren
Anerkennung durch die Opposition einfach auch von der Koalition
nicht geleugnet werden kann.
Daher ist die bisherige Auffassung, die Opposition einerseits
zu verdächtigen und andererseits sie gerade auf den Sachgebieten
zurückzustellen, ein sehr grober staatsmännischer Irrtum
auf Ihrer Seite, auch schließlich deshalb, weil Sie z. B.
mit der Opposition der Sudetendeutschen Partei überhaupt
nur - sagen wir - äußerlich fertig werden können,
indem Sie von ihr einfach behaupten, sie sei staatsfeindlich.
Meine Herren, das ist Tarnung, Selbsttäuschung, Vorspiegelung
eines Zustandes, den Sie behaupten, weil Sie sonst nicht so unvernünftig
gegen die deutsch-völkische Opposition auftreten könnten.
Schauen Sie, es ist auf die Dauer untragbar, daß wir zwar
eine Spar- und Kontrollkommission haben, die, wie ich zugeben
muß, sehr viel in Ordnung gebracht hat, aber in einem Ausschuß
funktioniert, in dem die Opposition überhaupt nicht vertreten
ist. Diesen Dingen hängt eine gewisse Amoralität an;
denn wir repräsentieren hier die Bevölkerung doch ebenso
wie Sie. Wir haben das verfassungsmäßige Recht, ebenso
wie Sie, ein Kontrolle der Verwaltung durchzuführen. Indem
Sie aus der Kommission einen Ausschuß machen, schalten Sie
die Opposition von der Kontrolle der Verwaltung aus, meines Erachtens
eine nicht verfassungsmäßige Handlung. Ich bringe diese
Dinge hier nicht vor, weil ich auf diesem Wege irgendjemanden
einen "Anteil an der Macht" verschaffen will; ich weiß,
wie dieser Anteil aussieht. Aber ich bringe es vor, weil es auf
die Dauer unhaltbar ist, daß bei den sich verschlechternden
finanziellen Verhältnissen des Staates und daher bei den
sicherlich nicht auf 3 Jahre, sondern auf längere Dauer beschlossenen
Mehrbelastungen der Bevölkerung wir unser Recht in Anspruch
nehmen, bei der Auferlegung dieser Lasten und bei der Kontrolle
ihrer Verwendung dabei zu sein. (Sehr richtig!)
Ich muß sagen, daß die Behandlung dieser so wichtigen,
grundlegenden und finanziell außerordentlich die gesamte
Bevölkerung belastenden Vorlagen es mir doch so schien, als
ob auf Seite der Koalition eine gewisse Angst vor der Verantwortung
bestünde. Es hat schon der zitierte Koll. Novák
allerdings im Subkomitee gesagt: "Was wollen Sie fortwährend
mit der Steuergerechtigkeit, hier heißt es: Geld her, auch
ohne Gerechtigkeit!" Ja, meine Herren, wir hören es
in sehr schön aufgemachten Reden anders und wir müssen
schon sagen, daß wir es nicht für richtig halten, den
Standpunkt der steuerlichen Gerechtigkeit zu verlassen. Denn es
ist eben die Aufgabe der verantwortenden Parteien, dafür
zu sorgen, daß ihre Vorlagen steuerlich gerecht sind! Auch
hier muß ich feststellen, daß wir im deutschen Gebiet
mit der steuerlichen Belastung ganz anders aussehen, als Sie im
èechischen Gebiet, weil unsere Gemeinden, insbesondere
während der Krise und der hohen Arbeitslosigkeit derartige
Aufwendungen machen mußten, daß wir sehr viele Gemeinden
haben, die das Maximum der Zuschlagshöhe, also 812 % erreicht
haben, während z. B. die Stadt Prag 368 oder 386 % Umlagen
berechnet. Weil eben diese Belastung so verschieden ist, und weil
wir Ihnen waggonweise Belege darüber vorlegen könnten,
wie die Steuerverwaltungen die Einbekenntnisse mißachten
und die Steuergrundlage in die Höhe schrauben, so verlangen
wir, daß bei der Beschlußfassung über neue Steuern
das Prinzip der steuerlichen Gerechtigkeit absolut gewahrt wird.
Nun möchte ich Einiges zu den einzelnen Vorlagen sagen. Wir
haben im Subkomitee und im Ausschuß geglaubt, es sei ein
Akt der Vernunft, daß der Staatsverteidigungsbeitrag und
das Gesetz über die außerordentliche Gewinnsteuer statt
auf 5 nur auf 3 Jahre beschränkt wird. Zu meiner großen
Überraschung lese ich im Bericht des Budgetausschusses, unterfertigt
von Herrn Dr. Novák, daß die Herabsetzung
von 5 auf 3 Jahre deshalb geschehen ist, damit man die Möglichkeit
hat, das Gesetz zu novellieren. Wenn man aber Bedenken hat, daß
dieses Gesetz zu hart ist, wenn man sich davor fürchtet,
daß es volkswirtschaftliche Nachteile weitestgehender Natur
haben wird, ja dann müßte man die beiden Steuern nur
auf ein Jahr bewilligen, damit man in diesem Jahr die furchtbaren
Schäden aus der Welt schaffen kann, die man ja offenbar in
Koalitionskreisen erwartet. Es ist richtig, daß man auch
schon im ersten Jahr ein Gesetz, das für 5 Jahre gilt, in
den Punkten abändern kann, wo man sich überzeugt hat,
daß es unrichtig ist. Dann aber brauchte man uns nicht das
Theater vorzuführen, daß diese Vorlage nicht 5, sondern
3 Jahre gelten werde. Ich gehe daher nicht fehl, wenn ich feststelle,
daß wir meines Erachtens mit einer Dauerwirksamkeit dieses
Gesetzes rechnen können; denn es gehört ja in der Finanzpolitik
zu den Seltenheiten, daß eine Steuer, die auf eine bestimmte
Frist eingeführt wurde, wieder abgeschafft wird. Wir haben
die Umsatzsteuer, eine, wie Engliš einmal gesagt hat,
verheerende und unmoralische Steuer, die aber heute auch bald
ein Jubiläum feiern wird. Wir haben den vorübergehenden
Zuschlag zur Einkommen- und Tantiemensteuer, anfänglich auch
nur auf zwei Jahre, jetzt verlängern wir seine Wirksamkeit
wieder. Ich muß schon befürchten, daß die jetzige
ungeheure Belastung auf die Dauer eingeführt ist. Meiner
Überzeugung nach wird es nicht möglich sein, diese große
Belastung, die nicht weniger als 600 Millionen Kè jährlich
eintragen soll, tatsächlich aufrechtzuerhalten, weil sonst
die Produktionsbereitschaft ganz wesentlich eingeschränkt
und dadurch auch das finanzpolitische Erträgnis wesentlich
gemindert werden wird.
Es ist überhaupt die Frage, ob es richtig ist, die bisherige
Methode beizubehalten, daß man den Mehrertrag immer nur
zu erreichen versucht durch mehr Druck, durch Erhöhung der
Sätze, durch Zuschläge usw., und ob es nicht rein finanztechnisch
viel besser wäre, weder den Druck noch die Sätze zu
erhöhen, sondern die Wirtschaft zu entlasten, damit sie sich
in die Breite entwickeln kann und durch Mehrproduktion das hereingebracht
wird, was erst unter schwerem Druck aus der Enge der Produktion
herausgeholt wird.
Der Herr Finanzminister hat uns im Ausschuß mehrere Tabellen
vorgelegt, darunter auch eine, in welcher die Belastung durch
den Staatsverteidigungsbeitrag bei den Gagisten und Nichtgagisten
ausgewiesen ist. Wir konnten da nachweisen, daß einfach
aus rein ästhetischen Gründen und vom Standpunkte der
Steuergerechtigkeit in den Tabellen derartige Sprünge sind,
daß es geradezu ein Nachteil sein muß, wenn ausgerechnet
das Finanzministerium selbst solche Tabellen aus der Hand gibt,
wo es doch die Ermächtigung bekommen hat, allerhand inländische
Kreditoperationen vorzunehmen und außerdem auch eine Auslandsanleihe
in Anspruch zu nehmen; denn Belastungen mit 56 % des Einkommens
sind meines Erachtens volkswirtschaftlich unrichtig und schrecken
ab. Andererseits hat uns Koll. Ostrý im Ausschuß
den Unterschied zwischen der Belastung der Träger der allgemeinen
Erwerbsteuer und der Gagisten errechnet und bei einer Steuergrundlage
von 60.000 Kè nachgewiesen, daß rund ein Verhältnis
von 3:1 entsteht, d. h. beim gleichen Einkommen bezahlt ein Kaufmann
oder Gewerbetreibender, der einen Reingewinn von 60.000 Kè
nachweist, das Vierfache von dem, was ein fix Besoldeter an Gesamtbesteuerung
aufzubringen hat. So sehen die Ungereimtheiten in der Vorlage
Nr. 1112 aus, bei welcher wir uns bemühten, im Budgetausschuß
zu errechnen, auf welche Weise die Verteilung der Lasten gerechter
durchgeführt werden könnte, und nicht imstande waren,
sie auch tatsächlich durchzuführen.
Ich muß hier noch auf Folgendes aufmerksam machen: Entscheidend
sowohl bei der Einkommen als auch bei der Erwerbsteuer ist, welche
Steuergrundlage die Behörde anerkennt. Ich habe schon darauf
hingewiesen, welche Beschwerden uns bezüglich der Festsetzung
der Steuergrundlage zukommen, die oft das Vierfache von jenem
ist, was der Betreffende auf Grund seiner Bücher angegeben
hat. Dazu kommen aber noch zwei andere Dinge: Nämlich die
Tatsache, daß das Finanzministerium zwei Erlässe herausgegeben
hat, welche das Gesetz über die direkten Steuern berichtigen.
Es sind dies die Erlässe Nr. 92.734 und 49.229. Hier wird
die Steuergrundlage bei der Erwerbsteuer grundsätzlich geändert
gegenüber dem Gesetz. Im Gesetz steht, daß die gezahlte
Steuer in Abzug zu bringen ist, und der Erlaß behauptet,
nur jene Steuer, welche für das betreffende Steuerjahr geleistet
wird, so daß jemand, der sich nun bemüht, seine Steuerschulden
aus den früheren Jahren - z. B. aus der Zeit der Krise -
zu bezahlen, keinen Abzug dieser Leistungen zu gewärtigen
hat, im Gegenteil, er muß diese gezahlte Steuer zum Gewinn
aufschlagen; dadurch kommt er in eine Steuererhöhung, die
ganz ungeheuerlich ist.
Der Budgetausschuß beschäftigte sich mit der Frage
nach der Gesetzlichkeit dieser Erlässe; ich will hier nicht
länger darüber sprechen und mich mit der Feststellung
begnügen, daß hier eine Gesetzesverletzung vorliegt,
und die Hoffnung aussprechen, daß die Koalition, die ja
über die Novelle des Vorjahres abgestimmt hat, sie also beantragt
und dabei jenen gesetzlichen Standpunkt bezogen hat, der im Widerspruch
steht zum Erlasse, an dem festhält, was sie im Jahre 1936
gesagt hat.
Aber auf Eines muß ich doch auch hinweisen: Die Besteuerung,
welche uns nun auferlegt wird, möchte ich als eine Eskomptierung
der sozialen Evolution in den nächsten Jahren bezeichnen,
das heißt, bei dieser Erhöhung der Besteuerung wird
es unmöglich sein, den sozialen Standard unserer Bevölkerung
zu bessern, weil Mittel, welche in den Betrieben zu erzielen sein
werden, schon gebunden sind durch die neuen Lasten und die neuen
Steuern.
Zu den einzelnen anderen Steuern möchte ich nur einige Bemerkungen
machen. Ich bedauere es, daß bei der Limonaden- und Sodawassersteuer
es nicht möglich war, den Hausverbrauch aus dem Gesetz herauszubringen.
Ich bedauere es, daß man diesen Hausverbrauch genau so unter
die Gefällskontrolle gestellt hat wie die fabriksmäßige
Erzeugung. Wir wissen etwas darüber zu erzählen, wie
solche Berechtigungen zu Hausdurchsuchungen und Nachforschungen
mißbraucht werden. Hier konnte der Budgetausschuß
und das Haus Möglichkeiten aus dem Wege räumen, welche
meines Erachtens große Miß helligkeiten nach sich
ziehen können.
Zur Kartellgebühr möchte ich sagen, daß wir uns
alle im großen und ganzen davon überzeugen mußten,
daß auch hier ein Versuch mit unzulänglichen Mitteln
unternommen wird; immerhin aber glaube ich, daß es etwas
bedeutet, daß überhaupt ein Versuch gemacht worden
ist, weil ja sicherlich gewisse Kartelle - ich denke hier an die
Finanzkartelle - im Staate und in der Finanzpolitik eine Rolle
spielen, die schädlich ist.
Bei der Novelle zur Kunstfettsteuer möchte ich die Beanständung
machen, daß nämlich eine Vorratsbesteuerung eintritt.
Vorratsbesteuerung beim Handel! Hier scheint mir der Finanzverwaltung
die Möglichkeit offen zu stehen, eine Vorratsbesteuerung
bei der Textilindustrie durchzuführen, vor der alle warnen,
die aber trotzdem bei der Bemessung des neuen Textilpauschales
kommen soll. Das wäre eine Angelegenheit von weitestgehender
wirtschaftlicher Bedeutung, abgesehen davon, daß noch die
Frage zu prüfen wäre, ob eine 10 % ige Umsatzsteuer
überhaupt gesetzmäßig wäre. Aber wie gesagt:
es ist von grundsätzlicher Bedeutung, daß eine Vorratsbesteuerung
in einer Novelle steht, die man doch schon deshalb vermeiden müßte,
weil auf diesem Wege bei einem relativ geringen Ertrag wieder
alle möglichen Schikanen ausgeübt werden können
und, meine sehr verehrten Herren, darüber wollen wir uns
doch nicht täuschen: das Verhältnis zwischen Bevölkerung
und Finanzverwaltung ist, weiß Gott, das schlechteste. Alle
Funktionen der Finanzverwaltung, die so tief in das Privat- und
Handelsleben eingreifen, machen bestimmt die Finanzverwaltung
nicht sympathischer; auch sie sollte bei ihren Entwürfen
nicht aus dem Auge verlieren, daß sie sich dem Zensiten
und der Bevölkerung sympathischer nähern sollte. Gespürt
haben wir davon noch sehr wenig.
Und nun lassen Sie mich auf den Zweck der Bedeckungsvorlagen zurückkommen
und auch darüber einiges sagen. Im allgemeinen hieß
es, die Bedeckungsvorlagen sind notwendig, um die Staatsverteidigung
zu sichern. Ich gebe zu, daß bei einer weitgehenden Interpretation
es möglich ist, das Mehrerfordernis von 1200 Millionen Kronen
zum größten Teil durch die Bedürfnisse der Staatsverteidigung
zu beweisen. Ich habe schon eingangs darauf hingewiesen, daß
mancherlei Erfordernisse des Budgets einfach die neuen Steuern
absorbieren. Fraglos ist festgestellt, daß auch die Staatsverteidigung
große Mittel erfordert, was dazu geführt hat, diese
1200 Millionen für das Budget neu herbeizuschaffen. Wir stehen
auf dem Standpunkt, daß bei der Aufrüstungskrankheit
Europas die Èechoslovakei von dieser Krankheit nicht verschont
bleiben konnte. Wir begreifen es, daß sie auch ihre Verteidigung
ausbaut und aufrüstet: Aber, meine sehr verehrten Herren,
gerade bei dieser Frage und so, wie die Frage uns gestellt ist,
befinden wir uns im Bereiche höchster Politik. Hier handelt
es sich um Fragen, die ebenso ihre große Bedeutung für
die Außen- wie für die Innenpolitik haben. Hier geht
es darum, daß man gewissermaßen die technische Aufrüstung
materiell und finanziell deckt, daß man aber vergißt,
daß neben dieser technischen Verteidigung auch noch die
seelische und psychologische steht. Und ich wage an der Hand der
Geschichte - auch der Erfahrungen der letzten Geschichte - festzustellen,
daß die technische Rüstung niemals und nirgends ausgereicht
hat, um den Zweck der Verteidigung zu erreichen. Deshalb gibt
es gerade bei der Verhandlung dieser Vorlage und ihres Zweckes
keine ernstlichere Feststellung von unserer Seite als die: Meine
Herren von der èechischen Seite, Sie haben bisher immer
nur das Gegenteil von dem gemacht, was man als die psychologische
Sicherung und die richtige Lösung des psychologischen Problems
ansehen könnte. Ich möchte die Gelegenheit nicht dazu
benützen, um diesem bunten Vorlagenkranz den Trauerkranz
unserer Beschwerden gegenüberzuhängen. Aber ich glaube,
es ist notwendig, bei dieser Geleggenheit doch festzustellen,
daß Sie die psychologische Frage, die hier mit dem zusammenhängt,
was wir verhandeln, ganz anders beachten und praktisch durchführen
müssen als bisher. Sie verlangen ja Opfer von uns allen,
auch von den deutschen Einwohnern, Opfer, die meines Erachtens
viel größer sein werden, als es sich heute die Bevölkerung
vorstellt, aber, meine sehr geehrten Herren, das schlechteste,
was Sie machen können, ist, diese Opfer materieller Art von
unserer Bevölkerung zu fordern, ohne sich gleichzeitig darüber
im klaren zu sein, daß Sie auch für diese Opfer eine
Gegenleistung auf sich zu nehmen haben. (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.) Diese Gegenleistung
kann nur darin bestehen, daß Sie in den deutschen Gebieten
eine Bevölkerung schaffen, die nicht nur materiell, sondern
auch seelisch zufrieden ist. Ich möchte zu den vielen Äußerungen
hoch offizieller Persönlichkeiten in den Reihen der Regierung
und außerhalb der Regierung Eines mit aller Klarheit einmal
feststellen: Meine Herren, Sie irren, wenn Sie glauben, daß
unsere Fragen, die nationalpolitische und die èechisch-deutsche
Frage, lösbar ist lediglich auf der materiellen Plattform,
durch Zubilligung des materiellen Anteiles, den wir zu fordern
haben. Nein, meine sehr geehrten Herren, es kommt darauf an, daß
Sie einsehen, daß wir daneben das Bewußtsein haben
müssen, daß wir nicht politisch kastrierte, sondern
politisch bewußte Menschen bleiben müssen, daß
wir ein nationales Leben führen müssen, das nicht Sie
uns bestimmen können, sondern das sich frei und ungebunden
auf unserer Seite entwickeln kann. (Potlesk.) Wir sind
nicht so naiv zu glauben, daß es sich entwickeln kann ohne
Anerkennung und ohne Rücksichtnahme auf den politischen Verband,
in dem wir sind. Aber dieser politische Verband kann uns niemals
erscheinen als das, was er für Sie ist oder sein soll, nämlich
der Nationalstaat, in dem Sie sich politisch ausleben und wo wir
apolitische und in gewissem Sinne èechoslovakische Deutsche
sein sollen ohne das, was uns erst zu vollwertigen Bürgern
macht, nämlich die innere Konzentration auf nationaler Grundlage,
das Bekenntnis zu einem Volkstum; meine sehr geehrten Herren,
das ist etwas, worauf Sie doch niemals verzichtet haben, nicht
verzichten können und auch nicht verzichten werden. Wenn
ich Ihnen das zugebe, meine Herren, dann sage ich auch, verlangen
Sie es nicht von uns. Wir könnten in dieser Beziehung Sie
niemals zufriedenstellen.
Ich möchte gerade in diesem Zusammenhange von der, wie ich
es nennen möchte, Ziffe rnbefriedigung des Herrn Ministerpräsidenten
sprechen. Der Herr Ministerpräsident hat im Budgetausschuß
eine ganze Reihe von Ziffern angeführt, und im Budgetausschuß
des Senates hat er die Richtigkeit dieser Ziffern nochmals behauptet.
Demgegenüber möchte ich nur sagen, wie es Rosche
schon im Budgetausschuß getan hat; ohne die Möglichkeit
der Überprüfung dieser Ziffern können wir ihre
Richtigkeit nie anerkennen; und noch etwas: selbst wenn diese
Ziffern richtig wären, verlangen wir neben dieser Einhaltung
der Ziffern auch die Ermöglichung eines solchen Lebens, das
wir mit einer gewissen Würde und unter Ho chhaltung der nationalen
Ehre, die auch Sie kennen, meine Herren, unser Leben gestalten
können, nicht nach Kommando, sondern so, wie wir glauben
es machen zu müssen, allerdings auch: wie wir glauben, es
machen zu können. Also: ganz realistisch!