Støeda 15. prosince 1937

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 126. schùzi senátu Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 15. prosince 1937.

1. Posl. dr Peters (viz strana 5 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der reiche und bunte Kranz steuerlichen Vorlagen, mit dem wir uns hier zu beschäftigen haben, erfordert unsere Stellungnahme nicht nur vom wirtschaftlichen und finanzpolitischen, sondern auch vom politischen Gesichtspunkt aus. Wenn wir die verschiedenen neuen Belastungen betrachten, müssen wir uns zuerst die Frage vorlegen, ob denn die Behauptung richtig ist, die wir so oft gehört haben, daß die Belastung der Bevölkerung gleichmäßig erfolgt und daß zudiesen Lasten von allen Seiten gleiche Opfer gebracht werden. Ich möchte zunächst diese Frage an Hand einiger konkreter Ziffern ansehen.

Wir erhöhen das Finanzeinkommen des Finanzministeriums durch die neuen Abgaben um etwa 20 Prozent. Die direkten Steuern sollen durch die neuen Vorlagen um 27 Prozent erhöht werden, die Gebühren um etwa 11 Prozent, die Verbrauchssteuern um 15 Prozent. Die Einkommensteuer, die allgemeine und die besondere Erwerbsteuer erfahren jedoch auf Grundlage der jetzt vorliegenden und nun vom Hause zu genehmigenden Vorlagen eine Steigerung um 41 Prozent. Die außerordentliche Gewinnsteuer bedeutet in ihrer jetzigen Fassung eine Steigerung von 60 Prozent der Staatssteuer, d. h. der allgemeinen und besonderen Erwerbsteuer ohne die Zuschläge. Mit Ausnahme der hier genannten 3 direkten Steuern werden durch die neuen Vorlagen die anderen direkten Steu ern nicht berührt. Dies festzuhalten ist notwendig, weil schon dadurch zum Ausdruck kommt, daß höchstens nur indirekt die Steuerpflichtigen der anderen Steuern berührt werden. Das ist wichtig auch aus dem Grunde, weil an sich schon die ganze bisherige Entwicklung dahin gegangen ist, die direkten Steuern immer mehr und mehr zu belasten und daher vor allem die beiden Erwerbsteuern unter einen außerordentlichen Druck zustellen d. h. also: schon Jahre hindurch werden die Hauptlasten der steuerlichen Belastungen auf die Produktion herübergeleitet.

Wir müssen jedoch daran erinnern, daß wir bisher immer in diesem Hause und auch im Budgetausschusse gehört haben, daß es eine Lebensfrage der èechoslovakischen Wirtschaft und auch der Staatsfinanzen ist, daß die Produktion wesentlich gefördert wird, und zwar aus dem Grunde, weil die Produktion eine sehr wertvolle Funktion besitzt, nämlich die Funktion, Arbeit zu beschaffen. Nur von diesem Gesichtspunkte aus betrachten wir diese Frage, und ich muß feststellen, daß sowohl die Staatsfinanzen einen ganz beträchtlichen Ausfall an Einkommen besitzen, als auch die Möglichkeit, unsere Bevölkerung zu ernähren, wesentlich eingeschränkt wird, wenn die Produktion nicht in entsprechender Weise in Gang gebracht werden kann. Wenn daher das ganze Haus der Auffassung ist, daß die Produktion einer besonderen Förderung bedürftig ist, dann, meine sehr geehrten Herren, müssen wir uns auch darüber im klaren sein, daß daraus die Konsequenzen gezogen werden. Ich freue mich, daß Kol.

Dr. Klapka und Vièánek gestern indirekt dasselbe gesagt haben, weil es bis vor kurzem, meine sehr geehrten Herren, in diesem Hause verpönt war, für die Ankurbelung der Unternehmerinitiative ein Wort zu sagen, da eine gewisse Furcht bestand, daß man eigentlich Unternehmerinteressen dient, wenn man dies tut. Das ist unrichtig. Ich glaube, vom Standpunkt der Sudetendeutschen Partei, die für eine sehr weitgehende soziale Evolution und ein neues soziales Gewissen eintritt, hier diese Feststellung machen zu können und ausdrücklich zu betonen, daß es notwendig ist, keine Gesetze und keine Verfügungen zuzulassen, welche imstande wären, die Betriebsamkeit zu hemmen; vielmehr ist die Bereitschaft, Unternehmungen zu schaffen - mit all den persönlichen Lasten, die damit verbunden sind, die Initiative zu erhalten - und dafür zu sorgen, daß auf diesem Wege dem Staate die Sorge um die Arbeitsbeschaffung und um die Arbeitslosen genommen wird. Hier muß sich das hohe Haus grundsätzlich zu einer neuen Einstellung bekennen, nämlich nicht bloß mit Worten der Produktion freundlich gegenüberzustehen, sondern auch mit Taten.

Ich stelle also fest, daß bei diesen Vorlagen die Produktion ganz wesentlich getroffen ist; wir hatten schon im Ausschuß Gelegenheit, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß wir befürchten, die Produktion könnte in einem solchen Maße tangiert werden, daß sogar die soziale Frage von neuem aufgerollt werden könnte. Wir, die wir im Sudetendeutschen Gebiet in der Hauptsache von der industriellen Produktion leben, wo also die größere Zahl der Menschen in ihrer Lebensexistenz davon abhängig ist, ob es möglich ist, ihnen Arbeit in den Fabriken zu geben, wir müssen natürlich um so mehr darauf drängen und es für um so notwendiger erachten, daß Sie, das ganze Haus, sich zu der Auffassung bekennnen, daß die Erhaltung der Produktion sowohl eine soziale als auch eine finanzpolitische Notwendigkeit ist. Denn es scheint mir, daß bei unserem Steuersystem, wenn nicht die Räder im Gange sind und die Schlote rauchen, es unmöglich ist, unsere Bevölkerung zu erhalten, ihr eine Lebensexistenz zu geben. Ich stelle also hier ausdrücklich fest: Bei der ganzen kommenden Finanzpolitik müssen wir alles dazu beitragen, daß für die Produktion keine solchen Hemmungen entstehen, die ihre weitere Einschrumpfung zur Folge hätten.

Auf der anderen Seite ist vom staatsfinanzpolitischen Gesichtspunkt immer wieder die Notwendigkeit betont worden, in weitest em Maße zu sparen. Ich habe das Gefühl, daß das Budget, das vor einigen Tagen hier erledigt wurde, kein Sparbudget ist, kein Budget, das der wichtigen unaufschiebbaren Forderung, auf allen Gebieten der Staatswirtschaft zu sparen, entspricht. Denn wenn wir uns im Zusammenhang mit den hier vorliegenden Steuern einige Tatsachen vergegenwärtigen, so sehen wir, daß manche dieser Belastungen unter Umständen hätten vermieden werden können, wenn man eben mehr gespart hätte. Ich erinnere z. B. daran, daß die Erhöhung der beiden Dispositionsfonde, die merkwürdigerweise auch die Demokratie kennt und die 22 Millionen ausmacht, um 7 Millionen mehr beträgt, als das Erträgnis aus der ganzen Limonadensteuer, die wir der Produktion und auch dem Konsum auferlegen. Oder das Mehrerfordernis des Ministeriums des Innern in der Höhe von 164 Millionen, die vor allem für die militärische Ausrüstung von Polizei, Gendarmerie und Finanzwache verwendet werden sollen, beträgt um etwa 14 Millionen mehr als der ganze erwartete Betrag aus der außerordentlichen Gewinnsteuer. Diese ist im Budget mit 150 Millionen eingesetzt, während dieses Mehrerfordernis des Ministeriums des Innern 164 Millionen beträgt. Ich weiß nicht, ob es ein absolut dringliches Bedürfnis war, die Polizei zu einer mit Tanks und Maschinengewehren ausgerüsteten Truppe zu machen, wie wir vor wenigen Tagen Gelegenheit hatten, bei der 15 Jahr-Feier der Polizei in Reichenberg den Aufmarsch mit Tanks, Maschinengewehren und motorisierten schwerbewaffneten Polizisten anzusehen. Jedenfalls hat es gerade bei unserer Bevölkerung nicht den Eindruck gemacht, als ob hier eine absolute Staatsnotwendigkeit geschaffen worden wäre, im Gegenteil, unsere Leute sagen sich: "Gegen uns braucht man keine Tanks, uns braucht man nicht vorzuführen, wie die Ordnungsbehörde eigentlich Militär ist".

Aber lassen Sie mich noch andere Vergleiche ziehen. Das Defizit der Staatsbahnen macht um 37 Millionen mehr aus als der Gesamtbetrag des Staatsverteidigungsbeitrages - u. zw. sowohl bei der Einkommensteuer als auch bei den beiden Erwerbssteuern, der mit 440 Millionen eingesetzt ist. Ûber dieses Defizit haben wir im Budgetausschuß und im Plenum hier schon mancherlei gehört. Es sind auch von sehr maßggeblichen und ernsten Körperschaften sehr ernste Vorschläge gemacht worden, wie man das Defizit der Staatsbahnen beseitigen könnte. Wir haben bei den staatlichen Bädern ein Defizit von 2.7 Millionen. Um dieses Defizit zu decken, muß natürlich nicht auf direktem, sondern auf indirektem Wege die Erhöhung des Kartenstempels eingeführt werden, der etwas über 2 Millionen einbringen muß, so daß man hier, wenn endlich bei den Staatsbetrieben und in der Staatsverwaltung ernstlich Ordnung gemacht würde, doch manche dieser Belastungen hätte vermieden können, die mit fast 1200 Millionen der Bevölkerung auferlegt werden. Ich werde über diese Ziffer noch einiges zu sagen haben.

Im Finanzministerium, das zwar finanzpolitisch ein sehr militantes Ressort ist, das aber - dachte ich - mit diesen Dingen weiter nichts zu tun hätte, hat ein Mehrerfordernis von 25 Millionen für die Finanzwache, für ihre Ausrüstung und ihren Ausbau. Diese 25 Millionen würden etwa ein Drittel der Kunstfettsteuer unnötig machen, wenn sie nicht im Budget enthalten wären. Ich will also damit sagen, daß wir nicht die Überzeugung haben, daß bei der Vorbereitung dieser Vorlagen in entsprechender Weise darauf gesehen wurde, das Erfordernis des Staates möglichst zu drücken und Ersparnisse zu machen, damit so schwere Belastungen nicht notwendig werden.

Wir haben also diese Vorlagen ins Haus bekommen und sie sind in Beratung gezogen worden. Ich glaube zunächst einmal über die Vorbereitung und die Beratung dieser Vorlagen etwas Grundsätzliches sagen zu müssen.

Es steht einwandfrei fest, daß die Vorlagen viel früher der politischen und wirtschaftlichen Öffentlichkeit hätten zur Kenntnis gebracht werden müssen, als sie tatsächlich gebracht worden sind. Es wäre notwendig gewesen, daß man aus ihnen und ihrer Vorbereitung kein Geheimnis gemacht hätte, schon deshalb nicht, weil ich glaube, daß die Praktiker bei der Bearbeitung so wichtiger grundlegender Fragen ganz wertvolle Arbeit geleistet und, meine Herren, offen gesagt, auch wesentlich viel Erleichterung der Arbeit gebracht hätten, weil sie einen besseren Überblick haben als leider die Herren unserer Finanzverwaltung. Die Vorbereitung hat, wie ich aus einem Gespräch weiß, zunächst die Ministerkollegien ungeheuer lang beschäftigt. Ich habe schon oft darauf hingewiesen und möchte es bei dieser Gelegenheit wiederholen: Es ist eigentlich nicht Sache der Ministerkollegien, Gesetze vorzubereiten. Im großen und ganzen fällt das meist sehr schlecht aus; ich würde durchaus keine Veranlassung sehen, einer Arbeit, die immerhin eine qualifizierte sein muß, den Vorwurf zu machen, daß dabei manchmal Dinge herauskommen, die durchaus unglücklich und unsachlich sind. So viel Respekt vor qualifizierter Arbeit habe ich! Aber, meine Herren, es war absolut nicht notwendig, daß die getroffenen Vereinbarungen so lange zurückgehalten wurden und wir diese Vorlagen durch die Maschinerie so spät bekommen haben, die wir hier einmal haben und die vielleicht nicht anders und kürzer arbeiten kann. Die Maschinerie im Ausschuß hatte wiederum zur Folge, daß wir in der Zeit zwischen der Vorlage der Entwürfe hier und dem gestrigen Tag, wo sie wieder ins Haus zurückgekommen sind, ungeheuer viel Zeit vertrödelt haben. Ich sage das deshalb, weil es meine innerste Überzeugung ist, daß ohne Schmämälerung des zu erwartenden und durch die Vorlagen angestrebten Betrages es möglich gewesen wäre, ganz bedeutsame Mängel dieser Vorlagen aus der Welt zu schaffen und dadurch das erste Prinzip jeder Besteuerung zur Wahrheit zu machen, daß sie eine gleichmäßige und gerechte ist.

Wenn wir aus den oppositionellen Kreisen mit Vorschlägen gekommen sind und auf dieses oder jenes hingewiesen haben, das wir nicht als glückliche Lösung betrachtet haben, hat man uns immer aus den Reihen der Koalition gesagt: Wir fürchten, daß das Gebäude der Steuern odder das Gebäude, das die Finanzverwaltung zur Erlangung der erforderlichen Beiträge zurechtgemacht hat, einfach zusammenbricht, wenn wir an einer noch so zweifelhaften Bestimmung oder Berechnung etwas ändern". Das ist sicherlich vom Stanandpunkte der Koalition, der Koalitionsdisziplin und der Koalitionsbravheit ein Standpunkt, den man anerkennen kann; vom Standpunkt der praktischen und guten Leistung der Gesetzgebung aber muß ich ihn als absolut falsch erklären. Denn der objektivste und wohlwollendste Kritiker unserer Gesetzgebung muß zu der Auffassung kommen, daß unsere Gesetzgebung sehr schlecht, sehr unlogisch und unsystematisch ist, auf welchem Gebiete Sie immer wollen. Und hier muß ich einen sehr großen Irrtum und Fehler feststellen, den man aus den Kreisen der Koalition des öfteren offen eingestanden erhält, nämlich den: "Lassen wir die Sache laufen, wir können ja jederzeit novellieren". Ja, meine sehr verehrten Herren, das ist sehr schön, das ist jedoch eine etwas eingeschränkte Verantwortlichkeit der Gesetzgebung. Denn wir machen die Gesetze nicht für uns, sondern für die Praxis, für die Bevölkerung und muten der Bevölkerung eine solche Kenntnis dieser ewigen Novellen zu, daß diese ewige Novellierungsarbeit geradezu asozial ist. Es war charakteristisch, daß im Entwurf Druck 1112, den uns die Regierung vorgelegt hat, im § 1 bestimmt war, daß das Gesetz Nr. 76 vom Jahre 1927 und alle weiteren ergänzenden oder abändernden Gesetze in Geltung sein sollen. Das sollte die Stilisierung im neuen Gesetze sein, die sich durch die einfache Formel erledigen ließ, daß das Gesetz Nr. 76 aus dem Jahre 1927 gilt, im "Wortlaut der Novelle, publiziert durch die Kundmachung des Finanzministeriums Nr. 227 vom Jahre 1936". Es hat also der arme Teufel von Steuerpflichtigem nunmehr die ganze Frage dadurch gelöst, daß er sich die Novelle aus dem Jahre 1936 kauft und nun weiß, welches eigentlich das geltende Recht ist. Wäre das nicht eingetreten, so würde der Handwerker oder Bauer, der dieses Gesetz über den Staatsverteidigungsbeitrag liest, vor einem Labyrinth von Gesetzen stehen, weil alle diese Abänderungen wieder abgeändert wurden - nicht nur einmal, sondern oft mehrmal - und sich darin überhaupt nicht mehr auskennen.

Aber es hat sich bei den Verhandlungen im Ausschuß und im Subkomitee auch gezeigt, daß eigentlich über die finanziellen Auswirkungen der einzelnen Bestimmungen der uns nun vorliegenden Gesetze niemand eine Vorstellung hat, auch nicht die Fachreferenten des Finanzministeriums. Wenn wir gefragt haben, welche Wirkung z. B. die außerordentliche Gewinnsteuer auf die Erträgnisse der öffentlichen Rechnungsleger haben wird, konnte uns eigentlich darauf keine Auskunft gegeben werden, weder als Hausnummer, noch als fixe Zahlen; oder: wenn wir gefragt haben, was die sehr bedauerliche Bestimmung des § 5, Abs. 3 über die minimale Bemessung des Staatsverteidigungsbeitrages für die Besteuerung bedeutet, ob nun in der Höhe 1.5 oder 1.0 Promille, so haben wir auch keine entsprechende Auskunft bekommen. Deshalb bin ich zur Feststellung gezwungen, daß diese Vorlagen, die in so hohem Maße unsere Bevölkerung belasten werden, ein Sprung ins Dunkle sind und dies zu einem Zeitpunkt, wo die sonstigen Leistungen unserer Bevölkerung so ungeheuer sind, daß man das Ganze als einen unverantwortlichen Leichtsinn bezeichnen muß.

Im weiteren muß ich darauf hinweisen, daß bei Entstehung dieser Vorlagen die Koalitionspresse und auch noch viele Redner während der Budgetdebatte im Ausschuß immer davon gesprochen haben, daß wir uns in einer Konjunktur befinden. Die außerordentliche Gewinnsteuer hatte ursprünglich den Namen: "Steuer aus außerordentlichen Gewinnen" und erst später ist man zu der Ansicht gekommen, daß es eigentlich unhaltbar ist, über außerordentliche Gewinne, also Erträge einer Konjunktur zu sprechen, und ist - meines Erachtens auf Grund richtiger Überlegung - zur neuen Bezeichnung der Steuer gekommen, nämlich: "Außerordentliche Steuer aus Gewinnen". Nun liegen doch die Dinge so: Es ist richtig, daß es Industrien gibt, welche geradezu eine kaum erwartete und niemals vorauszusehende Konjunktur haben. Aber alle diese Industrien sind irgendwie in Verbindung mit der Aufrüstung. Diese Aufrüstung ist jedoch - wie wir schon aus volkswirtschaftlichen Gründen verlangen und erwarten müssen - eine Entwicklung auf Zeit. Diese ungeheueren Milliardenaufwendungen Jahr für Jahr auf sich zu nehmen, würde unsere Volkswirtschaft gar nicht vertragen! Die Aufrüstungskonjunktur ist also noch keine Industriekonjunktur, welche sich auf allen Gebieten, in allen Orten, für alle Branchen so auswirken müßte, daß wir von einem allgemein gebesserten Lebensstandard sprechen könnten. Wir haben keine Konjunktur, wir haben wohl eine Besserung, die sich im großen und ganzen auf alle Wirtschaftsgebiete erstreckt. Aber, meine sehr verehrten Herren, man projiziert die heutige wirtschaftliche Produktion auf das Jahr 1929, vergißt aber dabei, daß das Jahr 1929 kein Konjunkturjahr war, sondern das letzte normale Jahr. Ein Konjunkturjahr in dem sonst üblichen Sinn war vielleicht das Jahr 1922 oder 1923. Aber im Jahre 1929 hatten wir eben noch eine normale Beschäftigung und Produktion, aber beileibe nicht eine Konjunktur, welche die Produktionskapazität ausschöpfen würde, das heißt die größtmögliche Leistungsfähigkeit unserer Betriebsstätten.

Ich freue mich, daß die Herren, die hier und im Ausschuß gesprochen haben, von der Illusion einer Konjunktur abgekommen sind, denn die Einstellung in Koalitionskreisen, aber auch im Finanzministerium, daß es eine Konjunktur gebe, wirkt verheerend, weil dadurch eine ganz schiefe Beurteilung der Situation platzgreift und - daß ich es gleich sage - auch eine ganz falsche Beurteilung der nationalpolitischen Frage. Sie begehen, meine Herren, den Fehler, daß Sie viel zu sehr die Verhältnisse im ganzen Lande nach den Verhältnissen in Prag beurteilen. Prag ist ein Industriezentrum geworden, schon deshalb, weil es die billigsten städtischen Zuschläge hat; es ist aber auch ganz klar, daß im politischen Zentrum des Staates natürlich auch ein wirtschaftliches Zentrum entsteht, das alle Vorteile des politischen Zentrums auszuschöpfen in der Lage ist. Ich stelle demgegenüber fest, daß es auch heute noch in unserem deutschen Gebiete ganze breite Strecken gibt, wo noch gar keine Konjunktur ist, wo es den Menschen noch geradeso schlecht geht wie in den Jahren der Krise. Dabei will ich durchaus nicht um einzelne Ziffern streiten, sondern nur feststellen, dal die Besserung nicht linear überall eingesetzt hat und daß es ganz ausgeschlossen ist, von einer Konj unktur im ganzen Staate oder in der ganzen Produktion zu sprechen. Das ist wichtig gegenüber der Finanzverwaltung festzustellen. Denn die Finanzverwaltung gibt sich meines Erachtens einem viel zu großen Optimismus hin, und gerade bei der Steuerbemessung scheint sie davon auszugehen, daß die Krise ganz plötzlich abgebrochen ist. Selbst wo eine größere Beschäftigung vorhanden ist, ist es nicht möglich, die Schäden der vier, fünf oder sechs Krisenj ahre sofort aus der Welt zu schaffen. Das ist ein grundsätzlicher Irrtum! Wenn einen Betrieb die Not erfaßt hat, wenn er seine Absatzgebiete verloren oder einen Preis- oder irgendwo einen Währungsverfall mitgemacht hat, so sind das Krankheiten, die nicht sofort wettgemacht werden können, sondern die noch weiter fortwirken; es ist daher unter allen Umständen notwendig, daß auch die Finanzverwaltung so viel volkswirtschaftliches Verständnis hat, daß sie die Lage richtig beurteilt. Allerdings: was die Vorlagen anbelangt, muß ich sagen, daß sie dieses Verständnis nicht bewiesen hat.

Man ist hier wieder den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Das ist kein neuer Weg, kein Weg, den man noch nie gegangen ist, sondern der übliche Weg, nicht nur bei finanzpolitischen und wirtschaftlichen Vorlagen, sondern überhaupt. Vom staatsmännischen Gesichtspunkt aus halte ich gerade diese zu große Bescheidenheit oder Bequemlichkeit nicht gerade für das Richtige, weil man allmählich die Dinge so weit ins Ungewisse treibt, daß eine Beherrschung der Entwicklung immer weniger und weniger erfolgen kann.

Ich muß auch über die Arbeiten im Ausschuß selbst bei Behandlung dieser Vorlagen Einiges sagen. Ich sagte schon, daß uns zu wenig Zeit gelassen wurde, daß wir aber auch sehr viel Zeit vertrödelt haben. Hätte man unsere Vorschläge beachtet, so hätte man, glaube ich, zusammen mit dem Referenten des Finanzministeriums durch diese oder jene Umrechnung eine größere Gleichmäßigkeit der Belastung herbeiführen können. Das hat man aber nicht getan, und so glaube ich, daß Sie alle, die die Vorlagen genau studiert und überprüft haben, das Gefühl haben, daß die Steuergerechtigkeit und die gleiche Verteilung der Lasten in ihnen nicht zum Ausdruck gekommen ist.

Ich muß aber hier, und zwar im Zusammenhang mit diesen Beschwerden, auch die grundsätzliche Frage aufwerfen, welche Funktion der Referent des Budgetausschusses oder jedes anderen Ausschusses besitzt. Was hat er für eine Funktion? Herr Koll. Remeš hat uns bewiesen, welche Funktion die richtige ist, nämlich die, ein objektives Urteil zu fällen, das auch gegen die Verwaltung sehr kritisch eingestellt ist, also das Bekenntnis einer Eigenmeinung, das Vertreten jener Gesichtspunkte, die die Sache erfordert und nicht das politische, also in diesem Falle das Koalitionsinteresse. Der Referent für die wichtigsten Vorlagen, Koll. Dr. Novák, der leider nicht hier ist, vertrat schon bei der Steuernovelle und auch jetzt nicht jenen Standpunkt, den ich beim Herrn Koll. Remeš für richtig halte, sondern den Standpunkt des Advokaten des Finanzministers. Dieser Standpunkt ist absolut falsch. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, er solle den Gesichtspunkt des Feindes gegenüber dem Finanzminister vertreten, aber worauf ich unter allen Umständen bestehen muß, ist, daß unser Referent ein Kritiker des Finanzministers und des Finanzministeriums ist. Das ist notwendig, damit das Parlament kraft seiner verfassungsmäßigen Aufgabe in der Lage ist, in der Tat die Verantwortung für die Gesetzgebung zu übernehmen, tatsächlich zu überprüfen, was bei einer Vorlage richtig ist, was geändert werden kann, aber auch: was geändert werden muß. Wir haben uns bemüht Herrn Dr. Novák zu dieser Überzeugung zu bringen, leider vergebens. Ich muß aber sagen, daß wir auch weiterhin speziell in den finanzpolitischen Fragen nicht anerkennen können, daß der Referent des Budgetausschusses der Advokat des Finanzministeriums ist, und es wird notwendig sein, daß sich die Herren, die für den Budgetausschuß - und selbstverständlich auch für die anderen Ausschüsse - berichten, eine solche Unabhängigkeit sichern, daß wir in der Tat den Willen des Ausschusses zum Ausdruck gebracht bekommen. Ich will bei dieser Gelegenheit auch ausdrücklich feststellen, daß die Kollegen bei der Verhandlung dieser Vorlagen ziemlich weitgehend die Mitarbeit der Opposition möglich gemacht haben, ich glaube nicht zum Nachteil.


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