Wir verlangen in diesem Zusammenhang auch, daß die Kollektivverträge
endlich einmal gesetzlich geregelt werden und daß darüber
hinaus die Mindestlohngesetzgebung endlich durchgeführt werde.
Denn der heutige Zustand ergibt, daß der unsoziale Unternehmer
es bisher ablehnte, im Betriebe mit der Arbeiterschaft zu verhandeln,
es ablehnte Lohnverträge mit der Arbeiterschaft einzugehen,
Löhne nach Belieben festsetzen konnte und der Arbeiter hatte
kein Recht, sich dagegen zu wehren. Wir fordern deshalb, daß
eine klare gesetzliche Regelung der ganzen Frage der Kollektivverträge
und durch die Verbindlichkeitserklärung der Kollektivverträge
endlich einmal Abhilfe geschaffen wird. Weiters ist es notwendig,
daß die regionalen Lohnunterschiede verschwinden und an
ihre Stelle eine Mindestlohngesetzgebung tritt, wobei ich keineswegs
die heutige Stabilisierung des Lohnelends gutheiße, im Gegenteil,
ich betone nochmals, wir fordern die Erhöhung der Löhne.
Der Arbeiter hat ein Recht auf den gerechten Anteil seiner Arbeit
und nicht wie bisher, daß er einfach mit jenen Schundlöhnen,
die der Unternehmer festsetzt, zufrieden sein muß. Deshalb
verlangen wir die sofortige Vorbereitung der Herausgabe eines
Mindestlohn- und Kollektivvertragsgesetzes sowie die Errichtung
von Schieds- und Einigungsämtern, für die Zwischenzeit
die Erweiterung der Rechtsverbindlichkeit der Kollektivverträge
für alle Industriegruppen. Es ist in Friedland, Rumburg und
Reichenberg schon lange der Beschluß gefaßt worden,
daß der Kollektivvertrag für verbindlich erklärt
werden soll. Die gesetzliche Frist ist verstrichen, es sind weit
über 70% der Arbeiterschaft dafür und bis heute hat
man noch mit keiner Wimper gezuckt. Dieser Zustand muß endgültig
abgeschafft werden.
In diesem Zus ammnmenhang muß auch das Überstundenwesen
- ich möchte sagen Überstundenunwesen - eine Regelung
finden. In dem letzten Jahre wurden 318.320 Überstunden geleistet
und bewilligt; von diesen wurden nicht weniger als 235.264 im
èechischen und slovakischen Gebiete gearbeitet. Den Hauptanteil
aber der Überstunden hat die Schwerindustrie, d. h. die Maschinenindustrie,
die im letzten Jahre 131.598 Überstunden geleistet hat, wovon
auf das deutsche Gebiet ganze 240 Stunden entfallen.
Ebenso ist es mit der Arbeitsvermittlung. Das Gesetz über
die Arbeitsvermittlung, das am 1. Oktober in Kraft getreten ist,
kann von der Sudetendeutschen Partei nicht gutgeheißen werden,
denn es sind die Voraussetzungen für die unparteiliche Handhabung
dieses Gesetzes nicht gegeben. Der § 3, Abs. 2 ist
eine Bestimmung, die einfach willkürlich ausgelegt werden
kann. Es ist geradezu eine Fußangel bei der Auswahl der
Kräfte. Dabei beruft sich aber das Gesetz noch darauf, daß
in erster Linie Anspruch auf Arbeit derjenige hat, der im Genuß
des Genter Systems oder im Genuß einer staatlichen Unterstützung
ist und nicht der schon jahrelang arbeitslos, aus jeder Unterstützungsaktion
ausgeschaltet ist, der Kinder und auch eine Familie zu Hause hat.
Der hat in erster Linie Anspruch auf Arbeit und wenn heute die
Pflicht auf Arbeit auferlegt wird oder wenn die maßgebenden
Herren sich damit befassen, so ist ebenso das Recht auf Arbeit
für den deutschen Arbeiter festzulegen. Daher muß auch
die Bewilligung und Weiterführung der Stellenvermittlung
nach § 6 grundsätzlich allen Organisationen zuerkannt
werden, die sich darum bewerben. Es muß auch hier der Grundsatz
der Gleichberechtigung zum Ausdruck kommen. Ebenso darf die Arbeitsvermittlung
niemals irgendwelchen Nationalisierungsbestrebungen dienen. Gegen
alle Nationalisierungsbestrebungen muß energisch eingeschritten
werden und es darf nicht vorkommen, daß zum Beispiel der
Verband der Werkmeister und Angestellten der Textilindustrie in
Náchod in seinen Mitteilungen Werkmeister für die
Firma Pollak in Fulnek sucht, welche die deutsche Sprache beherrschen
müssen, da die Stadt deutsch ist und es daran liegt, èechische
Bewerber unterzubringen. Ebenso darf es nicht vorkommen, daß
man bei der Auswahl der Arbeiter die Gendarmerie heranzieht, wie
das zum Beispiel beim Bau der Staatsstraße Pilsen-Karlsbad
der Fall gewesen ist. Ebenso ist es auch nicht gutzuheißen,
daß sich insbesondere jene chauvinistischen Grenzlerverbände
draußen in unserem deutschen Gebiet der Arbeitsvermittlung
annehmen. Sie haben auch kein gesetzliches Recht dazu. Wir haben
jetzt zum Beispiel in Brandau einen Fall gehabt, wo man Arbeiter,
die schon jahrelang bei der Firma F. A. Lange, Metallwerke in
Grünthal beschäftigt waren, infolge Rückgangs der
Konjunktur entlassen hat und jetzt, wo wieder in der Schwerindustrie
und namentlich in der Rüstungsindustrie Hochkonjunktur eingetreten
ist, stellt man Arbeiter wieder ein, aber nicht die Arbeiter,
die jahrelang in diesem Betrieb gearbeitet haben, sondern nimmt
Arbeiter aus èechischem Gebiet, die keine Ahnung von den
Metallarbeiten haben, und berücksichtigt nicht die Arbeiter,
die ein Recht dazu hätten. Gegen dieses Vorgehen müssen
wir ganz energisch protestieren. Wir verlangen auch die sofortige
Entlassung aller dieser Arbeiter, die in den letzten 6 Wochen
bei der Firma F. A. Lange angestellt wurden und die Einstellung
jener Arbeiter, die ein Recht darauf haben, bei dieser Firma Arbeit
zu erhalten. Aber hier wirkt sich nicht nur die Arbeitsvermittlung,
sondern auch das Staatsverteidigungsgesetz mit aus. Dieser Betrieb
ist vor kurzer Zeit in èechisch-jüdische Hände
übergegangen, ist demnach ein staatswichtiger Betrieb geworden
und man hat nun ein Interesse daran, zuverlässige Staatsbürger
in diesem Betriebe zu beschäftigen, und die unzuverlässigen
stellt man einfach nicht ein. Hier wirkt sich das Staatsverteidigungsgesetz,
insbesondere jener § 21 aus, der von uns unter keinen Umständen
gutgeheißen werden kann. Ich habe keine Absicht, hier das
Staatsverteidigungsgesetz zu kritisieren, denn wir haben unsere
Stellungnahme dazu bereits genügend klar bekanntgegeben.
Aber eines stelle ich hier fest, daß die deutschen Arbeiter
und Angestellten weder staatlich unzuverlässig sind, noch
bilden sie in anderer Weise eine Gefahr für den Staat. Sie
kämpfen um nichts anderes als um ihr Recht und wir Deutschen
haben ein Recht, diesen Kampf durchzuführen, weil es eben
ein soziales Unrecht ist. So wie wir auf dem Boden dieses Staates
stehen und seine Lebensbedürfnisse bejahen, so muß
der Staat den Lebensbedürfnissen der Arbeitnehmer der deutschen
Minderheit Rechnung tragen.
Bei dieser Gelegenheit muß ich auf ein Problem verweisen,
das im deutschen Gebiet besonders aktuell ist, nämlich auf
die aus verschiedenen Ursachen erfolgten Betriebsstilllegungen
und Industrieverschleppungen in das bisherige Kundenland oder
auch in das èechische Gebiet. Auch sie sind eine weitere
Anklage gegen die Rationalisierungs- und Nationalisierungsbestrebungen.
Aus den hunderten und tausenden Fällen will ich nur das Elend
von Rothau und den Kampf der Mauthner-Arbeiter in Grünwald
herausgreifen, aber auch feststellen, daß der Kampf der
Arbeiter mit gesetzlichen Mitteln um den Arbeitsplatz durchaus
unzureichend ist und die Verordnungen über Betriebsstillegungen
und Massenentlassungen gleichfalls nur unzureichenden Schutz gewähren.
Insbesondere hat sich das beim Kampfe gegen die Verlegung des
Betriebes der Apollo-Mineralöl-Raffinerie A. G. von Mähr.
Schönberg nach Preßburg gezeigt, wo trotz der Erschöpfung
aller gesetzlichen Mittel infolge des Dividendenhungers französischen
Kapitals über 100 Menschen geopfert wurden.
Ich verweise in diesem Zusammenhange auch auf die Auswirkungen
des Banken- und Kartellwesens und führe als Beispiel das
Abkommen der Verkaufsstelle der èechoslovakischen Eisenwerke
mit der Firma "Stefanauer und Zöptauer Eisenwerke"
an, die für eine Betriebsstillegung von 10 Jahren eine Abfindung
von 4 Millionen erhalten haben. Dadurch wurden in diesem Eisenwerk
mehr als 1000 Menschen arbeitslos. Bedenken Sie, meine Herren,
mit welchen Mitteln man hier zu Lande vorgeht. Einzig und allein
die Profitgier und die Kapitalssucht ist es, die mit zum Teil
die Not im sudetendeutschen Gebiet verursacht. Man soll uns nicht
kommen und sagen, daß daran die Wirtschaftskrise schuld
ist. Jawohl, wir wissen, daß diese Wirtschaftskrise eine
in der Geschichte der Menschheit beispiellos dastehende Ausplünderung
der Menschen ist, aber darüber hinaus wissen wir, daß
besonders die Not im deutschen Gebiet auf die ungleiche Verteilung
der Guter in unserem Staate hinzielt. Ebenso ist es mit den Betriebsverlegungen
ins èechische Gebiet aus nationalen Gründen. Es gehört
zu den bedauerlichsten Erscheinungen im nationalen Wirtschaftskampf,
daß Betriebe im sudetendeutschen Siedlungsraum stillgelegt
und Betriebe im èechischen Gebiet errichtet und in Gang
gesetzt werden. Die Gardinenfabrik Pacovský & Co. in
Bautsch wurde 1934 infolge Konkurses stillgelegt. Die Proßnitzer
Konfektionsfirma Sborowitz und Söhne, bekannt als Kleiderhaus
"Sbor", setzte das Unternehmen, das sie bei der exekutiven
Versteigerung erworben hatte, nicht mehr in Gang, sondern verkaufte
das Fabriksgebäude an den Zentralverband der landwirtschaftlichen
Genossenschaften für Lagerhauszwecke, um dadurch die Wiederinbetriebsetzung
der Fabrik nicht mehr zu ermöglichen.
Weiter ist der Kampf um den deutschen Arbeitsplatz in den öffentlichen
Diensten ebenso ein Kapitel, das uns berechtigt zu sagen, daß
wir nicht gleichberechtigt behandelt werden, denn fast noch krasser
als in der Privatindustrie tritt die Benachteiligung des deutschen
Elements in den staatlichen Diensten in Erscheinung und aus der
ungeheueren Materialfülle über Disziplinierungen deutscher
Staatsangestellter, Lehrer usw., will ich wiederum ein Beispiel
herausgreifen, das der Disziplinierung deutscher Tabakarbeiter
in St. Joachimsthal und in Landskron, die ganz besonders krasse
Fälle ungerechter Beurteilung und Verurteilung darstellen.
In St. Joachimsthal wurden einfach wegen Zugehörigkeit zur
deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei und wegen der
Kandidatur auf deren Listen, also infolge Ausübung staatsbürgerlicher
Rechte und Pflichten, ein Tabakarbeiter auf 3, ein anderer auf
2 Jahre und eine Arbeiterin auf immer bei Verlust ihrer
Pensionsansprüche von der Arbeit ausgeschlossen. Nicht viel
anders ist es in Landskron. Dort wurde deutschen Tabakarbeitern
und Arbeiterinnen ein Disziplinarverfahren angehängt, weil
diese eben Mitglieder der aufgelösten nationalsozialistischen
Arbeiterpartei waren. Es waren 15 Beschuldigte und in allen diesen
Fällen konnte nicht ein einziger konkreter Tatbestand erbracht
werden, aber sie wurden zum Ausschluß auf 6 Jahre, 5 Monate
und 13 Tage Gesamtdauer verurteilt. Trotz dieser offensichtlichen
Fehlentscheidung der Disziplinarkommission ist ein eingebrachtes
Gnadengesuch bis heute unerledigt geblieben.
Weiter ist auch die Ben chteiligung der Deutschen im Staatsdienste
ein unerhörtes Unrecht, von Tag zu Tag werden immer mehr
deutsche Angestellte aus dem Staatsdienst entfernt und durch èechische
ersetzt. Diese Èechisierung wird auf èechischer
Seite, wie schon Abg. Kundt im Ausschuß gesagt hat,
mit der mangelnden Vertrauenswürdigkeit begründet. Gegen
dieses machiavellistische Schlagwort müssen wir uns mit aller
Schärfe wenden, denn es geht nicht an, daß man einfach
nur aus Gründen der staatlichen Unzuverlässigkeit, die
nirgends gegeben ist, die deutschen Staatsangestellten aus dem
Staatsdienste entfernt. Man hat doch von hoher und höchster
Stelle zu wiederholtenmalen von Gerechtigkeit und gerechter Arbeitsverteilung
gesprochen und sie auch in Aussicht gestellt. Den deutschen Arbeitern
und Unternehmern wurde ein gerechter Anteil an den Arbeitsund
Erwerbsmöglichkeiten zugesagt. Wie aber die untergeordneten
Behörden diese Zusicherungen auslegen, beweist folgende Begebenheit.
Beim Bau der Staatsstraße Wallern-Prachatitz wurden zwar
deutsche Arbeiter eingestellt, aber trotz der anbefohlenen 40
Stundenwoche arbeiteten die èechischen Arbeiter 80 Stunden
und mit einem viel höheren Lohnsatz als die deutschen Arbeiter.
Daraufhin brachten wir einen Protest ein, dem Protest wurde stattgegeben,
dahin, daß die èechischen Arbeiter ebenfalls nur
40 Stunden und mit dem gleichen Lohn wie die deutschen zu arbeiten
hatten. Daraufhin verließ en alle èechischen Arbeiter
am anderen Tag den Arbeitsplatz. Ebenso ist es mit der Vergabe
der öffentlichen Arbeiten. Es wurde schon gesagt, daß
in der Zeit von 1933 bis 1936 547 öffentliche Arbeiten vergeben
wurden, davon haben die Èechen in unserem deutschen Gebiet
448 und die deutschen Unternehmer in unserem deutschen Gebiet
nur 99 erhalten. Das ist ein Verhältnis von 82:10, während
uns rechtmäßig, wenn die Gleichberechtigung auch praktisch
angewendet würde, 100% zustehen müßten, weil es
Arbeiten sind, die in unserer deutschen Heimat geleistet werden.
Noch krasser ist aber das Beispiel von Eger. Seit 1918 wurden
in Eger 21 staatliche Hochbauten mit einer Bausumme von 19 Millionen
durchgeführt. Von diesen 21 Bau ten wurde nicht eine einzige
an eine gebietsansässige deutsche Firma vergeben, sondern
lediglich untergeordnete Lieferungen und Arbeiten im Gesamtbetrag
von 125.000 Kronen an ortsansässige Gewerbetreibende vergeben.
Von 19 Millionen haben die Deutschen in der deutschen Stadt Eger
125.000 Kronen für untergeordnete Arbeiten erhalten, alle
anderen Arbeiten wurden von èechischen Firmen und èechischen
Arbeitern durchgeführt.
Mit dieser Benachteiligung hängt natürlich die direkte
Verdrängung des deutschen Arbeiters und Angestellten zus
ammen. Ich will nicht davon sprechen, in welcher Weise deutsche
Arbeiter und deutsche Angestellte in großen Industriewerken,
die irgendwie unter èechischem Einfluß stehen, behandelt
werden. Der Abbau der deutschen Arbeiter und Angestellten z. B.
in den Škodawerken. bei den Tatrawerken, ist bekannt und
ich möchte hier nur ein Beispiel herausgreifen, das Beispiel
jenes Mannes, der zum Ehrenmitglied der Národní
Jednota ernannt wurde, weil er den Èechisierungsbestrebungen
im deutschen Gebiet gewaltig Vorschub leistete. Es ist das der
Direktor der Moravia-Werke in Hombok-Marienthal.
Es könnten noch sehr viele Fälle angeführt werden,
aus denen ersichtlich ist, daß man auf èechischer
Seite bloß von Glei chberechtigung spricht, damit aber die
systematische Zugrunderichtung des Sudetendeutschtums meint. Wie
man bei Arbeitseinstellungen vorgeht, zeigt der Fall des Arbeiters
Franz Hradil in Olmütz, der als Straßenarbeiter aufgenommen
wurde. Einige Tage nach der Aufnahme fragte der leitende Ingenieur
den Arbeiter, ob er ein Èeche sei oder nicht, ob er seine
Kinder in die èechische Schule schicke. Darauf antwortete
dieser biedere einfache deutsche Arbeiter: "Ich bin ein Deutscher
und schicke meine Kinder in die deutsche Schule." Da sagte
ihm der leitende Ingenieur: "Das hätte ich einige Tage
vorher wissen sollen, dann wären Sie nicht beschäftigt
worden." Am anderen Wochenanfang wurde dieser biedere deutsche
Arbeiter aus dem Straßenbau wieder entlassen. Man könnte
also noch sehr viele Beispiele anführen, aus denen festzustellen
wäre, daß die Verdrängung des deutschen Arbeiters
und Staatsangestellten von seinem Arbeitsplatz ganz systematisch
erfolgt. Wir müssen auch feststellen, daß dieser Kampf
gegen die deutschen Bürger des Staates von den èechischen
Schutzvereinen geführt wird, die ihre besondere Aufgabe darin
erblicken, deutschen Besitzstand an Boden, Produktionsmitteln
und Arbeitsplätzen in èechischen Besitzstand umzuwandeln.
Das ist eine bekannte Tatsache, die nicht weiter ausgeführt
werden muß. Die Benachteiligung des deutschen Staatsbürgers
ist in allen Bereichen festzustellen.
Nur einen Vergleich der Steuerleistung will ich hier noch vorführen,
denn es ist nicht so, wie es vielfach dargestellt wird. Das Aufkommen
an direkten Steuern betrug im Jahre 1933 1.893 Millionen. Das
entspricht einer Kopfquote von 128ÿ50 Kronen im gesamten
Staatsgebiete. Vergleicht man nun ein annähernd gleich großes
deutsches und èechisches Gebiet, so findet man, daß
z. B. auf das Gebiet Reichenberg-Aussig, Teplitz und Karlsbad
mit 470.239 Einwohnern ein Steueraufkommen von 102.5 Millionen
entfällt, somit eine Kopfquote von 215.80 Kronen, während
im Gebiete Königgrätz, Pardubitz, Jungbunzlau, Náchod
und Pilsen bei 527.281 Einwohner das Steueraufkommen nur 64.4
Millionen beträgt, somit eine Kopfquote von 122.10 Kronen
aufweist. Die Kopfquote für das deutsche Gebiet ist nicht
nur weit höher als der Steuerdurchsch nitt für das gesamte
Staatsgebiet und für die historischen Länder, sie ist
beinahe doppelt so hoch, wie der Steuerdurchschnitt für ein
gleichwertiges èechisches Gebiet. In diesem Zusammenhang
wäre eine Aufstellung über die Steuerbelastung bzw.
das Steuereinkommen sehr lehrreich, die aus einer èechischen
Zeitung stammt. Aber mit Rücksicht auf die Kürze der
Zeit muß ich mich auf das Wichtigste beschränken und
werde mir erlauben, ein eingehendes Memorandum an die Regierung
zu richten, woraus sie ersehen kann, wie die Gleichberechtigung
im deutschen Gebiete durchgeführt wird. Wir müssen deswegen
verlangen, daß diesen schönen Worten, von denen man
nicht sattwerden kann, endlich einmal Taten folgen.
Nun zur Bautätigkeit im deutschen und èechischen Gebiet;
ich will da nur einige Zahlen anführen, die zu bedenken geben
müssen. Der Herr Fürsorgeminister hat festgestellt,
daß die günstige Wirkung aller getroffenen Maßnahmen
der Regierung in einer Erhöhung der Baubewegung um etwa 15%
zum Ausdruck kommt und er hat ausgeführt, daß im ersten
Quartal 1935 in 38 Städten für 587.000 Kubikmeter Bauraum
die Baubewilligung erteilt wurde, im ersten Quartal 1936 für
815.000 Kubikmeter, für das zweite Quartal 1935 für
865.000 Kubikmeter, für das zweite Quartal 1936 hingegen
1,890.000 Kubikmeter. Unter den vom Fürsorgeminister angeführten
38 Städten befinden sich 23 èechische, 14 deutsche
Städte und Prag. Unter den angeführten 38 Städten
befinden sich nun nicht vielleicht, entsprechend dem Bevölkerungsschlüssel
22.4% deutsche, sondern es wurden für Prag allein 592 Baubewilligungen
erteilt, für die èechischen Städte 499 und für
die deutschen Städte lediglich 160. Ebenso ist es mit dem
Benützungskonsens für Neubauten vom Jänner bis
Juli 1936, die 668 an der Zahl erteilt wurden. Wiederum in Prag
283, in èechischen Städten 292, aber nur 93 in deutschen
Städten, das 22.4%, also nahezu 1/4 der gesamten Einwohnerschaft
des Staates darstellt. Diese Ziffern zeigen mit aller Deutlichkeit,
welche Gebiete es sind, die von der Belebung der privaten Bautätigkeit
noch nicht erfaßt wurden, wie der Minister sagt. Mit doppeltem
Rechte können daher die deutschen Gebiete verlangen, bei
den staatlichen Bauaufträgen berücksichtigt zu werden,
sowie bei Ausbau von Einrichtun gen, an denen insbêsondere
im deutschen Gebiete besonderer Mangel ist. Dazu gehören
auch Krankenhausbauten, welche die Länder nur in unzureichendem
Maße im deutschen Gebiete durchführen. Man kümmert
sich im besten Falle darumn, daß alle Ärzte und Angestellte
öffentlicher Krankenhäuser die èechische Sprache
zu erlernen haben, aber nicht auch darum, daß die Einrichtungen
solcher Art den an sie gestellten Anforderungen entsprechen.
Der Herr Fürsorgeminister hat weiters vor einiger Zeit festgestellt,
daß das Ziel einer wahren und modernen Sozialpolitik nicht
nur in der Durchsetzung sozialpolitischer und schützender
Gesetze, sowie einer Hilfeleistung für die Menschen, die
ohne eigene Schuld in Verzweiflung unter der Arbeitslosigkeit
leiden, liege, sondern daß der Sinn einer wirklichen Sozialpolitik
sei, Wege der wirtschaftlichen Belebung, der Vermehrung der Arbeitsgelegenheiten
und der Erhöhung des Lebensniveaus der Bevölkerung zu
suchen. Wir sind der gleichen Ansicht, aber wir sind auch der
Ansicht, daß solche Erkenntnis rascbest in die Praxis umgesetzt
werden muß und daß auf dem bisherigen Wege nicht weiter
fortgeschritten werden kann. Wir können nicht erwarten, daß
der Verbrauch eine Erhöhung erfährt, wenn eine arbeitslose
Familie mit mehr als 3 Köpfen eine Unterstützung von
20 Kè erhält, ein kg Schweinefleisch aber 18 Kè
kostet, oder wenn ein lediger Arbeiter 10 Kè erhält,
ein Brot aber 3.60 Kè kostet. Wir sind uns der Schwierigkeiten
bewußt, die einer Einführung der obligatorischen Arbeitslosenversicherung
gegenwärtig entgegenstehen. Schwierigkeiten aber sind da,
um überwunden zu werden. Jedenfalls aber darf, so lange nicht
eine grundlegende Neuordnung des Unterstützungswesens gesichert
ist, ein Abbau der bestehenden Unterstützungseinrichtungen
nicht platzgreifen, wie dies aus kühl berechneten Erwägungen
heraus schon projektiert ist. Im Gegenteil, es müssen alle
Maßnahmen für den Ausbau der bestehenden Fürsorgeeinrichtungen
getroffen werden.