Hohes Haus! Wenn ich zur Gesetzesvorlage Druck 542, mit dem das
Steuergesetz Nr. 76 vom Jahre 1927 abgeändert wird, das Wort
ergreife, so tue ich es, um im einzelnen unseren Standpunkt zu
präzisieren.
Die Aufgaben des Staates sind überaus groß. Verwaltung,
Rechtspflege, Staatsverteidigung, auswärtige Angelegenheiten
und insbesondere die soziale Fürsorge erfordern derartig
große Beträge, daß wir einsehen, daß es
Pflicht eines jeden Staatsbürgers ist, nach seiner Leistungsfähigkeit
und wirtschaftlichen Lage dazu beizutragen. Wir vertreten die
Ansicht, daß die Finanzverwaltung das Recht hat auf den
vollen und ung.eschmälerten Ertrag der Steuerleistung, die
Allgemeinheit besitzt aber das Recht zu verlangen, daß die
Finanzverwaltung unter allen Umständen bei der Durchführung
des Gesetzes sich korrekt benimmt und daß die Veranlagung
unter allen Umständen korrekt vonstatten geht. Das Steuergesetz
Nr. 76/1927, das heute novelliert wird, ist unter ganz anderen
Voraussetzungen zustande gekommen. Das Gesetz wurde 1927 in Zeiten
der Hochkonjunktur geschaffen und sollte, den damaligen Verhältnissen
angepaßt, dem Staate mehr Einn ahmen bringen. Es zeigte
sich aber, daß diese Hoffnungen nicht eintreten konnten,
weil sich bereits bei der praktischen Durchführung des Gesetzes
bemerkbar machte, daß in der Landwirtschaft die Wirtschaftskrise
bereits begann und sich dann systematisch auf alle anderen Berufsschichten
übertrug. Diesem Umstand soll die in Behandlung stehende
Novelle Rechnung tragen und ich glaube, daß sich kein verantwortungsvoller
Mandatsträger diesem Gedanken vers chließen kann.
Es ist zu begrüßen, daß der Koalitionssiebenerausschuß
bei Schaffung der Reform die Initiative ergriffen hat. Er hat
damit dem Herrn Finanzminister seinen Standpunkt bedeutend erleichtert,
weil ein Großteil der Verantwortung auf das Parlament übergeht
und er sich darum stets vor den Steuerträgern verantworten
kann. Wir sind uns aber auch bewußt, daß die Verantwortung
des Ministers dahin vergrößert wurde, daß er
unbedingt die Verpflichtung hat, das Gesetz in der Praxis korrekt
durchzuführen. Es wurde schon öfters behauptet, daß
das beste Gesetz nichts taugt, wenn die Durchführung schlecht
ist.
Wir haben bei der Durchführung des Gesetzes Nr. 76 die Erfahrung
gemacht, daß es sich immer zum Nachteil des Steuerträgers
ausgewirkt hat. Unsere Finanzverwaltung verstand es, in jedem
einzelnen Fall das Steuergesetz so auszulegen, daß es ihrem
fiskalischen Standpunkt entsprach und sich selbstverständlich
dann zum Nachteil des Steuerträgers auswirken mußte.
Der Herr Finanzminister hat in allen Beratungen darauf hingewiesen,
daß mit ein Hauptgédanke der Novelle sei, die Steuermoral
zu heben. Wir müssen und können mit Recht konstatieren,
daß unsere Steuermoral sehr gesunken ist. Wenn wir dies
konstatieren, haben wir aber auch die Pflicht darüber nachzudenken,
wer daran eigentlich die Schuld trägt und ich kann mit viel
Recht behaupten, daß 80% des Sinkens der Steuermoral auf
unsere Steuerverwaltung zurückzuführen sind.
Unsere Steuerverwaltung und unsere Steuerbehörden sollen
immer im innigsten Kontakt mit dem Steuerträger stehen. Ich
habe immer gesagt, daß der Steuerbeamte auch g.leichzeitig
der Steuerberater des Steuerträgers sein soll. Wir sahen
aber, daß sich die Dinge in der Praxis ganz anders auswirkten
unnd in vielen Fällen mußten wir einfach sehen, daß
unsere Steuerbeamten Totengräber der Steuermoral geworden
sind. Sie hatten kein Vertrauen zum Steuerträger und haben
das Vertrauen des Steuerträgers zum Steuerbeamten derart
untergraben, daß es zu einem Zustande kam, der einfach nicht
mehr zu ertragen ist. Wir haben auch gesehen, daß sich unsere
Steuerämter ein System zurechtgelegt haben, das in jedem
einzelnen Detail das Vertrauen des Steuerträgers zum Steuerbeamten
zerrütten mußte. Wollten wir Einzelfälle anführen,
so könnten wir hunderte von Beweisen erbringen. Ich möchte
nur einen ganz krassen Fall hier zur Kenntnis bringen, der von
groß er Bedeutung für die Entscheidung der Steuerbehörden
ist. Im Steuerbezirk Neudek hat ein kleiner Landwirt Schlosser
aus Ullersloh, der über eine genaue Buchführung verfügt,
sein Einkommensteuerbekenntnis gemacht. Es wurde ihm dann die
Vorschreibung durch den Landbriefträger zugestellt, er unterschrieb
den Zustellungsschein, vergaß aber das Datum einzusetzen.
Er fand, daß die Vorschreibung bedeutend höher war,
als auf Grund seiner Fatierung erfolgen konnte. Er begab sich
sofort nach Neudek und überreichte am selben Tag die Berufung.
Nach ganz kurzer Zeit erhielt er einen abweisenden Bescheid. Trotzdem
in seinem Rekurs die Nummer des Zahlungsauftrages, das Datum der
Ausfertigung und auch die Höhe der Vorschreibung angeführt
war, wurde sein Rekurs mit der Begründung abgewiesen, daß
er frühzeitig eingebracht war. Meine Verehrten, ich glaube,
wenn man als Steuerbeamter eine Angelegenheit so erledigen will,
so ist das ganz best immt nicht dazu angetan, das Vertrauen zur
Steuerbehörde zu heben.
Noch auf einen anderen Umstand möchte ich hier hinweisen,
wodurch die Steue rmoral ganz bedeutend gesunken ist, und zwar
geschah und geschieht dies auch heute noch im Auftrag der Oberbehörden.
Die Oberbehörden teilen den einzelnen Bezirken Steuerkontingente
zu, die nicht selten keine Rücksicht auf die wirtschaftliche
Tragfähigkeit nehmen, und auch der beste Beamte kommt dann
in die Zwangslage, nicht mehr objektiv und richtig entscheiden
zu können, weil er von den Oberbehörden gezwungen wird,
sich über die Richtigkeit der Fatierungen hinwegzusetzen
und einfach Beträge vorzuschreiben, die für den betreffenden
Steuerträger nicht erfüllbar sind. Ja, ich möchte
behaupten, daß vielleicht 50% unserer Steuerrückstände
mit aus diesen ungerechten Steuervorschreibungen entstanden sind
und ich glaube, daß der Herr Finanzminister unbedingt die
Pflicht hätte, allen Steuerbehörden oder Unterbehörden
die Anweisung zugehen zu lassen, daß von dem Ministerialerlaß
vom 14. Feber 1936 über Steuerabschreibungen in allen Fällen
Gebrauch zu machen ist, wo es sich ergibt, daß die Vorbedingungen
hiefür gegeben sind.
Ichmöchteaber auch daraufhinweisen, daß in der letzten
Zeit in unseren sudetendeutschen Gebieten das Vorgehen der Exekutivorgane
berechtigte Erregung hervorgerufen hat. Es werden Fälle bekannt,
wo wegen 10 Kè, ja in einem Fall, in Wilkowitz bei Marienbad,
wegen 2.60 Kè direkte Hausdurchsuchungen veranstaltet werden
und daß man einer kleinen Gemeinde mit nur 50 Nummern an
einem Tage sogar 3 Exekutionsorgane geschickt hat. Daß das
selbstverständlich das Vertrauen der Steuerträger zum
Steueramt und zur Steuerverwaltung nicht heben kann, ist klar.
Wir glauben aber, daß durch die Novellierung jetzt mit diesem
Zustand gebrochen werden wird und das ein neuer Geist in die Verwaltung
einzieht. Denn Recht und Gerechtigkeit sollen gerade in der Steuerverwaltung
oberster Grundsatz sein. Ein rein fiskalisches Interesse oder
rein fiskalische Grundsätze wiedersprechen jeder Steuermoral
und liegen auch nicht im Interesse des Staates.
Wir stimmen für das Gesetz und hoffen, daß der von
allen Seiten so lange schon sehnsüchtig herbeigewünschte
neue Geist auch in die Finanzverwaltung einzieht, zum Nutzen des
Staates und zum Segen und zur Zufriedenheit aller Bürger.
(Potlesk.).
Hohes Haus! Es ist bedauerlich, daß der schöne Ansatz,
den der Budgetausschuß für die Vertretung der Steuerträger
bei der Debatte über die Steuernovelle gezeigt hat, so wenig
Erfolg gebracht hat. Die vorliegende Novelle zeigt trotz der nachdrücklichen
Bemühungen, die sich der Budgetausschuß gegeben hat,
durchaus nicht das richtige Verständnis für die Lage
des Steuerträgers, wenn auch der fiskalische Einfluß
etwas gemildert wurde.
Einige ganz bedeutende, wichtige Mängel grundsätzlicher
Art zeigt die Novelle vor allem für die kleineren Steuerträger,
vor allem einmal die weitere Auschaltung der Steuerträger
und ihrer Organisationen im Bemessungsverfahren, dann die weitere
Beibehaltung der Steuerungleichheit, die weiterhin fehlende Rücksicht
auf die außerordentlichen wirtschaftlichenVerhältnisse
unter unserer scheinbar dauernd gewordenen Krise, vor allem betreffend
die kleineren Steuerträger. Die Finanzverwaltung darf nicht
nur den Haushaltserfordernissen Rechnung tragen, sondern muß
auch Rücksicht nehmen auf die Bedingungen einer endlichen
Wirtschaftsbelebung, die für unseren Staat und für unsere
Verhältnisse von ganz besonderer Bedeutung ist, das heißt,
die Steuern dürfen nicht die Substanz, sondern nur die Wirtschaftserträge
erfassen. Erfassen die Steuern auch die Substanz, dann werden
sie zu einer Vermögensabgabe und dann liegt eben der klare
Fall einer Substanzbesteuerung vor, die nichts anderes darstellt
als einen Raubbau an der gesamten Wirtschaft selbst, auch wenn
nur einzelne Teile davon besonders betroffen sind. Desgleichen
wird nicht klar Rechnung getragen den sozialen Grundsätzen
unserer Zeit, auch dort nicht, wo man aus sozialen Scheingründen
Steuerungleichheit zuläßt. Schwerstwiegend ist wohl,
daß der Wirtschaftslage durchaus nicht Rechnung getragen
wird. Das zeigt die Auferlegung der letzten Steuern in den vergangenen
Monaten, die nur den fiskalischen Standpunkt vertraten und begründet
wurden lediglich mit einem Optimismus, der von vornherein von
vielen Kreisen angezweifelt wurde. Entweder lagen schlechte Ertragskalkulationen
zugrunde oder zeigte sich überhaupt kein Standpunkt weder
für die Steuerträger noch für den Fiskus, wie z.
B. bei der Fleischsteuer, für die derartig mangelhafte Erhebungen
gemacht wurden, daß sie weder vom Standpunkt der Landwirtschaft
noch vom Standpunkt der gewerbetreibenden Fleischer Geltung haben
kann.
Wenn auf diese Art und Weise Steuern eingehoben werden, dann wird
nur die bisherige falsche Linie weiter geführt, die endlich
einmal einer Überwindung bedarf, wobei an und für sich,
wie schon so oft betont werden muß, der Staatshaushalt sich
durchaus nicht nach den Wirtschaftsverhältnissen richtet.
Das zeigt das Verhältnis der Ausgaben und Einnahmen, resp.
die Veränderung derselben in den letzten Jahren. Während
die Ausgaben nur um 8% gegenüber 1927 zurückgegangen
sind, beträgt der Rückgang der Einnahmen in derselben
Zeit 29%, das heißt das Mißverhältnis zwischen
Index der Steuereingänge und dem Index der Produktion beträgt
bei uns 40%, während es z. B. in Frankreich, auf das man
sich so gern bezieht, nur 12% ausmacht, wobei bei uns im Gegensatz
zu fast allen anderen Staaten ein Exportrückgang von 70%
und ein Umsatzrückgang von 40% zu verzeichnen ist.
Es ist unmöglich, bei der Behandlung der Steuern ovelle auf
die einzelnen Paragraphen und Mängel einzugehen. Ich kann
mich daher nur auffzeigend mit einzelnen wenigen Punkten beschäftigen.
Z um § 57, Abs. 6, wäre eine Änderung der Durchführungsverordnung
wünschenswert, dahingehend, daß die Bestimmung entfällt,
wonach Handels- und Gewerbetreibende nur dann eine Ermäßigung
der Erwerbsteuer von 20% erlangen, wenn ihr Gewerbe nicht dem
sogenannten Witwenrecht unterliegt. Die Begünstigung ist
hier von vornherein illusorisch, weil es praktisch kein Gewerbe
gibt, das nicht dem Witwenrecht unterläge.
In der Bestimmung über die Minimalsteuer liegt ebenfalls
ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Steuergleichhei.t,
weil dadurch ein Kleingewerbetreibender oder Kaufmann bedeutend
schlechter gestellt ist als irgend ein anderer Empfänger
eines gleich hohen Arbeitsertrages.
§ 328a) über das Einbekenntnis auf zwei Jahre berücksichtigt
wohl den fiskalischen Standpunkt, wie er nahezu bei fast allen
Steuergesetzen und auch hier sehr stark zum Ausdruck kommt, nicht
aber den Standpunkt des Steuerträgers, der in der heutigen
Krisenzeit überhaupt nicht oder nur zum Schaden der Wirtschaft
außeracht gelassen werden kann. Ein Nachteil erwächstdem
Steuerträger vor allem dann, wenn er in Unkenntnis der erst
erlasasenen Bestimmung der lit. a) den entsprechenden Vermerk
auf dem Einbekenntnis unterlassen hat, daß er für jedes
Jahr eine neue Vorschreibung wünscht. Zum Schutz der kleinen
Steuerträger muß wenigstens zur Vermeidung großer
Störungen und Nachteile hier eine etwas wohlwollendere Auslegung
der Bestimmungen verlangt werden.
Wenn man schon bei der Erfassung der kleinen Einkommen so genau
und peinlich ist, müßte man eigentlich annehmen, daß
bei der Erfassung des Ursprungs der großen Millionenvermögen
noch um so schärfer und genauer vorgegangen wird. Da aber
hat bisher jede Bemühung und jeder Ansatz gefehlt. Unmöglich
ist auch nicht nur die Erhöhung einzelner Steuersätze,
sondern auch die Verschärfung des § 264 betreffend die
Haftpflicht. Währäend früher die Haftpflicht erst
wirksam wurde, wenn für die Gesellschafter oder Verwandten
eines zahlungsunfähigen oder zahlungsunwilligen Steuerträgers
der beauftragte Steuerträger bereits vergeblich exequiert
wurde, erwächst jetzt die Haftpflicht bereits nach einer
vergeblichen Mahnung. Trotz der im § 310 gewährten Erleichterungen
der Beweisführung sind immer noch große Schwierigkeiten
schon dadurch gegeben, daß der Steuerträger der negativen
Beweispflicht unterworfen ist, d. h., daß er die Aufgabe
hat, nachzuweisen, daß er ein von der Steuerbehörde
ihm zugemutetes oder vorgeschriebenes Einkommen oder einen Erwerbsertrag
nicht besitzt. Schwer ist dies vor allem für jene, die keine
entsprechenden Bücher führen, eben kleine Handels- und
Gewerbetreibende, die dazu einfach nicht imstande sind. Die im
Abs. 6 des § 310 festgesetzte Mög.lichkeit der Überprüfung
durch einen Sachverständigen bei mangelnder Buchführung
enthält leider keine Bestimmung, wer die Kosten eines solchen
Sachverständigengutachtens trägt, was sehr wichtig ist,
da sie leicht die Übersteuerung übersteigen können
unddamit der Steuerträger in gleicher Art, wenn nicht noch
mehr, geschädigt wird. Die Durchführungsverordnung sollte
hier um so mehr Klarheit schaffen, als in der Novelle kein Hinweis
auf die im § 338, Abs. 2, enthaltene Bestimmung gegeben ist.
Unbedingt notwendig wäre die Abschaffung der von den Finanzlandesämtern
erlassenen Steuerschlüssel, deren Erlassung durch die Fassung
des § 327 möglich war. Mögen auch die Steuerschlüssel
für einzelne Gewerbetreibende oder Steuerträger überhaupt
kleine Vorteile bieten, so haben sie sich vor allem für den
größten Teil der Handels- und Gewerbetreibenden als
äußerst nachteilig erwiesen, weil sich bei der großen
Verschiedenheit der Betriebe, der örtlichen Verhältnisse
und der Wirtschaftsgebiete keine allgemein gültigen Voraussetzungen
schaffen lassen. Wenn z. B. für Bäcker oder Schneider
die Umsätze oder Einkommen nach der Zahl der beschäftigten
Lehrlinge und Gehilfen, noch dazu nach der Maximalzahl im Laufe
des Jahres und nicht nach dem Jahresdurchschnitt, geschätzt
werden, dann ist dies aus vielfachen Gründen unmöglich.
Vor allem wird dabei außeracht gelassen, daß sehr
oft aus Mitleid Menschen beschäftigt werden, die niemals
voll ausgenützt werden können, vor allem nicht durch
das ganze Jahr hindurch. Weiters ist außeracht gelassen,
daß gerade im Gewerbestand die Arbeitsleistungen der Bes
chäftigten sehr verschieden sind, daß nicht nur Verschiedenheiten
in der Arbeitsleistung gegeben sind zwischen Lehrlingen, die 1
oder 2 1/2 Jahre beschäftigt sind, sondern auch Verschiedenheiten
zwischen der Leistung des Meisters und des Gehilfen, Verschiedenheiten
zwischen der Leistung eines alten und eines jungen Meisters, daß
vielfach Personen mitbeschäftigt werden müssen, die
durchaus minder arbeitsfähig sind. Während vom Ministerium
aus erklärt wurde, daß die Steuerschlüssel nur
als Veranlagungsbehelfe aufgefaßt werden dürfen, wurde
angeblich ein Erlaß herausgegeben, von den zweiten Instanzen,
daß unter diese Veranlagungsschlüssel nicht heruntergegangen
werden darf; also eine Unmöglichkeit, die sich auch daran
zeigt, daß Schlüssel für ganze Steuerbezirke herausgegeben
werden. deren wirtschaftliche Verhältnisse in den einzelnen
Gebieten grundverschieden sind. Es müßten mit Rücksicht
auf die Steuerträger, wenn überhaupt derartige Veranlagungsbehelfe
herausgegeben werden, die Fachorganisationen der Steuerträger
bei der Abfassung dieser Steuerschlüssel zur Beratung herangezogen
werden, damit es in Zukunft nicht vorkommt, daß der Veranlagungsschlüssel
nur die Kapazität, nicht aber den tatsächlichen Geschäftsumfang
erfaßt.
Bedauerlich ist, daß der § 236 keine Veränderung
erfahren hat, insoferne als die Wiedereinführung der Wählbarkeit
der Steuerkommissionen nicht vorgenommen wurde, da die Erwerbssteuerpflichtigen
z. B. von 11 Kommissionsmitgliedern an und für sich nur zwei
Mitglieder stellen können. Schon mit Rücksicht auf die
Ausschaltung der Fachorganisati onen im Bemessungsverfahren wäre
eine entsprechende Vertretung der Fachorganisationen, bzw. der
Steuerträger in Handel, Gewerbe und Industrie dringend zu
fordern, umsomehr, als diese Wirtschafts- und Standesgruppen die
größten Steuerleistungen im Staate aufbringen müssen.
Das gleiche gilt von den Berufungskommissionen, deren Zuständigkeitsbereiche
viel zu groß sind und deren Überlastung eine entsprechende
Arbeit nicht zuläßt. So sind bei einzelnen Kommissionen
bis zu 1.000 Erledigungen in einer Stunde vorgekommen, wodurch
selbstverständlich der Wert ihrer Arbeit vollkommen illusorisch
wird. Die Steuerkommissionen entsprechen in ihrer heutigen Zusammensetzung
nicht den an sie gestellten Anforderungen, denn sie können
bestenfalls als Nachfolgerinnen der seinerzeitigen Einkommensteuerschätzungskommissionen
aufgefaßt werden, die schon damals durchaus nicht den Bedingungen
gerecht werden konnten. Für die Erwerbssteuerschätzungen
fehlen ihnen vollkommen die Voraussetzungen, vor allem sind sie
viel zu eng, um der Vielgestalt in Handel, Gewerbe und Industrie
entsprechen zu können.
Ein schwerer Mangel der Novelle ist es, daß die Bestimmungen
über die Exekutionsordnung keine Milderung erfahren haben,
da bisher das Exekutionsverfahren große Härten für
die Steuerträger zuließ. Sehr häufig wird geg.en
die Bestimmung des § 352, Abs. 2 verstoßen, der die
Schätzung durchaus der Willkür des Amtsorganes überläßt.
Besonders unerläßlich ist ein Verbot des freien Verkaufs
gepfändeter und exequierter Waren. Vor allem müßten
Staatsbeamte unnd ihre Angehörigen von der Beteiligung am
Verkauf exequierter Waren ausg.eschlossen werden.
Wichtig wäre auch eine strenge Kontrolle über die Einhaltung
der Bestimmungen betreffend die Bekanntmachung von Versteigerungen
exeqierter Gegenstände für Steuerschulden. Wichtig ist
aber auch die Festsetzung eines exekutionssicheren Existenzminimums
ganz allgemein, da es sehr oft vorkommt, daß durch Exekutionen
und Pfändungen den Steuerträgern selbst die wichtigsten
Betriebsmittel, die zur Aufrechterhaltung und Fortführung
ihrer Betriebe unerläßlich sind, weggenommen werden.
Die Steuereintreibung ist auch aus dem Grunde sehr drückend,
weil Zwangsmaßnahmen auch zur Hereinbringung solcher Steuerrückstände
erfolgen, gegen deren Vorschreibung Rechtsmittel vorgebracht wurden,
deren Erledigung noch aussteht. Vielfach lassen sich die Behörden
in der Gewährung von Zahlungserleichterungen Zeit, was besonders
in Zeitläuften rückgängigen Wirtschaftslebens als
drückend empfunden werden muß.
Viel Schwierigkeiten im Steuerverfahren ergeben sich aus der Tatsache
daß die Steuerämter vielfach selbst nicht nach den
Grundsätzen einer neuzeitlichen Buchführung arbeiten,
obwohl sie dies von den Steuerträgern als selbstverständlich
verlangen. Häufig ergeben sich Mißstände auch
durch die mangelnde Schulung der Steuerbeamten und die dadurch
oft bedingte Außerachtlassung der gesetzlichen Vorschriften,
die bei uns an und für sich kompliziert sind.
In diesem Zus ammenhange darf auch nicht versäumt werden,
auf unsere Gebührenordnung zu verweisen, die längst
einer entsprechenden Novellierung und Vereinfachung bedarf. Zur
Vollendung der begonnenen Steuerreform und zur Vermeidung eines
Scheiterns der guten Absichten der Gesetzgeber wäre eine
hinreichende Anleitung der Behörden und ihrer Organe durchaus
nötig. Es kann nur dann mit einer erfolgreichen Durchführung
der gesetzlichen Bestimmungen gerechnet werden, wenn Sie den Beamten
eine verständnisvolle Anpassung an die Bedürfnisse der
Wirtschaft zeigen. Die Schulung der Steuerbeamten, wie sie bereits
in vielen Staaten üblich ist, hätte nicht nur bezüglich
der Steuergesetze und Verordnungen zu erfolgen, sondern auch bezüglich
der Erkenntnisse des Obersten Verwaltungsgerichtes, die vielfach
ignoriert werden, ferner auch jener Anordnungen, die zum Vorteil
der Steuerträger von den obersten Instanzen herausgegeben
wurden. Leider finden sie in der Praxis draußen durchaus
keine Anerkennung und es herrscht scheinbar die Gepflogenheit,
immer wieder neue Entscheidungen des Obersten Verwaltungsgerich
tes heraufzubeschwören,nur um die Steuerträger von der
Einbringung von Rekursen zurückzuhalten.