Støeda 29. dubna 1936

2. Øeè posl. Kundta (viz str. 54 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Diskussion zu dieser Vorlage sowohl in den Ausschüssen, als auch in diesem Hause bisher in Erinnerung rufe, so möchte ich politisch grundsätzlich zweierlei feststellen: Der eine deutscherseits vorgetragene Höhepunkt war die Rede meines Koll. Sandner, wobei er zum Ausdruck brachte, wie ehrlich und sachlich wir uns bemüht haben, in der Vorlage all das zu finden, was zu ändern ist, damit wir zustimmen können, seine Ausführungen, in denen er sogar in sehr hohem Masse das Vertrauen zu den leitenden Stellen ausspricht, daß diese Vorlage letzten Endes in all dem, was wir daran zu kritisieren haben, nicht gemacht sein wollte, um uns nationalpolitisch und nationalrechtlich irgendwie zu schädigen. Auf der anderen Seite zwei Höhepunkte der Ausführungen, die sozusagen eine Art Psychose darstellen, die das Gegenteil des Willens, Vertrauen zu Ihnen zu haben, wieder herbeiführen mußten: Nämlich die Ausführungen des Koll. Dr. Stránský im verfassungsrechtlichen Ausschuß bei der Generaldebatte, in denen er mehr oder weniger in der Zuspitzung die These zwar nicht wörtlich, aber inhaltlich vertrat: erst wenn Ihr mit den Waffen in der Hand für den Èechoslovakischen Staat Euch bewährt habt, dann könnt Ihr Rechte verlangen. Konsequent ist Ihre These, so zugespitzt, richtig. Das heißt, solange nicht ein Krieg stattgefunden hat, in dem die deutschen Soldaten ihre Pflicht für die Èechoslovakische Republik erfüllt haben, solange könnt Ihr keine Rechte beanspruchen und werdet sie nicht erhalten, weil wir kein Vertrauen zu Euch habeben. Das ist ein Gedankengang, der eben sein Ende nur in einem Krieg finden kann, und niemals eine Lösung der Nationalitätenfragage, um überhaupt einen Krieg zu vermeiden.

Der zweite Höhepunkt in diesem Hause war die Rede der Koll. Zeminová, die nicht nur das Mißtrauen unsererseits zu dem, was man vielleicht mit diesem Gesetz von mancher Seite bezweckt, verstärkte, sondern die sogar sagte: Wir haben Euch gejagt und wir werden Euch jagen. Und damit will man den Staat innerlich festigen, damit er im Kriegsfalle sicher ist, damit will man die Vaterlandstreue der deutschen Soldaten gewinnen, indem man sagt: Wir haben euch gejagt und wir werden euch jagen. (Rùzné výkøiky.) Unterschiedlich davon sind die Bemühungen anderer Redner, aber auch diese klangen immer etwas in Mißtrauen aus. Bitte, es wurde vom Koll. Mareš gesagt: Offenheit und Geradlinigkeit! Sie haben uns auch offen gesagt, Sie haben kein Vertrauen zu uns. Wir sagen Ihnen umgekehrt: Wir haben noch kein Vertrauen zu Ihnen. Das ist ganz nüchtern gesagt die Lage in einer Zeit, die außerordentlich ernst ist für den Staat, ernst für die Lebensmöglichkeiten der Nationen. Und wenn wir die Vorlage näher betrachten, so sagen wir, daß vielleicht bei der letzten Ausarbeitung der Vorlage, zumindesten aber bei dem ganzen öffentlichen Konzert der Zeitungen und vieler Redner zu dieser Vorlage, die Vorlage allzu sehr das ist, was Koll. Mareš meint: man sollte sich nicht von Stimmungen bei der Beurteilung und Fassung des Gesetzes leiten lassen. Es ist seit etwa 3 Jahren geradezu eine Kriegspsychose gesteigerter Intensität, die alles beherrscht und so weit geht, daß sie eine sachliche und nüchterne Beurteilung einer Gesetzesvorlage so ernster und weitreichender Art wie dieser unmöglich macht. Wollen wir doch einmal feststellen; die ganze Redeweise um dieses Gesetz herum und vielleicht auch der Inhalt des Gesetzes in manchen Bestimmungen, auf die ich noch andeutend kommen werde, mag unter Umständen nur den Gedanken haben: Krieg gegen Deutschland, Überfall durch Deutschland.

Wenn man ein Gesetz macht, das die Wehrbereitschaft des Staates sichern soll, dann darf man sich dabei nicht nur von einer einzigen Konstellation für den Kriegsfall leiten lassen, man hat sich auch von anderen Möglichkeiten leiten zu lassen. Heute leben Sie, bestärkt durch eine politische Gruppe im Lande und außerhalb des Landes, immer nur in der Einbildung und Vorstellung und im Glauben: Wir müssen uns gegen einen Überfall durch Deutschland schützen. Wir unsererseits haben den Glauben, daß uns Deutschland nicht überfallen will, und daß diese Angriffsabsicht nicht besteht. Wir unsererseits nehmen die Nichtangrifspaktangebote Deutschlands ernst, Sie nicht. (Výkøiky komunistických poslancù.) Wenn Sie schon - und das kann Ihnen niemand abstreiten - sich nach einer Seite schützen wollen, müssen Sie überlegen, ob nicht vielleicht die politische Geschichte Europas, besonders in der jüngsten Zeit, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wechselt, und Sie vielleicht auch nach anderen Seiten hin die Wehrhaftigkeit des Staates schützen sollen. (Posl. F. Richter: Pane kolego, porušování dobrovolnì pøijatých závazkù smluvních, vzbuzuje to dùvìru?) Schauen Sie, ich wundere mich, Herr Kollege, Sie stellen an mich die Frage des Vertrauens zu Deutschland wegen des Locarno-Paktes. Ich frage aber zurück: Warum haben Sie zu Rußland Vertrauen, das drei Verträge erst nach dem Kriege abgeschlossen hat und alle drei Staaten überfallen hat? (Posl. dr Stránský: Které?) Das waren abgeschlossene Nichtangriffspakte und Freundschaftsverträge. (Výkøiky komunistických poslancù: Které?) Die mit Asserbeidschan, Turkestan u. s. w. (Výkøiky.)

Ich rechne, und ich habe auch die Aufgabe zu rechnen, daß ich mich nach allen Seiten wehren muß, wenn es darauf ankommt. Ich bin vor nicht vielen Jahren zur Mobilisierung gegen Ungarn eingerückt und es hat Rußland anders gestanden, und es kann auch wieder anders stehen. Aber was machen Sie? Sie spüren nur von einer Seite die Gefahr und fördern selbst im Staate die andere Gefahr. Zum Beispiel: Sie werfen uns ununterbrochen ohne Beweise vor, daß wir mit Deutschland Beziehungen hätten und daß wir sie nicht haben dürfen. Sie aber gestatten hier einen Parteitag, an dem drei Emissäre einer fremden Staatsinstitution Reden halten, unter denen einer sich befindet, der gedruckt die Parole ausgegeben hat, daß im Kriegsfalle das Proletariat gegen die Bourgeoisie, also die Kommunisten gegen die Nichtkommunisten zu schießen haben. (Výkøiky komunistických poslancù.) Das gestatten Sie und Sie freuen sich sogar darüber und hoffen, daß uns die Kommunisten überwinden werden, und Sie wissen nicht, daß Sie unter Umständen einen Feind im eigenen Staate großziehen, weil Sie sich verblenden lassen und nur nach einer Seite schauen. Ich wollte das nur anführen, um zu zeigen, daß es Notwendigkeit und Pflicht ist, alle Gefahren zu sehen und nicht immer nur nach einer Seite zu schielen, und nicht auch nach der anderen Seite, wo vielleicht die Gefahr bestehen wird. Hier zeigt sich eben diese Psychose, die Sie nicht nüchtern die Realitäten der Entwicklung erkennen läßt, die z. B. Südslavien erkannt hat, denn es macht in diesem Punkte nicht mit Ihnen alle Politik mit, wenigstenst nicht, soweit es die innerstaatliche Unterstützung des Kommunismus betrifft. Hier ist die Kleine Entente aus der Ordnung gebracht worden durch die Psychose gewisser politischer Gruppen in diesem Staate. Sie können nicht mehr die alte Linie in Ruhe verfolgen, was sich äußert bei Rednern und Rednerinnen, von denen man nicht weiß, ob sie einen Haßgesang predigen oder zu einer Vorlage sprechen, die sich mit der Wehrhaftigkeit des Staates beschäftigt.

Und nun zur Vorlage selbst. Es sei mir gestattet, soweit hiezu die Zeit reicht, einiges vom verfassungsrechtlichen, nationalpolitischen und in gewissem Zusammenhange auch wehrpolitischen Standpunkt zu sagen. Der Herr Minister für nationale Verteidigung hat die Vorlage als gleichbedeutsam neben der Verfassungsurkunde bezeichnet. Nun ist die Frage, ob diese Vorlage in ihrem Inhalte nicht Möglichkeiten und Bestimmungen in sich schließt, die so ausgelegt werden können, daß sie nicht eine Vorlage wichtiger Art neben der Verfassungsurkunde darstellt, sondern die Aufhebung von wesentlichen Teilen der Verfassungsurkunde bedeutet, oder die Möglichkeit bietet, die Verfassung durch dieses Gesetz zu umgehen. Daher unterscheiden wir bei der Beurteilung der Vorlage erstens einmal zwischen jenen Bestimmungen und Hauptstücken, die für den Kriegsfall vorgesehen sind, und zweitens denen, die bereits im Frieden in Anwendung treten oder treten können. Einer der Hauptgrundsätze der èechoslovakischen Staatsverfassung ist der, worauf sich jeder demokratische Rechtsstaat aufbaut, daß die bürgerliche Freiheitssphäre durch die Staatsverfassung gegen Eingriffe geschützt ist, und daß, wenn gewisse Ausnahmen von diesem Schutze gestattet werden, ein ordentlicher Rechtszug festgelegt wird, in dem diese Eingriffe in die bürgerliche Freiheitssphäre zum Schutze der Gesellschaft und des Staates erfolgen dürfen. Ein ganz besonderes Charakteristikum jeder demokratischen Staatsverfassung und auch der unseren ist, daß sie die Vollmachten der Regierung ganz klar formuliert und den Vollzugsorganen kein freies Willkürrecht und unbeschränktes Ermessen, sondern ganz klar umschriebene Rechte einräumt, die mit den Rechten, die in der Staatsverfassung begründet sind, nicht in Widerspruch stehen dürfen. Dieser Standpunkt, daß jede Abweichung hievon verfassungswidrig ist, der demokratisch republikanischen Staatsverfassung widerspricht, ist im berühmten Danziger Entscheid des Haager Schiedsgerichtshofes auch von höchster internationaler Seite eingenommen worden. Schauen wir uns von diesem Standpunkte aus die Vorlage an.

Da haben wir besonders im Rahmen des ganzen Hauptstückes VI nicht nur für den Kriegsfall, d. h. für den Fall der Wehrbereitschaft, der Kriegserklärung, der Mobilisierung oder des Krieges überhaupt, sondern wir haben für den Friedensfall aus dem bloßen Titel der inneren Ruhe und Ordnung ein Rechtsmittel, mit welchem heute schon von manchen Staatsorganen, von manchen Bezirkshauptleuten Schindluder getrieben wird. Aus diesem Rechtstitel heraus ergibt sich die Möglichkeit nicht nur einzelne Hauptstücke dieser Vorlage für den Kriegsfall, sondern unter Umständen auch die ganzen Bestimmungen für den Kriegsfall schon im Frieden anzuwenden, wodurch eigentlich die ganze Staatsführung im Frieden auf den Obersten Verteidigungsrat übergehen kann, wobei die Regierung mehr oder weniger nur eine Fassade darstellt, denn der Rat ist doch nur von einem Teile der Regierungsmitglieder gebildet, wozu noch der militärische Faktor hinzukommt, der durchaus im Kriegsfall seine Stelle dort einzunehmen hat, der auch gewissermaßen vorbereitend schon während des Friedens zu wirken hat, dem man aber nicht aus dem Titel der inneren Ruhe und Ordnung bereits in Friedenszeiten eine diktaturmäßige Stellung einräumen kann.

Ich betrachte dieses ganze Kapitel VI, wornach aus dem Titel der inneren Ruhe und Ordnung - sei es für einen Teil des Staatsgebietes oder für das ganze Staatsgebiet - die außerordentlichen Rechte und Gewalten, die im Kriegszustand berechtigt sind, bereits in Friedenszeiten angewendet werden können, nicht als ein Gesetz neben der Staatsverfassung, sondern als die Möglichkeit der Aufhebung der wesentlichsten Grundsätze der demokratisch-republikanischen Staatsverfassung unseres Staates überhaupt. Und ich habe den Eindruck, daß dieses Kapitel nicht nur die praktische, sondern auch die rechtliche Möglichkeit bedeutet, hier vom demokratisch-republikanisch-parlamentarischen System mitten im Frieden in ein diktatorisch-autoritäres System übergehen zu können. Was heißt denn "innere Ruhe und Ordnung"? Wenn irgendwo Arbeiterkravalle aus sozialen Gründen entstehen, können sie bereits als Anlaß genommen werden, diese Ausnahmsbestimmungen anzuwenden. Es ist jederzeit die Möglichkeit gegeben, wenn man will, die Dinge so zu organisieren, daß man im Frieden mit einem Rechtsmittel die Diktatur im Staate aufrichtet.

Dann ist hier eine zweite Bestimmung, die an sich verständlich ist, daß nämlich bei Gefahr im Verzug der Herr Kriegsminister Anordnungen treffen kann, wornach bereits gewisse Bestimmungen für den Kriegsfall sofort in Kraft gesetzt werden können. Ich meine, das ist die Vollmacht an einen Mann, rein unpersönlich gedacht, an einen einzelnen Mann der Regierung, nicht einmalan die ganze Regierung. Und ich frage mich: Wenn eine Gefahr im Verzuge ist, so ist es doch sicherlich möglich, die ganze Regierung binnen ein paar Minuten zusammenzubringen und der ganzen Regierung für den äußersten Fall diese Vollmacht einzuräumen. So aber bietet man einem einzelnen Manne die Möglichkeit zu entscheiden, daß außerordentliche Umstände gelten, und durch eine kleine Art von Teilmobilisierung in mehreren Bezirken selbst den psychologischen Anstoß zu Eingriffen anderer Art zu geben. Es ist in der Weltgeschichte nicht so selten vorgekommen, daß aus ganz kleinen gegenseitigen Anlässen große Dinge entstanden sind, die dann mit einem Chaos geendet haben. Ich sehe also diese Sondervollmacht nicht ganz ein, die man da in die Hände eines einzigen Mannes gibt.

Nun der § 142 dieses Kapitels. Hier macht man die Inkraftsetzung gewisser schwerwiegender Paragraphen bereits außerhalb der Zeit der Wehrbereitschaft abhängig von Bestimmungen, die dem Parlament gar nicht bekannt sind. So heißt es hier: "wenn dies zur Erfüllung internationaler Verbindlichkeiten notwendig ist, kann durch Verordnung u. s. w." Meine Herren das ist ein Punkt, bei dem man sich fragen muß, ob solche Bestimmungen noch aus Gründen der Verteidigung oder nicht vielmehr aus Gründen des Angriffes geroffen werden. Ich frage Sie: Haben Sie Vereinbarungen mit Frankreich und Sowjetrußland auch für den Fall, daß wenn diese Mächte es wollen, Sie mitgehen müssen, und sind hier diese internationalen Bestimmungen gemeint? Denn ich kenne ja nur die internationalen Pakte, die Abwehrpakte sind, im Falle eines Angriffes einer anderen Macht, aber ich kenne keine Bestimmungen - mit Ausnahme vielleicht des Beschlusses des Völkerbundrates sonst zu marschieren. Was man aber vom Völkerbundrat zu halten hat, das haben Sie ja selbst gesehen, und das haben Sie selbst oft genug ausgesprochen. Und da würde ich diese einzige bestehende Rechtsverbindlichkeit aus internationalen Verträgen vielleicht ganz konkret anführen. Ansonsten würde diese Bestimmung nicht nur Tür und Tor für die außerordentliche Anwendung von diktatorischer Gewalt mitten im Frieden öffnen, sondern auch die Möglichkeit geben, irgendwie angriffsmäßig sich bereits im Frieden in Tätigkeit zu setzen. Dieser Paragraph muß das Mißtrauen erwecken, daß man über die Verteidigung im Angriffsfalle hinaus auf Grund irgendwelcher internationaler Verbindlichkeiten, allenfalls irgendwie durch andere gedrängt und geschoben, selbst in den Angriff hineingejagt werden könnte.

Das ganze Hauptstück VI betrachte ich deshalb als mit der Staatsverfassungsurkunde nicht vereinbarliche Bestimmungen und es ist außerordentlich schwerwiegend, daß hier die Möglichkeit geboten ist, durch ganz einfache Beschlüsse gewisser Instanzen die Machtvollkommenheiten geradezu diktatorischer Natur, die für den Krieg berechtigt sein mögen, auch für den Friedensfall in Anwendung zu bringen. Ich behaupte aber, daß auch die Kriegsbestimmungen, die ja außerordentlich die Freiheitsrechte und auch die Eigentumsrechte sowie die Selbstverwaltungsrechte der Staatsbürgerschaft einschränken, ebenfalls in der Verfassung hätten verankert werden können, wenn sie schon bei modernen Kriegen notwendig sind, indem man ganz einfach und offen sagen würde: Wir sind überzeugt, daß der moderne Krieg ganz andere Rechte für die Staatsgewalt erfordert als sie bisher in der alten Verfassung hatten vorgesehen werden können. Das müßte ganz ehrlich und klar gesagt werden, und ich schlage für diesen Fall sogar vor, eine Änderung der Staatsverfassung eintreten zu lassen. Man müßte hier ganz offen und konsequent sein und wenn man es für richtig findet im Interesse des Staates, dann soll man nichts vortäuschen, sondern soll den Mut haben, für diesen Fall die Verfassungsurkunde zu ändern.

Ein ganz besonderes Kapitel aber in Bezug auf das Verfassungsrecht, das Nationalitätenoder Minderheitsrecht sind die Bestimmungen der §§ 19 bis 21 und des § 34, also die sogenannten Unzuverlässigkeitsbestimmungen und die weitreichenden, schon im Frieden möglichen Vollmachten an Durchführungsorgane des Staates untergeordnetster Art, wie auch die Bestimmungen bezüglich der Grenzzone. Ich glaube, daß es in Friedenszeiten vom wehrpolitischen Standpunkt aus keinesfalls notwendig ist, jene Maßnahmen der bestehenden Gesetze außer Kraft zu setzen, die durch einen normalen, klaren Rechtszug im Sinne der Verfassungsurkunde gegeben sind, daß man nämlich jeden seinem Richter überlassen soll. Es ist nicht notwendig, dieses Recht auszuschalten. In den §§ 19 bis 21 wird auf Grund irgendeiner ganz unklaren Definition dem Bezirkshauptmann eine Vollmacht erteilt, die in anderen Fällen der Beurteilung von Menschen auf ihren moralischen oder sonstigen Wert nicht einmal ein Gerichtshof hat. Denn beim Gerichtshof I. Instanz ist die Möglichkeit des Instanzenzuges bis zum Obersten Gericht gegeben. Im Friedenszustand scheint mir eine derart übereilte Bestimmung nicht notwendig, daß der Bezirkshauptmann sozusagen entscheiden kann, ob es sich um einen Staatsfeind oder einen Staatsfreund handelt, wobei die Entscheidung solcher untergeordneter Organe durchaus nicht so objektiv sein wird, wie es Koll. Mareš dargestellt hat, der gemeint hat, die Garantie solle darin bestehen daß wir eine 100%ig objektive Beamtenschaft haben. Wir haben sie nicht. Denn stellen Sie sich vor - und ich nehme an, daß auch in den Versammlungen und Organisationen so gesprochen wird wie hier im Hause - stellen Sie sich einmal vor, die Beamtenschaft würde in der Weise objektiv sein, wie hier Frau Zeminová gesprochen hat, in deren Geist die ganze Beamtenschaft dieser Partei erzogen wird, so müssen wir schon sagen, daß wir an eine solche Objektivität nicht glauben können, von der Koll. Mareš gesprochen hat. (Potlesk poslancù sudetskonìmecké strany.)

Wie sieht es denn in Wirklichkeit aus? Ich könnte Ihnen jetzt eine ungeheuere Fülle von Unloyalitäten untergeordneter Organe bringen, wir haben ganze Aktenstösse nicht nur von heute und nicht nur aus der Zeit, wo man sich immer auf Hitler beruft, sondern seit Anfang des Staates, wo die Unloyalität dargestellt ist, und es ist gerade die Art des Rechtsstaates, daß man niederen Beamten die ganze Verantwortung nicht nur aufbürdet, sondern es ihnen möglich macht, die Verantwortung tragen zu können. Wie aber manche Herren in niederen Stellen der politischen Verwaltung den Größenwahn bekommen, zeigt z. B. eine Erscheinung der jüngsten Zeit. Der Herr Regierungskommissär von Brüx, Pfleger, kennt nicht nur die Loyalität der Staatsbürger gegenüber dem Staatsoberhaupt, sondern er hat in einem Erlaß von jüngst die Geltung der sozialen Arbeitslosenfürsorge der Stadt abhängig gemacht von der Loyalität gegenüber dem Stadtoberhaupt. Das zeigt, wie bereits die ganze Art, wie Sie hier oft von Loyalität sprechen, auch draußen platzgreift. Wenn mit der gleichen Loyalität, mit der ein Großteil von Ihnen selbst die Dinge beurteilt, draußen geurteilt wird und wenn mit derselben Loyalität, mit der der größte Teil der èechischen Presse das ganze Sudetendeutschtum beurteilt, vielleicht ausgenommen die Herren der Regierungsparteien, wenn nach dieser Loyalität die Beamten diese Paragraphen anwenden werden, werden Sie selbst einen grossen Teil der Staatsbürgerschaft, von dem Sie gleichzeitig den Militärdienst und von der gesamten Bevölkerung im Kriegsfall auch die Wehrbereitschaft verlangen, erst zu staatsunzuverlässigen Elementen machen. Wenn Sie jemandem einen Stempel aufdrücken, den er nicht verdient, werden Sie bei ihm eine psychologische Einstellung erzeugen, die ihn zu dem macht, was Sie nicht haben wollen.

Wenn sich hier Koll. Jaksch gerümt hat, daß die deutschen Regierungsparteien allerhand erreicht hätten an Verbesserungen der Neuformulierung, will ich daran erinnern, daß er meist im verfassungsrechtlichen Ausschuß nicht anwesend war. Er kam nur manchmal als Gast schauen und ging wieder weg. Der Vorgang war folgender: Die Bestimmung, daß die auf Grund des Gesetzes vom Jahre 1933 aufgelösten Parteien bezw. deren Mitglieder von vornherein als staatsunzuverlässig erklärt wurden, war der Inhalt des Koalitionsantrages, über den 8 Tage lang unter Beteiligung der deutschen Sozialdemokraten und des Bundes der Landwirte verhandelt wurde. Ich war es, der im verfassungsrechtlichen Ausschuß darauf aufmerksam gemacht hat, daß man damit 200.000 Deutsche und deren Familien mit einem Schlag als staatsunzuverlässig erklärt. Daraufhin hat sich die Koalition, vielleicht durch die Einsicht einiger Herren, die interessiert zugehört haben, neuerlich zusammengesetzt und hat diesen direkten Hinweis ausgelassen. Aber im Motivenbericht ist er wieder enthalten, in einer anderen Art. Das ist der wahre Vorgang, und Koll. Jaksch kann sich nicht rühmen, wie er es hier getan hat, sondern Sie haben erst der viel schlimmeren Fassung zugestimmt und erst durch den Einspruch der angeblich so einflußlosen Sudetendeutschen Partei ist eine Bestimmung hineingekommen, die aber wieder durch den Motivenbericht rückgängig gemacht worden ist. Denn es ist niemals so, daß Gesetze von der Beamtenschaft im engeren Sinne ausgelegt werden, es ist immer so, daß Gesetze und Verordnungen im weit größerem Umfang ausgelegt und angewendet werden, als sie oft vom Gesetzgeber gedacht sind. Das ist nachzuweisen an Hand der Anwendung des Parteiauflösungsgesetzes. Man hat nur formal die Funktionäre bestraft, man hat aber die ganze Masse der Parteimitglieder z. B. der deutschen Nationalpartei, Lehrer, die es im Jahre 1920 gewesen sind und später nicht einmal mehr Mitglieder waren, ins Disziplinarverfahren gezogen, in Mähren und Schlesien allein 500 und hat, trotzdem das Parteiverbot wieder zurückgenommen wurde, das Disziplinarverfahren nicht zurückgenommen. Das ist ein Beweis, in wie weitgehendem Maße das Gesetz praktisch von untergeordneten Organen des Staates angewendet wird, inweitgehenderem Masse, als Sie meinen, und wir sind überzeugt davon, daß es auch weiter so angewendet wird. Ich könnte die einzelnen Gesetze aufzählen, die seit dem Jahre 1918 verfaßt worden sind, die nicht nur durch die Novellierung eine immer größere Einengung der Rechte der Minderheiten in diesem Staate und der staatsbürgerlichen Freiheitsrechte gebracht haben, sondern die außerdem von Seiten der Staatsorgane in immer engerem Maße angewendet worden sind. Das könnte ich in langen Ausführungen, Gesetz pro Gesetz, Fall für Fall unter Beweis stellen. Darum haben wir das Vertrauen nicht, daß dieses ganz unzulängliche Verfahren, das hier vorgesehen ist, genügt, um zu sichern, daß nicht Menschen aus irgend welchen persönlichen Gegensätzen heraus, aus Denuntiationen oder aus oberflächlicher Beurteilung von untergeordneten Organen, als staatsfeindlich, als unverläßlich qualifiziert werden und in größerem Masse als schon heute um den Arbeitsplatz und damit um die Lebensgrundlage gebracht werden und damit zusammen mit den Arbeitslosen zu unzufriedenen Elementen erzogen werden, die im Falle der Wehrbereitschaft und des Krieges, wenn die Dinge sich nicht ändern, wenn das ganze nationale Problem nicht entsprechend angefaßt wird, durchaus nicht jener Sicherheitsfaktor sein werden, als Sie es selbst haben wollen.


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