Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Diskussion zu dieser
Vorlage sowohl in den Ausschüssen, als auch in diesem Hause
bisher in Erinnerung rufe, so möchte ich politisch grundsätzlich
zweierlei feststellen: Der eine deutscherseits vorgetragene Höhepunkt
war die Rede meines Koll. Sandner, wobei er zum Ausdruck
brachte, wie ehrlich und sachlich wir uns bemüht haben, in
der Vorlage all das zu finden, was zu ändern ist, damit wir
zustimmen können, seine Ausführungen, in denen er sogar
in sehr hohem Masse das Vertrauen zu den leitenden Stellen ausspricht,
daß diese Vorlage letzten Endes in all dem, was wir daran
zu kritisieren haben, nicht gemacht sein wollte, um uns nationalpolitisch
und nationalrechtlich irgendwie zu schädigen. Auf der anderen
Seite zwei Höhepunkte der Ausführungen, die sozusagen
eine Art Psychose darstellen, die das Gegenteil des Willens, Vertrauen
zu Ihnen zu haben, wieder herbeiführen mußten: Nämlich
die Ausführungen des Koll. Dr. Stránský
im verfassungsrechtlichen Ausschuß bei der Generaldebatte,
in denen er mehr oder weniger in der Zuspitzung die These zwar
nicht wörtlich, aber inhaltlich vertrat: erst wenn Ihr mit
den Waffen in der Hand für den Èechoslovakischen Staat
Euch bewährt habt, dann könnt Ihr Rechte verlangen.
Konsequent ist Ihre These, so zugespitzt, richtig. Das heißt,
solange nicht ein Krieg stattgefunden hat, in dem die deutschen
Soldaten ihre Pflicht für die Èechoslovakische Republik
erfüllt haben, solange könnt Ihr keine Rechte beanspruchen
und werdet sie nicht erhalten, weil wir kein Vertrauen zu Euch
habeben. Das ist ein Gedankengang, der eben sein Ende nur in einem
Krieg finden kann, und niemals eine Lösung der Nationalitätenfragage,
um überhaupt einen Krieg zu vermeiden.
Der zweite Höhepunkt in diesem Hause war die Rede der Koll.
Zeminová, die nicht nur das Mißtrauen unsererseits
zu dem, was man vielleicht mit diesem Gesetz von mancher Seite
bezweckt, verstärkte, sondern die sogar sagte: Wir haben
Euch gejagt und wir werden Euch jagen. Und damit will man den
Staat innerlich festigen, damit er im Kriegsfalle sicher ist,
damit will man die Vaterlandstreue der deutschen Soldaten gewinnen,
indem man sagt: Wir haben euch gejagt und wir werden euch jagen.
(Rùzné výkøiky.) Unterschiedlich
davon sind die Bemühungen anderer Redner, aber auch diese
klangen immer etwas in Mißtrauen aus. Bitte, es wurde vom
Koll. Mareš gesagt: Offenheit und Geradlinigkeit!
Sie haben uns auch offen gesagt, Sie haben kein Vertrauen zu uns.
Wir sagen Ihnen umgekehrt: Wir haben noch kein Vertrauen zu Ihnen.
Das ist ganz nüchtern gesagt die Lage in einer Zeit, die
außerordentlich ernst ist für den Staat, ernst für
die Lebensmöglichkeiten der Nationen. Und wenn wir die Vorlage
näher betrachten, so sagen wir, daß vielleicht bei
der letzten Ausarbeitung der Vorlage, zumindesten aber bei dem
ganzen öffentlichen Konzert der Zeitungen und vieler Redner
zu dieser Vorlage, die Vorlage allzu sehr das ist, was Koll. Mareš
meint: man sollte sich nicht von Stimmungen bei der Beurteilung
und Fassung des Gesetzes leiten lassen. Es ist seit etwa 3 Jahren
geradezu eine Kriegspsychose gesteigerter Intensität, die
alles beherrscht und so weit geht, daß sie eine sachliche
und nüchterne Beurteilung einer Gesetzesvorlage so ernster
und weitreichender Art wie dieser unmöglich macht. Wollen
wir doch einmal feststellen; die ganze Redeweise um dieses Gesetz
herum und vielleicht auch der Inhalt des Gesetzes in manchen Bestimmungen,
auf die ich noch andeutend kommen werde, mag unter Umständen
nur den Gedanken haben: Krieg gegen Deutschland, Überfall
durch Deutschland.
Wenn man ein Gesetz macht, das die Wehrbereitschaft des Staates
sichern soll, dann darf man sich dabei nicht nur von einer einzigen
Konstellation für den Kriegsfall leiten lassen, man hat sich
auch von anderen Möglichkeiten leiten zu lassen. Heute leben
Sie, bestärkt durch eine politische Gruppe im Lande und außerhalb
des Landes, immer nur in der Einbildung und Vorstellung und im
Glauben: Wir müssen uns gegen einen Überfall durch Deutschland
schützen. Wir unsererseits haben den Glauben, daß uns
Deutschland nicht überfallen will, und daß diese Angriffsabsicht
nicht besteht. Wir unsererseits nehmen die Nichtangrifspaktangebote
Deutschlands ernst, Sie nicht. (Výkøiky komunistických
poslancù.) Wenn Sie schon - und das kann Ihnen niemand
abstreiten - sich nach einer Seite schützen wollen, müssen
Sie überlegen, ob nicht vielleicht die politische Geschichte
Europas, besonders in der jüngsten Zeit, von Jahrzehnt zu
Jahrzehnt wechselt, und Sie vielleicht auch nach anderen Seiten
hin die Wehrhaftigkeit des Staates schützen sollen. (Posl.
F. Richter: Pane kolego, porušování
dobrovolnì pøijatých závazkù
smluvních, vzbuzuje to dùvìru?) Schauen
Sie, ich wundere mich, Herr Kollege, Sie stellen an mich die Frage
des Vertrauens zu Deutschland wegen des Locarno-Paktes. Ich frage
aber zurück: Warum haben Sie zu Rußland Vertrauen,
das drei Verträge erst nach dem Kriege abgeschlossen hat
und alle drei Staaten überfallen hat? (Posl. dr Stránský:
Které?) Das waren abgeschlossene Nichtangriffspakte
und Freundschaftsverträge. (Výkøiky komunistických
poslancù: Které?) Die mit Asserbeidschan, Turkestan
u. s. w. (Výkøiky.)
Ich rechne, und ich habe auch die Aufgabe zu rechnen, daß
ich mich nach allen Seiten wehren muß, wenn es darauf ankommt.
Ich bin vor nicht vielen Jahren zur Mobilisierung gegen Ungarn
eingerückt und es hat Rußland anders gestanden, und
es kann auch wieder anders stehen. Aber was machen Sie? Sie spüren
nur von einer Seite die Gefahr und fördern selbst im Staate
die andere Gefahr. Zum Beispiel: Sie werfen uns ununterbrochen
ohne Beweise vor, daß wir mit Deutschland Beziehungen hätten
und daß wir sie nicht haben dürfen. Sie aber gestatten
hier einen Parteitag, an dem drei Emissäre einer fremden
Staatsinstitution Reden halten, unter denen einer sich befindet,
der gedruckt die Parole ausgegeben hat, daß im Kriegsfalle
das Proletariat gegen die Bourgeoisie, also die Kommunisten gegen
die Nichtkommunisten zu schießen haben. (Výkøiky
komunistických poslancù.) Das gestatten Sie
und Sie freuen sich sogar darüber und hoffen, daß uns
die Kommunisten überwinden werden, und Sie wissen nicht,
daß Sie unter Umständen einen Feind im eigenen Staate
großziehen, weil Sie sich verblenden lassen und nur nach
einer Seite schauen. Ich wollte das nur anführen, um zu zeigen,
daß es Notwendigkeit und Pflicht ist, alle Gefahren zu sehen
und nicht immer nur nach einer Seite zu schielen, und nicht auch
nach der anderen Seite, wo vielleicht die Gefahr bestehen wird.
Hier zeigt sich eben diese Psychose, die Sie nicht nüchtern
die Realitäten der Entwicklung erkennen läßt,
die z. B. Südslavien erkannt hat, denn es macht in diesem
Punkte nicht mit Ihnen alle Politik mit, wenigstenst nicht, soweit
es die innerstaatliche Unterstützung des Kommunismus betrifft.
Hier ist die Kleine Entente aus der Ordnung gebracht worden durch
die Psychose gewisser politischer Gruppen in diesem Staate. Sie
können nicht mehr die alte Linie in Ruhe verfolgen, was sich
äußert bei Rednern und Rednerinnen, von denen man nicht
weiß, ob sie einen Haßgesang predigen oder zu einer
Vorlage sprechen, die sich mit der Wehrhaftigkeit des Staates
beschäftigt.
Und nun zur Vorlage selbst. Es sei mir gestattet, soweit hiezu
die Zeit reicht, einiges vom verfassungsrechtlichen, nationalpolitischen
und in gewissem Zusammenhange auch wehrpolitischen Standpunkt
zu sagen. Der Herr Minister für nationale Verteidigung hat
die Vorlage als gleichbedeutsam neben der Verfassungsurkunde bezeichnet.
Nun ist die Frage, ob diese Vorlage in ihrem Inhalte nicht Möglichkeiten
und Bestimmungen in sich schließt, die so ausgelegt werden
können, daß sie nicht eine Vorlage wichtiger Art neben
der Verfassungsurkunde darstellt, sondern die Aufhebung von wesentlichen
Teilen der Verfassungsurkunde bedeutet, oder die Möglichkeit
bietet, die Verfassung durch dieses Gesetz zu umgehen. Daher unterscheiden
wir bei der Beurteilung der Vorlage erstens einmal zwischen jenen
Bestimmungen und Hauptstücken, die für den Kriegsfall
vorgesehen sind, und zweitens denen, die bereits im Frieden in
Anwendung treten oder treten können. Einer der Hauptgrundsätze
der èechoslovakischen Staatsverfassung ist der, worauf
sich jeder demokratische Rechtsstaat aufbaut, daß die bürgerliche
Freiheitssphäre durch die Staatsverfassung gegen Eingriffe
geschützt ist, und daß, wenn gewisse Ausnahmen von
diesem Schutze gestattet werden, ein ordentlicher Rechtszug festgelegt
wird, in dem diese Eingriffe in die bürgerliche Freiheitssphäre
zum Schutze der Gesellschaft und des Staates erfolgen dürfen.
Ein ganz besonderes Charakteristikum jeder demokratischen Staatsverfassung
und auch der unseren ist, daß sie die Vollmachten der Regierung
ganz klar formuliert und den Vollzugsorganen kein freies Willkürrecht
und unbeschränktes Ermessen, sondern ganz klar umschriebene
Rechte einräumt, die mit den Rechten, die in der Staatsverfassung
begründet sind, nicht in Widerspruch stehen dürfen.
Dieser Standpunkt, daß jede Abweichung hievon verfassungswidrig
ist, der demokratisch republikanischen Staatsverfassung widerspricht,
ist im berühmten Danziger Entscheid des Haager Schiedsgerichtshofes
auch von höchster internationaler Seite eingenommen worden.
Schauen wir uns von diesem Standpunkte aus die Vorlage an.
Da haben wir besonders im Rahmen des ganzen Hauptstückes
VI nicht nur für den Kriegsfall, d. h. für den Fall
der Wehrbereitschaft, der Kriegserklärung, der Mobilisierung
oder des Krieges überhaupt, sondern wir haben für den
Friedensfall aus dem bloßen Titel der inneren Ruhe und Ordnung
ein Rechtsmittel, mit welchem heute schon von manchen Staatsorganen,
von manchen Bezirkshauptleuten Schindluder getrieben wird. Aus
diesem Rechtstitel heraus ergibt sich die Möglichkeit nicht
nur einzelne Hauptstücke dieser Vorlage für den Kriegsfall,
sondern unter Umständen auch die ganzen Bestimmungen für
den Kriegsfall schon im Frieden anzuwenden, wodurch eigentlich
die ganze Staatsführung im Frieden auf den Obersten Verteidigungsrat
übergehen kann, wobei die Regierung mehr oder weniger nur
eine Fassade darstellt, denn der Rat ist doch nur von einem Teile
der Regierungsmitglieder gebildet, wozu noch der militärische
Faktor hinzukommt, der durchaus im Kriegsfall seine Stelle dort
einzunehmen hat, der auch gewissermaßen vorbereitend schon
während des Friedens zu wirken hat, dem man aber nicht aus
dem Titel der inneren Ruhe und Ordnung bereits in Friedenszeiten
eine diktaturmäßige Stellung einräumen kann.
Ich betrachte dieses ganze Kapitel VI, wornach aus dem Titel der
inneren Ruhe und Ordnung - sei es für einen Teil des Staatsgebietes
oder für das ganze Staatsgebiet - die außerordentlichen
Rechte und Gewalten, die im Kriegszustand berechtigt sind, bereits
in Friedenszeiten angewendet werden können, nicht als ein
Gesetz neben der Staatsverfassung, sondern als die Möglichkeit
der Aufhebung der wesentlichsten Grundsätze der demokratisch-republikanischen
Staatsverfassung unseres Staates überhaupt. Und ich habe
den Eindruck, daß dieses Kapitel nicht nur die praktische,
sondern auch die rechtliche Möglichkeit bedeutet, hier vom
demokratisch-republikanisch-parlamentarischen System mitten im
Frieden in ein diktatorisch-autoritäres System übergehen
zu können. Was heißt denn "innere Ruhe und Ordnung"?
Wenn irgendwo Arbeiterkravalle aus sozialen Gründen entstehen,
können sie bereits als Anlaß genommen werden, diese
Ausnahmsbestimmungen anzuwenden. Es ist jederzeit die Möglichkeit
gegeben, wenn man will, die Dinge so zu organisieren, daß
man im Frieden mit einem Rechtsmittel die Diktatur im Staate aufrichtet.
Dann ist hier eine zweite Bestimmung, die an sich verständlich
ist, daß nämlich bei Gefahr im Verzug der Herr Kriegsminister
Anordnungen treffen kann, wornach bereits gewisse Bestimmungen
für den Kriegsfall sofort in Kraft gesetzt werden können.
Ich meine, das ist die Vollmacht an einen Mann, rein unpersönlich
gedacht, an einen einzelnen Mann der Regierung, nicht einmalan
die ganze Regierung. Und ich frage mich: Wenn eine Gefahr im Verzuge
ist, so ist es doch sicherlich möglich, die ganze Regierung
binnen ein paar Minuten zusammenzubringen und der ganzen Regierung
für den äußersten Fall diese Vollmacht einzuräumen.
So aber bietet man einem einzelnen Manne die Möglichkeit
zu entscheiden, daß außerordentliche Umstände
gelten, und durch eine kleine Art von Teilmobilisierung in mehreren
Bezirken selbst den psychologischen Anstoß zu Eingriffen
anderer Art zu geben. Es ist in der Weltgeschichte nicht so selten
vorgekommen, daß aus ganz kleinen gegenseitigen Anlässen
große Dinge entstanden sind, die dann mit einem Chaos geendet
haben. Ich sehe also diese Sondervollmacht nicht ganz ein, die
man da in die Hände eines einzigen Mannes gibt.
Nun der § 142 dieses Kapitels. Hier macht man die Inkraftsetzung
gewisser schwerwiegender Paragraphen bereits außerhalb der
Zeit der Wehrbereitschaft abhängig von Bestimmungen, die
dem Parlament gar nicht bekannt sind. So heißt es hier:
"wenn dies zur Erfüllung internationaler Verbindlichkeiten
notwendig ist, kann durch Verordnung u. s. w." Meine Herren
das ist ein Punkt, bei dem man sich fragen muß, ob solche
Bestimmungen noch aus Gründen der Verteidigung oder nicht
vielmehr aus Gründen des Angriffes geroffen werden. Ich frage
Sie: Haben Sie Vereinbarungen mit Frankreich und Sowjetrußland
auch für den Fall, daß wenn diese Mächte es wollen,
Sie mitgehen müssen, und sind hier diese internationalen
Bestimmungen gemeint? Denn ich kenne ja nur die internationalen
Pakte, die Abwehrpakte sind, im Falle eines Angriffes einer anderen
Macht, aber ich kenne keine Bestimmungen - mit Ausnahme vielleicht
des Beschlusses des Völkerbundrates sonst zu marschieren.
Was man aber vom Völkerbundrat zu halten hat, das haben Sie
ja selbst gesehen, und das haben Sie selbst oft genug ausgesprochen.
Und da würde ich diese einzige bestehende Rechtsverbindlichkeit
aus internationalen Verträgen vielleicht ganz konkret anführen.
Ansonsten würde diese Bestimmung nicht nur Tür und Tor
für die außerordentliche Anwendung von diktatorischer
Gewalt mitten im Frieden öffnen, sondern auch die Möglichkeit
geben, irgendwie angriffsmäßig sich bereits im Frieden
in Tätigkeit zu setzen. Dieser Paragraph muß das Mißtrauen
erwecken, daß man über die Verteidigung im Angriffsfalle
hinaus auf Grund irgendwelcher internationaler Verbindlichkeiten,
allenfalls irgendwie durch andere gedrängt und geschoben,
selbst in den Angriff hineingejagt werden könnte.
Das ganze Hauptstück VI betrachte ich deshalb als mit der
Staatsverfassungsurkunde nicht vereinbarliche Bestimmungen und
es ist außerordentlich schwerwiegend, daß hier die
Möglichkeit geboten ist, durch ganz einfache Beschlüsse
gewisser Instanzen die Machtvollkommenheiten geradezu diktatorischer
Natur, die für den Krieg berechtigt sein mögen, auch
für den Friedensfall in Anwendung zu bringen. Ich behaupte
aber, daß auch die Kriegsbestimmungen, die ja außerordentlich
die Freiheitsrechte und auch die Eigentumsrechte sowie die Selbstverwaltungsrechte
der Staatsbürgerschaft einschränken, ebenfalls in der
Verfassung hätten verankert werden können, wenn sie
schon bei modernen Kriegen notwendig sind, indem man ganz einfach
und offen sagen würde: Wir sind überzeugt, daß
der moderne Krieg ganz andere Rechte für die Staatsgewalt
erfordert als sie bisher in der alten Verfassung hatten vorgesehen
werden können. Das müßte ganz ehrlich und klar
gesagt werden, und ich schlage für diesen Fall sogar vor,
eine Änderung der Staatsverfassung eintreten zu lassen. Man
müßte hier ganz offen und konsequent sein und wenn
man es für richtig findet im Interesse des Staates, dann
soll man nichts vortäuschen, sondern soll den Mut haben,
für diesen Fall die Verfassungsurkunde zu ändern.
Ein ganz besonderes Kapitel aber in Bezug auf das Verfassungsrecht,
das Nationalitätenoder Minderheitsrecht sind die Bestimmungen
der §§ 19 bis 21 und des § 34, also die sogenannten
Unzuverlässigkeitsbestimmungen und die weitreichenden, schon
im Frieden möglichen Vollmachten an Durchführungsorgane
des Staates untergeordnetster Art, wie auch die Bestimmungen bezüglich
der Grenzzone. Ich glaube, daß es in Friedenszeiten vom
wehrpolitischen Standpunkt aus keinesfalls notwendig ist, jene
Maßnahmen der bestehenden Gesetze außer Kraft zu setzen,
die durch einen normalen, klaren Rechtszug im Sinne der Verfassungsurkunde
gegeben sind, daß man nämlich jeden seinem Richter
überlassen soll. Es ist nicht notwendig, dieses Recht auszuschalten.
In den §§ 19 bis 21 wird auf Grund irgendeiner ganz
unklaren Definition dem Bezirkshauptmann eine Vollmacht erteilt,
die in anderen Fällen der Beurteilung von Menschen auf ihren
moralischen oder sonstigen Wert nicht einmal ein Gerichtshof hat.
Denn beim Gerichtshof I. Instanz ist die Möglichkeit des
Instanzenzuges bis zum Obersten Gericht gegeben. Im Friedenszustand
scheint mir eine derart übereilte Bestimmung nicht notwendig,
daß der Bezirkshauptmann sozusagen entscheiden kann, ob
es sich um einen Staatsfeind oder einen Staatsfreund handelt,
wobei die Entscheidung solcher untergeordneter Organe durchaus
nicht so objektiv sein wird, wie es Koll. Mareš dargestellt
hat, der gemeint hat, die Garantie solle darin bestehen daß
wir eine 100%ig objektive Beamtenschaft haben. Wir haben sie nicht.
Denn stellen Sie sich vor - und ich nehme an, daß auch in
den Versammlungen und Organisationen so gesprochen wird wie hier
im Hause - stellen Sie sich einmal vor, die Beamtenschaft würde
in der Weise objektiv sein, wie hier Frau Zeminová
gesprochen hat, in deren Geist die ganze Beamtenschaft dieser
Partei erzogen wird, so müssen wir schon sagen, daß
wir an eine solche Objektivität nicht glauben können,
von der Koll. Mareš gesprochen hat. (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.)
Wie sieht es denn in Wirklichkeit aus? Ich könnte Ihnen jetzt
eine ungeheuere Fülle von Unloyalitäten untergeordneter
Organe bringen, wir haben ganze Aktenstösse nicht nur von
heute und nicht nur aus der Zeit, wo man sich immer auf Hitler
beruft, sondern seit Anfang des Staates, wo die Unloyalität
dargestellt ist, und es ist gerade die Art des Rechtsstaates,
daß man niederen Beamten die ganze Verantwortung nicht nur
aufbürdet, sondern es ihnen möglich macht, die Verantwortung
tragen zu können. Wie aber manche Herren in niederen Stellen
der politischen Verwaltung den Größenwahn bekommen,
zeigt z. B. eine Erscheinung der jüngsten Zeit. Der Herr
Regierungskommissär von Brüx, Pfleger, kennt nicht nur
die Loyalität der Staatsbürger gegenüber dem Staatsoberhaupt,
sondern er hat in einem Erlaß von jüngst die Geltung
der sozialen Arbeitslosenfürsorge der Stadt abhängig
gemacht von der Loyalität gegenüber dem Stadtoberhaupt.
Das zeigt, wie bereits die ganze Art, wie Sie hier oft von Loyalität
sprechen, auch draußen platzgreift. Wenn mit der gleichen
Loyalität, mit der ein Großteil von Ihnen selbst die
Dinge beurteilt, draußen geurteilt wird und wenn mit derselben
Loyalität, mit der der größte Teil der èechischen
Presse das ganze Sudetendeutschtum beurteilt, vielleicht ausgenommen
die Herren der Regierungsparteien, wenn nach dieser Loyalität
die Beamten diese Paragraphen anwenden werden, werden Sie selbst
einen grossen Teil der Staatsbürgerschaft, von dem Sie gleichzeitig
den Militärdienst und von der gesamten Bevölkerung im
Kriegsfall auch die Wehrbereitschaft verlangen, erst zu staatsunzuverlässigen
Elementen machen. Wenn Sie jemandem einen Stempel aufdrücken,
den er nicht verdient, werden Sie bei ihm eine psychologische
Einstellung erzeugen, die ihn zu dem macht, was Sie nicht haben
wollen.
Wenn sich hier Koll. Jaksch gerümt hat, daß
die deutschen Regierungsparteien allerhand erreicht hätten
an Verbesserungen der Neuformulierung, will ich daran erinnern,
daß er meist im verfassungsrechtlichen Ausschuß nicht
anwesend war. Er kam nur manchmal als Gast schauen und ging wieder
weg. Der Vorgang war folgender: Die Bestimmung, daß die
auf Grund des Gesetzes vom Jahre 1933 aufgelösten Parteien
bezw. deren Mitglieder von vornherein als staatsunzuverlässig
erklärt wurden, war der Inhalt des Koalitionsantrages, über
den 8 Tage lang unter Beteiligung der deutschen Sozialdemokraten
und des Bundes der Landwirte verhandelt wurde. Ich war es, der
im verfassungsrechtlichen Ausschuß darauf aufmerksam gemacht
hat, daß man damit 200.000 Deutsche und deren Familien mit
einem Schlag als staatsunzuverlässig erklärt. Daraufhin
hat sich die Koalition, vielleicht durch die Einsicht einiger
Herren, die interessiert zugehört haben, neuerlich zusammengesetzt
und hat diesen direkten Hinweis ausgelassen. Aber im Motivenbericht
ist er wieder enthalten, in einer anderen Art. Das ist der wahre
Vorgang, und Koll. Jaksch kann sich nicht rühmen,
wie er es hier getan hat, sondern Sie haben erst der viel schlimmeren
Fassung zugestimmt und erst durch den Einspruch der angeblich
so einflußlosen Sudetendeutschen Partei ist eine Bestimmung
hineingekommen, die aber wieder durch den Motivenbericht rückgängig
gemacht worden ist. Denn es ist niemals so, daß Gesetze
von der Beamtenschaft im engeren Sinne ausgelegt werden, es ist
immer so, daß Gesetze und Verordnungen im weit größerem
Umfang ausgelegt und angewendet werden, als sie oft vom Gesetzgeber
gedacht sind. Das ist nachzuweisen an Hand der Anwendung des Parteiauflösungsgesetzes.
Man hat nur formal die Funktionäre bestraft, man hat aber
die ganze Masse der Parteimitglieder z. B. der deutschen Nationalpartei,
Lehrer, die es im Jahre 1920 gewesen sind und später nicht
einmal mehr Mitglieder waren, ins Disziplinarverfahren gezogen,
in Mähren und Schlesien allein 500 und hat, trotzdem das
Parteiverbot wieder zurückgenommen wurde, das Disziplinarverfahren
nicht zurückgenommen. Das ist ein Beweis, in wie weitgehendem
Maße das Gesetz praktisch von untergeordneten Organen des
Staates angewendet wird, inweitgehenderem Masse, als Sie meinen,
und wir sind überzeugt davon, daß es auch weiter so
angewendet wird. Ich könnte die einzelnen Gesetze aufzählen,
die seit dem Jahre 1918 verfaßt worden sind, die nicht nur
durch die Novellierung eine immer größere Einengung
der Rechte der Minderheiten in diesem Staate und der staatsbürgerlichen
Freiheitsrechte gebracht haben, sondern die außerdem von
Seiten der Staatsorgane in immer engerem Maße angewendet
worden sind. Das könnte ich in langen Ausführungen,
Gesetz pro Gesetz, Fall für Fall unter Beweis stellen. Darum
haben wir das Vertrauen nicht, daß dieses ganz unzulängliche
Verfahren, das hier vorgesehen ist, genügt, um zu sichern,
daß nicht Menschen aus irgend welchen persönlichen
Gegensätzen heraus, aus Denuntiationen oder aus oberflächlicher
Beurteilung von untergeordneten Organen, als staatsfeindlich,
als unverläßlich qualifiziert werden und in größerem
Masse als schon heute um den Arbeitsplatz und damit um die Lebensgrundlage
gebracht werden und damit zusammen mit den Arbeitslosen zu unzufriedenen
Elementen erzogen werden, die im Falle der Wehrbereitschaft und
des Krieges, wenn die Dinge sich nicht ändern, wenn das ganze
nationale Problem nicht entsprechend angefaßt wird, durchaus
nicht jener Sicherheitsfaktor sein werden, als Sie es selbst haben
wollen.