Bei der Arbeitslosenfürsorge müssen wir verlangen, daß die bisherige Art und Weise der Durchführung abgeändert wird. Es geht nicht an, die Arbeitslosenfürsorge schematisch zu betreiben. Wir verlangen eine relative Behandlung der einzelnen Gebiete der Arbeitslosigkeit. Es ist ein großer Unterschied, ob beispielsweise in einem Gebiete eine Arbeitslosigkeit von 6 Monateneintritt oder ob die Arbeitslosigkeit schon seit 4 Jahren in der schwersten Form vorhanden ist, wo es hunderte und tausende Leute gibt, die seit 36 Monaten noch nicht einen einzigen Lohn erhalten haben. Eine solche Arbeitslosigkeit herrscht vor allem im Glasgebiet Steinschönau, im Industriegebiet Zwickau und in den Grenzbezirken Nordböhmens, in Georgswalde usw. Die Gemeinde Steinschönau z. B. hat bei 5340 Einwohnern 2290 gezählte Arbeitslose. Die Umlagenbasis der Gemeinde ist gegenüber dem Jahre 1930 von 191.800 Kè auf 30.300 Kè gesunken. Die Stadt Georgswalde hat bei einer Einwohnerzahl von 8000 Einwohnern 2661 gezählte Arbeitslose. Dazu kommen viele hunderte, die nicht gezählt werden, weil sie aus jeder Unterstützung ausgeschlossen sind. Die Steuerbasis ist von 137.000 Kè auf 34.000 Kè gesunken. Die kleine Gemeinde Filippsdorf mit 2200 Einwohnern hat 1370 gezählte Arbeitslose mit Familienangehörigen bei einer Steuerbasis von 10.000 Kè. Daraus ist ersichtlich, daß die Unterstützung der Arbeitslosen durch die Gemeinden infolge der Geldnot so gut wie ausgeschlossen ist. Wir verlangen für die Arbeitslosenunterstützung vor allem die Beseitigung der geradezu unmenschlichen Richtlinien, die nicht Rücksicht nehmen auf die wirkliche Not, sondern ganz bürokratisch schablonenhaft die Behandlung und Erledigung der Arbeitslosenangelegenheiten betreiben. Wenn z. B. ein Arbeiter mit Frau und 4 Kindern im Bezug der Ernährungskarte ist und stirbt, so wird seiner Frau und seiner Familie die Ernährungskarte sofort entzogen, weil die Richtlinien es so verlangen. Wir fordern neue Richtlinien, die menschlich abgefaßt sind und ich würde da vorschlagen, daß die Kommission, die die neuen Richtlinien auszuarbeiten hat, nicht in Prag zusammentritt, sondern in Steinschönau und daß sie während der Ausarbeitung der Richtlinien auf Ernährungskarten nach den Richtlinien angewiesen ist.
Die Bedeutung der produktiven Arbeitslosenfürsorge begegnet weiteren Schwierigkeiten dadurch, daß sie von den meisten Gemeinden nicht in Anspruch genommen werden kann, weil diesen die notwendigen Zusatzgelder fehlen. Wenn ein Arbeiter 8 Kè Staatszuschuß erhält, so hat die Gemeinde aus eigenen Mitteln 20 Kè aufzubringen, was nur in wenigen Gemeinden möglich ist.
Welch große Verwirrung auf dem
Gebiete des Unterstütungswesens und der Sozialpolitik besteht,
geht daraus hervor, daß z. B. gestern der Abg. Wagner die
Forderung erheben konnte nach Aufhebung der Sozialversicherung
während der Krise. Ich glaube, Herr Wagner ist sich der
Ungeheuerlichkeit dieser Forderung gar nicht bewußt gewesen, sonst
hätte er sie nicht stellen können.
Místopøedseda Špatný (zvoní):
Upozoròuji pana øeèníka, ze jeho øeènická lhùta již uplynula.
Posl. Krumpe (pokraèuje): Ich schließe sofort.
Gestern ist die Vorlage über die
zweijährige Dienstzeit aufgelegt worden und viele Redner haben
die Stärkung der Wehrhaftigkeit und Wehrhaftmachung der Jugend
verlangt. Wenn man aber die Jugend wehrhaft machen will, muß man
sie erst genügend ernähren. Eine Jugend, die nichts zu essen hat,
kann nicht wehrhaft sein. Darum lautet unsere erste Forderung,
die Wehrhaftigkeit dadurch zu heben, daß man den Arbeitslosen
und ihren Familien Brot gibt. (Potlesk.)
Hohes Haus! Schon einigemale wurde von dieser Stelle aus auf die große finanzielle Notlage unserer Selbstverwaltungskörper hingewiesen. Man hat wohl die sicher berechtigten Beschwerden und Klagen angehört und entgegengenommen, man hat einen Beratungskörper eingesetzt, aber über die Beratungen kam man noch nicht hinaus. Inzwischen schreitet die finanzielle Zerrüttung unserer Selbstverwaltungskörper fort. Und doch sind wir uns alle bewußt, daß die Grundlage zur guten Wirtschaftsführung der Selbstverwaltungskörper nur ihre Finanzen sind. Leider ist es heute so, daß der finanzielle Zerfall in den Selbstverwaltungskörpern mit Riesenschritten vorwärtsschreitet. Nicht etwa durch eine schlechte Verwaltung der Selbstverwaltungskörper selbst, wie es vielfach unsere bürgerlichen Vertreter zu sagen belieben, nein, es sind ganz andere Ursachen da. Ich will durch aus nicht anstehen zu erklären, daß es auch Gemeinden geben kann und gibt, die nicht richtig verwalten und wirtschaften können, - aber das ist nur ein ganz kleiner Prozentsatz und man darf daher nicht generalisieren. Der weitaus größte Teil unserer Selbstverwaltungskörper führt eine tadellose Wirtschaft, verwaltet ganz ausgezeichnet und nur eines macht man dem größten Teil jener Selbstver waltungskörper zum Vorwurf, nämlich daß sie eine Fürsorgearbeit eingeleitet haben, die früher niemals bestanden hat. Mit Vorliebe spricht man heute noch von der sogenannten "roten Inflationsfürsorge", aber ich möchte gleich feststellen: Keine rote Inflationsfür sorgearbeit, sondern das, was unsere Vertre ter in den Verwaltungskörpern machen, ist nichts anderes, als eine selbstverständliche Arbeit und von unserem Standpunkt aus eine grundsätzliche Arbeit, denn die Aufgabe einer Gemeinde ist es, für den Menschen von der Wiege bis zum Grabe zu sorgen. Wenn unsere Selbstverwaltungskörper unter einer solchen finanziellen Not zu leiden haben, ist daran vorwiegend das Gemeindefinanzgesetz vom Jahre 1927 mit all seinen Auswirkungen schuld. Wer in Gemeinde- und Bezirksvertre tungen tätig ist, kann beobachten, wie die Verschuldung in den Gemeinden vorwärts schreitet. Die Gemeinden und Bezirke sind leider nicht mehr in der Lage, ihren Ver pflichtungen nachzukommen, jede Entwicklungsmöglichkeit ist ihnen unterbunden. Es ist ja klar, daß die Krise mit ihren Auswirkungen auch vor den Selbstverwaltungskörpern nicht halt gemacht hat. Die Einnahmen sind katastrophal gesunken und die Anforde rungen an die Selbstverwaltungskörper steigen. Deshalb weisen fast alle Voranschläge der Selbstverwaltungskörper große Abgänge auf. Die Mittel des Landesfondes reichen bei weitem nicht aus, um die Voranschläge aus zugleichen und ein Ausgleich der Voran schläge im eigenen Wirkungskreise ist bei nahe ein Ding der Unmöglichkeit. Die Folgen dieses Zustandes sind dann Drosselung der Ausgaben, vorwiegend jener Ausgaben, die nicht auf einem gesetzlichen Titel beruhen. Es müssen unterbunden werden die Straßen bauten, der Ausbau der Straßenpflege, alle Subventionen, die Fürsorgekorporationen, kul turellen Organisationen gewährt worden sind, auch die soziale Arbeit in den Gemeinden muß unterbunden werden, weil keine Geldmittel zur Verfügung stehen. Wenn Sie einmal die Möglichkeit hätten, in die Gemeinndestuben zu kommen und zu beobachten, wie all jene Arbeiten, die mit schwerer Mühe aufgebaut wurden, eingestellt werden müssen! Ich denke da z. B. an die Einstellung der vielen, vielen Volksküchen in verschiedenen Orten, der Kinderhorte, der Kindergärten, der Heimstätten für Obdachlose und all jener großen Fürsorgearbeit, die in verschiedenen Gemeinden geleistet wurde. Diese gesperrten Fürsorgeeinrichtungen bedeuten vermehrte Not der Ärmsten. Ein Beispiel, wie sich das auch nach anderer Richtung hin auswirkt. Kennzeichnend ist da ein Erlaß, den vor einigen Tagen die Gemeinde Eger herausgegeben hat. Sie betont, daß sie nicht in der Lage sei, jene Beträge an die Gemeinden zu refundieren, die sie für nach Eger heimatszuständige Arme verausgaben. Das sagt alles! Sicherlich bedeuten diese Beträge für die Zufahrten der Heimatszuständigen in die Ortsgemeinde in einem Budget nicht allzu viel. Aber es ist klar, daß die Gemeinden auch diese Summen einsparen müssen, weil ihnen keine Beträge zur Verfügung stehen. Ich wiederhole mit allem Nachdruck, daß, wie auch dieser Erlaß wieder zeigt, die Ärmsten der Armen die Leidtragenden sind. Und gerade jetzt, in dieser großen Krisenzeit, wurden die Gemeinden viel, sehr viel Geld brauchen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.)
Sie müssen eine Aufgabe selbst leisten, die eigentlich dem Staate zufällt. Sie tragen Sorge für die große Zahl der Arbeitslosen. Aber so wie es wirklich wünschenswert wäre und wie es noch vor dieser Krise möglich war, können die Gemeinden diese Aufgabe nicht restlos durchführen. Es ist nicht möglich, Darleben zu gemeinnützigen Arbeiten zu erhalten. Es stockt daher die produktive Arbeitslosenfürsorge. Notwendig wäre, daß die Investitionen durchgeführt werden, eine Aufgabe selbstverständlich, die in erster Linie wiederum der Staat übernehmen müßte. Wenn es nicht der Fall ist, so bedauern wir es, und stellen von hier aus das dringende Ersuchen, daß man den Gemeinden die Möglichkeit gebe, daß sie Arbeit für die Arbeitslosen beschaffen können. Denn die Arbeitsbeschaffung ist heute das dringendste Problem.
Ich möchte in diesem Zusammenhange auf die Rede des Herrn Ministerpräsidenten Malypetr verweisen, der gesagt hat, er wäre sich dessen wohl bewußt, daß in den Randgebieten und vorwiegend in den nordböhmischen Randgebieten die Arbeitslosigkeit verheerend wirke, aber er glaube, daß dort nicht genügend Möglichkeit für Investitionen gegeben sei. Darauf möchten wir dem Herrn Ministerpräsidenten antworten. Es gibt genug Arbeitsmöglichkeiten, es braucht nur der gute Wille gezeigt und das Geld zur Verfügung gestellt werden. Ich verweise darauf, daß z. B. in unseren Gebieten dringende Arbeiten notwendig wären. Der Herr Ministerpräsident möge sich einmal mit dem Eisenbahnministerium ins Einvernehmen setzen und nachkontrollieren lassen - aber in einer verkehrsreichen Stunde - die Bahnhöfe von Aussig, von Bodenbach, und er würde sehen, daß hier dringende Arbeit vorhanden ist, daß man für Hunderte und abermals Hunderte Arbeitslose Arbeit schaffen könnte. Diese Bahnhöfe sind heute nichts anderes als Mausefallen und wenn sich bei dies em Reiseverkehr in dem einen oder dem anderen Bahnhofe nicht mehr Unglücksfälle ereignen, so ist es wahrlich ein Wunder.
Oder ich möchte den Herrn Ministerpräsidenten bitten, er möge sich mit dem Herrn Justizminister ins Einvernehmen setzen und Kontrollen in die verschiedenen Bezirksgerichtsgebäude hinausschicken, und er würde sehen, wieviel Arbeit für die Arbeitslosen durch die Errichtung neuer Gerichtsgebäude geschaffen werden könnte. Es ist ja vielfach schon ein Skandal, wie unsere Gerichte untergebracht sind. Er möge nach Aussig, Karbitz, Görkau schauen. (Posl. Heeger: Falkenau, auch die Kreisgerichte!) Auch die Kreisgerichte. Ich spreche nicht von Falkenau, ich spreche nicht von Mähren und Schlesien, weil ich mich ja mit der Frage der Gerichtsgebäude hier nicht befasse. Gerichtsgebäude müssen erbaut werden, aber ich führe dies nur als Beweis an, daß auch in unseren nordböhmischen Gebieten genügend Arbeitsmöglichkeit vorhanden ist. Es sind ja vorwiegend die Industriestädte, die unter der Arbeitslosigkeit zu leiden haben. Leider - und ich möchte von dem Kapitel, das ich hier bespreche, durchaus nicht abweichen - sind die Gemeinden durchaus nicht in der Lage, die Arbeitslosen auch nur durch kleine Beträge zu unterstützen. Alle Spenden bleiben leider heute schon aus. Die Menschen, die die Möglichkeit hatten, noch etwas zu spenden, haben sich an die Not dieser armen Leute schon gewöhnt und gehen daran vorüber. Vielfach aber haben die Menschen nicht mehr die Möglichkeit, immer wieder zu spenden und so manche haben auch das Herz nicht am rechten Fleck und halten ihre Taschen zugeknöpft. Deshalb fließen die Spenden lange nicht in jenem Maße ein, wie es notwendig wäre.
Wir stehen vor einem neuen Krisenwinter. Ich will das heute mit allem Nachdruck von dieser Stelle aus betont wissen. Der Aufgabenkreis der Selbstverwaltungskörper wächst dadurch auß erordentlich. Es hat vor mir meine Koll. Blatný auf die Not der Arbeitslosen und der Kinder hingewiesen und es hat Koll. Taub im sozialpolitischen Ausschusse sich ebenfalls mit diesem Problem beschäftigt. Ich unterstreiche alle diese Reden und füge noch hinzu: Es ist die höchste Zeit, daß man auch den Gemeinden endlich Mittel zur Verfügung stellt, damit sie die vielfach jetzt schon unterbundene Fürsorgearbeit wieder aufbauen und die begonnenen Arbeiten fortsetzen können.
Ich möchte hier erwähnen, daß es trotz der furchtbaren finanziellen Zerrüttung der Gemeinden noch immer Gemeinden gibt, die Vorbildliches leisten. Es soll durchaus nicht eine Bevorzugung der Stadtgemeinde Aussig sein, wenn ich sie hier anführe. Ich bin mir dessen bewußt, daß auch andere Gemeinden vorbildliche Arbeit geleistet haben, insbesondere dort, wo wir Sozialdemokraten dominierend sind und beeinflussend wirken können. Wenn ich aber Aussig anführe, so nur deshalb, weil ich selbst Gemeindevertreterin bin und die Arbeit dort mit beobachten kann. Die Stadtgemeinde Aussig leistet trotz der großen Not außerordentlich Hervorragendes. Es läuft die Bekleidungsaktion, die Ernährungsaktion, es sind überall Schulküchen eingeführt, es werden Ausspeisungen für die armen Arbeitslosen eingerichtet, kurz es wird alles getan, was im Bereich des Möglichen liegt. Aber, meine Herren und Frauen, diese so geleistete Arbeit wird nicht von allen Menschen anerkannt, sondern man nennt vielfach diese Arbeit eine Verschwendung. Es ist keine Verschwendung, sondern die Erfüllung einer Aufgabe, die den Gemeinden obliegt und nun drängt sich uns bei Betrachtung dieser Sachlage eine bange Frage auf: Wie lange soll dieser Zustand noch anhalten?
Meine Herren und Frauen, wir stellen heute die strikte Forderung, daß endlich einmal die längst geplante Sanierungsaktion der Gemeinden und Bezirke durchgeführt wird, die keinen Aufschub mehr dulden kann. Es müssen die Fehler der Koalition des Jahres 1927 endlich gutgemacht werden. Aber wir betonen ebenso mit Nachdruck, daß bei der geplanten Regelung die Selbstverwaltung nicht angetastet werden darf. Jede Kuratel der Bürokratie lehnen wir heute schon ab. Wir lehnen es aber auch ab, daß die Sanierung auf Kosten der breiten Schichten der Bevölkerung er folgt. (Sehr richtig!) Es ist bekannt, daß man sich auch damit beschäftigt, die Sanie rung der Gemeinden durch Einhebung einer Kunstfettabgabe herbeizuführen, die etwa 18 Millionen tragen soll. Meine Herren und Frauen, die Bevölkerung erträgt keine weitere Belastung. Dezidiert will ich von dieser Stelle aus erklären: Grundsätzlich lehnen wir die Sa nierung der Finanznot der Selbstverwaltungs körper auf Kosten der noch größeren Not der Bevölkerung ab; was wir wollen, ist, daß die Finanzen unserer Selbstverwaltungskörper auf eine gesunde Grundlage gestellt werden, aber nicht auf Kosten der breiten Schich ten der Bevölkerung.
Und nun erbitte ich mit Ihre Aufmerksam keit für einige Schul- und Kulturfragen. Ich hatte die Möglichkeit, im Budgetausschuß mich mit diesem Problem eingehender zu be schäftigen, hier möchte ich mich nur vorwie gend mit der Not unserer Schuljugend be schäftigen. Meine Herren, es ist ein unbeding tes Gebot der Stunde, daß unsere Schuljugend nicht mehr hungern und frieren darf. Diesen Satz müßte man überall in unseren Körper schaften und bei den Behörden plakatieren, die mit der Schuljugend zu tun haben. Wir haben in der Èechoslovakei 3/4 Millionen Arbeitslose, diese haben cca. 300.000 vorschul und schulpflichtige Kinder. Ahnen Sie, meine Herren und Frauen, was es bedeutet, daß heute der Großteil dieser 300.000 Kinder der größten Verelendung preisgegeben sind? Keine noch so schön vorgetragenen Worte ver mögen Ihnen das Elend zu schildern. Ich wünschte nur, daß sich die, die es angeht, einmal vor 8 Uhr morgens vor die Schultore stellen würden, um die kleinen Jammergestalten zu sehen, die sich, dürftig bekleidet, vielfach verwahrlost und verhungert, in die Schule schleichen. Das sind keine Kinder mehr, das sind lebende Leichname, die da in die Schule hineinschleichen. Solche Kinder sind dann freilich in der Schule für den Unterricht nicht aufnahmsfähig. Der Magen ist ein energischer Rebell und läßt sich nicht bändigen, ein Gebieter, der jederzeit sein Recht fordert, der aber auch gleichzeitig die Kinder vom Schulunterricht ablenkt.
Vor einiger Zeit sprach ich mit einigen Lehrern, die mir erklärten, daß ein Unterrichten in der Schule vielfach nicht mehr möglich ist. Das trifft insbesondere für die Schulen in den Randgebieten unseres Staates, im Erzgebirge, im Riesengebirge, im Böhmerwald, in den verelendeten Gebieten zu. Diese Lehrer erklären, daß die Kinder in der Schule ohnmächtig werden, weil sie ohne jede Nahrung in die Schule kommen, weil sie oft stundenlang laufen müssen, ohne etwas im Magen zu haben. Diese Kinder schlafen während des Unterrichtes ein. Die Lehrer stehen also da, ohne den Kindern helfen zu können und die geistige Nahrung, die sie ihnen verabfolgen, ist ohne jedweden Nährwert. Hier müßte wiederum eingegriffen werden, weil die Gemeinden nicht in der Lage sind. Hier müßten überall von staatswegen Schulküchen eingerichtet werden, Ernährungsaktionen in vermehrtem Maßstabe erfolgen. Wir anerkennen, was der Herr Minister für soziale Fürsorge in dieser Beziehung gemacht hat und auch weiter zu tun gedenkt, aber die Ernährungsaktion müßte in vermehrtem Maßstabe einsetzen. Wenn man helfen will, meine verehrten Herren und Frauen, dann muß schnell geholfen werden, ehe es zu spät ist. Es geht heute um das kostbarste Gut eines Staates, eines Volkes, es geht um seine Jugend.
Nun gestatten Sie mir, daß ich auf eine Frage zu sprechen komme, die ich bereits im Budgetausschuß behandelt habe. Vor kurzer Zeit wurde die Öffentlichkeit auf einen Plan des Schulministeriums aufmerksam gemacht, dem zufolge eine 100%ige Erhöhung der Kollegiengelder und eine Beschränkung der von den Kollegiengeldern Befreiten auf 25% der Studentenschaft geplant ist. Im Einvernehmen mit der freien Vereinigung sozialistischer Akademiker erklären wir heute hier folgendes: "Wir halten es eines demokratischen Staates unwürdig, die Bildung zu einem Monopol der besitzenden Klassen zu machen, da durch, daß man durch Beschränkung der Befreiungen auf 25 % es der mittellosen Studentenschaft, die den größten Teil der Studentenschaft bildet, unmöglich macht zu studieren. Wenn der Ärmste und der Rechste das gleiche Kollegiengeld zahlen müßte, dann ist die Gleichberechtigung aller Staatsbürger zu einer nichtssagenden Phrase degradiert worden. Faktisch bedeutet die Durchführung dieses Planes einen Numerus clausus für die mittellose Studentenschaft, während das Geld einem unfähigen Reichen den Antritt und oft auch den Erfolg des Studiums ermöglichen kann. Die Bildung würde so eine Funktion des Geldes werden. Wir halten diesen Plan nicht nur für reaktionär und den Anschauungen eines modernen demokratischen Staates hohnsprechend, sondern auch für staatsfeindlich, da durch die Zutrittsverwehrung der breiten Volksschichten zum Universitätsstudium das Volk nicht auf jenen Bildungsgrad geführt werden kann, den ein demokratischer Staat beansprucht. Wir legen daher schärfsten Protest gegen diese Protegierung der kapitalskräftigen Schichten ein und wissen uns hierin einig mit dem übergroßen Teil der Studenten beider Nationen. Wir verlangen im Gegensatz zur bisherigen Praxis und im Gegensatz zur gegenwärtigen Vorlage eine Staffelung der Kollegiengelder, die sich an die Vermögensverhältnisse und Einkünfte der Eltern der Studierenden anpaßt. In diesem Sinne schlagen wir mit der erwähnten Vereinigung vor: Bei Einkommen unter 15.000 Kè ist die Befreiung nicht unter den bisherigen Bedingungen (ausgezeichneter Studienerfolg), sondern grundsätzlich schon bei regelmäßigem Studienerfolg zu gewähren. Die 15.000 Kè-Grenze bezieht sich auf Durchschnittsverhältnisse. Kinderreichtum oder Krankheit müßten gemäß der gegenwärtigen Praxis berücksichtigt werden. Bei Einkommen zwischen 15.000 und 30.000 Kè bleiben die jetzigen Bedingungen in Geltung (also ganze oder halbe Befreiung bei ausgezeichnetem Studienfortgang). Die weitere Staffelung ist dem Unterrichtsministerium und dem Finanzministerium vorbehalten". Wir bitten das Unterrichtsministerium, diesen von uns gemachten Vorschlag und gleichzeitig diese Erklärung zur Kenntnis zu nehmen.
Nun möchte ich noch Ihre Aufmerksamkeit auf die Not unseres Volksbildungsschulwesens lenken. Die zerrütteten Finanzen unserer Selbstverwaltunkskörper haben auch diesen Zweig der Kulturarbeit fast vollstän dig lahmgelegt. Man muß, ohne daß es im Willen dieser Selbstverwaltungskörper gelegen ist, auch an diesem Kulturgut sparen. Es nützen uns hier durchaus nichts die tatsächlich guten Volksbildungsgesetze, wenn uns zu ihrer Durchführung die Finanzen fehlen. Leider müssen wir konstatieren, daß im Voranschlag für 1935 Abstriche gemacht worden sind. Gerade im heurigen Jahr hätten wir eine Erhöhung für dringend notwendig gehalten und sie daher auch gewünscht, denn die Volksbildung ist ein außerordentlich wichtiger Faktor und in dieser Zeit gewinnt sie an besonderer Bedeutung. Sie hat, ich wiederhole, in dieser Zeit einen großen ideellen und auch praktischen Wert. Nach der praktischen Seite hin gewertet, möchte ich nur folgendes sagen: Es wäre möglich, daß man im Rahmen der Volksbildung Vorträge für die Arbeitslosen hält, daß man ihre sicherlich ungewollt freie Zeit zu Vorträgen für die Vertiefung ihrer fachlichen Kenntnisse benützt, daß man Umschulungskurse hält. Wir sind uns dessen bewußt, daß durch die Einführung neuer Methoden, durch die Rationalisierung nicht mehr allen aus dem Produktionsprozeß hinausgeschleuderten Menschen die Möglichkeit geboten ist, zu ihrem früheren Beruf zurückzukehren. Man müßte also an die Umschulung dieser derzeit arbeitslosen Menschen denken. Ich weiß, Sie werden sagen, das gehöre vielleicht nicht in den Rahmen dieses Kapitels, aber der Erlaß des Schulministeriums vom 10. November 1923 gibt dazu die Möglichkeit. Und die ideelle Beeinflussung der Menschen ist dringender denn je. Es wäre die Aufgabe aller unserer Volksbildungsausschüsse, die demokratische Erziehung und Beeinflussung unserer Jugendlichen durchzuführen. Man müßte aber nicht nur diese Vorträge für die Jugendlichen halten, sondern auch für die Erwachsenen. Ich brauche wohl nicht hier darauf zu verweisen, wie notwendig wären, Vorträge über die Notwendigkeit des Zusammenlebens und des Wirkens der Nationen auf dem Boden dieses Staates, über Demokratie usw. Im Willen der Bezirksausschüsse liegt es wohl, diese Vorträge zu halten, aber es fehlen ihnen leider die Mittel. Im Voranschlag selbst finden wir für diese Aufgaben wieder einen Betrag von 700.000 Kè. Es gibt in der Èechoslovakei für alle Nationen etwa 600 Bezirksbildungsausschüsse. Wenn man jedem dieser Ausschüsse 1.000 Kè zur Verfügung stellen würde, was kein allzu hoher Beitrag ist, so würde das im Jahre 600.000 Kè ausmachen. Von dem budgetierten Voranschlag würden dann noch 100.000 Kè übrig bleiben. Diese braucht man für Organisation, Verwaltung, Hochschulwesen, Zentralorganisation, bäuerliche Erziehungsarbeit usw., freilich langen sie dazu nicht aus. Der Betrag ist also viel zu gering, um damit die großen selbstgestellten Aufgaben zu erfüllen. Aber es ist hier noch ein weiterer großer Mangel zu verzeichnen. Trotz der gesetzlichen Unterlagen des Volksbildungsgesetzes erkennt das Finanzministerium dieser Budgetpost nur den Charakter der Freiwilligkeit zu, d. h. diese Subventionen für das Bildungswesen können gewährt werden oder auch nicht. (Posl. Müller: Meistens nicht!) Meistens nicht; in jedem Falle ist aber diese Subvention von der Zustimmung des Herrn Finanzministers abhängig und da liegt nun der große Mangel auch darin, daß diese Subventionen erst im letzten Quartal eines jeden Jahres ausgezahlt werden. Die Bezirks- und Ortsbildungsausschüsse sind also nicht in der Lage, rechtzeitig ein Programm zusammenzustellen. Sie wissen nicht, welche Beträge ihnen ausgezahlt werden und ob sie für ihre Arbeit überhaupt einen Beitrag erhalten. Wir stellen daher die dringende Forderung, daß der präliminierte Betrag vollständig ausgezahlt und den Bezirksbildungsausschüssen zur freien Disposition gegeben wird. Wenn ich diese Forderung stelle, will ich sie auch gleichzeitig begründen. Wir haben für das Jahr 1933 die Feststellung machen können, daß von den 171 deutschen Bezirksbildungsausschüssen nur 78, also nur ein kleiner Prozentsatz, die Beträge erhalten hat und auch nicht in jenem Maße, wie sie ihnen gebührten, sondern nur einen kleinen Bruchteil. Damit ist eine kulturelle Aufbauarbeit nicht möglich.
Nun ein Wort über Demokratie und Schule. Bevor ich über dieses Kapitel spreche, erachte ich es als meine Pflicht, auf einen Teil des Erlasses zu verweisen, den das Schulministerium im April 1933 herausgegeben hat. In diesem Erlaß heißt es unter anderem: "Daher haben sich die Professoren und Lehrer beim Unterricht und überhaupt bei jedem Zusammentreffen mit der Schülerschaft jeder parteipolitischen Kundgebung, Bemerkung und Erläuterung zu enthalten, welche in den Schülern den Eindruck einer nationalen, politischen oder religiösen Voreingenommenheit des Lehrers erwecken und die Erziehung zur Verträglichkeit schädigen oder gar die Ergebenheit für die Èechoslovakei bedrohen und untergraben könnte". Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Selbst auf das Risiko hin, daß mir wiederum ein Teil der Lehrer, wie es im Vorjahr geschah, nachsagt, daß ich denunziere, will ich einige Tatsachen aufzeigen, die in striktem Widerspruche mit dem Erlaß des Unterrichtsministeriums stehen. Was ich hier sage, will ich auch mit Beweisen belegen, damit ich den Herren auch zeige, daß ich hier nicht etwa nur Verdächtigungen ausspreche, sondern Tatsachen vorbringe, wie ich sie selbst erheben konnte. Daß der Herd des Faszismus vorwiegend in unseren Mittelschulen ist, darüber brauche ich wohl nicht allzuviel zu sagen. (Posl. Kaufmann: Das ist ein öffentliches Geheimnis!) Es ist ein öffentliches Geheimnis, aber ich konstatiere mit größtem Bedauern, daß dieses Geheimnis auch vielfach von einigen Bürokraten des Schulministeriums gedeckt wird. (Výkøiky posl. inz. Neèase a Kaufmanna.) Wenn ich das hier sage, bin ich jederzeit bereit, dafür auch die Beweise zu liefern. Einen Beweis will ich Ihnen hier nicht vorenthalten. Ich habe mir, wenn man das Wort "entliehen" in diesem Zusammenhange gebrauchen darf, aus einer Mittelschule eine Zeitschrift entliehen, die sich betitelt: Zeitschrift für Deutschkunde. Sie wird herausgegeben von den Herren Fricke, Hofstätter, Linden usw. und erscheint in Leipzig. Aber sie wird hier von einer Mittelschule abonniert. Damit sie nur einen kleinen Bruchteil dieser Zeitschrift kennen lernen . . . (Posl. Kaufmann: Die in èechoslovakischen Schulen kolportiert wird!) Ich sage, Gen. Kaufmann, ich habe sie mir sozusagen entliehen. Sie wird nicht nur kolportiert, sondern direkt abonniert, und ich will Ihnen eine kleine Kostprobe aus dieser Zeitschrift hier vorlesen. Da heißt es unter anderem: "Die marschierenden braunen Kolonnen der SA. trugen als Bekenner der neuen Lebensanschauung Hitlers Idee in die entlegenste Hütte, waren aber zugleich auch in ihrer Straffheit und Schlichtheit sichtbarstes Sinnbild für die Zucht, die die Voraussetzung aller Aufbauarbeit im Innern ist. Gerade durch die Vermittlung dieser Rraunhemden, die durch die gemeinsame Tracht, die gleiche Grußform, das gleiche Symbol des Hakenkreuzes, die gleiche Geste und die gleichen Rufe, kurz durch die gleiche Haltung Gemeinschaft schaffen, hat der große Volkspsychologe Hitler wohl am wirkungsvollsten zu den breiten Volksmassen gesprochen, ihre seelische Verfassung von hier aus sehr stark beeinflußt". (Rùzné výkøiky.) Meine Herren und Frauen! Sie sind jetzt schon bei dieser kleinen Kostprobe entrüstet, aber ich will Ihnen hier noch eine stärkere Dosis vortragen. Ich habe Ihnen den Teil eines Aufsatzes vorgelesen, der den Titel trägt: "Das politische Kampflied der Gegenwart im Unterricht". In diesem Aufsatz wird das politische Kampflied für den Unterricht befürwortet. Aus welchen Gründen es befürwortet wird, will ich Ihnen nicht sagen. Ich will den Artikelschreiber, Herrn Martin Wähler, selbst zu Worte kommen lassen. Er sagt: "Welche Aufgabe und Sinn haben die politischen Kampflieder? Der größte Teil der Lieder bei den Nationalsozialisten gibt den Weg" - ich bitte, gut zuzuhören - "zur Durchführung des Programms, zur Gewinnung der Herrschaft. Revolutionär wie das Ziel, ist der Weg". Wenn ich Ihnen aber nicht so ein Kampflied vorlesen würde, würden Sie durchaus nicht wissen, wie revolutionär der Weg ist und was man sich unter Durchführung dieses Programms vorstellt. Es werden einige solcher Kampflieder in dieser Zeitschrift abgedruckt. Lassen Sie sich eines vorlesen. Ich bitte, auf die Betonung legen Sie durchaus keinen Wert, ich bemerke, rezitieren kann ich nicht. Es steht darin: