Wir übersehen dabei durchaus nicht, daß die Art, wie der vorjährige Rektor der èechischen Universität die sich aus diesem Gesetz ergebenden Fragen betrieben hat, keineswegs sachlichen Motiven entsp rungen ist. Wir finden es daher begreiflich, daß der akademische Senat der deutschen Universität, der sich mit der Tatsache der Übergabe der Insignien bereits abgefunden hatte, nach einer Form suchte, welche für die deutsche Universität tragbar ist. Darum haben auch wir alle Bemühungen um einen geeigneten Ausweg unterstützt. Die Verhandlungen über die Form der Übergabe waren bereits eingeleitet. Die verantwortlichen Organe der deutschen Universität wußten, daß sie im Gange waren, es wäre daher ihre Pflicht gewesen, Ansammlungen der Studentenschaft und die Aufforderung zum Studentenstreik nicht zuzulassen. Die Professoren der deutschen Universität haben aber durh ihr ganzes Vorgehen und insbesondere ihre Permanenzerklärung alle diese Bemühungen aufs schwerste gefährdet und tragen daher hiefür die Verantwortung. Indem wir dies feststellen, können wir den deutschen Professoren den Vorwurf nicht ersparen, daß sie dem Geist der nationalistischen Undulds amkeit unter dem akademischen Nachwuchs, der ihrer Erziehung anvertraut ist, nicht nur niemals entgegengetreten sind, sondern ihn noch gefördert haben. Wir haben gegen diesen Geist, unter dem nicht in letzter Linie die fortschrittlich gesinnte Studentenschaft und vor allem die sozialistischen Studenten oft genug zu leiden hatten, gegen diesen Geist, welcher der wissenschaftlichen Ausbildung und der wissenschaftlichen Forschung sehr wenig förderlich ist, immer angekämpft und werden nicht aufhören, ihn zu bekämpfen.
Aber diese Tatsachen rechtfertigen in gar keiner Weise die nationalistischen Ausschreitungen von der anderen Seite. Wir können uns zur Charakterisierung dieser Vorgänge auf die Worte berufen, die der jetzige Rektor der Karls-Universität Prof. Drachovský, dessen vornehme Haltung im Laufe der beklagenswerten Ereignisse wir durchaus anerkennen, den èechischen Studenten zugerufen hat: "Kann uns eine Demonstration, insbesondere wenn sie mit Erscheinungen verbunden ist, die sich mit der geltenden Rechtsordnung und mit der öffentlichen Ordnung nicht vereinbaren läßt, schneller und besser zum Ziele führen, als das gesetzmäßige Vorgehen?"
Jene Kreise aber, die den Patriotismus jederzeit im Munde führen, haben mit der Schürung von Straßenkrawallen, bei denen charakteristischerweise vor allem die Fensterscheiben von kulturellen Institutionen, und zwar auch von èechischen, zu Schaden gekommen sind, ihrer Nation und - wie die nationalistischen Wiener Studentenkrawalle und die Exzesse der reichsdeutschen nationalsozialistischen Presse aufzeigen - den Staatsinteressen wahrhaftig keinen guten Dienst erwiesen. Wir richten unsere Anklage nicht so sehr gegen jene jungen Leute, die von gewissenlosen Drahtziehern irregeführt wurden, sondern vor allem gegen diese selbst, die aus der Aufpeitschung nationalistischer Leidenschaften politischen Profit zu ziehen verstehen und zu diesem Zwecke auch selbst von der Verbreitung von erfundenen Alarmmeldungen, wie etwa, daß auf der Universität geschossen wurde, nicht zurückgeschreckt sind. Wir anerkennen, daß die Regierung diesem Treiben entschieden entgegengetreten ist und erwarten zuversichtlich, daß sie entschlossen ist, den Frieden unter den Völkern dieses Staates gegen solche gewissenlose Störungsversuche zu schützen.
Wir wollen in diesem Zusammenhang zu dem bekannten Sprachenerlaß des Egerer Kreisgerichtsvizepräsidenten nur einige Worte sagen. Die Untersuchung des Falles ist eingeleitet und wir haben nicht die Absicht, ihrem Ergebnis vorzugreifen. Wir müssen aber feststellen, daß nicht nur der Erlaß selbst aufreizend ist, sondern daß vor allem die Methode, eine kurzfristige Abwesenheit des Kreisgerichtspräsidenten auszunützen, um hinter seinem Rücken eine Verfügung zu treffen, die infolge ihrer Grundsätzlichkeit nicht ohne Wissen des zuständigen Ressortministers hätte getroffen werden dürfen, schon vom Standpunkte der Staatsautorität aus unbedingt zu verwerfen ist.
Wenn wir alle diese Vorgänge aufs tiefste beklagen, so geben wir uns doch zugleich der festen Hoffnung hin, daß die große Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten in íhrer Verurteilung mit uns einig ist. Wir sind überzeugt, daß sich vor allem die arbeitenden Schichten des èechischen wie des deutschen Volkes durch künstlich inszenierte Streitigkeiten um sachlich bereits entschiedene Fragen von ihren wahren Interessen nicht ablenken lassen. Wir werden uns jedenfalls in unserem Kampfe um die Herstellung eines herzlichen Einvernehmens zwischen den Völkern im Staate durch nichts beirren lassen. Denn wir wissen, daß nur durch die Zusammenfassung aller demokratischen Kräfte des Staates der soziale Aufstieg und die Milderung des Krisenleidens gesichert werden kann. Im Dienste dieser Bestrebungen wollen wir nach wie vor unsere Kräfte einsetzen. Wir unterstreichen die schönen Worte eines angesehenen èechischen Blattes, das da schreibt: "Der vernünftige und gewissenhafte Bürger, Èeche oder Deutscher, wird heute in dieser Republik im Dienste der nationalen Verständigung auf dem Felde der ehrlichen Arbeit zur Sicherstellung für Brot und Frieden für die breitesten Schichten der Bevölkerung tätig sein. Eine Sünde gegen die Republik ist heute jede Kleinlichkeit, Gewissenlosigkeit, Oberflächlichkeit in nationalen Dingen, jede nationale Aufgeblasenheit und Herausforderung, die nichts gemein hat mit nationalem Selbstbewußtsein und insbesondere jede gewinnsüchtige Spekulation mit den nationalistischen Stimmungen, dort, wo Gefühle und Leidenschaften von gewissenhafter Vernunft beherrscht sein müssen."
In diesem Geiste zu arbeiten,
sind auch wir gewillt und wir wollen alles daransetzen, daß im
èechischen wie im deutschen Volke dieser Geist den Sieg davontragen
wird. (Potlesk.)
Hohes Haus! Der Herr Finanzminister Dr. Trapl hat in seinem Exposé bei der Vorlage des Staatsvoranschlages für das Jahr 1935 Hoffnungen auf eine bessere wirtschaftliche Zeit erweckt. Weder ich noch auch die breite Öffentlichkeit, die steuerzahlende Bürgerschaft wird dieser Hoffnung rechten Glauben schenken. Die heutige Wirtschaftslage wird von Tag zu Tag schlechter und trostloser für die arbeitenden Schichten des Volkes, insbesondere aber für den schaffenden, steuerzahlenden und staatserhaltenden Mittelstand. Wenn ich gerade auf diesen Stand hinweise, sei besonderes Augenmerk darauf gerichtet, daß heute niemand übersehen kann und darf, daß das Baugewerbe mit seinen Tausenden und Abertausenden Arbeitern fast gänzlich darniederliegt. Man muß weiter sehen, daß das Bekleidungsgewerbe, sei es das Schuhmacher- oder das Kleidermachergewerbe und was immer, langsam aber sicher dem Ruin entgegengetrieben wird. Wir sehen aber auch, daß infolge des Rückganges des Konsums, des Sparens in den einzelnen Haushalten, auch das Lebensmittelgewerbe eine kolossale Einbuße erlitten hat und daß die Verdienstmöglichkeiten im Lebensmittelgewerbe sehr stark nachgelassen haben. Wir sehen aber auch, daß der Staat auf der einen Seite das mittelständische Gewerbe und den Handel mit neuen Steuern und Abgaben belastet, während er auf der anderen Seite großkapitalistischen Unternehmungen stets eine hilfreiche Hand bietet; und da merken wir unter anderem, daß die Großfirma Baa noch immer gestützt und geschützt wird und daß man dem Ruf des Schuhmacherhandwerks es zu erhalten und zu unterstützen, nicht Gehör schenken will. Mit Recht hat in einer großen Steuerprotestversammlung, die die Gewerbetreibenden in den letzten Wochen und Monaten veranstaltet haben, ein Parlamentarier gesagt: Wenn einmal, was wir uns nicht wünschen, der Staat in einen Krieg verwickelt werden sollte, so wird er wahrscheinlich bei seinem Heer, keinen Kompagnieschuster haben und wahrscheinlich sollen dann die Soldaten barfuß laufen, ich möchte hier darauf verweisen, daß es Aufgabe der maßgebenden Faktoren des Staates, insbesondere der Regierung und der heutigen Mehrheitsparteien ist, darauf zu sehen, daß jene Gewerbe erhalten bleiben, die wir in Zeiten der Not und Bedrängnis brauchen. Es beschleicht uns das Gefühl, daß eigentlich kein Interesse an der Erhaltung des erwerbenden und schaffenden Mittelstandes ist. Wir merken ganz deutlich, daß eine Tendenz vorhanden ist, die darauf abzielt, langsam aber sicher Handel und Gewerbe zu verdrängen und zu vernichten. Es ist der Wunsch eines Systems, daß diese Vernichtung so rasch als möglich vor sich geht. Während heute in Rußland in der staatlichen Wirtschaftsführung der Weg nach rechts geht, konstatieren wir, daß unser Weg hier langs am aber sicher nach links geht. Wir merken aber auch weiter, daß der Staat bzw. die Maßnahmen der Regierung in das private Wirtschaftsleben tief eingreifen und dadurch eigentlich die Wirtschaft stören, so daß durch die staatlichen Eingriffe vielfach Nachteile entstehen.
Wenn vielleicht in der letzten Zeit ein Stand eine gewisse Hoffnung auf eine staatliche Regelung gesetzt hat, nämlich hinsichtlich des Getreidemonopols, so ist diese Hoffnung heute restlos zunichte geworden. Infolge des Getreidemonopols ist das mittlere und kleinere Müllergewerbe der Vernichtung preisgegeben, wenn nicht rechtzeitig eine entsprechende Novelle kommt. Hier zeigt sich deutlich, daß man allein den großkapitalistischen Mühlen Hilfe und Schutz angedeihen läßt, dem kleinen und mittleren Müller aber nicht. Da muß man immer wieder fragen, ob dieser Weg der richtige ist, die breiten Schichten selbständiger, freier Existenzen in einem geordneten Staatswesen zu vernichten oder ob es nicht besser wäre, diese Existenzen im Interesse der staatlichen Ordnung und auch der Wirtschaft selbst zu erhalten.
Das Getreidemonopol, das mit Recht die Aufgabe hatte, dem Landwirte bessere Preise zu garantieren und dadurch seine Kaufkraft zu heben, damit er Investitionen vornehmen und auch die Wirtschaft belebt werden kann, hat seine Auswirkung wie man sieht darin gefunden, daß langsam und sicher 8000 selbständige kleinere und mittlere Müller mit 12.000 Arbeitern brotlos gemacht werden und sich dadurch das Heer der Arbeitslosen vermehrt. Als man das in den Reihen des Müllerstandes erkannte und sah, daß bei der Durchführung des Monopols eigentlich eine ganz andere Absicht verfolgt werde, daß sich die Bürokratie breit macht und jedem einzelnen ein Wulst von Akten und Büchern ins Haus flatterte, haben sich in der letzten Zeit die Verbände des deutschen und des èechischen Müllerstandes zu großen Protestkundgeb ungen zusammengefunden und ich würde den Herren wünschen sie hätten am Sonntag in Olmütz die große Protestkundgebung von rund 700 kleinen und mittleren Müllern deutscher und èechischer Nationalität gesehen! Die Not wird groß und ich warne davor, die Maßnahmen bei Durchführung des Getreidemonopols zu verschärfen, anstatt abzuschwächen. Ich will hoffen, daß in den Kreisen der Regierung und der maßgebenden Herren, die die Getreidegesellschaft führen so viel Verständnis herrscht, um die unmöglichen Vorschriften zu mildern.
Wir sehen aber auch, daß sich der Staat in Dinge einmengt, wobei von vornherein feststeht, daß er aus öffentli hen Mitteln, also aus aufgebrachten Steuergeldern draufzahlen muß. Dieser sogen annte Staatssozialismus wird von uns aufs schärfste bis zur letzten Konsequenz bekämpft. Ich will nur ein krasses Beispiel herausgreifen, das auch im Staatsvoranschlag zum Ausdruck kommt, die Verstaatlichung der Autobuslinien. Hunderte von Existenzen, die sich mühsam emporgearbeitet haben, sind vernichtet worden. Abgaben aus der Fahrkartensteuer sind dem Staat verloren gegangen. Aber nicht nur, daß die Existenz der betreffenden Autobusinhaber vernichtet wurde, auch die Existenz ihrer Verwandten und jener guten Menschen, die ihnen Geld geliehen hatten, damit sie sich den Autobus kaufen können, sind dadurch furchtbar in Mitleidenschaft gezogen. Früher, als private Autobuslinien bestanden, hat der Autobusbesitzer den Wagen selbst gefahren, selbst den Chauffeur gemacht, den Wagen gewaschen und dabei noch dem Staat die Fahrkartensteuer abgeliefert. Wenn gesagt wurde, er habe dem Staat die Fahrkartensteuer nicht hundertprozentig abgeliefert, so waren es mindestens 80% bares Geld, das in die Kasse des Staates floß. Man stellte im Staatsvoranschlag noch 28 Millionen als Ertrag aus der Steuer der noch bestehenden Privatlinien ein. Aber im Staatsvoranschlag finden wir bei den staatlichen Autobuslinien, die keine Fahrkartensteuer und keine Straßensteuer bezahlen, einen Betrag von 27.5 Millionen, der zur Deckung des Abgangs eingestellt ist. Ein privates Geschäftsunternehmen, das so arbeiten würde, müßte es binnen kürzester Zeit bankerott werden. Der Staat hat die Pflicht und Schuldigkeit, darauf zu achten, daß staatliche Unternehmen nicht von Haus aus passiv sind. So sehen wir, daß ein Interesse an der Erhaltung der privaten selbständigen Existenzen, die sich in den meisten Fällen mühsam vom Arbeiter zum Selbständigen emporgearbeitet haben nicht besteht. Ich stelle die Frage an alle jene, die von Sozialpolitik und sozialem Empfinden sprechen, ob das eine soziale Fürsorge für jene Menschen ist, die sich durch Arbeit, Fleiß und Tüchtigkeit hinaufgearbeitet haben. Wie schon erwähnt, sehen wir weiter, daß der Staat natürlich Privatbetriebe der großen Unternehmungen fördert, daß er die Kartelle schützt, wenn aber einmal Handels- oder Gewerbegenossenschaften einen Beschluß über Richtpreise fassen, so wird ihnen das verboten. Bedenken wir aber, was geschieht, wenn ein solches großes Unternehmen oder Fabrik einmal nicht mehr weiter kann, zu Grunde geht und stillgelegt wird. Da kommt in erster Linie das Gesuch um Steuerabschreibung, wie man in vielen, vielen Fällen feststellen kann. Aber nicht nur die Staatssteuern, auch die Gemeindeumlagen werden gleichzeitig abgeschrieben, und so wird auch den Selbstverwaltungskörpern ein Schaden zugefügt. Wenn durch Unglück, vielleicht auch durch Selbstverschulden eine der vielen kleinen Existenzen zugrundegeht, so verspüren davon Gemeinde, Selbstverwaltungskörper und Staat wenig oder gar nichts. Diese Momente sollten beachtet werden und ein Fingerzeig sein, daß sich der Staat nicht auf einzelne Großunternehmen stützen kann, sondern nur auf die große Schichte des erwerbenden Mittelstandes.
Der gewerbliche und kaufmännische Mittelstand, glaube ich, hat auch ein gewisses Recht auf Schutz, der ihm einerseits durch die Verfassung gewährleistet ist, andererseits durch seine Steuerleistung durch seine Abgaben, die er dem Staate abführt. Die Erbitterung über den ständig weiterschleichenden wirtschaftlichen Niedergang und die Not wird immer größer, und ich kann mich, weil ich Mensch bin, nicht darüber freuen, daß jetzt auch in èechischen Kreisen die Not Einkehr hält und auch die èechischen Kollegen sich energisch zur Wehr setzen müssen, wenn sie das selbstgeschaffene Unternehmen, ob nun groß oder klein, ihren Kindern hinterlassen wollen. Dabei hören wir Aussprüche von Einzelnen, die vielleicht gar nicht dazu berechtigt sind, es ginge dem Mittelstand noch immer sehr gut. Denen möchte ich zurufen: "Geht hinaus, seht euch die Not und das Elend an, glaubt nicht jenen, die auf ihre Fahne den Niedergang von Handwerk und Handel geschrieben haben." Ein wirtschaftliches Leben ist nur noch in der Reichshauptstadt zu beobachten, in allen anderen Gebieten aber hören wir nur Jammern und Wehklagen, und insbesondere in den Grenzgebieten ist unermeßliche Not und gräßliches Elend eingekehrt. Zu den durch frühere Gesetze beschlossenen neuen Steuern kommt jetzt auf Grund des Staatsvoranschlages eine weitere Belastung der wirtschaftlich immer mehr zurückgehenden Stände von Handwerk und Handel. Wir mußten heuer feststellen, daß die Steueradministrationen ihre Vorschreibungen für 1933 bis zu 100% erhöht haben, also um das Doppelte bei nachweisbarem Geschäftsrückgang. Wir bemerken eine willkürliche Steuerbemessung, wie sie in diesen Zeiten schwerster Not und Bedrückung nicht am Platze ist. Wenn jemand vielleicht sagt, das sei nicht wahr, so möge er sich nur erkundigen. Es wäre vielleicht mit einem Schlage anders, wenn man eine gesetzliche Verantwortung für die steuerbemessenden Organe und die Beamten überhaupt schaffen würde. Jeder Staatsbürger ist für sein Tun und Lassen gegenüber dem Gesetz und den Vorschriften verantwortlich und haftbar, nur der Beamte nicht. Ich will da nicht eingehen auf die vielen Schikanen, die Rekurse und alles andere mehr zur Folge haben, aber in den meisten Fällen ohne Erfolg.
Die Arbeitslosigkei , die nach der Aussage maßgebender Herren, daß eine bessere Zeit gekommen sei, eine rückläufige Bewegung aufzeigen sollte, steigt enorm, jetzt, wo wir dem Winter entgegengehen. Im Winter wird die Arbeitslosigkeit - ich glaube das mit Recht sagen zu können - größer sein als in früheren Jahren. Zum Heer der Arbeitslosen gesellen sich aber heute nicht nur Fabriksarbeiter, sondern proletarisierte Gewerbetreibende, die sich brav und fleißig für sich und ihre Familie geplagt haben. Jetzt suchen sie Arbeit als Maurer, als Deichgräber usw. So vermehrt sich die Arbeitslosigkeit immer mehr und mehr. Immer mehr und mehr senkt sich die Kaufkraft der Bewohner des Staates. Es ist, glaube ich, die Pflicht des Staates, in Zeiten schwerer Wirtschaftskrise die Menschen in den Wirtschaftsprozeß einzustellen, nicht etwa durch die Errichtung staatlicher Unternehmungen. Das kann nur etwas Vorübergehendes, nur für die Zeit der Wirtschaftskrise Bestimmtes sein, um dann wieder aufgehoben zu werden. Man spricht schon viel und lange davon, an Stelle der Arbeitslosenunterstützung eine produktive Arbeitslosenfürsorge zu schaffen. Bis heute ist noch nichts rechtes geschehen. Die Gemeinden und Bezirke werden in Prag vorstellig, sie bitten, das und jenes bauen zu dürfen, und sie hören, man habe kein Geld. Für Arbeitslosenunterstützung muß Geld gegeben werden. Der Arbeiter kann nichts dafür, daß er arbeitslos geworden ist. Wenn man es ihm schon geben muß, dann aber auf dem Wege der Arbeitsbeschaffung. Dann wird die sinkende Kaufkraft wieder gehoben, der Verbrauch an Kleidungsstücken, an Beschuhung usw. vermehrt sich. Der Arbeiter verdient, er kann den Verdienst umsetzen und hebt dadurch den Konsum, dadurch werden wieder andere Menschen in den Arbeitsprozeß eingestellt, daraus wieder bekommt der Staat Steuern und Abgaben. Es beschleicht einen das unangenehme Gefühl, als ob man diesen Weg nicht gehen wollte. Dazu wäre ein Schritt notwendig, der gewagt werden muß, der vielleicht nicht Inflation genannt werden kann und darf, und zwar der der Geldverflüssigung im Wirtschaftsleben. Heute haben wir auf Grund des Ausweises der Nationalbank, eine 44prozentige Deckung unserer Valuta. Gesetzlich ist es aber zulässig, diesen Dekkungsprozentsatz auf 25% herabzusetzen, ohne daß dabei eine Inflation zu befürchten wäre. Dann würden wir nach meiner mutmaßlichen Schätzung glatt rund 1.5 Milliarden Banknoten neu in den Umlauf bekommen. Das würde das Wirtschaftsleben befruchten und die Möglichkeit bieten, wenn die gesetzlichen Maßnahmen richtig angewandt würden, billigen Kredit zu bekommen, und wir würden auch vielleicht gegenüber dem Ausland mit unserer Industrie und mit unserer Ausfuhr etwas konkurrenzfähiger sein. So aber beobachten wir, daß man ruhig in den Großbanken Geld, vielleicht hunderte von Millionen Kè liegen läßt, unverzinst, es nicht in Umlauf bringt, trotzdem die Not so groß ist. Hier glaube ich, wäre es wohl auch die Aufgabe der Regierung einzugreifen, einmal die starke Hand zu zeigen, nicht vielleicht um den Einen oder Anderen gewaltsam etwas zu nehmen, sondern um die Geldanstalten dazu zu bringen, daß diese Geldmittel nicht in den Safes der Banken thesauriert bleiben, sondern in Umlauf kommen.
Meine Herren, ich weiß, daß selbst die besten Anregungen, auch wenn sie hier in diesem Hause nicht hundertprozentige Aufmerksamkeit finden, nie beachtet werden, aber ich verstehe nicht, daß man guten Anregungen, mögen sie von dieser oder jener Seite kommen, niemals Gehör schenkt. Würde man es tun, dann glaube ich, wäre es möglich, durch Zusammenarbeit aller, die das ernste Bestreben haben, die Wirtschaft zu erhalten, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und ein geordnetes Staatswesen zu schaffen, dies auch durchzusetzen. Auch die zwei oder drei Anregungen, die ich hier gegeben habe, werden wohl ebensowenig beachtet werden, wie andere gutgemeinte und vielleicht noch bessere Anregungen von irgendeiner anderen Seite der Opposition.
Ich möchte mir gestatten, im Zusammenhang mit der Wirtschaftsnot des Staates und seiner Bürger und Steuerträger einige wenige Worte über die nationale Not zu verlieren. Fast 10 Jahre lang haben wir in diesem Staate schon eine èechisch-deutsche Zusammenarbeit auf parlamentarischem Boden und in der Regierung. Wir begrüßen dies aus vollem Herzen. Wissen wir doch, daß im èechoslovakischen Staate das èechische, das slovakische, das deutsche Volk, Ungarn, Polen, Ruthenen u. noch Anderssprachige wohnen und leben. Da glaube ich, wäre es wohl höchst an der Zeit, daß man endlich daran geht, den Ausspruch eines von Ihnen und von uns so hochgeachteten, aber nicht mehr unter uns weilenden Staatsmannes, des ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Švehla, zu achten und auch darnach zu handeln. Ich meine das berühmte Wort von "Gleichen unter Gleichen".
Die letzten Tage, meine Verehrten, haben uns leider wieder etwas anderes gezeigt. Anstatt, daß man als Gleiche unter Gleichen sich findet, sich die Hand reicht zu gemeinsamer Aufbauarbeit der Wirtschaft, sahen wir in den Prager Straßen, in der Hauptstadt, wo so viele Deutsche aus der Provinz zus ammenströmen, Demonstrationen vor sich gehen, die gar keine rechte Begründung hatten. Èechische Hochschüler demonstrierten gegen die deutsche Universität, sie demonstrierten mit Aussprüchen wie "Deutsche hinaus aus Prag!", und ähnlichem mehr. Glauben Sie mir, verehrte Herren und Angehörige des èechischen Kulturvolkes : wenn das ein Ausländer - es muß kein Reichsdeutscher sein - hört, daß der sich auch seine Meinung bildet. Ich glaube, es wäre in der Macht der Regierung gewesen, dies zu verhindern, nachdem von deutscher Seite die Gesetze geachtet werden. Da das Gesetz vom Jahre 1920 bestimmte, daß die Insignien der deutschen Universität an die èechische zu übergeben seien, mußte diesem Gesetze entsprochen werden und es wäre ihm auch ohne Demonstrationen entsprochen worden. Nur um die Form hat es sich gehandelt. Besonnene Männer haben auch den Ausweg gefunden. War es notwendig, daß neuerdings eine derartige Verbitterung in die Herzen des deutschen Volkes mit diesen Demonstrationen getragen wurde? Ich sage: Nein. Vor teile hat es keine, sondern eher Nachteile. Ich möchte Ihnen deshalb, meine Herren, zurufen: Verlangen Sie auch nicht vom deutschen Volke Loyalitätserklärungen und alles andere. Ich stehe auf folgendem Standpunkt: Loyal ist jener Mann und jene Frau, die im Staate die Heimat lieben. Haben wir früher als Sudetendeutsche in den Grenzen des alten Österreich gewohnt und die deutsche Heimat hochgehalten und für unsere Sprache, für unsere Schule, für die Erhaltung unserer Existenz und für alles andere gesorgt, so haben wir damit die beste Loyalität bewiesen. Wir waren damit staatstreu und wenn wir, verehrte Freunde des èechischen Volkes, heute dasselbe tun, bedarf es weiter keiner Loyalitätserklärung. Wir sind staatstreu, weil wir heute im èechoslovakischen Staate unsere Heimat lieben.
Meine Verehrten ! Ich glaube,
unter Kulturvölkern werden wir uns einmal - die Zeit wird es mit
sich bringen - zu der Erkenntnis durchringen, daß der Grundsatz:
Leben und leben lassen, für uns alle Geltung haben muß. Man könnte
heute anläßlich der Debatte über den Staatsvoranschlag noch sehr
Vieles vorbringen. Leider ist es mir infolge der kurzen Redezeit,
die mir zur Verfügung steht, nicht möglich, alle die Übel, die
heute auf Handel und Wandel lasten, vorzubringen, Beispiele anzuführen,
Forderungen zu erheben, Anträge, Anregungen zu bringen, und so
möchte ich nur Ihnen allen zurufen : "Haltet ein mit der
weiteren wirtschaftlichen und nationalen Belastung! Versöhnet
die Völker im Staate, denn nur dann kann von einem wirklich konsolidierten
Staate gesprochen werden!" (Potlesk.)
Hohes Haus! Der Herr Staatspräsident Masaryk sagte einmal: "Freiheit bedeutet aber auch Kritik." Dieser Ausspruch des Herrn Staatspräsidenten muß für alle Staatsbürger, auch für uns Deutsche, Geltung haben. Auf dem Boden des Staates und der Demokratie stehend nehmen auch wir deutschen Christlichsozialen diese Freiheit der Kritik für uns in Anspruch. Wir verstehen aber unter Kritik nicht nur zu sagen, was uns mißfällt, sondern auch zu sagen, wie es besser gemacht werden könnte. So haben wir es bei jeder Budgetdebatte gehalten und so werden wir es auch diesmal halten.
Die Herren Außenminister Dr. Beneš und Verteidigungsminister Bradáè haben in der letzten Zeit auffällig oft von Krieg und Frieden gesprochen. Es ist selbstverständlich, daß wir deutschen Christlichsozialen schon programmatisch für eine aufrichtige Friedenspolitik und daher für die Pflege freundschaftlicher Beziehungen mit allen, besonders mit den benachbarten Staaten eintreten. Wir sind der Meinung, daß der Friede im Innern und nach Auß en viel mehr wert ist als noch so viele Militärverträge, noch so viele Armeekorps und Waffen. Militärverträge und Sonderbündnisse sucht man allerdings immer damit zu entschuldigen, daß dieselben defensiven Charakter hätten. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt uns aber, daß gerade durch Sonderbündnisse und Militärverträge nicht der Friedensgeist, sondern der Kriegsgeist geweckr wurde. In den beteiligten Staaten hat nicht die Abrüstung, sondern ein Wettrüsten eingesetzt. Im Sinne einer aufrichtigen Friedenspolitik wäre es daher gelegen, Sonderbündnisse und Militärverträge nicht mehr abzuschließen und bestehende zu lösen. Dies sollte für alle Staaten, wenn man ihren Friedensbeteuerungen Glauben schenken soll, oberster Grundsatz sein.
Wir begrüßen alle Friedensbestrebungen, auch die unseres Herrn Außenministers, falls dieselben offen und ehrlich darauf ausgehen, den Völkern des Staates den Frieden zu sichern und eine friedliche Entwicklung Europas sicherzustellen. Wir wünschen den Frieden, da uns der Wiederaufbau unserer kranken Wirtschaft und die Pflege unserer kulturellen Aufgaben wichtiger erscheint als das Säbelgerassel. Die vielen Friedensbeteuerungen der Staatsmänner stehen allerdings in krassem diametralen Gegensatz zu ihren tatsächlichen Regierungshandlungen im eigenen Staate. Die Militärbudgets und die verschiedenen Rüstungsfonde der Staaten reden eine andere, eine deutlichere Sprache, sodaß die Friedensbeteuerungen der Staatsmänner leider oft nicht allzuernst genommen werden können.
Nach meiner Ansicht besteht das Wesen der Diplomatie darin, sich gute Freunde im Auslande zu verschaffen, um den Frieden aufrecht zu erhalten, nicht nur unseren Frieden, sondern auch den Frieden Europas, den Weltfrieden. Von dieser Erkenntnis scheinen sich aber manche der zünftigen Staatsmänner und Diplomaten immer mehr zu entfernen. Heute sehen wir, daß der Friede der Diplomaten auf den Bajonetten sitzt, daß die Generalstäbler kommandieren und die Staatsmänner brav gehorchen. Was Wunder, wenn dann die Beratung der Abrüstung auf der Abrüstungskonferenz in Genf zu einer Abrüstungskomödie wird, welche die ganze Welt zum Lachen reizt.
Die Frage der Abrüstung ist heute unentschiedener denn je, oder besser gesagt im Sinne der Aufrüstung bereits entschieden. Wir sehen die meisten Staaten bis an die Zähne bewaffnet, bestrebt, ihre Rüstungsindustrie reichlich auszustatten und alle Mobilisierungsvorbereitungen zu treffen. Wir wissen, daß die Mobilmachung in Frankreich am vollkommensten vorbereitet ist und daß Frankreich von seinen Verbündeten, auch von der Èechoslovakischen Republik, die höchste und schnellste Entfaltung der Rüstungsfähigkeit fordert. Der Abrüstungsartikel 8 hat keine Geltung mehr. Es stehen in Europa viele Millionen unter Waffen und die ungeheueren Rüstungen übertreffen alles bisher dagewesene. Das wären Überflüssigkeiten, wenn zwischen den einzelnen Staaten aufrichtige Beziehungen des Friedens und Vertrauens bestünden. Milliarden würden beim Wegfall der Rüstungen frei und könnten in den Dienst der Wirtschaft gestellt werden. Leider sehen wir auch bei uns, wo der ganze Staatskörper von der Wirtschaftskrise sehr erschütt ert ist, wo wir bei sinkender Produktion und steigender Arbeitslosigkeit eher dem Zusammenbruch als der Gesundung der gesamten Volkswirtschaft entgegengehen, daß die Militärverwaltung auf die durch die Krise verminderte Leistungsfähigkeit der Staatsbürger keine Rücksicht nimmt. Unter Mitwirkung sozialistischer Parteien ist die Regierung bestrebt, gerade jetzt in einer Zeit größter Not den Staat zu einem Militärstaat ersten Ranges auszubauen. Die den Staatsbürgern schon bisher auferlegten Militärlasten müssen als unerträglich bezeichnet werden. Sollten von denselben, wie bereits angekündigt wurde, noch größere Opfer verlangt werden, so würde dies den vollständigen Ruin derselben bedeuten. Durch eine solche Maßregel würde die Kraft des Staates sicher nicht erhöht, eher geschwächt werden. Wir sehen bei uns Heeresverwaltung und Außenministerium Hand in Hand arbeiten. Man spricht in allen Variationen von der Möglichkeit eines Krieges, man malt, wie man zu sagen pflegt, den Teufel an die Wand, um so der Heeresleitung Gelegenheit zu geben, ihre Forderungen unter Hinweis auf eine nahe bevorstehende Kriegsgefahr rascher und leichter durchdrücken zu können. Die Stärke der Armee ist auch bei uns das Alfa und Omega unserer Handelspolitik. Die Armee wird weniger als ein Werkzeug der staatlichen Sicherheit, vielmehr als Stütze einer Machtpolitik nach außen betrachtet. Trotz der Geldknappheit im Staate zeigt der Staatsvoranschlag des Außenministeriums für 1935 eine Erhöhung um 10.73 Millionen Kè. Erhöht sind die Ausgaben für den Nachrichtendienst und die Propaganda, die um etwa 1 1/2 Millionen gestiegen sind. Die Begründung der Erhöhung der Kosten des Nachrichten- und Propagandadienstes durch die internationale politische Lage ist auffallend. Ein kleiner Staat kann sich eben den Luxus einer großen Propaganda nicht leisten, ein heute finanziell geschwächter Staat soll die Alluren einer Großmacht nicht nachahmen. Daß in einer Zeit, in der wir selbst jede Kè dringendst benötigen, die Hilfsaktion für russische und ukrainische Emigranten um 50.000 auf drei Millionen erhöht wurde, dies werden unsere Arbeitslosen kaum verstehen können. Warum hat Herr Abg. Heeger als Mitglied der deutschen sozialdemokratischen Partei, also einer Regierungspartei, heuer ninicht dagegen Einspruch erhoben. Heuer hätte er Geleg enheit gehabt, sich für die Streichung dieses Betrages einzusetzen, da er am 3. Oktober 1928 im Budgetausschuß als oppositioneller Abgeordneter gerade diese Hilfsaktion für russische und ukrainische Emigranten beanständete. (Výkøiky.) Daß der sogenannte Dispositionsfonds mit 10 Millionen Kè uns leider unverändert erhalten blieb, ist wohl das traurigste Kapitel des ganzen Staatsvoranschlags, zehn Millionen für dunkle Zwecke, leider nicht für Zwecke der Volkswirtschaft, die jede Krone dringendst benötigen würde.