Ich glaube, daß ich den Herrn Außenminister auch auf etwas aufmerksam machen muß, das eine natürliche Folge der wirtschaftlichen und sozialen Verelendung im Lande ist, und das ist im großen und ganzen und im Durchschnitt der Bevölkerung, die Abkehr der Bevölkerung von der Politik. Unsere Bevölkerung, ob èechisch oder deutsch, hat die Politik satt. Sie finden immer weniger und weniger Interesse der Bevölkerung an dem politischen Geschehen, an dem Spiel der Kräfte, Sie finden meines Erachtens auch schon viel weniger Interesse an Parteipolitik und es ist ganz interessant festzustellen, daß selbst die Zeitungen von der Mitte oder von rückwärts mehr gelesen werden, als von vorn, vom politischen Leitartikel. (Posl. dr Winter: To bylo vždycky!) Mag sein, daß das immer so war, ich glaube aber, es nimmt zu und wir müssen damit rechnen u. zw. schon deshalb, weil jede Politik - mag sie wo immer betrieben werden - welche nicht wirtschaftlich befriedigen will oder kann, welche soziales Elend nicht niederringen kann, selbstverständlich an Popularität verliert und die beste Politik sschließlich an der Wirtschaft scheitern kann.
Um beim Exposée des Herrn Ministers der Äußern zu bleiben: er will die Frage, ob die Friedensverträge ewig sind oder nicht, nicht entscheiden. Er als Realpolitiker kann die Ewigkeit der Verträge nicht verneinen und auch nicht vollständig bejahen. Er verneint auch nicht, indem er den Artikel 10 noch immer offen läßt. Aber er spricht doch von den Friedensverträgen als von einer über das Menschliche hinausgehenden magna charta der Menschheit. Ich glaube, daß es doch ein Irrtum dieser 15 Jahre des Friedens gewesen ist, daß man es sich nicht genug oft vorgesagt hat, daß diese Friedensverträge doch letzten Endes nichts anderes sind, als ein Menschenwerk, ebenso vergänglich, wie alles andere Menschenwerk.
Meine sehr verehrten Herren! Ich möchte mich nicht mit dieser Frage von dem Gesichtspunkt aus beschäftigen, ob die Verträge viellei cht das Werk einer überlegten Gewalt gewesen sind. Ich glaube nicht daran, daß sie geschaffen wurden nur aus einer Siegerpsychose heraus, sondern ich glaube als intellektueller Mensch, als Mensch, der das Weltgeschehen betrachtet, daß sie aus der natürlichen Irrung der Menschen entstanden sind, die irgendein Werk vollenden. Es ist ganz klar, daß eine Divinierung, eine Vergötterung, eine Überdimensionierung eines Vertrages auf Seite derjenigen erfolgt, die diesen Vertrag geschaffen oder mitgeschaffen haben, während auf der Seite jener, die durch die Verträge gelitten haben oder noch leiden, die Ablehnung selbstverständlich stark ist. Der Herr Minister sieht hier eine Möglichkeit des Aneinanderkommens, und dies ist richtig. Aber ich glaube, daß auf Ihrer Seite auch der Fehler vorliegt, daß Sie glauben, daß Sie durch die Verträge nur Moral geschaffen und Unmoral aus der Welt geschafft haben. Ich halte es für einen verhängnisvollen Fehler, wenn man es z. B. als ein Stück Moral betrachtet hat, daß man einen Staat als den alleinschuldigen im Friedensvertrag bezeichnet hat. Ich glaube auch nicht, daß alles moralisch war, was zwischen dem Waffenstillstand und dem Vertrag geschehen ist. Sie sind bemüht, ein Stück Moral zu verwirkli chen, die in jenen Punkten des Friedenswerkes enthazten ist, die sich mit der Abrüstung beschäftigen und eine moralische Verpflichtung für alle diejenigen gewesen sind, welche nicht abgerüstet und den Vertrag doch unterschrieben haben. Ich will also damit sagen, daß, wie alles in der Welt nüchtern betrachtet werden muß, auch die Frage, ob es eine Beglückung der Menschheit durch das Friedenswerk gegeben hat oder nicht, nüchtern betrachtet werden muß: Wenn Sie mit welchem Volk immer zusammenkommen, wird es in jedem Volk, auch bei den Siegern, ganze Gruppen von geistig oder au ch wirtschaftlich Beteiligten geben, welche letzten Endes nicht werden zugeben können, daß dieses Menschenwerk vom Jahre 1919 auch nur zum bescheidensten Teil eine Beglückung der Menschheit gewesen ist.
Wenn der Herr Minister Dr. Beneš erklärt, auf jeden Fall müßten Verträge geachtet werden, so freuen wir uns als Sudetendeutsche über die Feststellung auch deshalb, weil ja ein Vertrag, der uns betrifft, auch seine Unterschrift trägt, und ich möchte doch bei aller Zurückhaltung sagen, daß die Erfüllung dieses Vertrages ni cht mit jener Bestimmtheit durchgeführt wurde, wie er es von den anderen Verträgen als absolut verpflichtend angesehen hat, insbesondere deshalb, weil er und Sie anderen über die gute Absicht noch nicht hinaus sind.
Sie haben uns sehr oft vor blendende und schillernde Gedanken gestellt, ob es nun Masaryk, Beneš oder wie heute Dr. Stránský tat, Gedanken, die uns, hauptsächlich uns, die sich geistig frei fühlen und jeden großen Gedanken mitzudenken bereit sind, mitreißen könnten, wenn nicht bei jeder Idee auch als die natürliche und selbstverständliche Folgerung die Ausführung und die Erfüllung der großen Gedanken wäre. Da muß ich Ihnen ehrlich sagen, daß Sie unseren guten Willen und auch unsere gute Absicht langsam vergeuden, weil wir es nicht mehr verantworten können, auf die Durchführung der bei einzelnen von Ihnen vorhandenen guten Absicht zuzuwarten. Es wäre möglich, ich gebe es ruhig zu - ich glaube es übrigens auch in meiner publizistischen Tätigkeit ganz offen zuzugeben - daß es möglich wäre, sich auf der Basis großer ideeller Gedanken auseinanderzusetzen und sich zu nähern. Aber wir sind hier nicht allein, es handelt sich nicht um drei oder vier, es handelt sich nicht um die 67 deutschen Abgeordneten, die hier sitzen, sondern es handelt sich um ein Volkstum, das mehr als 3 Millionen zählt und das selbst wenn wir die geistig Beweglichen unnd geistig Verantwortlichen, uns in irgend einer Form nähern, irgendwie miteinander paktieren würden - nach den Äußerungen und Handlungen der Verwaltung, der Bürokratie, verzeihen Sie, auch nach verschiedenen Äußerungen, die aus diesen Reihen zu unserem Volkstum herüberkommen, einfach nicht daran glauben kann, daß hier große Ideen überhaupt bindend sein können und das die Absicht besteht, das Zusammenleben der Völker dieses Staates irgendwie auf jene Basis zu bringen, die Sie Demokratie nennen, die Sie als ein ein Ideal gerade auf Seite jener Männer darstellen, die doch die höchsten geistigen Po tenzen Ihres Volkes sind.
Hier gibt es, meine verehrten Damen und Herren, kein Zuwarten. Wir wollen ehrliche Menschen sein: Wir haben immer erklärt, daß wir uns positiv zum Staate stellen, wir revozieren nichts davon; wir haben immer erklärt, daß wir erfüllen, was dem Staate gegenüber zu erfüllen ist. Wir müssen aber daran erinnern, daß wir auch Deutsche sind, daß wir für die Zukunft des Deutschtums hier verantwortlich sind, und wir müssen erklären, daß Sie es uns immer mehr und mehr unmöglich machen, eine harmonische Verbindung zwischen guten Staatsbürgern und guten Deutschen herbeizuführen. Und deshalb schwächt sich die Front der sogenannten Aktivisten immer mehr. Lassen Sie heute Wahlen kommen, dann werden Sie, meine sehr geehrten Herren auf den èechischen Bänken, wohl einen ganz großen Wandel sehen, deshalb, weil es einfach unerträglich ist, unserer Bevölkerung klar zu machen, daß der Weg des Aktivismus der richtige ist. Wir sind verantwortliche Menschen und müssen daher immer überlegen, ob wir diese Ihre Politik mitmachen können oder nicht. Und wir können sie nicht mitmachen, wenn Sie nicht - das soll kein Scherz sein - um 180 Grad umdrehen, wenn Sie es nicht als Ihre Pflicht ansehen, wahr zu machen, was Sie sprechen. Sie können uns mit guten Absichten nicht mehr befriedigen. Ich glaube nicht, daß irgendwie eine taktische Veränderung aus eigener Absicht bei der deutschen Regierungsbeteiligung erfolgt. Ich glaube, ein solches Desaveu braucht der Herr Außenminister nicht zu fürchten. Aber was er befürchten muß, das ist, daß unsere gute Absicht bei uns einen Zusammenbruch erfährt, die auch diej enige Zeit berichtigen wird, während welcher er sich darauf berufen konnte, daß sich das Deutschtum verantwortlich an der Regierung beteiligt.
Ich versichere Ihnen, es ist weder mein Wunsch, noch der Wunsch der Mehrheit des Sudeten-Deutschtums, daß ein derartiges Desaveu stattfindet. Aber ich verweise darauf, daß es unter allen Umständen eintreten muß, weil unsere Bevölkerung uns nicht mehr versteht, wenn wir ihr auseinandersetzen, daß es einen Pakt zwischen Ihnen und uns geben muß, wenn wir sagen: Geduld! Geduld! Wir haben furchtbare Geduld bewiesen. Sie hätten in Österreich nicht soviel Geduld aufgebracht. Ich gl aube - ich spreche immer davon und ich habe Recht - in der deutschen Politik bereitet sich das vor, was bei Ihnen im Jahre 1891 geschehen ist, nämlich das Mattsetzen der Altèechen durch die Jungèechen - ein bißchen liegen die Dinge anders; ich glaube nicht, daß immer Parallelen bestehen - aber diese logische Entwicklung muß kommen, wenn Sie sich nicht grundsätzlich anders in dem innerpolitischen System einstellen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.)
Eines hat mich an dem Exposé des Herrn Außenministers überrascht. Er ist doch sovorsichtig, ein so guter Diplomat und wägt doch jedes Wort ab. Ich habe mich gestoßen an das Wort "ewig" nicht nur bei den Friedensverträgen, sondern auch bei der "ewigen Freundschaft mit Polen". Vielleicht war dies ein Übersetzungsfehler, ich konnte das nicht nachsehen, aber ich war erstaunt, weil doch auch die Freundschaft abhängig . . . . (Min. dr Beneš: Já jsem øekl vìèný, èi trvalý!) In der Übersetzung heißt es: "und dauernd". Ich glaube, wie es keine Ewigkeiten von irgendwelchen idealen oder realen Werten gibt, gibt es auch keine Realität der ewigen Freundschaft. Und ich weiß nicht - ich glaube die böhmische Geschichte zu kennen - ob eine Orientierung nach Nordosten jemals der böhmischen Geschichte zum Vorteil wurde. Der Herr Minister Krofta hat ein Buch herausgegeben, und es ist mir aufgefallen, daß gegenüber der früheren Literatur über die Jagellonenzeit eine außerordentliche Verherrlichung dieser Zeit in seinem Buche gegeben ist. Es scheint mir ein bißchen die ganze Frage auf die Basis des Optimismus gebracht zu sein. Ich glaube nicht daran, nicht weil ich vielleicht irgend ein Ressentiment dabei habe, sondern als Mensch, der die Geschichte, die Menschheitsgeschichte, ganz objektiv verfolgt. Hier eine Utilitätspolitik zu treiben scheint mir ganz der sonstigen Einstellung des Herrn Außenministers zu widersprechen, denn soviel ich orientiert bin: ein demokratischer Bundesgenosse ist Polen nicht. Aber es geht ja schließlich auch mit dem ebenso undemokratischen Jugoslavien die Kleine Entente zu machen und das Ganze im Namen der Demokratie auszuspielen.
Ich bitte, das ist möglich, aber ich möchte in Erinnerung an meine ukrainischen Freunde vom Nationalitätenkongreß doch auf die geradezu trostlosen nationalen Verhältnisse in Polen hinweisen und an die sog. Pazifikation der Ukrainer erinnern, die manchen Blättern, die jetzt alle möglichen Photographien aus Deutschland bringen, die Gelegenheit geben würde, eine Unzahl dieser Photographien auf ganzen Spalten und Seiten der Blätter zu bringen. Ich meine, abgesehen davon, daß also für die Politik des Herrn Außenministers nicht gerade eine Demokratie genommen wird, sind die innerpolitischen Probleme in Polen doch außerordentlich ernst und sagen doch vielleicht, daß die Ewigkeit dieser Freundschaft vielleicht auch schon in Genf einen Riß bekommen könnte, weil, wie übrigens der Herr Außenminister im Budgetausschuß auch festgestellt hat, im Grunde genommen nur durch einen Zufall, ohne sein Zutun die ganz falsche, ungerechte und politisch unvernünftige Stellung des Völkerbundrates zu der Pazifizierung der Ukrainer in Polen herausgekommen ist.
Der Herr Außenminister wird mit seinem Exposé große Enttäuschung in der Wirtschchaft hervorgerufen haben. Ich verstehe es vom logischen Standpunkt - aber Logik gehört doch nicht in die Politik - daß er sich in diesem Exposé nur mit der außenpolitischen Lage beschäftigt hat. Aber ich sagte schon, daß die Politik heute nicht vollkommen von der Bevölkerunng als das allein Seligmachende angesehen wird und die wirtschaftliche Erschlaffung und soziale Not die Bevölkerung heute viel mehr gefangen halten als politische Erwägungen, Impulse, Gruppierungen u. s. w. (Min. dr Beneš: To pøijde pøíštì!) Ich hätte gewünscht, daß Sie auch einmal den Herrn Handelsminister oder den Herrn Ministerpräsidenten oder einen der Wirtschaftsminister vorschicken, aber meine Herren und sehr geehrter Herr Minister, der Sie demnächst wieder wegfahren, ich glaube kein Pessimist von Beruf zu sein, aber doch hier feststellen zu müssen, daß die wirtschaftliche und soziale Lage außerordentlich ernst ist, sicherlich ernster, als es die meisten Herren auf den èechischen Bänken glauben, wahrscheinlich auch ernster und gefährlicher, als es vielleicht das Ressort der Herrn Ministers sieht. In unserer Wirtschaft, nicht nur in der deut chen, ist eine derartige Ermattung eingetreten, es wird einfach allles stumm und still, eine Depression geht über die Menschen, eine Not über jene, welche schon seit Jahren keine Arbeit haben, daß das alles für das beste politische Konzept sehr leicht eine Korrektur bringen könnte. Deshalb habe ich bedauert, daß dem politischen Referat nicht ein wirtschaftlichee gefolgt ist. Wenn sich, was ich vollkommen begreife, mit Rücksicht auf die amerikanischen Verhandlungen der Herr Außenminister mit der Weltwirtschaft nicht beschäftigte - so war es doch eine Unterlassung, daß bei der jetzigen Gelegenheit, wo die internationale Öffentlichkeit auf dieses Exposé gewartet hat, der Herr Außenminister nichts auch über jene Seits der Politik gesagt hat, die der Wirtschaft die Formen auferlegt - Autarkie, Devisenbestimmungen u. s. w.
Ich versichere Sie, das Schweigen der Regierung, die Nichteinbringung von Vorlagen war für alle, die das Parlament ernst nehmen - es gibt auch solche noch - peinlich. Wir haben erwartet, daß uns die dreiwöchige Pause Gelegenheit geben wird, irgend etwas zu behandeln, und mit Ihnen mitzuschaffen, was in irgend einer Weise unsere wirtschaftliche und soziale Situation bessert und die Möglichkeit gibt, mit einigem Optimismus und Zuversicht in den kommenden Sommer hineinzusehen, von dem wir nicht erwarten können, daß er eine große Baubewegung bringt oder die Gemeinden, wenn sie nicht vom Staat das Geld bekommen, in der Lage sein werden, irgendwelche Investitionen zu machen - von dem wir also erwarten, daß er die Situation unserer Bevölkerung noch viel ernster und gefährlicher gestalten wird, als es heute schon der Fall ist. Die Wirtschaft gestaltet soziologisch und politisch das Leben des Volkes und der Völker ebenso wie die Politik, und deshalb meinte ich, daß selbst bei dem Konzept des Herrn Außenministers die Wirtschaft als Gestaltungsfaktor vielleicht - und nicht nur bei diesem Referat - in ihrer ganzen Impulsivität und Intensität der Arbeit nicht zum Audruck kommt.
Weil ich ja schließlich auch politisch orientiert werde, verstehe ich, warum vielleicht in diesem Augenblick über diese Frage und über diese Seite des ganzen Programms nicht gesprochen wurde. Ich unterstreiche das aus diesem Grunde, weil ich glaube, dem Herrn Außenminister - sagen wir - die freundschaftliche Bitte vorlegen zu müssen: Sehen Sie die Dinge bei uns nicht nur als einen Effekt der Politik, sondern die Wirtschaft als den Anfang dieses Effektes! Es gibt eine Grenze für den Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft. Ich glaube, diese Grenze ist in ihrem Maximum erreicht, wenn nicht schon überschritten, und daß ganz große staatspolitische, soziologische, soziale und wirtschaftliche Konsequenzen kommen müssen, wenn einmal diese Grenze überschritten ist, wenn also befürchtet werden muß, daß zwar politisch große Erfolge erzielt sind, aber dasjenige, für das diese Erfolge erstrebt und erreicht worden sind, eigentlich derartige sozialstrukkturelle und wirtschaftsorganisatorische Umbildungen erfahren hat, daß dann ganz andere Voraussetzungen gegeben sind, als sie die Politik seinerzeit angenommen hat.
Sehen Sie doch nur, wie heute schon die ganze wirtschaftliche Situation auf die Staatsfinanzen wirkt, wie eigentlich schon die Grenze des Primats der Politik auf diesem Gebiet erreicht ist und wie schwer es geworden ist, schon in diesem Jahre das Budget ins Gleichgewicht zu bringen. Jetzt sehen wir, wie die Steuereingänge zurückgehen, wie also wahrscheinlich selbst schon dieses so stark gedrosselte Budget nicht zu halten ist. Wir haben doch heute schon nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zu fragen: Wie soll das im nächsten Jahr ausgehen? Wenn die Frage gestellt wird, ob die Politik richtig ist, die der Herr Außenminister seit 15 Jahren geführt hat, so scheint mir in dieser Fragestellung eine Mahnung zum raschen Handeln darin zu liegen, daß unter diesem politischen Effekt auch schon die Staatsfinanzzen nicht aufbringbar sind.
Eine kleine Bemerkung, die nicht zum Thema gehört: die Arbeitsanleihe. Es geht schon in der èechischen Presse eine grosse Hetze gegen die Sudetendeutschen aus dem Titel der Arbeitsanleihe los; die Hetze ist uninformiert und gehässig. Es werden aber ganz große Beträge gezeichnet, die nicht gezeichnet weröden könnten, wen wir nicht zu den Institutionen, die sie zeichnen, beitragen würden. Ich nenne nur z. B. die Sozialversicherungsanstalt, die Pensionsanstalt, Unfallversicherungsanstalt, die ganz großen Aktiengesellschaften und Versicherungsgesellschaften. Ich bin darüber orientiert, wie auf unserer Seite in den Verbänden erkannt wird, daß hier eine politische Probe ersten Ranges gestellt ist, nämlich die Aufforderung, dem Staate Geld zu geben. Sie unterschätzen die Situation, wenn Sie glauben, daß hier eine böse Absicht bestehe oder die Weigerung, hier wirkliche Opfer zu bringen. Es besteht der beste Wille! Sie unterschätzen aber wieder die Verarmung unserer Bevölkerung, den plötzlichen Sturz von der Vollbeschäftigung, von einer sicherlich überzogenen industriellen Produktion auf ein Nichts. (Posl. dr Bacher: Den Leuten wird eingeredet: "Nìmci mají peníze!") Das war einmal!
Ich möchte also sagen, daß man die Dinge so betrachten muß, wie sie wirklich sind. In diesem Zusammenhange möchte ich auch darauf verweisen, daß Sie, ale die Zentralbank der deutschen Sparkassen in Schwierigkeiten geriet, dafür kein Verständnis aufgebracht haben. Das war zu einer Zeit, da die Staatsanleihe aufgelegt wurde, ein ganz ungeheurer Fehler, weil damals nicht nur diese Bank, sondern auch über das ganze Gebiet verteilte Sparkassen notleidend wurden, daher das Vertrauen auf deutscher Seite wiederum erschüttert wurde, worüber Sie sich aber wiederum nicht eine richtige Vorstellung machen, weil wir für Sie im Grunde genommen doch nur eine quantité négligeable sind. Hier möglichst bald die Dinge zu bessern, vor allem vom Standpunkte der wirtschaftlichen Belebung und sozialen Hilfe durch Arbeit, - nur das ist eine richtige und wahre Hilfe - tut Not; nur so wäre zu erreichen, daß bei uns mit großem Zutrauen auch die Arbeit des Außenministers verfolgt werde. Es kann von uns nicht verlangt werden, eine im Grunde genommen erst vernunftsmäßig, nicht gefühlsmäßig, wie auf èechischer Seite von uns übernommene politische Konzeption des Außenministers von uns zu vertreten, wenn eine ewige Erschütterung - jetzt habe auch ich schon das Wort "ewig" gebraucht! dieser vernunftsmäßigen Einstellung dadurch erfolgt, daß, während diese Konzeption durchgeführt wird, das Elend auf unserer Seite von Tag zu Tag größer wird.
Aber nicht nur daß wirtschaftliche Elend! Ich muß noch einmal auf die nationalpolitischen Fragen zurückkomen. Glauben Sie nicht, Herr Auß enminisster, daß eine Voraussetzung Ihrer Politik nicht in der Theorie, sondern in der Praxis, nicht nur in der Konzeption, sondern auch im Ernstfalle - eine Voraussetzung der Ricchtigkeit und der Erfolgsmöglichkeit Ihrer Politik die innere Zufriedenheit ist? (Ministr dr Beneš pøikyvuje.) Sie nicken, Herr Minister! Aber hier ist sozusagen nichts geschehen, was unsere Bevölkerung verstünde. Wir, die politisch denken, wissen ja, daß man nicht alles plakatieren kann. Wir können dies oder jenes anerkennen als, sagen wir, kleine . . . (Posl. dr Rosche: Anzahlung!). Ich möchte es nicht gerne auf das geschäftliche Gebiet bringen. Sagen wir als kleinen Anfang eines guten Willens. Aber unsere Bevölkerung in ihrer Gesamtheit sieht nichts, sieht keinen Erfolg und hat nicht die Möglichkeit, einen guten Willen auf Ihrer Seite anzuerkennen. Sie können anfangen, wo Sie wollen - allgemein ist man der Anschauung, daß es der Regierung und den maßgebenden Herren der èechischen Politik ganz gleichgültig ist, ob die Sudetendeutschen mit dem oder jenem zufrieden sind. Gegebene Worte, gegebene Versprechungen Ihrerseits glaubt jeder kleine und letzte Beamte, jeder hranièáø, Lügen strafen zu können. Auch dann - seien wir ehrlich - wenn es sich um seinen persönlichen materiellen Erfolg handelt. Ich könnte den Beweis führen, wie gerade die seelische und sittliche Kraft Ihres Volkstums dadurch verschoben und verzerrt wird, daß Sie die Demokratie, was das Verhältnis zu uns anlangt, unwahr machen: Es klafft eine ungeheure Spannung zwischen Ihrem Willen und Ihren Handlungen, Ihren Versprechungen und deren Erfüllung. So können wir unserer Bevölkerung nicht klar machen, daß auf Ihrer Seite ein guter Wille besteht, wie es der Herr Minister gesagt hat. Wenn die Nichteinhaltung eines jeden einzelnen Versprechens an jed em Orte und zu jeder Stunde jedem ganz deutlich wird, dann kann es auch der größten Überzeugungskraft des Wortes nicht gelingen, unsere Bevölkerung zu überzeugen, daß auf Ihrer Seite eine gute Absicht besteht. Wir müssen ja auch überlegen, wie weit die Grenzen unserer Verantwortlichkeit gesteckt sind, wie weit wir eine solche Politik mit Ihnen gemeinsam machen können, von der wir wenigstens glauben müssen, daß sie unserem Volke nicht schadet, auch wenn sie unserem Volke nicht nützt.
Noch einige politische Bemerkungen. Es ist mehr als ein Jahr, daß ich und viele Freunde, die einen gewissen Kredit von Vertrauen bei Ihnen genießen, uns bemühen, Sie aus einem, ich möchte sagen, gefährlichen Irrtum zu befreien, den Sie sich zurechtgelegt haben und aus dem Sie nicht zu reißen sind, weil Sie, ich glaube, mit dieser Fiktion sehr bequem gewisse Maßnahmen treffen können, die ohne diese Fikton sehr schwer zu bewerkstelligen wären.
Ich meine Ihre Fiktion von der Staatsfeindschaft verschiedener politischen Gruppen. Als vor einem Jahre die großen Verhaftungen und Persekutionen erfolgten, haben wir geglaubt, es geschehe etwas ohne unser Wissen, das Sie besser wissen als wir und das Sie nun an das Tageslicht bringen würden. Wir haben also angenommen, Sie seien einer staatsgefährlichen Bewegung auf der Spur. Daß Sie das nicht waren und sind und nach unserer Auffassung auch nicht sein konnten, hat uns schon die Anklageschrift im Volkssportprozeß bewiesen. Wir haben uns alle bemüht, Sie davon abzubringen, diese Dinge weiter zu verfolgen und dadurch in eine Entwicklung zu kommen, für die es keinen Abschluß gibt, weil natürlich eine Menge von ehrgeizigen Sektionschefs, Polizeiräten usw. da sind, die doch selbstverständlich nicht so schnell zugeben werden, daß sie sich geirrt haben. Und nun bringen Sie weiter unsere Bevölkerung ständig in Aufruhr, indem Sie Hausdurchsuchungen und Verhaftungen vornehmen, von denen ich glaube sagen zu können, daß sie denselben Erfolg haben werden wie die Verhaftungen vor einem Jahr. Hier handelt es sich darum, einen Schlußstrich zu ziehen.
Ich sage auch das vom Standpunkt der positiven und aktivistischen Politik, weil Sie, solange Sie uns von einer Schuld nicht überzeugen, von uns nicht verlangen könnnnen, daß wir uns unser Volkstum zersprengen lassen in drei Gruppen: in die Gruppe der Regierungsbeteiligten, in die zweite Gruppe der zum Staat positiv Eingestellten und in die dritte Gruppe derjenigen, welche sozusagen überhaupt nicht existieren als vom Standpunkte der Polizei. Meine Herren, das geht nicht! Wir können uns nicht trennen lassen, solange Sie uns den Beweis der Schuld schuldig bleiben. Ich erinnere Sie an Ihre Geschichte. Ich erinnere Sie - Herr Koll. Hampl, ich glaube, das gehört noch in diesen Zusammenhang (Posl. Hampl: Wir haben dies schon soviele Male gehört! - Posl. dr Rosche: Als wenn die Sozialdemokraten so vieles nicht schon zweimal und zehnmal gesagt hätten!) Ich bin sehr froh, daß Sie mich zur Qualitätsauffassung des Redens hier auffordern und ich bin ganz Ihrer Auffassung, Herr Kollege. Es wäre aber doch das eine zu sagen, das meines Wissen hier noch nicht gesagt wurde, daß auch Sie, meine sehr geehrten Herren von der èechischen Seite, nicht ohne weiteres, wenn die österreichische Regierung oder das Oberkommando in Teschen jemanden von Ihnen als Verräter bezeichnete, ihn haben fallen lassen. Das war doch nicht der Fall, und deshalb sage ich: Entweder Schluß oder Beweis! Das ist unbedingt notwendig für uns. Die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen sind doch im Grunde nur Verdächtigungen und Sie können diese Verdächtigungen nicht wahrmachen. Also: entweder oder!
Der Herr Außenminister hat die deutschen Christlichsozialen und die Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft, also auch außerhalb der Regierung stehende Pa rteien aufgefordert, mitzuwirken an der Neugestaltung der Dinge. Haben wir es nötig zu erklären, daß wir jederzeit und stets dazu bereit waren? Haben nicht der verstorbene Kollege Dr. Kafka, Koll. Dr. Rosche und ich und andere bei jeder Gesetzesvorlage, bei jeder parlamentarischen Vorlage uns bemüht, unser Wissen und unseren guten Willen zur Verfügung zu stellen, um uns an der legislatorischen Arbeit zu beteiligen? Wir sagen auch heute nicht ab! Nur müssen Sie uns dazu Gelegenheit geben durch Ausbau auch des demokratischen Prinzips im Parlamente, d. i. bei Vorlagen, an denen zu arbeiten, bisher für uns eine Sisyphusarbeit ist. Trotzedem machen wir alle, Bacher, Rosche, Jelinek un dich mit.
Die Demokratie ist, glaube ich, eine ethische Verpflichtung, nicht nur ein Ideal und eine Ideologie allein. Die Demokratie verlangt Tat, Handlung, verlangt Entwicklung und, wie der Herr Präsident ganz richtig gesagt hat, Diskussion. Aus der Diskussion über die Demokratie sind wir, glaube ich, heraus. Mit den heutigen Auffassungen auf Ihrer Seite, mit dem, ich möchte sagen, Vollkommheitsideal, das Sie sich von Ihrer Demokratie geschaffen haben, kommen Sie nicht mehr aus: Die Demokratie ist wahrhaftig eine Frage der Entwicklung. Uns brauchen Sie für die Demokratie nicht zu gewinnen. Wir sind nach keiner anderen Seite orientiert. Keine deutsche Partei hat jemals hier eine Erklärung gegen die Demokratie abgegeben. Die Demokratie wird zum Teil vom Utilitätsstandpunkt, aber auch vom Standpunkt der Überzeugung von unserer Seite ausgesprochen, Sie finden uns für den Ausbau der Demokratie viel mehr bereit, als vielleicht gewisse Kreise auf Ihrer Seite. (Posl. Hadek: Aber die deutsche Bevölkerung bevollmächtigt Sie nicht zu dieser Erklärung!) Ich spreche nicht im Namen der ganzen deutschen Bevölklkerung. Herr Koll. Stránský hat uns positiv eingestellten Politikern sozusagen heute den Vorwurf gemacht, daß wir keine Offensive für die Demokratie ergreifen. Koll. Stránský ist leider nicht anwesend, aber ich möchte ihn doch fragen, ob er denn überhaupt nicht unsere Presse liest. Ja glauben Sie nicht, daß uns sogar in manchen Kreisen vorgeworfen wird, daß wir zuviel Offensive für die Demokratie machen, die uns absolut nicht befriedigt? Ich darf wohl für meine Person sagen: Ich bekenne mich rückhaltslos zu den Prinzipien der Demokratie, die ich als eine natürliche Folge ansehe der allgemeinen Schulbildung, der allgemeinen Wehrpflicht, des allgemeinen Wahlrechtes. Ich glaube, es gibt keine andere Konsequenz aus der Entwicklung als die Konsequenz der Demokratie. (Posl. dr Rosche: Hier ist Demokratieherrschaft der Regierungsmehrheit!) Ich glaube, daß auch hier eine Remedur der Auffassung erfolgen muß. Es geht nicht an, daß wir theoretisch oder in offiziellen Reden von der Bereitschaft zur Vervollkommnung der Demokratie hören, wenn wir hier keine Werke sehen. Schauen Sie, meine Herren, wenn wir nur das Parlament betrachten und die Art der Technik dieses Parlamentes, so liegt hier nur eine partielle Demokratie vor - denn es steht doch in unserer Verfassung und in der ganzen Gesetzgebung, daß die Gesetze, die Entwicklung, zustandekommt aus dem Willen der Gesamtheit. Dagegen werden Sie eine Opposition und eine sehr scharfe Opposition bekommen und Sie nähren die Opposition, die Sie vernichten wollen, dadurch, daß Sie nur eine partielle Demokratie machen. (Posl. dr Rosche: Sie würden eine andere Opposition brauchen, wie Peters spricht!) Die andere hat er ja auch.