Meine Damen und Herren! Der Kampf um die Immunität des Parlamentariers, das ist der eigentliche Sinn der Auseinandersetzungen, die wir hier heute durchzuführen haben. Denn wenn die Entscheidung in dieser Frage gefallen sein wird, so wird man wohl praktisch schwer noch von einer Immunität im Sinne der Gesetze, im Sinne der Verfassungsurkunde sprechen können. (Souhlas.) Es ist hier ein Kampf von grundsätzlicher Bedeutung, der sich in seinen Auswirkungen heute gegen Kollegen der deutschen nationalsozialistischen Partei wendet, der sich vielleicht in absehbarer Zeit auch gegen solche wenden kann, die sich heute an diesem Massakre beteiligen. (Posl. Geyer: Die Einleitung dazu war schon das Vorgehen gegen Mayer und Hanreich!) Also ist es die Fortsetzung dessen. Der Sinn der Immunität ist doch der, daß überhaupt eine parlamentarische und politische Tätigkeit ermöglicht wird und der Sinn des Immunitätsausschusses ist doch klar der, diese Immunität jeglichen Zugriffen gegenüber zu schützen. (Souhlas.)
Es ist von großer Bedeutung, die Stellung des Immunitätsausschusses in diesem Hause einmal einer Kritik zu unterziehen. Denn die Auffassung über diesen Ausschuß hat in letzter Zeit beträchtliche Wandlungen mitgemacht. (Sehr richtig!) Man ist doch in den letzten Ausführungen des Vorsitzenden dieses Ausschusses, des Referenten in dieser Frage, Koll. Ježek, der Tatsache begegnet, daß er erklärt hat, der Immunitätsausschuß habe sich überhaupt nicht mit dem meritorischen Inhalt von Auslieferungsfragen zu befassen, sondern lediglich festzustellen, ob ein Verdacht gegen einen Parlamentarier gegeben ist, während den Verdacht selbst das Gericht zu untersuchen hat. Ich frage Sie, welchen Sinn hat dann überhaupt noch die Immunität? Die heutige Immunität eines Parlamentariers bedeutet ja darnach im Gegenteil eine wesentliche Sonderstellung im Sinne der Gefährdung der betreffenden Person, die sich überhaupt noch dazu hergibt, sich in diesem Lande politisch zu betätigen. (Sehr richtig!) Das, was bei einem Manne ohne Mandat keinerlei Aufsehen erregen würde, wird von der Staatsanwaltschaft sofort aufmerksam verfolgt, sobald es aus dem Munde eines Parlamentariers kommt. (Posl. Krebs: Daher auch die Unsumme der Auslieferungsbegehren!) In Wirklichkeit herrscht eigentlich tatsächlich ja nur eine gewisse Immunität bei Betätigung im Hause selbst. Was außerhalb dieses Hauses geschieht ist den Fangarmen der öffentlichen Justiz, getrieben von der Presse und von der Straße ausgeliefert. Es ist richtig, wenn Koll. Krebs sagt, daß der Immunitätsausschuß oft eine Unzahl von Auslieferungsbegehren in einer einzigen Sitzung vorliegen hat und es wäre geradezu wertvoll, einmal eine Statistik zu veröffentlichen, damit man sieht, daß Hunderte von Auslieferungsbegehren an den Immunitätsausschuß nur deshalb gestellt werden, weil die Staatsanwaltschaft sieht, daß auch oft ein ganz nichtiger Grund genügt, um mißliebige Parlamentarier der Strafverfolgung auszuliefern.
Es ist Ihnen der Beschluß des Immunitätsausschusses, vom sozialdemokratischen Koll. Pohl provoziert, bekannt, den ersten Auslieferungsantrag zurückzuverweisen, um die Delikte der einzelnen nationalsozialistischen Kollegen zu konkretisieren. Ich stelle fest, daß in der zweiten Sitzung des Immunitätsausschusses diesem klaren Beschluß nicht Folge geleistet wurde und daß infolgedessen in logischer Konsequenz auch in dieser zweiten Sitzung des Immunitätsausschusses genau wie in der ersten hätte erklärt werden müssen, daß der Ausschuß nicht in der Lage ist, zur Frage der Auslieferung Stellung zu nehmen, sondern daß der Ausschuß das Begehren neuerlich mit der gleichen Begründung hätte zurückverweisen müssen, daß eine Konkretisierung verlangt wird. Die einzige Konkretisierung, die gebracht wurde, war die Aussage des nunmehr schon landesberüchtigt gewordenen Rebitzer. Ich kann zu dieser Tatsache, daß man sich nicht geniert hat, einen Denunzianten als Kronzeugen gegen einen gewählten Volksvertreter zu verwenden nur das eine sagen: der Denunziant ist der größte Lump im ganzen Land. (Souhlas. - Posl. Krebs: Dabei erfolgt die Denunziation unter ganz falschen Angaben!) Die Öffentlichkeit hat sich im weitesten Maße dieser Frage bemächtigt und es war vollkommen klar, daß wir auch draußen in der Provinz zu dieser Immunitätsfrage Stellung nehmen mußten. Hat man schon eine Meinungsunterdrückung im Immunitätsausschuß und im Parlament beobachten können, so kann man auch feststellen, daß die Äußerungen über die Frage der Auslieferung der nationalsozialistischen Abgeordneten in öffentlichen Versammlungen draußen unterdrückt worden sind. Ich stelle fest, daß ich in einer Gablonzer Versammlung zur Auslieferungsfrage gesprochen habe und dort lediglich einen Ausspruch des kommunistischen Abgeordneten Kopecký aus dem Immunitätsausschuß zitiert habe - Koll. Krebs wird sich erinnern, er saß neben mir im Immunitätsausschuß - wo Kopecký damals erklärt hat: Die kommunistischen Parlamentarier werden verfolgt, weil sie der kommunistischen Partei angehören und die deutschen Parlamentarier, weil sie Deutsche sind. Ich habe in der Versammlung in Gablonz lediglich diesen Ausdruck eines Parlamentariers wiederholt. Trotzdem wurde ich sofort unterbrochen und dem Herrn Oberkommissär Zeman genügte dies, um die Versammlung aufzulösen. Das ist eine unerhörte Verletzung des Versammlungsrechtes und ich muß hier von dieser Stelle aus dagegen auf das schärfste protestieren. Ich protestiere auch entschieden dagegen, daß man einen solchen Beamten wie diesen Zeman hinschickt, der vor lauter Verrücktheit und Nervosität vom Anfang an nicht weiß, wie er nur rasch die Versammlung auflösen kann. Er hat sich nicht einmal den Mantel ausgezogen. Ja er hat sogar einen Versammlungsteilnehmer angefallen und ihn von Stuhle heruntergeworfen. Einen solchen Lümmel soll man uns nicht in unsere Versammlungen schicken. Das ist eine Unverschämtheit von einem Manne der vielleicht überarbeitet, nervös und verrückt ist, und der nicht in eine Versammlung gehört. (Posl. Krebs: Vergessen Sie nicht, daß dieser Herr Rebitzer auf dem Polizeikommissariat in Gablonz einvernommen worden ist!) Da besteht wahrscheinlich eine gewisse Verbindung zwischen diesem Oberkommissär und dem Rebitzer. (Posl. Horpynka: Dabei ist der Knigge schon ins Èechische übersetzt!) Aber noch nicht verwendet.
Die Meinung des Immunitätsausschusses
wurde also unterdrückt und ich fühle mich veranlaßt hier eine
Au fklärung zu geben. Ich kann eigentlich hier wiederholen, was
ich schon damals im Immunitätsausschuß gesagt habe, wie kommt
es denn, daß in dieser wichtigen Auseinandersetzung wieder einmal
die Opposition allein von dieser Tribüne herabspricht. Ich stelle
hier fest, daß bei einer solchen bedeutungsvollen Debatte sich
nicht einmal der zuständige Justizminister oder der zuständige
Minister des Innern im Hause gezeigt hat. (Posl. Geyer: Der
Justizminister ist auf Krankenurlaub in Spindlermühle!) Der
Justizminister soll in Spindlermühle sein, das ist zweifellos
seine Art der Auffassung von Parlamentarismus hierzulande. So
nehmen die Herren selbst ihre Einrichtungen ernst. Ich stelle
aber auch fest, daß von dieser Stelle aus no ch kein Regierungsabgeordneter
gesprochen hat, weder von èechischer noch von deutscher Seite.
(Výkøiky.)
Místopøedseda Roudnický (zvoní):
Prosím, aby øeèník nebyl vyrušován. (Posl. dr Schollich:
Jetzt hat ein Regierungsabgeordneter gesprochen!)
Posl. dr Hassold (pokraèuje): Das ist die einzige Möglichkeit, einen Herrn von der Regierung zu hören, daß er einmal läutet, hoffentlich ist das nicht das letzte Zeichen der Äußerung eines Regierungsparlamentariers und werden wir auch noch Gelegenheit bekommen, von den leeren Bänken noch ein Wort zu hören, sowohl von èechischer als auch von deutscher Regierungsseite, weil wir von beiden ihre Haltung und eine entsprechende Aufklärung über ihr Verhalten hören wollten. Ich mache hier darauf aufmerksam und ich könnte wiederholen, daß ich den Herren von der Regierungsseite die Gewissensfrage vorgelegt habe, ob sie überhaupt zu dieser Frage sprechen dürfen und ich frage jetzt hier in diesem Hause, ob jemand von den Regierungsparteien den Mut aufbringt, zu sprechen. Ich glaube nicht fehlzugehen, daß man in der Koalition ausdrücklich den Beschluß gefaßt hat, daß sie zu dieser Frage überhaupt nicht das Wort ergreifen dürfen. Man will einfach die Äußerung der Opposition hier leer laufen lassen und wenn sie abgelaufen ist, den Mechanismus in Bewegung setzen. (Posl. inž. Kallina: Es gibt nur eine èechische Regierungsseite und Gefangene der èechischen Regierungsseite!) Die Ursache, warum hier niemand spricht, ist völlig begreiflich, weil man mit jedem Wort, das man äußert, die peinliche Lage für die Herren der Regierung noch schlechter machen könnte. Ich stelle fest, daß die ganze Mehrheit heute einer Maulkorbmehrheit gleicht, weil sie einen Maulkorb umhängen hat und den Mund überhaupt nicht aufmachen darf. Wie stehen aber diese Tatsachen, daß die Herren weder sprechen dürfen, noch daß sie das Recht haben zu stimmen, wie sie wollen. Wie stehen hier die Tatsachen, die hier niemand leugnen kann, und jetzt noch niemand von den Regierungsabgeordneten leugnen könnte, wenn er sich traut von dieser Stelle aus zu sprechen. Wie steht das zum § 22 der Verfassungsurkunde. In der Verfassungsurkunde steht geschrieben: "Die Mitglieder der Nationalversammlung üben ihr Recht persönlich aus. Sie dürfen von niemandem Aufträge empfangen." Und der Eid, den diese Herren einen Stock höher gezwungen sind zu leisten, hat gelautet: "Ich gelobe der èechoslovakischen Republik treu zu sein und die Gesetze zu beobachten und mein Mandat nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben." Ich will vom Gewissen absehen, weil ich von den Herren nicht zu viel verlangen will. Ich will von Wissen und Besserwissen sprechen und fragen, ob es heute so ist, daß die èechische Abteilung der Regierung schon das Wissen für die Deutschen haben kann und daß man hier jetzt den öffentlichen Kampf sieht, daß man sich nicht damit begnügt, daß die deutschen Regierungsparteien nicht mehr in den Saal kommen, sondern man hat den Sadismus, sie noch in die Kniee zwingen zu wollen und auch diese Selbstbeschimpfung zu verlangen, daß sie hier im offenen Kampfe gegen ihre Volksgenossen stimmen sollen. (Posl. dr Schollich: Das wäre Aufklärungsarbeit! Die Abg. Mayer und Hanreich wurden vom Wahlgericht ihrer Mandate entkleidet!) Die ich rief die Geister, werde ich nun nicht los. Das sind die Folgen der Auseinandersetzungen, die sich ergeben haben. Es ist begreiflich, daß sich die èechische Mehrheit bemüht hat um die deutschen Stimmen, weil man ein gewisses Alibi für das Ausland brauchen würde, um darauf hinweisen zu können, daß es nicht eine nationale, sondern eine rein parteipolitische Frage gewesen wäre, weil man sich besonders Deutschland gegenüber ausreden möchte, daß auch deutsche Stimmen für die Auslieferungen gestimmt haben. Aber gerade aus diesen Gründen wäre es um so notwendiger, daß die ges amte deutsche Fraktion entschieden gegen diese politische Verfolgung stimmt.
Es wäre naheliegend, vom Volkssportprozeß und dem derzeitigen Stand desselben zu sprechen, doch es würde zuweit führen. Ich habe hier die Nichtigkeitsbeschwerde, die eingebracht wurde, in einem Umfang von über 60 Seiten und eine Anzahl von Protokollen und Beilagen hiezu mit Eingaben an den Herrn Justizminister, wo auf die krassesten Gesetzesverletzungen hingewiesen wird, die sich in Brünn ereignet haben. Bisher hat es der Herr Justizminister nicht der Mühe wert gefunden darauf zu antworten. Es wäre außerordentlich wertvoll gewesen, seine Stellungnahme kennen zu lernen.
Aber ich will auf eine juristische Seite der Verfolgung hinweisen und die Aufmerksamkeit daher darauf lenken, daß in der Frage, die heute hier behandelt wird, schon einige Oberstgerichtliche Entscheidungen erflossen sind und daß diese unter Umständen sogar einen gewissen Schlüssel zum bereits durchgeführten Volkssportprozeß geben, und Festlegungen im kommenden politischen Prozeß sein werden. Bekanntlich verlangt § 2 des Schutzgesetzes sowie der § 17 desselben Gesetzes, welche beide Paragraphe die Unterlage zum Auslieferungsbegehren bilden, konkrete Handlungen von Anschlägen gegen die Republik und wer zu diesem Zwecke sich mit einer fremden Macht in Verbindung setzt, und wer zu diesem Zwecke Waffen und Hilfskräfte sammelt oder Waffen und Munition liefert, wird wegen Verbrechens mit schwerem Kerker von 1 bis 5 Jahren und unter besonders erschwerenden Umständen mit schwerem Kerker von 5 bis 10 Jahren bestraft. Ich frage nun: welche konkrete Handlung ist bisher in dieser ganzen Verfolgung aufgezeigt worden? Ich habe vorhin gezeigt, daß die Mehrheit und auch der Staatsanwalt auf diese entscheidende Frage die Antwort schuldig geblieben sind. Eine konkrete Behandlung war beispielsweise der Sturm auf die Kaserne in Brünn. Es ist bezeichnend, daß man heute zu hören bekommt, daß diese beiden Haupttäter angeblich in Südslavien verschwunden sind, daß man ihnen vielleicht einen gewissen Wink gegeben hat, um sich den Prozeß gegen diese zu ersparen.
Ich werde Ihnen aber ein praktisches Beispiel und zwar aus der Geschichte des èechischen Volkes zeigen wie eine sogenannte Hochverratshandlung in Wirklichkeit aussieht, ein konkretes Beispiel, wie es bisher nicht aufgezeigt werden konnte. Bekanntlich mutet es doch außerordentlich sonderbar an, daß ausgerechnet die Èechen fortwährend mit Verfolgungen und Hochverrat zu tun haben. Ihre ganze frühere Geschichte - das ist kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung - hat reichlich viel mit Hochverratsfragen zu tun gehabt. Eine konkrete Handlung war z. B. als eine Deputation von Èechen am 7. August 1914 beim russischen Zar vorgesprochen hat, welche beim Zaren folgende Erklärung abgegeben hat:
"Eurer Majestät! Die Èechen waren stets Vertreter der slavischen Einigungsbestimmungen. Nun da wir zum erstenmale vom Thron her das Zarenwort von der Befreiung des gesamten Slaventums gehört haben, hat sich unser Herz mit tiefer Freude erfüllt. Es nähert sich die lang erwartete heilige Stunde, der Augenblick der Befreiung der böhmischen Länder. Die Stimme unserer Brüder von dem gequälten Böhmen kann nicht ins heilige Rußland dringen. Wir russischen Èechen, die wir treue Untertanen Eurer Majestät sind, sind vor die geheiligte Person des regierenden Führers der ritterlichen russischen Brudernation getreten und geben unseren Gefühlen unbegrenzter Liebe und Ergebenheit Ausdruck und wagen es, die Hoffnung auszusprechen, daß die Vorsehung beschlossen hat, daß das vom Großvater Eurer Majestät seeligen Angedenkens begonnene Werk der Befreiung der Slaven von Eurer Majestät, dem Befreier Rußlands und des gesamten Slaventums, beendet werde. Möge der Allmächtige Eurer Majestät helfen, diese Idee zu verwirklichen und auch unsere èechische Nation in die Familien der slavischen Brüder führen mit Rücksicht auf ihre historischen Rechte und ihre historische und ethnographische Grenze. Möge die freie unabhängige Krone des heiligen Wenzel in der Strahlenkrone der Romanows erstrahlen."
Nicht, daß ich diese Äußerungen zu einem Vorwurf mache, sondern lediglich, daß ich feststelle, daß man auf èechischer Seite Tathandlungen gesetzt hat, die man klarer heute unter gesetzliche Bestimmungen geben könnte, als die Methode, mit der heute politische Prozesse geführt werden. (Posl. dr Schollich: Klofáè hat während der slavischen Krise seine bekannte Hetzrede gehalten!) Von gleicher Bedeutung. Man hat es doch hier so eingeführt, daß die Prozesse schon begonnen werden aus leeren Verdachtmomenten heraus, in der Absicht im Verlauf des Verfahrens das entsprechende Material herbeizuführen. Genau dieselben Methoden wurden eingeführt beim Volkssportprozeß in Brünn und genau dieselbe Methode scheint eingehalten zu sein bei der jetzigen Verfolgung nationalsozialistischer Parlamentarier, weil man auch hier noch keine einzige konkrete Handlung vorzeigen konnte und hofft, daß vielleicht neben einem Rebitzer sich ein Fräulein Schramm oder ein anderer finden könnte, auch wenn dem Staat dafür an 50.000 Kc Kosten erwachsen würden.
Nun will ich Ihnen - ich halte das für außerordentlich wichtig - eine oder zwei oberstgerichtliche Entscheidungen vorlesen, also Entscheidungen jenes Gerichtes, das sowohl über die Nichtigkeitsbeschwerde im Volkssportprozeß zu urteilen hat als sich auch schließlich mit dem jetzt beginnenden Prozeß auseinandersetzen müssen wird. Es ist außerordentlich bedeutungsvoll hier jetzt schon zu erkennen, welche Einstellung zu den Fragen die zur Verhandlung kommen, das Oberste Gericht dieses Staates hat. (Posl. dr Schollich: Hatte!) Hatte, und vielleicht noch hat.
Es existiert eine oberstgerichtliche Entscheidung Slg. 3917 vom Jahre 1930, die sich mit der nationalsozialistischen Partei befaßt. In dieser Entscheidung heißt es:
"Ziel der nationalsozialistischen Arbeiterpartei ist die Errichtung eines einheitlichen Nationalstaates (Großdeutschland), der alle deutschen Stämme umfassen würde. Durch die Bestrebungen, auf die dieser Zweck der Organisation hinweist, sollen die cechoslovakischen Bürger deutscher Volkszugehörigkeit, selbstverständlich auch mit ihrem Siedlungsgebiete, wo sie die Bevölkerungsmehrheit haben, losgerissen und an Großdeutschland angeschlossen werden. Diese Wirkung würde notwendig die verfassungsmäßige Einheitlichkeit der Republik verletzen, sie kann nur durch deren Unterwühlung erreicht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die Vereinigung außer diesem ein nicht anstößiges Ziel verfolgt und daß sie die bedenklichen Tendenzen unter dem Gewande der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker verbirgt. Das Recht der Völker auf die Bestimmung ihrer staatlichen Zugehörigkeit bzw. auf die Bildung eigener Staaten kann nur insoweit anerkannt werden, als es sich in den Friedensverträgen Geltung verschafft hat." (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.) Abgesehen davon, daß der letzte Satz ein aufgelegter Widerspruch ist, weil ein selbstbestimmendes Recht nicht bestimmt werden kann, noch dazu durch solche Zwangsfriedensverträge, wie die vorliegenden, verweise ich doch darauf, daß es sich hiebei um eine präjudizielle Äußerung des gleichen Obersten Gerichtes handelt, das über die gleiche Frage wieder zu entscheiden haben wird. Wir können uns vorstellen, was von diesem Obersten Gericht für eine Entscheidung zu erwarten sein wird. Es kommt mir so vor, als ob dies mit eine Erklärung dafür wäre, warum das Brünner Gericht überhaupt in solch demonstrativer Weise auf alle Zeugenbeweisanträge verzichtet hat, die von den Angeklagten gekommen sind. Man scheint sich damit begnügt zu haben, daß bereits in früheren Fällen die Untersuchung durchgeführt worden ist, und sich darauf verlassen zu haben, daß die Frage, die im Brünner Volkssportprozeß zur Entscheidung kam und in den großen politischen Prozessen wieder zur Entscheidung kommen wird, durch diese oberstgerichtliche Entscheidung bereits festgelegt ist. Es ist zweifellos, daß der eine oder andere Richter nicht an eine solche oberstgerichtliche Entscheidung gebunden ist, andererseits aber erscheint zweifellos die richterliche Unabhängigkeit gerade in politischen Prozessen praktisch aufgehoben. Welcher Richter, frage ich, soll es wagen, in einem ausgesprochenen politischen Prozeß Stellung gegen das zu nehmen, was offensichtlich von der èechischen öffentlichen Meinung verlangt wird, was auf der Straße, was in der Presse verlangt wird. Von welchem Richter soll verlangt werden, daß er seine Existenz aufs Spiel setzt, wenn er versucht, nach eigenem Gewissen zu handeln. (Posl. Horpynka: Das darf nur ein Richter wagen, der in Pension gehen will!) Ja, oder ein solcher, dem nichts daran liegt, in die Slovakei versetzt zu werden.
Es ist noch eine weitere Anzahl oberstgerichtlicher Entscheidungen erflossen, die von großer Bedeutung sind und die direkt in die politische Fragestellung hineingreifen. So ist z. B. eine oberstgerichtliche Entscheidung über das Selbstbestimmungsrecht erflossen. Nachdem ich Ihnen hier gezeigt habe, daß man von der nationalsozialistischen Arbeiterpartei ausdrücklich erklärt, daß sie im geheimen dieses Ziel hat, so ist die Fortsetzung dieser Betrachtung eine Entscheidung des Obersten Gerichtes Slg. 2082 vom Jahre 1926 und eine gleiche Entscheidung Slg. 3630 vom Jahre 1929, in welcher über das Selbstbestimmungsrecht die Stellungnahme des Obersten Gerichtes dieses - Staates bekannt gegeben wird. Es heißt in dieser Entscheidung:
"Die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes in der Richtung, daß sich eine nationale Minderheit vom Staate lostrennt, dem sie durch gültige internationale Verträge einverleibt ist und sich einem fremden Staate anschließt, ist unvereinbar mit der Existenz des Staates, so wie er entstanden ist, insbesondere mit seiner verfassungsmäßigen Einheit, derzufolge das Staatsgebiet ein einheitliches und unteilbares Ganzes bildet, dessen Grenzen nur durch ein Verfassungsgesetz geändert werden können. Die Betonung dieser Richtung des Selbstbestimmungsrechtes entfremdet die Staatsbürger dem Staatsgedanken, sie erweckt oder vertieft in ihnen die Anschauung, daß ihre Interessen und die staatlichen Interessen einander widerstreben, sie untergräbt in ihnen die Überzeugung, daß das Geschick eines jeden Staatsbürgers mit jenem des Staates verknüpft ist und es Pflicht eines jeden Staatsbürgers ist, nach Kräften zu einer gedeihlichen Entwicklung des Staates beizutragen. Die seelische Stimmung, die sich durch eine derartige Betonung des Selbstbestimmungsrechtes, sei es auch nur in einem Teile der Bevölkerung entwickelt, trifft unmittelbar die Existenzgrundlagen des Staates als ganzen und der einzelnen Länder. Deshalb muß in einer solchen Tätigkeit ein Angriff gegen den Staat insbesondere gegen seine verfassungsmäßige Einheitlichkeit erblickt werden."
Meine Herren! Diese oberstgerichtlichen Entscheidungen, die ich hier mit Absicht zitiere, sind von großer politischer Bedeutung, denn man sieht, in welchem Sinne das Oberste Gericht bereits eingestellt ist, das jetzt an die Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde im Volkssportprozeß und in Zukunft an die Stellungsnahme in den kommenden politischen Prozessen herantreten wird. Man könnte sagen, daß, wenn ich Ihnen Titel und Herkunft nicht gesagt hätte, diese Auslassungen unter Umständen von einem politischen Parteisekretariat stammen könnten und viel besser dorthin passen und ebenso gut auch ein Zeitungsartikel aus einem Prager Blatt sein könnten. Aber hier ist es im neuesten Strafgesetzbuch vom Jahre 1932 als oberstgerichtliche Entscheidung zitiert. Wir müssen uns über diese Entscheidung klar sein, weil das Oberste Gericht in nächster Zeit die Entscheidung über die ganze politische Prozeßführung zu fällen haben wird.
Was die politische Bedeutung des Prozesses betrifft, so ist darüber von dieser Stelle schon viel gesprochen worden. Aber ich muß noch etwas anderes hervorheben. Ich muß geradezu der Regierung Dank sagen, wie sie heute das sudetendeutsche Problem in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses stellt. Man wird sich getäuscht haben, wenn man geglaubt hat, daß dieser politische Prozeß in einer Weise abgetan werden kann, ohne weiteste Wellen nach außenhin zu schlagen. Der Dank, den ich der Regierung ausgesprochen habe, gilt für die Propaganda, die der sudetendeutschen Frage in kürzester Zeit in ganz Europa gewidmet werden wird. Was uns mit unseren Kräften nicht möglich gewesen ist, was uns durch Eingaben an den Völkerbund, durch Beschwerden aller Art nicht gelungen ist, die sudetendeutsche Frage als ungelöste Frage, als Frage, die in den Friedensverträgen zu unseren Ungunsten gelöst wurde, darzustellen, diese Frage tatsächlich zu einer europäischen zu gestalten, das wird die Auswirkung dieses politischen Prozesses sein. Dieser politische Prozeß wird die sudetendeutsche Frage vor das internationale oder zwischenstaatliche europäische Forum bringen und sie wird von diesem Forum nicht mehr verschwinden, bis sie einer entsprechenden Lösung zugeführt sein wird. Es ist mehr als selbstverständlich, daß wir in diesem Kampfe einerseits um die Freiheit der öffentlichen Meinung und der politischen Gesinnung, andererseits aber auch im Kampfe um die Befreiung unseres Volkes, mit den hier Verfolgten Schulter an Schulter stehen und stehen werden.
Zum Schlusse meiner Ausführungen will ich noch ein Zitat anführen, das ganz klar die Einstellung zum Ausdrucke bringt, die vor nicht zu langer Zeit die Vertreter des èechischen Volkes in dieser Frage gehabt haben. Im "Èeskoslovenský denník", Nr. 12 vom 28. Oktober 1918 ist ein Manifest an die èechoslovakische Nation veröffentlicht worden, welches der Vorstand des Nationalausschusses unterzeichnet hat, und zwar Dr. Karel Kramáø als Vorsitzender, Václav Klofáè, Antonín Švehla als Stellvertreter und Dr. František Soukup als Amtsleiter. In diesem Manifest steht unter anderem Folgendes:
"Die Sendung des èechoslovakischen Nationalausschusses ist mit der Forderung dieser Zeit gegeben: insystematischer Arbeit alle großen seelischen, moralischen und materiellen Kräfte in der Nation zur Erreichung dessen zu vereinigen, was das heiligste und unveräußerliche Recht jeder Nation ist und was auch unserer Nation nicht versagt werden kann und wird, das Recht der Selbstbestimmung, in einem selbständigen demokratischen Staat mit eigener Selbstverwaltung im eigenen Haus und unter eigener Souveränität."
Dieses Zitat rührt von den Èechen
her und damit hat der èechoslovakische Nationalausschuß eine These
gesetzt, die auch wir anerkennen und uns zu Eigen machen! Wir
glauben an unser Recht auf Freiheit und werden den Kampf um unsere
Befreiung bis zur Erlösung aus der Fremdherrschaft führen. (Potlesk.)
Die Auslieferung, die hier beantragt wird, bedeutet die Einleitung zu einem Akt nationalistischer Unterdrückung und nationalistischen Terrors, aber nicht gegen die Führer, die hier zur Auslieferung beantragt sind, sondern gegen die werktätigen Massen der unterdrückten Völker in diesem Staate, die ernstlich um ihre nationale Befreiung kämpfen. Es ist ein Akt zugleich nicht nur der Gewalt und des Terrors, sondern auch des Luges und Betruges, er dient auch betrügerischen Zwecken, und wir Kommunisten sind deshalb mit voller Entschlossenheit gegen diese Auslieferung, obwohl sie sich scheinbar gegen die schlimmsten Feinde der Arbeiter richtet. Ich glaube, daß es niemanden geben wird, der in der politischen Demagogie so weit gehen würde, daß er in unserer Haltung hier eine Unterstützung der deutschen Nationalsozialisten sehen würde, daß er nicht sehen würde, daß wir die einzigen entschlossensten Feinde dieser Partei sind, welche im Dienste des Kapitals gegen die Arbeitenden alle Mittel, auch die es Verbrechens, anwendet. Die Nationalsozialisten sind die blutigsten, gefährlichsten, tückischesten und zugleich auch die feigsten Feinde der arbeitenden Klasse. Sie trauen sich gegen die Arbeitenden vorzugehen, weil sie genau wissen, daß sie dabei unterstützt werden von dem Apparat desselben Staates, der jetzt scheinbar gegen sie vorgeht. Ich glaube nicht, daß die Organisationen, um die es sich hier handelt, viel Gewehre oder gar Maschinengewehre oder ähnliche Waffen haben. Das erlaubt ihnen der èechoslovakische Staat, die èechische Bourgeoisie nicht, und sie tun nur das, was ihnen die èechische Bourgeoisie erlaubt. Aber Schlagringe, Totschläger, Dolche und derartige Waffen haben diese Organisationen sicher, aber nicht gegen die èechische Bourgeoisie, nicht gegen die Kapitalisten, sondern gegen die Arbeiter, gegen die sie diese Dinge auch anwenden. Wir sehen jetzt in Deutschland, wie sie heute nicht nur von Polizei und Gendarmen geschützt werden, sondern die ganze Staatsmacht heute offen hinter ihnen steht, wo heute Erlässe herausgegeben werden, welche der Polizei und Gendarmerie offen sagen: "Auf Arbeiter dürft Ihr schießen, auf nationalsozialistische Mörder dürft ihr nicht schießen, die müßt ihr unterstützen." Man weiß, mit welch blutigem Terror diese Leute gegen die Arbeiter vorgehen. Kein Tag vergeht in Deutschland, wo nicht Arbeiter von ihnen gemordet werden. Genau so möchten sie es auch hier machen, genau dasselbe haben sie auch hier in der Èechoslovakei betrieben. Ich erinnere nur an den Mord des Arbeiters in Proschwitz und an die gewaltsamen Überfälle, welche verhetzte Nationalsozialisten auf Arbeiter unternommen haben. Hier treten diese Führer auf und berufen sich auf die Demokratie, auf das Recht, deren vergöttertes Vorbild Mussolini und Hitler ist, welche offen jede Demokratie mit Füßen treten gegen die Arbeitenden.