Úterý 21. února 1933

In den letzten Jahren hat sich bei unseren Gerichten eine Praxis eingebürgert, die einen geradezu unerhörten Rückschritt in der modernen Rechtsprechung darstellt. Diese Praxis besteht darin, daß man die Gutachten der Polizeidirektion in Prag, und anderswo über irgendwelche Vereine und Verbände oder militärische Sachverständigengutachten erstatten läßt und dann auf Grund dieser Gutachten ohne Zulassung von Zeugen einfach Verurteilungen vornimmt. Die Urteilsgrundlage der letzten beiden politischen Prozesse, des Volkssportprozesses und des Jungsturmprozesses in Brünn, wobei ich ausdrücklich erkläre, daß die Anhänger des Jungsturms keine Hakenkreuzler und nicht in unserer Bewegung gewesen sind, ist immer das militärische Sachverständigengutachten gewesen. Dadurch ist die Macht der Gerichte eine rein formale geworden, weil die Entscheidung nicht mehr bei den Gerichten, sondern ganz anderswo liegt. Es ist die Unabhängigkeit der Gerichte praktisch aufgehoben worden, da es erfahrungsgemäß kein Gericht wagt, gegen die Auffassung der militärischen Sachverständigen oder der politischen Verwaltung aufzutreten, und wir sind neugierig - wir zahlen den hohen Preis unserer Existenz unter Umständen - ob dieselbe Praxis bei uns angewendet werden wird, wie jetzt immer. Ein interessanter Fall in dieser Hinsicht ist ja auch jüngst der beim Kreisgericht in Königgrätz geführte Prozeß der Nationasozialisten Bittner und Genossen, in dem sich bereits die Anklageschrift auf das Gutachten der Prager Polizeidirektion gestützt hat. Eine der wichtigsten Errungenschaften der modernen Staatsauffassung besteht in der Dreiteilung der Gewalten im Staate. Die Montesquieu'sche Lehre von der Dreiteilung der Gewalten in die gesetzgebende, verwaltende und richterliche Gewalt hat die Justiz aus den Klammern der Kabinettspolitik befreit und sie wurde uabhängig von der politischen Verwaltung und der Gesetzgebung gemacht. Der wichtigste Grundsatz jedes modernen Rechtsstaates ist die vollständige Unabhängigkeit des Richters von irgendwelchen politischen und administrativen Einflüssen. Die verantwortlichen Faktoren der Èechoslovakischen Republik scheinen kein Gewicht mehr darauf zu legen, ihren Staat als Rechtsstaat nach dieser Auffassung zu halten, das Parlament aber, das nicht nur die Aufgabe hat, die Gesetze zu schaffen, sondern auch bedacht sein muß, daß die Grundlage der Verfassung und der Gesetze respektiert wird, darf oder sollte sich nicht dazu hergeben, sich an einem solchen Mißbrauch zur politischen Persekution mitschuldig zu machen. Der § 96 der Verfassungsurkunde, der von der richterlichen Gewalt handelt, sagt ausdrücklich: "Die Rechtspflege ist in allen Instanzen von der Verwaltung getrennt." Im § 98 der Verfassung heißt es ausdrücklich: "Alle Richter üben ihr Amt nur durch das Gesetz gebunden und unabhängig aus." Wenn also in diesen beiden Paragraphen einerseits die vollkommene Unabhängigkeit der Richterschaft festgelegt ist und anderseits gesagt wird, daß die Rechtspflege von der Verwaltung zu trennen ist, dann bedeutet es nichts anderes als einen Bruch der Verfassung, wenn ohne Anhörung von Zeugen, einfach auf Grund des Verdiktes einer Verwaltungsbehörde, wie es das Ministerium für nationale Verteidigung einerseits und die Polizeidirektion in Prag und das Innenministerium anderseits sind, Urteile gefällt werden. Wenn daher der Herr Justizminister in seinen Ausführungen im Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses gemeint hat, es sei absurd, die Abhängigkeit des Gerichtes daraus abzuleiten, daß das Gericht die Überzeugung von der Schuld aus Aussagen eines Polizeibeamten, bzw. auf Grund des Gutachtens der militärischen Sachverständigen gewonnen hat, dann weiß ich nicht, was das beiderseitige Gehör in unserer Strafprozeßordnung überhaupt noch für einen Zweck hat. Wenn man dem gemeinsten Raubmörder das Recht zubilligt, Zeugen zu führen, dann muß es in einem politischen Prozeß erster Ordnung, wie es dieser Prozeß ist, unter allen Umständen möglich sein, gerade gegenüber einem militärischen Sachverständigengutachten Zeugen zu führen und die Irrtümer eines Gutachtens dadurch zu beseitigen (Posl. inž Kallina: Auf Grund dieses Gutachtens ist ja erst die Anklage erhoben worden!) Sehr richtig, der Herr Koll. Kallina hat durchaus recht. Man muß sich doch konkret vorstellen, wie ein solches militärisches Gutachten überhaupt zustandekommt. Es ist das Ergebnis [ ] von einseitigen Betrachtungen und Erhebungen. Es wird unter Ausschluß der Öffentlichkeit ohne irgend eine Kontrolle konstruiert. Wenn nun ein Gericht ein solches Gutachten ohne Zulassung von Zeugen einfach akzeptiert, dann schließt es sich diesen Methoden des einseitigen Erhebens, des Spionage- und Spitzeldienstes einfach an, ohne den wichtigsten Rechtsgrundsatz eines Rechtsstaates, der im § 3 der Strafprozeßordnung niedergelegt ist, zu beachten und der da lautet: "Alle im Strafverfahren tätigen Behörden haben die zur Belastung und Verteidigung der Beschuldigten dienenden Umstände in gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen." Diese Gesetzesbestimmung scheint nicht mehr zu existieren. Wäre diese grundlegende Bestimmung der Strafprozeßordnung im Brünner Volkssportprozeß eingehalten worden, so hätten nicht alle Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt werden können, und dann hätte insbesondere der Herr Justizminister dieses Verhalten des Gerichtes nicht decken können.

Kurz nach dem Volkssportprozeß ist ein zweiter Prozeß in der Èechoslovakei vor den Augen der Öffentlichkeit abgerollt worden. Es ist dies der bekannte Prozeß gegen den Abg. Støíbrný. Mit Recht hat die "Deutsche Presse" Prag in einem aufschlußreichen Aufsatz unter dem Titel "Politische Prozesse" am 14. Dezember 1932 darauf hingewiesen, daß in dem Iglauer Prozeß die gewissenhafteste Einhaltung der Prozeßvorschriften, die peinlichsten Bemühungen des Gerichtes, die objektive Wahrahrheit zu finden, verzeichnet wurden und daß alle Zeugen zugelassen worden sind. Nicht weniger als 117 Zeugen sind im Støíbrný - Prozeß einvernommen worden, vom Lehrling der Delikatessenh anndlung Paukert, vom Kellner des Wilsonbahnhofes bis zum ehem. Finanzminister Dr. Engliš und zum Kanzler des Herrn Präsidenten Dr. Šámal, Lokalaugenscheine wurden durchgeführt und sogar - ich glaube es ist das erstemal seit dem Bestande der Republik - das freie Geleit zum Zwecke einer Zeugenaussage einem im Ausland befindlichen Zeugen gewährt. Wer mit dieser Tatsache die andere Tatsache vergleicht, daß im Volkssportprozeß nicht ein einziger Zeuge - mit Ausnahmen des Polizeirats Dr Preininger und des Herrn Mendel, der überhaupt nicht Wesentliches zu sagen wußte - zugelassen wurde, der muß begreifen, warum wir Nationalsozialisten diesen Prozeß als einen Teil der Persekutionen ich kann es nicht anders nennen, Herr Justizminister - der Persekutionen unserer Bewegung bezeichnen (Souhlas na levici. - Výkøiky posl. inž. Junga.) und warum wir deshalb das Schwergewicht darauf legen, daß auf parlamentarischem Boden Klarheit über die Beschuldigungen geschaffen wird und die ganze Welt hört, wie in solcher Prozeß hierzulande abgeführt wird.

Ich konstatiere nochmals, daß eine Klarstellung der Anschuldigungen gegen die vier zur Auslieferung stehenden Abgeordneten auch durch den Antrag des Abg. Pohl nicht erreicht werden konnte, weil die Mehrheit des Immunitätsausschusses entgegen dem klaren Beschluß dieses Ausschusses vom 7. Dezember 1932 ohne Vorlage des geforderten Aktenmaterials, ohne Konkretisierung des Auslieferungsbegehrens beschlossen hat, den Auslieferungsantrag dem Plenum des Hauses vorzulegen.

Ich muß in diesem Zusammenhzang einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Justizministers Dr. Meissner in der Sitzung des Budgetausschusses des Abgeordnetenhauses und des Senates, also zu seinen Reden vom 18. Jänner und 13. Feber 1933 machen. Herr Justizminister Dr. Meissner hat in seiner Rede vom 18. Jänner erklärt, daß in dem Verfahren gegen 263 Nationalsozialisten wegen § 2 des Schutzgesetzes in Prag nur 7 Anklagen erhob en wurden und bei einigen das Verfahren eingestellt wurde. Auf Grund dieser Erklärungen des Herrn Ministers stellte der Verteidiger im Volkssportprozeß Herr Dr. Stark sofort beim Kreisgericht in Prag den Antrag, die für zwei Beschuldigte erlegten Kautionen zurückzustellen. Das Begehren des Rechtsanwaltes Dr. Stark wurde mit der Begründung abgewiesen, daß das Strafverfahren noch im Laufen sei und die Kautionen erst nach dem Urteil zurückgestellt werden können. Da den übrigen Angeklagten weder eine gerichtliche Zustellung auf Einstellung des Verfahrens noch bezüglich der Fortsetzung des Untersuchungsverfahrens nach § 17 zugestellt wurde, ist ersichtlich, daß die diesbezüglichen Ausführungen des Herrn Justizministers Dr. Meissner vom 18. Jänner 1933 unrichtig sind. Damit ist der Teil des Beweises dafür, wie obj ektiv und gewissenhaft die Organe der öffentlichen Anklage den Herrn Minister unterrichten, geliefert. In seiner Rede vom 13. Feber hat der Herr Justizminister ferner gesagt, daß der Antrag auf Strafverfolgung bloß in Bezug auf jene Mitglieder der Nationalvers ammlung gestellt wurde, hinsichtlich welcher sich in den Akten ein bestimmtes Faktum vorgefunden hatte und er erklärte weiter, die juristische Verwaltung und die Organe der öffentlichen Anklage unterscheiden genau und werden zwischen den einzelnen Anschuldigungen danach unterscheiden, was man festgestellt hat oder was man feststellen wird. Dazu möchte ich ausdrücklich bemerken, daß die beiden vorliegenden Auslieferungsbegehren, also sowohl jenes vom 4. November 1932 als auch das zweite vom 9. Jänner 1933 ausdrücklichneben den Abg. Jung, Krebs, Knirsch, und Schubert den Abg. Kasper zur Auslieferung begehrten, ohne über diesen Abgeordneten ein einziges Faktum aus den Akten anführen zu können. In dem Auslieferungsbegehren vom 9. Jänner wird erklärt, daß die Tätigkeit des Volkssportverbandes und der leitenden Funktionäre Jung, Krebs, Kasper, Knirsch und Schubert einem militärischen Sachverständigenurteil untersteht und es werden in einem Nachtrag die Seiten des Urteils genannt, in denen die einzelnen Abgeordneten erwähnt werden. Obzwar nun in diesem Zusammenhang der Name des Abg. Kasper genannt ist, kann das Auslieferungsbegehren auf eine Seite, auf der der Name des Abgeordneten Kasper vorkommt, nicht hinweisen, weil der Name des Abg. Kasper überhaupt nicht in diesem Zusammenhang genannt worden ist. Wie der Herr Justizminister davon sprechen kann, daß nur jene Abgeordneten zur Auslieferung begehrt worden sind, bei denen ein bestimmtes Faktum in den Akten vorgefunden wurde, ist mir unverständlich. Die Ergänzung zu dem Auslieferungsbegehren gegen den Abg. Kasper, die auf Grund des Protokolls beim Polizeikommissariate in Gablonz, abgegeben durch einen gewissen Wenzel Rebitzer, erfolgte, ist überhaupt erst nachträglich, einige Wochen nach Abfassung des Auslieferungsbegehrens eingelangt, so daß man nicht davon sprechen kann, daß sich in den Akten des Volkssportprozesses bestimmte Fakta über das Mitglied der Nationalversammlung Kasper befunden haben.

Wenn Herr Minister Dr. Meissner dann den Angehörigen der deutschen Opposition sein Bedauern ausdrü ckt, daß sie sich ohne genügende Grundlage solidarisch mit den Nationalsozialisten erklären und die Frage an sie richtet: "Was fordern die Herren von uns, etwa daß bei der Frage, ob verfolgt werden soll oder nicht, das politische Moment entscheidet?", dann bitte ich ihn, sich an seinen Koalitionskollegen Herrn Minister Dr. Spina zu wenden, der in seiner Rede am Kreisparteitag des Bundes der Landwirte in Mähr. Neustadt am 19. Juni 1932 wörtlich erklärte: "Es ist meine Überzeugung, daß es nie zu der bedauernswerten Aufbauschung der Volkssport-Affäre gekommen wäre, wenn nicht die Öffentlichkeit und andere Faktoren die Notwendigkeit einer Politik der starken Hand für die Deutschen gekommen gesehen hätten, wenn das Gespenst der starken Hand im benachbarten Reich nicht erschienen wäre und wenn dieses Gespenst nicht überflüssigerweise von gewissen Faktoren bei uns künstlich eingeflößt worden wäre." Wir fragen den Herrn Justizminister, ob er seinen Ministerkollegen Herrn Prof. Dr. Spina, desavouieren will, der mit diesen Worten ganz eindeutig erklärte, daß der Volkssportprozeß nicht aus sachlichen strafrechtlich-juristischen, sondern aus politischen Gründen aufgezogen worden ist. Und ein anderer Zeuge dafür, wie selbst in Regierungskreisen das Urteil gewertet worden ist, bildet folgendes wörtliche Zitat aus der Rede des Herrn Abg. Dr. Hodina am 12. Feber 1933: "Und was spielte sich in Brünn ab? War das eine Verteidigung? Dieses fortwährende Frotzeln des Herrn Vorsitzenden und des Staatsanwalts, die dadurch in Wut gebracht wurden, und von denen man dann erwartete, daß sie die jungen Leute freisprechen sollten." Hier wird offen gesagt, daß das Gericht sich also nicht von objektiven Umständen, sondern von seiner Leidenschaft, von Wut leiten ließ. Und wenn dann weiters Herr Abg. Dr. Hodina sagt, die deutschen Minister haben ihre Pflicht getan, doch ihre Hilfe wurde durch das Verhalten vor dem Brünner Gerichtshof zunichte gemacht, dann erhebt sich auch hier die Frage, wo dann das von Herrn Minister Dr. Meissner verteidigte objektive Verhalten des Brünner Gerichtes zu finden war. Ich konstatiere ausdrücklich, daß diese Auffassung nicht etwa unsere Auffassung, sondern die der Mitglieder derselben Regierungskoalition ist, der Herr Minister Dr. Meissner angehört.

Das Gericht hat nach einer etwa Bwöchigen Dauer am 4. September 1932 ein Urteil in Brünn gefällt. Die Ausfertigung dieses Urteils ist erst am 22. Dezember 1932 durchgeführt worden. Die achttägige Frist zur Überreichung der Nichtigkeitsbeschwerde ist am 30. Dezember 1932 abgelaufen. Es ist nebensächlich, daß diese Zeit gerade in die Weihnachtszeit fällt. Aber es ist interessant, daß nach der Überreichung der Nichtigkeitsbeschwerde (Výkøiky posl. inž. Junga.) der Staatsanwalt auf einmal Ergänzungen des Protokolls verlanfte. (Posl. inž. Jung: Bitte, da sehr gut zuzuhören!) Ich lege den Akt dem hohen Hause vor. Es heißt hier in der Zuschrift an die Anwälte: "In der Strafsache gegen Dr. Alex. Petermichel und Genossen wegen Verbrechens nach § 2 des Gesetzes zum Schutz der Republik wird Ihnen mitgeteilt, daß die Staatsanwaltschaft die gegen das Urteil angemeldeten Rechtsmittel zurückgezogen und eine Gegenausführung auf die von den Angeklagten ausgeführten Rechtsmittel nicht überreicht hat. Sie beantragt jedoch die Berichtigung beziehungsweise Ergänzung des Hauptverhandlungsprotokolles in folgenden Punkten: auf Blatt Z. 1565 vom 19. Bogen, 2. Seite, letzte Zeile soll hinter den Worten "zu bekennen" der Satz "daß genau wie z. B. Prag der Mittelpunkt des Westslaventums ist, das Reich für uns die Quelle der Kraft ist" eingeschaltet werden. Auf Blatt Z. 1565 vom 19. Bogen, erste Seite, soll im vorletzten Absatz die Kundgebung des Angeklagten Ing. Haider nach den Worten: "es hing über meinem Bett" - nämlich das Bild Adolf Hitlers - folgende rmaßen ergänzt werden: "Ich verehre alle großen Männer meines Volkes, ob Reichsdeutsche oder Grenzlanddeutsche, sie sind mein Eigentum, wie sie das Eigentum eines jeden Deutschen sind, ganz gleich, wo er lebt, ich verehre und liebe Adolf Hitler als Begründer und Führer der größten weltanschaulichen Bewegung in Deutschland, die es je gegeben hat." Auf Blatt Z. 1568 (18. Bogen, letzte Seite) soll in der Erklärung des Angeklagten Illing, der mit: "Ich bekenne mich" . . . . eingeleitete Satz durch Hinzufügung der Worte: "zu deren Grundsätzen" ergänzt werden. Endlich soll im Hauptverhandlungsprotokoll beurkundet werden, daß sämtliche Angeklagten im Laufe ihrer Vernehmung bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholt erklärt haben, daß sie sich ideengemäß hinter die politischen Richtlinien der reichsdeutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei stellen und daß sie diese ihre politische Gesinnung nicht als eine strafbare Handlung ansehen." Ich konstatiere ausdrücklich, daß die Angeklagten ununterbrochen erklärten: wir stehen auf dem Grundsatz der Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei in diesem Staate und vertreten daher den Grundsatz der nationalen Autonomie. (Sehr richtig!) Der Staatsanwalt will jetzt nachträglich, auch das ist schon interessant, nach abgeschlossenem Verfahren, nachdem die Rechtsmittel der Verteidigung bereits erschöpft sind, er die Nichtigkeitsbeschwerde in seiner Hand hat, noch korrigieren. Das nennt man: Corriger la fortune.

Meine Verehrten! Es wird an anderer Stelle Möglichkeit genug sein, noch über eine Reihe von wichtigen Fragen, die einerseits im Prozeß und andererseits im militärischen Gutachten eine große Rolle gespielt haben, einzugehen. Ich möchte heute noch auf eine sehr wichtige Frage zurückkommen, nämlich auf die Frage, in welchem politischen Milieu und durch welche äußeren Umstände der Prozeß zu dem gemacht worden ist, was er heute darstellt. Wer das beurteilen will, der muß sich, wie ich es vom ersten Tag an getan habe, eine Sammlung der Presseerzeugnisse zur Verfügung halten, die in diesem Lande hergestellt worden sind. Wir haben seit dem Beginn der Verfolgungen im Volkssportprozeß, also seit dem März 1932 eine solche abgrundtiefe Hetze in der ges amten èechischen Presse erlebt, wie sie auch in diesem Lande und in dieser èechischen Boulevardpresse beispiellos in der Vergangenheit dasteht. Tag für Tag hat diese Presse, über deren Qualität ich mir kein Urteil erlauben will, weil man darüber über haupt nicht mehr urteilen kann, in der unerhörtesten Art und Weise nicht nur Lügen und Unwahrheiten verbreitet, sondern geradezu Betrug an der Öffentlichkeit geübt. Vom ersten Tage an, wo auf Grund von halbamtlichen oder anderen Informationen die èechische Presse ihre Mitteilungen in die Öffentlichkeit brachte, angefangen, bis zum heutigen Tage haben wir eine Kette von solchen Lügen und Unwahrheiten in der èechischen Presse. (Posl. Knirsch: Unter dem Druck dieses Verfahrens, weil sie nicht den Mut haben, sich dem entgegenzustellen und aus parteipolitischen Gründen!) Das begann damit, werter Parteigenosse Knirsch, daß man dem Volkssportverband und der nationalsozialistischen Arbeiterpartei vom ersten Tage an mit militärischen Bezeichnungen und Anführungen seiner Funktionen ein Bild in der Öffentlichkeit aufzudrücken sich bemühte, das in keiner Weise mit den Tatsachen übereinstimmt. Nichts anderes haben wir zu erfahren, als daß ununterbrochen die Presse in folgenden Ausdrücken schwelgt: Das "Èeské Slovo" bringt am 3. Feber eine Meldung unter einem großen Dreispalter: "Prag und das Dritte Reich." Der Hakenkreuzkommandant in Prag auf der Flucht in Tetschen verhaftet." (Hört! Hört!) "Praha, der zehnte Kreis des Hitlerischen Dritten Reiches. Wie sie die Republik zerteilen wollten." Und darunter die Ausführungen einer Phantasie, die einem Jules Verne tatsächlich alle Ehre machen würde. (Posl. inž. Jung: Eine ausgesprochene Hetzerei!) Nach einigen Wochen der ärgsten Hetze dieser Blätter bringt ebenfalls wieder das "Èeské Slovo" eine große Meldung, daß ein bewaffneter Aufstand - der Herr Koll. Ježek hat ja auch heute davon gesprochen, er will sich wahrscheinlich für alle ewigen Zeiten lächerlich machen - in der Èechoslovakischen Republik geplant worden sei. (Posl. inž. Jung: Ja, aber von Gajda und Genossen!) Und es heißt dann in diesem Aufsatz von ungeheuerlichsten Phantasieprodukten bescheiden zum Schluß: "Waffen wurden allerdings nirgends gefunden. Doch ist die Polizei überzeugt, daß die verbotene Organisation im Besitze von Waffen war". (Smích na levici.)

Also, Sie stellen sich selbst das Armutszeugnis aus, daß Waffen da sind, aber daß Sie keine finden können. In Wirklichkeit ist das natürlich eine bodenlose Hetze, denn im ganzen Volksspo rtprozeß sind als corpora delicti am Gerichtstisch gelegen: zwei Flaubertgewehre und zwei alte Trommelrevolver, die nicht etwa bei Volkssportlern gefunden wurden, sondern bei einem alten Nachtwächter, der in Bruch bei Brüx seinen Dienst gemacht hat. Es hat sich sogar Folgendes zugetragen: Im Hof des der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei angehörenden Aussiger Stadtrates Gittel wurde eine Hausdurchsuchung nach Waffen veranstaltet, wobei man zur eigenen Beschämung feststellen mußte, daß dieser Stadtrat Gittel Schlossermeister ist und eine Waffen-Reparaturwerkstätte hat und durch nicht weniger als 5 1/2 Jahre der Aussiger Staatspolizei die Revolver repariert hat. Das "Veèerní Èeské slovo" hat am 20. April unter einem großen Zweispalter wieder eine große Sensationsmeldung gebracht: "Das Archiv des Hitlerschen Generalstabes befindet sich in Böhmen." Die Hausdurchsuchung, die die damalige Regierung in München bei den Hakenkreuzlern veranstaltet hat, hätte festgestellt, daß das dortige Archiv beseitigt und daß dieses wichtige Material in die Èechoslovakei befördert worden ist, daß also das Archiv des Hitler'schen Generalstabes - es muß natürlich gleich ein Generalstab sein - sich in Böhmen befindet. Am 11. März brachte das "Veèerní Èeské slovo" ein wunderschönes Bild mit dem Titel "Die Ritter des Hakenkreuzes, der deutsche Kreuzzug gegen unser Land" und nun sieht man auf dem Bild eine Gerichtszene. Eine ganze Anzahl von weißgekleideten Mädchen, ein langer Gerichtstisch, an dem ein Stadtbote oder Bürgermeister sitzt und vor ihm ein mit einem Kettenpanzer und mit einem mittelalterlichen Stahlhelm gerüsteter Mann, der einen Eid ablegt. Darunter steht: "Hier sehen wir eine Geheimsitzung, wie sie überall die Hakenkreuzler abhalten und bei denen sie einen Eid ablegen, Treue zu halten der Hitlerschen Bewegung. Zu all dem Ungeheuerlichen komt noch dazu, daß auf dem Bild ein Angestellter der Èechoslovakischen Staatsbahnen figuriert." Das ist nichts anderes als eine Hetze gegen deutsche Staatsangestellten bei den Bahnen. (Posl. inž. Jung: Das hat sich auch schon ausgewirkt!) Jawohl! Aber was stellt das Bild dar? Da muß ich sagen, zur Schande dieser Presse und zur Schande des gei stigen Milieus, in welchem diese Prozesse ihre Wurzel und ihren Nährboden gefunden haben, dieses Bild zeigt nichts anderes als eine Szene von der Tausendjahrfeier, die in Mies im Vorjahre stattgefunden hat. (Posl. inž. Jung: Ich habe schon hier im Hause darauf hingewiesen!) Ganz richtig, Koll. Jung hat hier schon darauf hingewiesen. Aber die Tatsache, daß Tag für Tag förmlich, möchte man sage, mit Photographien der Bevölkerung klar gemacht werden sollen diese Ungeheuerlichkeiten, welche diese Hakenkreuzler aushecken, das ist eine Irreführung. Ich möchte Ihnen hier zur Illustration eine Photographie des "Veèer" vom Samstag zur Kenntnis bringen. Der "Veèer", das Organ des Ministerpräsidenten, bringt nämlich am Samstag ein Bild mit der Aufschrift: "Große Ski- und Schießübungen der Deutschen an unseren Grenzen im Erzgebirge." Das Bild zeigt drei Soldaten, die auf Skiern mit Gewehren ausgerüstet Schießübungen veranstalten. Es ist jedem Menschen auf den ersten Blick klar, daß es sich um die deutsche Reichswehr handelt, um Übungen der Reichswehr in der Nähe von Oberammergau in den bayrischen Alpen, die vor 1 1/2 oder 1 1/4 Jahren stattgefunden haben, das Bild war in der gesamten Presse zu sehen. Jetzt plötzlich kommt das Organ des Ministerpräsidenten und stellt das wie dar? "Es gibt hier Tag für Tag an den Grenzen der Èechoslovakischen Republik Kundgebungen der Hakenkreuzler, große Vers ammlungen und Volkstagungen, in denen sie Sympathiekundgebungen für die verfolgten Hakenkreuzabgeordneten veranstalten. Hiebei hat die "Deutsch-österreichische Tageszeitung" die Frechheit zu behaupten, daß weder die reichsdeutschen, noch die sudetendeutschen Hakenkreuzler irgendwelche Absichten irgendeiner Losreißung von der Èechoslovakischen Republik haben. Wir zeigen hier gerade jetzt aus den letzten Tagen eine große Skiund Schießübung an der èechoslovakischen Grenze im Erzgebirge, veranstaltet von den Hakenkreuzlern." (Výkøiky nìmeckých poslancù.)

Ich frage Sie: Das sind wohl die Argumente der militärischen Sachverständigen? Wenn man auf einem solchen Bild, wie es die Jahrtausendfeier von Mies zeigte, der Bevölkerung geheime Vereidigungen vormachen kann, wundern wir uns nicht, wenn so etwas dann möglich ist. Aber wir müssen unsere ganze Abscheu darüber aussprechen, daß selbst das Organ des Herrn Ministerpräsidenten sich zu solchen Methoden herabläßt, um die gesamte Öffentlichkeit noch mehr zu verhetzten, als die schon der Fall ist. Das sind die Herrschaften, die Gleiche unter Gleichen sind.

Woraus resultiert all dieses Gehabe? Doch nur in der Übersteigerung der gegenseitigen Konkurrenz. Im "Polední list" schreibt z. B. der Chefredakteur Dr. Kahánek einen Aufsatz, in dem es heißt: "Werden die hakenkreuzlerischen Abgeordneten heute vom Abgeordnetenhaus ausgeliefert?" In dem Aufsatz heißt es: "Der beste Beweis, wie wichtig unsere Bewegung" - also die des Herrn Kahánek und des Herrn Støíbrný - "ist, ist die Auslieferungsangelegenheit der hakenkreuzlerischen Abgeordneten. Die Koalitionsparteien haben die Auslieferung aus Angst vor Støíbrný betrieben. Die scharfen kritischen Bemerkungen der Støíbrný-Blätter haben eine erhöhte Aktivität für die Auslieferung der deutschen Abgeordneten zur Folge gehabt. Es hat schwere Auseinandersetzungen und Debatten in den Koalitionsparteien gegeben, aber es ist eine Tatsache, daß die Furcht vor der Konkurrenz Støíbrný's ein radikaleres nationalpolitisches Gehaben zur Folge hatte und daß die Regierung jetzt unter dem Druck dieser Agitation zur Auslieferung dieser Abgeordneten schreitet." Diese Auffassung ist uns deshalb so ungemein wichtig, weil sie uns zeigt, aus welchen sachlichen Motiven dieser Prozeß jetzt nicht nur das Haus beschäftigt, sondern auch Wochen und Monate hindurch die gesamte Bevölkerung der Èechoslovakisch en Republik und darüber hinaus halb Mitteleuropa beschäftigen wird. Diese Feststellungen sind aber auch deswegen wichtig, weil sie mir die Möglichkeit geben, den Herren von den Koalitionsparteien zu sagen: Ja glauben Sie denn, daß Sie, wenn Sie diesem Zwang der Støíbrný-Blätter nachgeben, feige fliehend vor der eigenen besseren Überzeugung, wenn Sie diesem System nachgeben, daß Sie Gnade vor den Augen Støíbrnýs finden werden? Gelingt die Auslieferungskampagne, wie wir nicht bezweifeln, so wird er sagen: "Ohne mich wäre es nicht möglich gewesen." Gelingt sie nicht, dann hat er erst recht die Propagandamöglichkeit. Immer wird er der Sieger sein, immer werden die Regierungsparteien unterliegen und je mehr sie diesen radikalen Bestrebungen gerade von dieser Seite Raum geben, umso weniger werden das die Herren in der eigenen Hand haben, umsomehr werden sie unter der Propaganda und Agitation der Støíbrný - Presse zusammenbrechen.

Ich möchte noch ein paar Worte über die Vorgänge sprechen, die sich bei diesem Anlaß im deutschen Lager abgespielt haben und zwar deshalb, weil in den letzten Tagen besonders der Koll. Dr. Hodina die Dinge so dargestellt hat, als ob es sich um eine Privatangelegenheit der vier auf der Auslieferungsliste stehenden nationalsozialistischen Abgeordneten handeln würde. Zunächst stelle ich eindeutig fest, daß in dem offenen Brief, den heute der Hauptverteidiger im Volkssportprozeß Dr. Josef Stark der Öffentlichkeit übergeben hat, ausdrücklich klargelegt wird, daß nicht wir Nationalsozialisten, sondern alle deutschen Parteien einschließlich des Bundes der Landwirte erklärt haben, es handle sich um eine allgemeine sudetendeutsche Angelegenheit. In der Tat hat die ganze Prozeßführung unter diesem Gesichtspunkt stattgefunden und die Verteidigung hat auch jedes Eingreifen der nationalsozialistischen Partei in die Führung des Prozesses abgelehnt. Ich erkläre aber weiter, daß es nicht nur mit Zustimmung des Bundes der Landwirte als solche allgemein sudetendeutsche Angelegenheit bezeichnet worden ist, sondern daß die "Landpost" selbst das zugegeben hat. Am Tage nach dem Brünner Urteil, am 25. September hat die "Landpost" wörtlich Folgendes geschrieben:

"Die sudetendeutsche Öffentlichkeit hat auf dieses Urteil mit Spannung gewartet, denn der Volkssportprozeß war nach dem Baeran-Prozeß wieder das erste große Gerichtsverfahren, das sich nicht nur gegen einzelne Personen richtete, sondern seine Spitze auch gegen das Sudetendeutschtum kehrte, oder zum mindestens gegen eine bestimmte Mentalität und Gesinnung. Mit dem Angeklagten fühlen Hunderttausende, auch wenn sie ihre Handlungen nicht billigten und sich zu einer ganz anderen Überzeugung bekannten. Auch die Auffassungen über den Volkssport, über die Nützlichkeit oder auch die Schädlichkeit dieser Organisation und zwar nicht vielleicht vom èechischen, sondern vom deutschen Standpunkte aus betrachtet, gab und gibt es recht verschiedene Meinungen, und wir haben die unsere deutlich genug kundgetan. Aber wie verschieden auch auf deutscher Seite die Meinungen über den Volkssport und über die ganze nationalsozialistische Bewegung sein mögen, diesem Urteil gegenüber wird es doch nur eine Stimme geben und in diesem Augenblick besteht dank dem Brünner Urteilsspruche wieder die gefühlsmäßige Einheitsfront aller Deutschen, die dieses Urteil als hart empfinden und nicht verstehen werden."


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