Hohes Haus! (Potlesk.) Das
Abgeordnetenhaus hat heute über den Antrag des Immunitätsausschusses
(Výkøiky posl. dr Sterna.) Druck Nr. 2160 vom 10. Feber
1933 zu entscheiden (Hluk. - Místopøedseda Špatný zvoní.),
der über Antrag des Strafkreisgerichtes in Prag vom 4. November
1932 (Výkøiky posl. Hadka.) und 9. Jänner 1933 den Beschluß
faßte, die Auslieferung der Abg. Jung, Krebs, Kasper
und Schubert dem Abgeordnetenhaus zur Zustimmung vorzulegen.
Dieses Auslieferungsbegehren ist nicht nur von der politischen
Seite eine der bedeutendsten Auslieferungsangelegenheiten, mit
der sich die Nationalversammlung bisher beschäftigte, sondern
ist auch deshalb einer der interessantensten Fälle dieses Hauses,
weil zwei verschiedene Auslieferungsbegehren die Grundlage zu
dem Antrag des Immunitätsausschusses bildeten. (Rùzné výkøiky.)
Místopøedseda Špatný (zvoní):
Prosím o klid.
Posl. Krebs (pokraèuje): Das erste Auslieferungsbegehren vom 4. November 1932 ist durch den Beschluß des Immunitätsausschusses vom 7. Dezember 1932 zur Ergänzung an das Kreisgericht in Prag zurückgewiesen worden. Über Antrag des Mitgliedes des Immunitätsausschusses Abg. Pohl wurde in dieser Sitzung vom 7. Dezember 1932 folgender Beschluß gefaßt: "Der Immunitätsausschuß fordert von dem zuständigen Gericht das Urteil und alle Akten des Volkssportprozesses einschließlich des Gutachtens der militärischen Sachverständigen an, weiters eine Ergänzung der Anzeige der Staatsanwaltschaft in dem Sinne, daß die einzelnen den Abgeordneten zur Last gelegten Strafsachen genau formuliert werden."
Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Der Abg. Pohl begründete diesen Antrag damals damit, daß es sich nicht nur um eine Angelegenheit von sehr weittragender Bedeutung handle, bei der mit der größten Umsicht vorgegangen werden müsse, es sei auch eine genaue Überprüfung der Sache selbst nötig. Auch das militärische Sachverständigengutachten müsse vom Immunitätsausschuß überprüft und insbesondere müsse ganz konkret angegeben werden, welche Verdachtsmomente gegen jeden einzelnen der 5 Abgeordneten vorliegen. In der Sitzung des Immunitätsausschusses vom 9. Feber 1933 lag nun das neue Auslieferungsbegehren dem Immunitätsausschuß vor.
Ich konstatiere, daß in demselben wiederum keinerlei konkrete Straftat den einzelnen Abgeordneten zur Last gelegt wird! Es ist bezeichnend, daß sich dieses neuerliche Auslieferungsbegehren des Kreisgerichtes sogar falscher, bzw. unvollständiger Zitate bedient, um dem Immunitätsausschuß und natürlich auch dem Plenum des Abgeordnetenhauses die Auffassung beizubringen, daß selbst die Verteidigung des Volkssportprozesses die auszuliefernden Abgeordneten belastet hätte. So heißt er in der Einleitung des Auslieferungsbegehrens - ich zitiere wörtlich: In der Hauptverhandlung sagte Dr. Stark im Namen der Gesamtverteidigung folgendes: "Gegen die namentlich bezeichneten Haupträdelsführer Jung, Knirsch, Schubert usw. wurde weder ein Polizei- noch ein Gerichtsverfahren eingeleitet . . ." Und es verschweigt das Auslieferungsbegehren, daß laut Hauptverhandlungsprotokoll des Volkssportprozesses, Bogen 3a) und 3b) dieser Satz folgendermaßen lautet: "Gegen die namentlich bezeichneten Haupträdelsführer Jung, Knirsch, Schubert usw. wurde weder ein Polizei- noch ein Gerichtsverfahren eingeleitet, da gegen diese Haupträdelsführer kein strafbarer Tatbestand konstruiert werden konnte." (So ist es!) Es beginnt also auch dieses Auslieferungsbegehren mit einer außerordentlich bezeichnenden Unrichtigkeit. (Výkøiky posl. dr Hassolda.) Ein Gerichtsakt hat also bereits in der Einleitung die Unwahrheit gesagt.
Im weiteren wird behauptet, daß das Kreisgericht festgestellt habe, daß die Angeklagten im Volkssportverband mit dem Reiche in regelmäßigem Briefwechsel standen. Auch diese Behauptung ist aktenwidrig, da mit Ausnahme von zwei Briefen ein Briefwechsel überhaupt nicht festgestellt werden konnte.
Die weitere Behauptung des Auslieferungsbegehrens, daß im Zuge des Verfahrens festgestellt worden sei, daß einige der Angeklagten mit dem Auslande zu dem Zwecke in Fühlung standen, um gewaltsam Teile der Èechoslovakischen Republik leszureißen, ist ebenfalls aktenwidrig, da nirgends, weder in den Schriften, noch in den Akten, noch durch irgend einen Zeugen bei der Hauptverhandlung im Volkssportprozeß nachgewiesen werden konnte, daß die Angeklagten, die nationalsozialistische Partei oder irgend eine ihrer Unterorganisationen laut Programm gewaltsam Teile der Èechoslovakischen Republik losreißen wollten oder überhaupt bei der Durchsetzung ihres Programmes Gewalt anwenden wollten. Das Gericht hat dann in der Urteilsbegründung auch nicht einmal zu behaupten versucht, daß die Angeklagten Gewaltanwendung vorhatten, sondern es hat mit einer überaus bezeichnenden und auch in den Nichtigkeitsgründen angefochtenen Wendung diese Gewalt selbst konstruiert. Den Vorsatz der Gewaltanwendung erblickt das Gericht nämlich nicht darin, daß etwa der Volkssportverband oder eine andere Organisation Gewalt anwenden wollten oder Vorbereitungen zur Anwendung von Gewalt machten, sondern darin, daß die Erreichung des Zieles vom Gerichte angenommen, durch nichts erwiesen, aber infolge des Widerstandes des èechischen Volkes nicht ohne Gewalt zustandegebracht werden könne. Es ist sicher in der Anwendung des Schutzgesetzes das erstemal, daß ein Nachweis von Gewaltanwendung gar nicht von den Tätern ausgehen muß, um schon straffällig zu werden. Es wird gewiß Juristen geben, die diese Ausdehnung des Begriffes nicht nur für verfehlt ansehen, sondern auch die ganze Konstruktion für so gekünstelt halten, daß sie überhaupt nicht aufrecht erhalten werden kann, da vor allem das Wichtigste hiebei, nämlich der Vorsatz und das Moment der Gewaltanwendung von Seiten der Angeklagten überhaupt fehlt. (Rùzné výkøiky.) Ich sehe hiebei vollständig davon ab, daß die Handlungen der Angeklagten im Brünner Volkssportprozeß überhaupt nicht eine konkrete Gestaltung erhalten haben, die sie im Sinne der Interpretationen des Obersten Gerichtes nach dem § 2 des Schutzgesetzes haben müßten, um überhaupt straffällig zu sein. Ich konstatiere also, daß weder im Zuge des Strafverfahrens noch auch in der Urteilsbegründung selbst den Angeklagten oder anderen im Zusammenhang mit dem Volkssportprozeß genannten Personen die Absicht der gewaltsamen Losreißung bestimmter Teile der Èechoslovakischen Republik nachgewiesen werden konnte und daß diese anders lautende Behauptung des Auslieferungsbegehrens aktenwidrig ist. (Výkøiky posl. Kaspera.)
Was die Feststellung der Tatsache anlangt, daß die Abg. Krebs und Schubert ein Abkommen zwischen dem Jugendverband und dem Volkssportverband unterzeichneten, durch das alle über 21 Jahre alten Mitglieder des Jugendverbandes in den Volkssportverband zu überstellen waren, bemerke ich, daß ein solches Abkommen weder gegen die Satzungen der genannten Verbände, noch gegen irgend ein Gesetz der Republik verstößt, zumal es sich auch hier lediglich um die Durchführung einer Formalität gehandelt hat.
Das Auslieferungsbegehren enthält aber noch eine Reihe weiterer Unrichtigkeiten. So ist es insbesondere unrichtig, daß der Jugendverband bei der Zentrale des Volkssportverbandes gegründet wurde. Es ist aus den Satzungen des Jugendverbandes vielmehr ersichtlich, daß er 10 Jahre vor dem Volkssportverband gegründet wurde und im Jahre 1921 nach Troppau verlegt wurde und nie seinen Sitz bei der Zentrale des Volkssportverbandes in Fulnek hatte.
Eine besondere Leistung des Auslieferungsbegehrens ist aber die Behauptung, daß bei der Zentrale des Volkssports eine besondere Institution eingerichtet war, die "Braunes Haus" genannt wurde und daß diese Institutionen genau nach den Intentionen des Volkssportverbandes und nach dem Muster der SA arbeiteten. Ich habe im Immunitätsausschuß die Vorlage der Urkunden, des Aufrufes und der Zeitungsaufsätze, die öffentlich in unseren Parteiblättern "Der Tag" - Aussig - und "Neue Zeit" - Troppau - erschienen sind, nachgewiesen, daß die in Troppau und Schreckenstein zu errichtenden Parteihäuser, die unter dem Namen "Braunes Haus" errichtet werden sollten, nichts anderes als Parteigebäude waren, die zur Unterbringung der Bureaus der Parteiorganisationen, der Verlagsanstalten, der Buchdruckereien, der Zeitungsexpedition und Buchhandlung der Partei dienen sollten. (Posl. inž. Jung: Und dab ei steht in Troppau gar nicht "Braunes Haus" darauf, sondern "Neue Zeit"!) So wie in Aussig ebenfalls auf der Urkunde ausdrücklich steht "Der Tag". Inzwischen ist ja in Troppau das "Braune Haus" errichtet, bzw. bezogen worden und dient dort diesen Zwecken der Partei, während jenes in Aussig-Schreckenstein noch nicht über die Projektierung und den Ankauf eines Grundstückes hinausgegangen ist. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Beherbergung des Vereinshauses für den Volkssport oder verwandter Formationen. Diese Behauptung des Auslieferungsbegehrens ist also ebenfalls unrichtig.
Wenn nun aus diesen vorangeführten Behauptungen in dem Auslieferungsbegehren gesagt wird, daß "aus diesen angeführten Umständen ersichtlich ist, daß alle Organisationsabteilungen der DNSAP ihre Tätigkeit einheitlich ausübten, wie das Urteil festgestellt hat, und daß diese Tätigkeit unter dem § 2 des Schutzgesetzes subsumiert sei", so ist auch diese Behauptung unrichtig. In dem Auslieferungsbegehren wird insbesondere auch behauptet, daß die Abg. Knirsch und Kasper führende Funktionäre des Volkssports, des Jugendverbandes und des Studentenbundes waren. Daß diese Behauptung nicht einmal der Immunitätsausschuß glaubt, und daß daher die Auslieferung des Abg. Knirsch vertagt werden mußte, ist außerordentlich bezeichnend. Noch bezeichnender für dieses Auslieferungsbegehren ist aber die Tatsache, daß die Abg. Knirsch und Kasper überhaupt nur beschuldigt waren, die Urkunden - die Spenderkarten - des "Braunen Hauses" unterzeichnet zu haben. Erst am Schhluß der Ausführungen des Berichterstatters Abg. Ježek teilte dieser mit, daß zu dem Auslieferungsbegehren eine Ergänzung eingelangt sei: Ein gewisser Wenzel Rebitzer aus Tannawa bei Taus hat am 8. Oktober 1932 beim Polizeikommissariate in Gablonz zu Protokoll gegeben, daß er Ende 1929 nach Teplitz gekommen und der Ortsgruppe des Volkssports beigetreten sei, die allwöchentlich Samstag und Sonntag Geländeübungen veranstaltet habe, die entweder auf dem Mückenberg oder auf dem Milleschauer staatfanden und immer vom Abg. Kasper in seiner Eigenschaft als Gaukommandant persönlich geleitet wurden. Koll. Kasper wird noch auf diese Sache persönlich antworten. Inzwischen ist festgestellt worden, daß dieser Wenzel Rebitzer ein mehrfach vorbestrafter Bursch ist, der sich gegenwärtig als Deserteur in Haft befindet und der diese Angaben offenbar nur machte, um seine Situation zu erleichtern. Vielleicht werden wir auf diesem Gebiet noch etwas Interessanteres über das Polizeikommissariat in Gablonz hören. Ich habe sofort im Immunitätsausschuß festgestellt, daß Abg. Kasper niemals Gaukommandant des Volkssports in Teplitz war und daß er auch keinerlei Funktion im Volkssportverband inne hatte. Wenn dennoch der Immunitätsausschuß den Antrag gestellt hat, Koll. Kasper auszuliefern, dann hat das Hohe Haus heute darüber zu entscheiden, ob die denuntiatorischen Anzeigen eines vorbestraften Individuums gegen einen Parlamentarier bereits genügen, um die wichtigsten verfassungsmäßigen Rechte des Parlamentes, die Immunität aufzuheben und damit unter Umständen die Tätigkeit eines Mitgliedes des Hohen Hauses auf viele Monate lahm zu legen. (Potlesk.)
Ich konstatiere ferner, daß die Behauptung des Auslieferungsbegehrens, die auf Grund des Urteils der militärischen Sachverständigen erfolgte, es sei während der Hauptverhandlung erwiesen worden, daß die leitenden Funktionäre des Volkssportverbandes, die Abg. Krebs, Knirsch, Kasper, Jung und Schubert auf die Personen der Abg. Knirsch und Kasper überhaupt nicht zutreffen und daß, obzwar das Auslieferungsbegehren bei jedem einzelnen Abgeordneten die Seiten des Protokolls im Volkssportprozeß zitiert, solches bei dem Abg. Kasper auch nicht zu tun vermag, weil der Name des Abg. Kasper weder im Volkssportprozeß noch im militärischen Sachverständigengutachten noch sonst irgendwo genannt worden ist. Es ist also auch diese Behauptung des Auslieferungbegehrens unrichtig. (Sehr gut!) Ich konstatiere daher, daß also auch hier eine Aktenwidrigkeit des Auslieferungsbegehrens vorliegt.
In derselben Weise macht sich der Bericht des Immunitätsausschusses, über den wir heute zu verhandeln haben, solcher Unwahrheiten und Aktwidrigkeiten schuldig. Es wird in dem Bericht des Immunitätsausschusses, der vom Berichterstatter Ježek und vom Vorsitzendenstellvertreter Dr. Markoviè gezeichnet ist, gesagt, daß bei dem Prozeß gegen Dr. Petermichel und Genossen, der beim Kreisgericht in Brünn in der Zeit vom 8. August bis zum 24. September 1932 durchgeführt wurde, durch das Verhör der Zeugen, das Aktenmaterial und das Gutachten der militärischen Sachverständigen die militärische Tendenz des Volkssportverbandes, des Studentenbundes und des Jugendverbandes festgestellt wurde und daß das Ziel dieser Organisation die Vorbereitung von Anschlägen gegen die Republik und ihre Einheitlichkeit sei.
Nun gelangen wir zum wichtigsten Kernstück dieses Prozesses. Ich konstatiere, daß diese Behauptung direkt der Wahrheit ins Gesicht schlägt, weil bei diesem Prozeß mit Ausnahme der Einvernahme des Polizeirates Dr. Preininger, der nur darüber vernommen worden ist, ob die Polizeiprotokolle den mündlichen Aussagen der Angeklagten entsprechen, nur noch ein einziger Zeuge, nämlich der Zeuge Mendel und zwar von der Staatsanwaltschaft geführt wurde und daß dieser Zeuge überhaupt nichts über die Tätigkeit der Angeklagten gesagt hat. Es ist also eine Unwahrheit, daß durch Zeugenaussagen erhärtet worden ist, daß es sich hier um eine irredentistische oder staatsumstürzlerische Organisation handelt. Es ist ferner eine der bezeichnendsten Tatsachen dieses Prozesses, daß er überhaupt ohne Zeugen geführt worden ist und daß alle Anträge der Verteidigung auf Zulassung von Zeugen abgelehnt worden sind. Es ist bezeichnend, daß selbst in einer Bemerkung zum Volkssporturteil der Prager Rechtsanwalt Dr. Egon Schwelb im "Sozialdemokrat" vom 25. September wörtrtlich schrieb: "Wir glauben aber den Rahmen des Verbotes der Kritik eines schwebenden Verfahrens nicht zu überschreiten, wenn wir darauf hinweisen, daß der Prozeß sich von fast jedem anderen Strafprozeß dadurch unterscheidet, daß er ganz ohne Zeugenaufgebot bestritten worden ist. Der von der Anklage geführte Belastungszeuge hat nichts, was für den Prozeß relevant wäre, ausgesagt. Der Polizeirat Dr. Preininger, der als Zeuge aufgetreten ist, war kein Tatzeuge, sondern sollte nur bekunden, daß das, was er während der polizeilichen Erhebungen zu Protokoll gegeben hat, von den Angeklagten selbst gesagt worden ist."
Es ist also aktenwidrig und unwahr, daß eine Vorbereitung von Anschlägen gegen die Republik durch das Verhör von Zeugen festgestellt worden ist. Es bleibt also nur das Aktenmaterial und das Gutachten der militärischen Sachverständigen übrig. Was das Aktenmaterial anlangt, so bestand es in Photographien und in Verlesung von Urkunden. Die Photographien hatten ein negatives Ergebnis, denn dieser einzige zugelassene Beweis über die Behauptung des Staatsanwaltes, daß der Fahnenträger bei einem SA.-Aufmarsch in Zittau in Sachsen mit der Person des Angeklagten Illing identisch sei, wurde von dem photographischen Sachverständigen durch Vergrößerung der Photographie eindeutig widerlegt. Von da ab hat das Gericht Beweise und Zeugenanträge überhaupt nicht mehr zugelassen. Es ist daraus ersichtlich, wie die Ergebnisse der übrigen Beweise der Verteidigung ausgefallen wären, wenn den Zeugenanträgen der Verteidigung stattgegeben worden wäre.
Was den Urkundenbeweis noch weiter anlangt, ist hervorzuheben, daß es sich nicht etwa um Urkunden handelt, die von den Angeklagten herausgegeben worden sind, von ihnen stammen und sie deswegen überführt oder gegen sie vielleicht ein voller Beweis erbracht worden ist, sondern daß es sich um politische Rundschreiben, Zeitungsartikel, wissenschaftliche und politische Äußerungen in- und ausländischer Zeitungen handelt, die gar nicht von den Angeklagten, sondern von verschiedenen anderen Persönlichkeiten verfaßt worden wären, in denen aber, wie ich ausdrücklich feststelle, kein einziger Beweis zu finden war, daß die Vorbereitung einer Anschlagshandlung gegen die Republik geplant gewesen wäre. Das Gericht selbst hat in der Urteilsbegründung festgestellt, daß eine große Anzahl der verlesenen corpora delicti nicht einmal bei den Angeklagten gefunden wurde. Das Gericht erklärte aber, es halte dies für belanglos und meint, daß das nur ein Zufall sei. Ich zitiere wörtlich aus dem Urteil: "Das Gericht hält dies für belanglos und meint, daß dies nur ein Zufall sei." Ich frage Sie, wo in der Welt ist ein solcher Prozeß jemals geführt worden? Ich sage Ihnen: die Herren, die als Ankläger hier stehen, sie tun der gesamten Öffentlichkeit einen großen Dienst, indem sie diese Fratze vom Angesicht einer sogenannten Justiz herunterreißen. Ich konstatiere also, daß die Behauptung des vorliegenden Berichtes des Immunitätsausschusses, daß durch Verhör der Zeugen der Verdachtstatbestand nach den §§ 2 und 17 des Gesetzes zum Schutz der Republik erwiesen worden sei, unwahr und aktenwidrig ist. Ich stelle ferner fest, daß aus dem Aktenmaterial beim Brünner Volkssportprozeß kein Beweis für die Vorbereitung einer gewaltsamen Anschlagshandlung gegen die Republik hervorgegangen ist." Es bleibt daher nur übrig, auf das militärische Sachverständigengutachten einzugehen. Dies bildet den Kern des Prozeß und die einzige Grundlage der Verurteilung der im Brünner Volkssportprozeß Angeklagten. Das militärische Sachverständigengutachten, für das die Regierung die Verantwortung übernehmen muß, und das sicherlich noch eine sehr bedeutende Rolle in der Zukunft spielen wird, hat sich die Sache außerordentlich leicht gemacht. (Posl. inž. Jung: Das militärische Sachverständigengutachten war für die Abrüstungskonferenz in Genf bestimmt, sonst gar nichts, um geheime Rüstungen des Deutschen Reiches vorzutäuschen!) Wir werden vielleicht darüber in ganz kurzer Zeit einiges hören. (Posl. Knirsch: Es hat das Memorandum über die geheimen Rüstungen in der Èechoslovakei zu paralysieren!) Das ist offenbar.
Das militärische Sachverständigengutachten beginnt mit einer politischen Auseinandersetzung über die Ziele der nationalsozialistischen Partei im Deutschen Reiche und in der Èechoslovakei, also mit einer politisch-juristischen Betrachtung, die mit einem militärischen Referat absolut nichts zu tun hat. Aus verstreuten Zitaten und Teilen des Programmes der reichsdeutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei und der sudetendeutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei wird ein geheimes Ziel der hiesigen nationalsozialistischen Bewegung konstruiert, "zu dessen gewaltsamer Durchsetzung" die Organisationen Volkssport, Jugendverband und Studentenbund angeblich gegründet wurden. Von dem Volkssportverband wird dann behauptet, daß er eine Unterorganisation der SA im Reiche sei. (Posl. inž. Jung: Und füge noch etwas hinzu: daß es abgeschrieben ist aus der Anklageschrift des Staatsanwalts!) Jawohl. Es ist das ein wundervolles Wechselspiel. Der Staatsanwalt stellt Behauptungen auf, das militärische Gutachten erhebt das zu einem Sachverständigengutachten und das Gericht beugt sich dieser Deduktion. Die SA werden als eine geheime militärische und illegale Organisation des Reichsheeres (Reichswehr) bezeichnet. Das militärische Sachverständigengutachten unterschiebt daher nicht nur der SA. im Deutschen Reiche den "Volkssport"-Verband in der Èechoslovakei, sondern darüber hinaus dem Deutschen Reich und seiner durch die Friedensverträge garantierten Reichswehr die Vorbereitung eines Anschlages gegen die Einheitlichkeit und den Bestand der Èechoslovakischen Republik. Hier greift das militärische Sachverständigengutachten in die Außenpolitik ein. Es ist nicht unsere Sache, diese Angelegenheiten in ihren weiteren Konsequenzen darzustellen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.) Ich habe einzig und allein die Aufgabe, eindeutig festzustellen, daß alle Zeugenangebote dagegen, daß der Volkssportverband eine Unterorganisation der SA im Deutschen Reiche sei, und dagegen, daß er organisatorische Verbindung mit der SA im Deutschen Reiche oder der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei besaß, abgelehnt wurden. Die Tatsache, daß alle Zeugen gerade in diesem wichtigsten Punkt des Prozesses, der einzig und allein die Grundlage zur Verurteilung bildete, und die Tatsache, daß alle Beweisanträge von Seiten des Gerichtes mit der Begründung abgelehnt wurden, daß sie "überflüssig" - ich zitiere wörtlich - "nicht geeignet und entschieden irrelevant, nicht beweismachend" seien und daß dieser Umstand der freien Beweiswürdigung des Gerichtes belassen wurde, ist ein Beweis dafür, daß das Gericht eine Durchführung der Beweisanträge überhaupt nicht zulassen wollte. Als die Beweisanträge der Verteidiger, die am Schlusse der Hauptverhandlung vorgelegt worden sind, in Bausch und Bogen innerhalb weniger Minuten abgelehnt worden waren, hat der Verteidiger Dr. Dembitzky ausgerufen: "Jetzt ist der Rechtskampf beendet." Der Rechtskampf ist auch damit beendet, es gab kein Recht und gab keinen Kampf um das Recht mehr.
Ich stelle also fest, daß der politische Teil des Prozesses lediglich der Hintergrund ist, auf dem sich der Prozeß selbst abspielt, und in dieser Hinsicht ist die Behauptung des Herrn Justizministers Dr. Meissner richtig, wenn er davon sprach, daß es sich nicht um die Verfolgung einer politischen Partei handle. Allerdings hat der Staatsanwalt Dr. Dvoøáèek im Brünner Prozeß mehr als einmal erklärt: "Die Idee ist angeklagt!" Und damit zu erkennen gegeben, daß die politische Idee im Hintergrunde des ganzen Prozesses das Milieu abzugeben hat, daß dann durch ein unter Ausschluß der Öffentlichkeit und unter Ausschluß jeder Zeugenschaft vor Gericht einfach akzeptiertes militärisches Gutachten zur Verurteilung geschritten wurde. Koll. Dr. Stránský hat im Immunitätsausschuß Folgendes gesagt: "Nach der Rede Krebs müsse nach einem juristischen Fundamentalsatz nun die andere Seite gehört werden." - Und das ist es, was wir eben im Brünner Prozeß vermißt haben. Man hat nicht beide Teile gehört. Dr. Stránský ist jetzt hinausgegangen, aber wir fragen ihn: was sagt er dazu, daß der wichtigste, wie er sagt, juristische Fundamentalsatz, das Hören beider Teile, im Brünner Prozeß auf das schmählichste im Stiche gelassen worden ist? Dr. Stránský sagte dann weiter: "Diese andere Seite ist die Staatsanwaltschaft. Darüber, wer von beiden Parteien recht hat, wird das Gericht entscheiden. Wir haben ein absolutes Vertrauen zur Objektivität unserer Gerichte, die keine Politik machen, sondern Recht suchen. Die prozessuale Lage der nationalsozialistischen Abgeordneten ist keineswegs aussichtslos, wenn sie vor Gericht all das beweisen können, was Krebs angeführt hat. Wir alle wären froh, wenn alles, was Krebs gesagt hat, wahr wäre. Das wäre nicht nur für Krebs und Genossen, sondern auch für die Republik gut."
Ich komme bei diesem Punkt auf den Grund zu sprechen, der uns bewog, unsere Haltung in der Auslieferungsfrage, Herr Koll. Ježek, zu bestimmen. Ich habe anläßlich meiner Parlamentsrede im März vorigen Jahres erklärt, daß ich die Verantwortung für alles, was ich getan habe, übernehme, daß wir keinen Grund haben davonzulaufen, daß wir wie ein Mann dastehen bis zum Schluß. Ich habe ferner auch nach dem Volkssporturteil den gleichen Standpunkt vertreten, und ich vertrete ihn auch heute noch, weil ich der Überzeugung bin, daß kein objektiv denkendes Gericht meine und meiner Freunde Taten und Handlungen verurteilen könnte. Ich habe in meiner Brünner Rede vom 7. November, als ich von einer Reise nach Wien, wo ich meine Mutter besuchte und wo ich von dem Auslieferungsantrag Kenntnis erhielt, wieder in die Èechoslovakische Republik zurückkehrte, erklärt, daß ich nicht die Absicht habe, mich der Verantwortung zu entziehen, daß aber verlangt werden müsse, daß die angeblichen Tatbestände, die in ihrer ganzen Haltlosigkeit und Unverschleiertheit im Prozesse Thema gegen die nationalsozialistischen Abgeordneten bleiben, ad absurdum geführt werden müssen. "Die Urteilsgrundlage", so sagte ich in meiner Brünner Rede, "bildet im Volkssportprozeß ausschließlich das militärische Gutachten. Dadurch, daß es dieses einfach übernommen hat, ohne einen einzigen Zeugen zuzulassen, wird die Funktion der Gerichte eine rein formale, während die praktische Entscheidung über die angeblichen politischen Delikte, wozu, wie wir im Brünner Prozeß erfahren haben, schon die Gesinnung allein gehört, an die politische und militärische Verwaltungsstelle übergegangen ist." Ich erklärte weiters in meiner Brünner Rede, daß der Justizapparat dadurch praktisch zum Vollzugsorgan einer Stelle geworden ist, die außerhalb der Justiz ist, nämlich beim Generalstab der Armee, und ich erklärte wörtlich am 7. November 1932, daß wir, solange die Unabhängigkeit der Justiz nicht gewährleistet erscheint, keine Veranlassung haben, durch unser eigenes Zutun den Zweck dieses Systems ohne Gegenwehr zu ertragen. Wir würden, so sagte ich, daher zu unserer Auslieferung nichts beitragen. Bei dieser Darstellung, die ich ohneweiters als eine Änderung der ursprünglichen Auffassung in der Auslieferungsfrage bezeichnete, hat vor allem die Parteileitung der DNSAP der Gedanke bewogen, daß es unter allen Umständen möglich sein müsse, eine klare Konkretisierung der Beschuldigungen zu erhalten, die uns in die Schuhe geschoben werden. Wir haben im Verlaufe des Brünner Prozesses feststellen müssen, daß bei den Gerichten eine eindeutige und klar konkretisierte Auffassung der Beschuldigungen nicht erbracht worden ist und nicht möglich war zu erbringen und daß die Verteidigung sich ergebnislos um die Zulassung von Zeugen bemüht hat. Es war also die Aufgabe der Politik, das Gericht zu einer klaren Formulierung seiner Anschuldigungen zu veranlassen. Ich konstatiere hiebei, daß eine Konkretisierung der Straftaten und eine Berichtigung des Inhalts des militärischen Sachverständigengutachtens durch den Beschluß des Immunitätsausschusses, das erste Auslieferungsbegehren zurückzuweisen und eine Ergänzung dieses Auslieferungsbegehrens durch eine genaue Konkretisierung der den einzelnen Abgeordneten zur Last gelegten Strafsachen erreicht werden sollte.
Ich stelle fest, daß der Beschluß des Immunitätsausschusses nicht eingehalten worden ist, Herr Koll. Ježek, daß weder sämtliche Akten des Volkssportprozesses im Immunitätsausschuß vorgelegt wurden, noch eine Konkretisierung der Straftatbestände der einzelnen Abgeordneten erreicht wurde, und dennoch der Immunitätsaus schuß die Auslieferung in Abwesenheit der deutschen Regierungsparteien beschlossen hat. Danach scheint es, daß die treibenden Faktoren eine ähnliche Abführung des Gerichtsverfahrens herbeizuführen wünschten, wie dies im Volkssportprozeß zu Brünn der Fall war und wie sie Gegenstand der aufsehenerregenden Kritik der gesamten Öffentlichkeit gebildet hat, ein Verfahren, das sich auf ein militärisches Sachverständigengutachten, also auf das Gutachten einer Verwaltungsbehörde stützt und die entscheidenden Teile desselben, ohne Zulassung von Zeugen, zum Inhalt des Urteils erhebt.