Sobota 4. února 1933

So wie wir den èechischen Nationalismus ablehnen, lehnen wir auch den Nationalismus deutscher Parteien ab. Den Koller, der die Nazi-Parteien jetzt ergriffen hat, weil in Deutschland die reaktionäre Dreifaltigkeit Papen, Hugenberg, Hitler, ans Ruder gekommen ist, weisen wir genau so entschieden zurück. Was wir über Hitler und den Nationalsozialismus gesagt haben, halten wir jederzeit aufrecht und die letzten Tage haben uns bewiesen, daß die Herren von ihrem Programm, das sie den Wählern vorgeschwefelt haben, schon lange abgerückt sind. Daß Hugenberg mit Hitler die Banken enteignen und die Zinsknechtschaft brechen und daß der Graf Schwerin-Krosig die Grundstücke enteignen wird, das glaubt nicht einmal ein Nationalsozialist. Wir lehnen daher diese Agitation der Köpferoller und Hängebrüder ab und sagen, daß es eine Kulturschande auch für die Deutschen ist, wenn draußen noch immer auf diese Art der deutsche Nationalismus gepredigt wird. Da hängen die Herren das Bärenfell um und führen nationalistische Kriegstänze auf, nach Prag aber kommen sie im Büßerhemd und machen täglich tiefe Kniebeugen vor dem böhmischen Löwen; der Herr Jung macht in echter Nazidemagogie die Politik "einmal hin und einmal her, rings herum, es ist sehr schwer".

Wir lehnen diese wahnwitzige Politik gleichfalls ab. Wir sind für den Abbau der nationalen Kämpfe, wünschen eine einträchtige Zusammenarbeit und grüßen von dieser Stelle aus das Proletariat in Deutschland, das vor harten und schweren Kämpfen steht. Wir sind überzeugt, daß die Partei, die das Sozialistengesetz überstanden hat, auch die Hitlerei, die Dreifaltigkeit Papen-Hitler-Hugenberg überwinden wird.

In diesem Sinn will ich schließen. Wir wünschen, daß durch nationale Verträglichkeit und Zusammenarbeit Verwaltung, Schule und alle anderen Einrichtungen des Staates so gestaltet werden, daß sie allen dienen, daß sich auch die Arbeiter im Staate als Gleiche unter Gleichen fühlen. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Schweichharta (viz str. 34 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Finanzfrage, die Art und Weise der Bedeckung der staatlichen Ausgaben ist in der Gegenwart angesichts der wachsenden Defizite unzweifelhaft das allerschwierigste Problem, nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt. Beträgt doch das Defizit der Vereinigten Staaten von Nordamerika 30 Milliarden Kè, das Frankreichs 17 Milliarden Francs. Uns Sozialdemokraten ist sehr wohl bewußt, daß das heutige Steuersystem unmöglich ist, den besitzenden Klassen an den Leib geschnitten wurde, daß diese politisch und wirtschaftlich einflußreichen Schichten dafür die rechtlosen Massen umsomehr belasten. Nach wie vor ist uns bewußt, daß speziell die indirekten Steuern die ungerechtesten und drückendsten Lasten sind, die Umsatzsteuer mit eingeschlossen.

Es war der Bürgerblock, der das bestehende Steuersystem zum Schaden der arbeitenden Menschen verschärfte und den Reichen große Geschenke machte, die armen Teufel aber dauernd noch mehr belastete. Den Finanzen der Selbstverwaltungskörper hat man damals geradezu den Todesstoß versetzt. Wir haben uns bemüht, dieses System, soweit es in unser Macht lag, umzugestalten. Es ist unleugbar, daß die Methode, wie sie zum Beispiel bei den Zuschlägen zur Einkommensteuer angewendet wurde, wie die Erhöhung der Biersteuer, die Erhöhung des Kaffeezolls etc., auf die Schultern der leistungsfähigen Erzeuger und Importeure gelegt wurde, etwas ganz anderes darstellt als die alte rein kapitalistische Steuermethode zu Ungunsten der Verbraucher. Bei jeder Gelegenheit haben wir mindestens versucht, unter Schonung eines Existenzminimums die Steuerlasten den steuerkräftigen Schichten aufzuerlegen. Wenn dies nicht restlos gelingen kann so liegt das an den politischen Machtverhältnissen. Die Mehrheit dieses Hauses und der Koalition ist bekanntlich verschieden eingestellt. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Wort des deutschnationalen Abgeordneten Herrn Dr. Keibl im Budgetausschuß zurückkommen. Er beschuldigte die sozialistischen Minister, daß sie unter Preisgabe ihrer Überzeugung zur stärksten Stütze der großkapitalistischen Akkumulation werden. Merkwürdig, daß die sozialistischen Minister gerade von jenen kapitalistischen Kreisen, die der Herr Dr. Keibl vertritt, so bitter gehaßt werden! Mit keinem Wort sagt Herr Dr. Keibl oder ein anderer kapitalistischer Oppositionsredner, daß die allgemeine Finanzkrise sowohl in demokratisch wie in faszistisch regierten Ländern eine durchaus logische Folge des Zusammenbruchs der kapitalistischen Wirtschaft ist, auf deren Boden die Ankläger doch stehen. Wenn sich die Finanzkrise bei uns in ihrer vollen Wucht fühlbar macht, so ist das durchaus nicht die Schuld der marxistischen Parteien. Herr Koll. Dr. Kramáø hat es bereits zugestanden, daß in der Zeit der guten Konjunktur gar zu sehr mit vollen Händen und oft sehr überflüssigerweise das Geld ausgegeben wurde, statt an möglichst starke Reserven zu denken, wie es jedes halbwegs gutgeleitete Unternehmen klugerweise tut. Wie viele Milliarden mögen unnötigerweise verausgabt worden sein. Jetzt, wo die ganzen Reserven weg sind, die Verschuldung 1932 um 1357 Millionen stieg und für 1933 ein Zweimilliardendefizit drohte, kam die Besinnung etwas sehr spät. Die von der parlamentarischen Ersparungskommission vorgenommenen Streichungen, der Gehaltsabbau bei den Staatsangestellten, vermag das große Loch nicht zu stopfen, deshalb neue Steuern, die durchaus nicht unsern Beifall finden, die die weitere Konsequenz darstellen.

Jene, die da behaupten, daß beim Militarismus radikal abgebaut werden solle, sowie es unser eigener sehnlichster Wunsch ist, übersehen leider, daß in der Zeit der Regierung eines Hitler in Deutschland und der Waffenschiebungen nach Ungarn auf èechischer Seite keine Stimmung dafür aufkommt, was ja bei Beurteilung der Frage doch maßgebend ist. Trotzdem ist es uns gelungen, auch dem Militarismus etwas abzuzwacken. Die befriedigende Lösung des Finanzproblems, das durch das Milliardendefizit der Staatsbahn und die leider noch zu niedrigen Ausgaben für die soziale Fürsorge mit gekennzeichnet ist, wird erschwert durch das Verlangen des Finanzministers, leicht erfaßbare, keinen kostspieligen Apparat erfordernde Steuern rasch herbeizuschaffen Herr Dr. Keibl hat sich im Budgetausschuß darüber aufgehalten, daß die großen Steuerträger geschont werden. Aus seinem Munde ist das eine merkwürdige Anklage. Wir erwarten, daß der Herr Koll. Keibl uns recht bald die seiner Ansicht entsprechenden Anträge unterbreiten wird. Wie wäre es denn mit einer scharfen Besteuerung der Kartellgewinne, mit einer verschärften Kupon- und Börsensteuer, kurz mit der rücksichtslosen Heranziehung der Nutznießer arbeitslosen Einkommens, die bisher nur schwach erfaßt sind? Wie wäre es weiter mit der Erfassung der Monopolgewinne, des Zucker-, Spiritus- und Kohlenhandels? Wenn die Herren um Herrn Dr. Keibl und die Vertreter anderer scheinbar volksfreundlicher Parteien dafür zu haben wären, könnten wir dann mit einem Schlage aller Sorgen um neue Steuern ledig sein. Ich fürchte nur, daß die Partei des Herrn Dr. Keibl von solchen sonst als marxistische Experimente bezeichneten Anträgen faktisch nichts wissen will.

Aber eben deswegen trifft ihn und seinesgleichen, nicht uns die schwere Schuld, daß neue Steuern gesucht werden müssen. Nochmals sei hervorgehoben, daß es unser Ziel ist, die wirtschaftlich Schwachen zu schonen. Ein steuerfreies Existenzminimum von 15.000 Kè haben wir schon oft verlangt, ohne damit durchdringen zu können. Wir begrüßen die Bemühungen, durch Senkung des Zinsfußes die Wirtschaft etwas zu beleben, doch darf bei den Banken das nicht auf Kosten der Angestellten geschehen. Wenn das Finanzministerium tatsächlich zu dieser antisozialen Maßnahme seinen Segen gegeben hat, so fordert das die schärfste Kritik heraus. Verträge müssen zu Gunsten der wirtschaftlich Schwächeren gehalten werden. Wir versichern die Bankangestellten unserer vollständigen Sympathie. Wenn neuer Kredit dazu gebraucht wird, um die Hungernden zu sättigen, wie Herr Finanzminister Dr. Trapl erklärt, so wird kein gerecht denkender Mensch etwas dagegen einzuwenden vermögen. Daß die Sanierung der Bergarbeiterversicherung, der Krankenkassen, der Gemeinden und Bezirke ebenfalls ein dringendes Gebot ist, wie der Herr Finanzminister Dr. Trapl ebenfalls hervorhob, wird man wohl auch nicht ableugnen können.

Herr Koll. Dr. Keibl hat in etwas zweideutiger Weise davon gesprochen, daß niemand Interesse an einer Inflation habe. Das ist nicht richtig. Es gibt genug Kapitalisten, die mit schlechtem Geld ihre oft leichtfertig gemachten Schulden los werden möchten. Für die Lohn- und Gehaltsempfänger wä re die Inflation jedoch ein Verhänignis, von den kleinen Sparern nicht erst zu reden. Aus all diesen Gründen wollen wir mithelfen, die Gefahr der Inflation zu bannen. Die von Herrn Dr. Keibl und anderen Rednern getadelte Devisenwirtschaft gefällt auch uns nicht, und die Praxis der Devisenkommission grenzt vielfach ans Lächerliche, abgesehen von der einseitigen Protektion, die dort geübt wird. Gerechterweise müßte aber doch bemerkt werden, daß in zwei Dutzenden Staaten dieselben Verhältnisse herrschen, auch anderswo der mittelalterliche Tauschhandel einsetzt und der Handelsverkehr aufs ärgste gedrosselt wird. Eben deshalb weisen wir unter Ablehnung des Autarkiewahnsinnes immer wieder auf die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit und Verständigung hin, um das gemeinsame Übel durch gemeinsame Arbeit zumindestens abzuschwächen. Eine vollständige Lösung der Weltkrise ist im Zeichen der kapitalistischen Wirtschaftsweise natürlich ausgeschlossen. Wenn über gewisse unhaltbare Zustände in der Steuerverwaltung geklagt wird, daß willkürlich Steuervorschreibungen erfolgen, die Verbuchungen falsch durchgeführt werden usw., so ist das vielfach richtig. Das ganze Steuersystem ist höchst unübersichtlich, der Willkür ist Tür und Tor geöffnet, wozu die einseitig zusammengesetzten Steuerkommissionen mitunter auch ihr Teil beitragen. Der Mangel an geschultem Personal ist mehrfach empfindlich und ein weiterer Abbau von Steuerämtern daher nicht zu empfehlen. Die Klagen über rigorose Steuereintreibungen sind dort bestimmt nicht am Platze, wo es sich um notorische Drückeberger handelt, deren Zahl nicht ganz gering ist, u. zw. in den Kreisen der besitzenden Klassen. Die Arbeiter und Angestellten, wie der Generalberichterstatter Koll. Remeš hier gesagt hat, müssen ihre Steuern restlos bis auf den letzten Heller bezahlen, während die Unternehmer sich gut honorierte Fachleute halten, die ihnen die Steuerlast durch allerhand Kniffe senken helfen. Die Bürokratie leistet ihnen dabei noch oft genug Hilfe, wie könnte es sonst möglich sein, daß der bekannte Kohlenlieferant Stejskal, der von den Staatsbahnen immer prompt bezahlt wurde, 13 Millionen Kè Steuerschulden haben konnte! Die Riesenlast der Steuerschulden stammt bestimmt nicht aus den Kreisen der Arbeiter und der Angestellten, der Kleingewerbetreibenden und der Kleinbauern. Wirklich bedürftige Steuerpflichtige müssen selbstverständlich geschont, Übergriffe von Beamten müssen stark geahndet werden.

Herr Dr. Keibl hat es im Budgetausschuß für notwendig befunden, eine Attacke gegen die Konsumvereine und deren Großeinkaufsgesellschaften zu reiten. Das ist eine sehr sonderbare Methode von Volksfreundlichkeit, deren sich der verehrte Herr Kollege befleißigen will. Die Konsumgenossenschaften sind bekanntlich gemeinnützige Institute, die gerade den ärmsten Schichten die wertvollsten Dienste leisten. Hunderttausende Arbeiterfamilien erhalten in den Konsumvereinen nicht nur gute Ware bei vollem Gewicht und billigsten Preisen, sondern auch Rückvergütungen, die jährlich oft Hunderte Kronen betragen. Das alles bedeutet gerade in der jetzigen Elendszeit eine wahrhaft soziale Tat. Die Konsumvereine durch Steuern leistungsfähig machen wollen, wie es auch die Hakenkreuzler in Deutschland versuchen, wäre ein direkter Raub an den Ärmsten der Armen. Daß den Konsumvereinen auch viele Mitglieder aus den Kreisen der Angestellten, Gewerbetreibenden und kleinen Landwirte angehören, daß man also auch diese Schichten schädigen würde, beliebt der Herr Koll. Dr. Keibl geflissentlich zu übersehen. Jeder klardenkende Mensch muß zugeben, daß die Genossenschaften aller Art, die oft viele Tausende Mitglieder umfassen, volkswirtschaftlich wertvoller sind als Einzelunternehmer und daher mit Recht eine besondere Unterstützung verdienen. Herr Dr. Keibl hat auch den Antrag des Koll. Prof. Geyer auf Vorbereitung einer Planwirtschaft mitgefertigt. Wie stellt sich Herr Koll. Dr. Keibl eine Planwirtschaft ohne die breite Grundlage der Konsumvereine und der landwirtschaftlichen Genossenschaften vor? Es scheint demnach, daß dieser draußen groß aufgezogene Antrag von den eigenen Antragstellern nicht ganz ernst aufgefaßt wird.

Nun etwas zum Kapitel "Landwirtschaft". Die menschliche Gesellschaft befindet sich, wie es auch der ob seiner sozialen Gesinnung kalt gestellte Prager Erzbischof Dr. Kordaè festgestellt hat, in der kritischen Zeit eines tiefgehenden Umbruchs. Die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht, um ein Wort von Karl Marx zu gebrauchen, dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Nicht nur auf industriellem, sondern auch auf landwirtschaftlichem Gebiete ist die Produktionskraft in früher ungeahnter Weise gewachsen, hat die Maschine die menschliche Arbeitskraft vielfach für immer verdrängt. Die vom Motor des kapitalistischen Profits blindlings betriebene Produktion hat riesige Mengen unverbrauchter, d. h. unverkäuflicher Güter angehäuft, die ganz besonders in der Landwirtschaft preisdrückend wirken. Während viele Millionen Menschen hungern, werden in Kanada und Argentinien Unmengen bestens Weizens verbrannt, werden in Australien 800.000 Schafe verscharrt, werden in Holland 100.000 Spanferkel zu Dünger verarbeitet, in Brasilien hunderttausende Säcke Kaffee vernichtet, und so mit Grazie weiter. Bei uns in der Èechoslovakei hat man sich in ähnlicher Weise der großen Hopfenvorräte, die für 20 Millionen Staatsgelder aufgekauft und eingelagert wurden, zu entledigen versucht. Es wird auch spekuliert, wie man sich der großen Kornvorräte entledigen könnte, um die tatsächlich tiefen Preise dieses Produktes in die Höhe zu treiben.

Mit einer gewissen Wehmut konstatiert unter solchen Verhältnissen Herr Sektionschef Andreas Meisner von der deutschen Sektion des Landeskulturrates in Prag in seinen "Vorschlägen für ein Programm staatlicher und zwischenstaatlicher Maßnahmen zur Gesundung der Landwirtschaft", daß die privatkapitalistische Gesellschaftsform aus dem Gleichgewicht gebracht worden und ein wirtschaftspolitischer und sozialer Umwandlungsprozeß im Zuge sei. Das ist durchaus richtig, wird aber gerade von agrarischer Seite oft nicht gerne zugegeben.

Wir Sozialdemokraten erkennen durchaus an, daß die heimische Landwirtschaft mit großen Sorgen zu kämpfen hat. Ob die Verschuldung der Landwirtschaft heute schon tatsächlich 30 Milliarden beträgt, wie es behauptet wird, soll nicht näher untersucht werden. Schwer ist sie auf jeden Fall. Die Last der Hypotheken ist bestimmt drückend, speziell für jene, die in den verschollenen Zeiten guter Konjunktur, während des Krieges und einige Jahre nachher, die Wirtschaften zu den damals hochgetriebenen Preisen übernahmen und nun bei stark gesunkenen Einnahmen ihre Verpflichtugen nicht mehr erfüllen können. Die angestrebte allgemeine Senkung des Zinsfußes ist deshalb zu begrüßen. Herr Landwirtschaftsminister Dr. Hodža hat im Budgetausschuß die Notwendigkeit hervorgehoben, dem Landwirt wieder eine rentable Wirtschaft zu ermöglichen, ihn kaufkräftig zu machen, was durchaus begreiflich ist. Die Frage ist nur, ob diese Notwendigkeit angesichts der Weltlage wird bald erfüllt werden können. Nach fachmännischen Gutachten bekannter Agrarpolitiker, z. B. Prof. Beckmann in Bonn und Dr. Strakosch in Wien, ist ein rasches Ende der Krise nicht zu erzwingen und Preissteigerungen auf den Weltmärkten sind nicht so bald zu erwarten. Ganz in unserem schon längst geäußerten Sinne wird deshalb von diesen Fachleuten zur Bekämpfung der Krise die Kostensenkung der landwirtschaftlichen Produktion dringend empfohlen. Ohne Zweifel sind die für den Landwirt unumgänglich notwendigen Produktionsmittel, wie Kunstdünger, Maschinen und dergleichen mehr in der heutigen Zeit zu teuer. Die Schuld liegt meist in den hohen Kartellpreisen. In Deutschland beträgt der jährliche Tribut an die Kartelle 1700 Millionen Mark, bei uns sicher auch einige Hunderte Millionen Kè. Bekannt ist, daß die polnischen Landwirte sehr energisch eine Herabsetzung der übermäßig hohen Kartellpreise betreiben.

Der auch vom Herrn Ministerpräsidenten Malypetr angekündigte Kampf gegen den Preiswucher der Kartelle muß nicht zuletzt im Interesse der Landwirtschaft energisch geführt werden, um die berüchtigte Preisschere zwischen industriellen und landwirtschaftlichen Produkten möglichst zu schließen. Herr Handelsminister Dr. Matoušek scheint allerdings nicht mit dem Herzen dabei zu sein.

Herr Minister Dr. Hodža hat mit Recht darauf verwiesen, daß die Lösung der Agrarkrise nicht regional, sondern nur im Verband mit möglichst vielen Staaten, also international, erfolgen müsse. Das hindert natürlich nicht, daß im Wege der Selbsthilfe und durch staatliche Maßnahmen eine Erleichterung gesucht wird. Herr Sektionschef Meisner regt in dieser Hinsicht die Einschränkung des Anbaues von Braugerste, Zuckerrübe und Hopfen an. Er empfiehlt eine Arbeitsteilung der Flachland- und Gebirgslandwirtschaft, Anpassung an die Marktverhältnisse und Bedürfnisse, organisierten Absatz, Konjunkturforschung, Marktbeobachtung und Preisberichterstattung, Rationalisierung, Standardisierung und eine planmäßige Viehverwertung. Davon ist vieles auch von uns schon längst verwertet worden. Ich möchte nur so nebenbei darauf hinweisen, daß im Jahre 1931 insgesamt 4.3 Millionen Schweine und 767.000 Rinder verbraucht wurden. Dem empfohlenen Aufbau der genossenschaftlichen Organisationen kann man ebenso zustimmen, wie den Bemühungen zur Sicherung des Absatzes landwirtschaftlicher Produkte zu auskömmlichen Preisen. Wir Sozialdemokraten sind es, die schon tausendemale betont haben, daß das ewige Auf und Ab der Preise infolge der kapitalistischen Produktionsanarchie und Spekulation der Landwirtschaft höchst verderblich ist und möglichst stabile Preise, die einen gerechten Lohn für die mühevolle Arbeit des Landmannes bedeuten, ein Hauptziel erfolgreicher Agrarpolitik sein müssen. Das Getreidesyndikat und wohl auch das kommende Viehsyndikat sind in der heutigen Form jedoch kein geeignetes Mittel, diesem Zweck zu dienen. Wenn Herr Sektionschef Meissner feststellt, daß die vom Parlament beschlossenen Agrargesetze, gleitende Zölle etc., sich günstig auswirkten und verhinderten, daß die Agrarpreise bis auf den abnormal tiefen Weltmarktpreis sanken, so erkennt er damit indirekt auch die Mitarbeit der Sozialdemokraten zugunsten der Landwirtschaft an. Man kann also nicht mehr die Sozialdemokraten verleumderisch, wie dies oft geschieht, als Feinde der Landwirtschaft hinstellen.

Auf internationalem Gebiete bestehen in Form der Gesellschaft für landwirtschaftlichen Hypothekarkredit der Berliner Zuckerkonvention etc. Ansätze zur gemeinsamen Lösung landwirtschaftlicher Probleme. Diese Ansätze müssen ausgebaut werden.

Was wir aber absolut nicht unterschreiben können, ist die agrarische Forderung nach Abbau der Sozialversicherung z. B. nach Ausscheidung der Saison- und jugendlichen Arbeiter. Davon kann ernstlich keine Rede sein, vielmehr muß ein Ausbau der Sozialversicherung angestrebt werden, wozu die Erweiterung der Unfallversicherung auf die Forstarbeiter kommt.

Herr Koll. Dubický hat den Herrn Sozialminister Dr. Czech wegen der Versicherung der selbständig erwerbstätigen Personen im Budgetausschuß interpelliert. Das scheint mir ein gewisser Widersruch zu sein gegenüber der ständigen Behauptung der Agrarier, daß die Soziallasten nicht mehr zu ertragen seien. Es ist wohl überflüssig zu sagen, daß wir Sozialdemokraten ganz unschuldig daran sind, daß die Selbständigenversicherung noch immer nicht Gesetz ist.

Wir haben auf deren Notwendigkeit umsomehr hingewiesen, als 71% aller Landwirte Kleinlandwirte sind, die sich ein selbständiges, auskömmliches Ausgedinge meist nicht leisten können, abgesehen davon, daß das Ausgedinge recht häufig zu Streitigkeiten zwischen Alten und Jungen, ja zu Totschlag und Mord führt. Wir würden es also nur begrüßen, wenn für die selbständigen Landwirte und Gewerbetreibenden eine angemessene gesetzliche Altersversicherung bald platzgreifen würde.

Es ist bemerkenswert, daß Herr Landwirtschaftsminister Dr. Hodža unter Hinweis auf den gemischten industriell-agrarischen Charakter unseres Staates die gebotene Berücksichtigung der industriellen Interessen betonte. Damit ist von dieser Seite dem unsinnigen Gedanken der Autarkie der Laufpaß gegeben worden. Eine einseitige Agrarpolitik ist in diesem Lande wirklich nicht möglich. Mit dieser Tatsache müssen sich die Agrarier endlich einmal abfinden und darauf verzichten, absichtlich der Industrie Abbruch zu tun, um aus der Republik künftig einen èechischen Agrarstaat zu machen.

Es ist wahr, daß in Deutschland und anderswo zur Zeit ein Rückfluten der Bevölkerung aus den Großstädten auf das Land stattfindet. Es handelt sich hier um Menschen, die vom Lande kommen, und einen Rückhalt bei Verwandten dort finden. Für Hunderttausende Arbeitsloser jedoch, die lediglich in der Industrie wurzeln, ist eine Unterbringung in der Landwirtschaft total unmöglich. Das Dorf hat seit altersher seinen Bevölkerungsüberschuß an die Industriegebiete abgetreten. Es ist absolut nicht imstande, die früheren Ortskinder wieder aufzunehmen, geschweige denn noch andere Rückwanderer.

Der Arbeiternot am Lande steuert man auf den größeren Gütern heute durch Heranziehung slovakischer Arbeiter, in den Bauernwirtschaften in der Saison durch die Beschäftigung der Frauen und Kinder der Häusler. Wenn alle Bauernsöhne und Töchter sich der Landwirtschaft widmeten statt in die Stadt zu gehen, wäre die Leutenot am Lande bestimmt geringer.

Unter den agrarischen Forderungen spielt das Verlangen nach höheren Subventionen eine große Rolle. Wir sind keine Feinde der staatlichen Unterstützung der Landwi rtschaft, doch darf es niemals so weit kommen, wie bei der Osthilfe in Deutschland, wo die Großagrarier sich vom Staate geradezu aushalten lassen. Wir müssen leider wieder feststellen, daß bei der Verteilung der Subventionen nicht gerecht vorgegangen wird. Bei der Auszahlung von Unterstützungen für Elementarschäden z. B. kam es wiederum im Kaplitzer Bezirk vor, daß Christlichsoziale und Landbündler bevorzugt wurden, ebenso im Neubistritzer Bezirk. Der Skandal, daß das Parteibuch entscheidend ist, muß endlich einmal aufhören.

Ich könnte eine lange Liste vorgekommener notorischer Ungerechtigkeiten in dieser Beziehung mitteilen. Wir werden das Material dem Herrn Landwirtschaftsminister vorlegen und um Abstellung dieser Protektionswirtschaft ersuchen. Dadurch, daß man in den Landeskulturräten absichtlich die landwirtschaftlichen Bezirksverbände bevorzugt, an deren Spitze regelmäßig politische Sekretäre stehen, schädigt man bewußt die selbständigen Kleinbauernorganisationen. Diese Sekretäre sind Werkzeuge der Agrarier, die sich nicht scheuen, offen zu sagen: Sozialdemokraten bekommen keine Subventionen! Die Agrarier dürfen doch nicht mehr tun, als ob sie heute alle Landwirte hinter sich hätten. Wir wissen sehr genau, daß eine starke Flucht aus dem agrarischen Lager stattfindet.

Ebenso scharf werden wir gegen die Methode auftreten, daß bei Vergebung von Subventionen z. B. an Molkereien die Bedingung geknüpft wird, daß die Maschinen bei einer bestimmten Prager Firma bestellt werden müssen, obwohl die reichsdeutschen Maschinen viel besser sind und die fragliche Firma selbst einen Teil ihres Materials aus Deutschland bezieht.

Durch diese Verquickung von Subventionen mit ungehöriger einseitiger Protektion wird der Wert von Subventionen sehr illusorisch. Bemerken möchte ich noch, daß die Agrarier an die staatliche Leistung von Unterstützungen an die Arbeitslosen gern die Forderung nach dem Arbeitszwang knüpfen. So hat es die èechische Agrarpartei erst kürzlich am 1. November 1932 auf ihrem Prager Kongreß getan. Es sei erlaubt darauf hinzuweisen, daß nach diesem Grundsatz die Landwirte für empfangene Subventionen vom Staate natürlich auch entsprechende Gegenleistungen gewähren müßten; was dem einen recht ist, muß dem andern billig sein.

Zu den wichtigsten Agrarproblemen gehört die Frage des erhöhten Absatzes landwirtschaftlicher Produkte, besonders hochwertiger Ware, wie Butter und Fleisch. Mit vollem Recht weisen namhafte Agrarpolitiker, wie Professor Laur in der Schweiz auf die unbedingte Notwendigkeit erhöhten Konsums hin. Der Internationale Agrarkongreß in Prag hat diese Forderung in Verbindung mit der Organisation des Marktes besonders unterstrichen. Professor Brandt in Berlin, der Leiter des reichsdeutschen Instituts für Marktbeobachtung, hat mit vollem Recht jüngst betont, daß jeder Arbeitslose ein weiterer Schritt zum Ruin der Landwi rtschaft ist. Herr Rossmanith in Raase in Schlesien bemerkt treffend, das Schicksal der Bauernschaft sei das Schicksal der Kaufkraft der breiten Massen. Wenn es gelänge, die Kaufkraft der Einwohner der Èechoslovakei so weit zu heben, daß sich jeder so viel Lebensmittel kaufen könnte, wie wir für einen Arrestanten ausgeben, so wäre damit unendlich viel für die Landwirtschaft getan. In klarer Erkenntnis hat der ehemalige reichsdeutsche Ernährungsminister von Schlange- Schöningen - nicht etwa Hugenberg - auf die innige Verbindung der Agrarfrage mit dem Industrie- und Arbeitslosenproblem hingewiesen. Bei uns dagegen gibt es nicht wenige Agrarier, wie z. B. Direktor Hilmer in Brünn, die eine Herabsetzung der angeblich hohen Löhne bewußt fordern und damit die Kaufkraft schwächen. Durch die Senkung der Löhne - auch der Land- und Forstarbeiter - will man die Selbstkosten der Produktion senken und sägt dabei den Ast ab, auf dem man sitzt.

Es freut mich, daß Herr Koll. Dr. Èerný in seiner gestrigen Budgetrede ausdrücklich erklärte, daß die Not der Kleinlandwirte in der Èechoslovakei nicht behoben werden könne, solange eine Million Arbeitsloser vorhanden ist und große Industriefriedhöfe bestehen. Wie sehr die Kaufkraft der Konsumenten mit dem Wohlergehen der Landwirtschaft zusammenhängt, zeigt eine interessante reichsdeutsche Statistik. In der Zeit von 1924 bis 1929 stieg der Reallohn der Arbeiter und Angestellten Deutschlands um 30%, wobei die Verkaufserlöse der Landwirtschaft um 32% zunahmen. Mit der steigenden Krise, den fallenden Löhnen von 1929 bis 1931 sanken die Verkaufserlöse automatisch um 27%. Das ist durchaus erklärlich. Wenn sich hunderttausend Arbeitslose nicht einmal genug Brot kaufen können, geschweige denn Fleisch und Butter, wenn hunderte Kurzarbeiter nur einen Bruchteil ihres sonstigen Verdienstes erhalten, kann der Absatz der landwirtschaftlichen Produkte nicht befriedigend sein. Ich hoffe, daß der Herr Landwirtschaftsminister Dr. Hodža die Zusammenhänge zwischen der Not der Landwirtschaft und der Not der Arbeiterschaft entsprechend würdigt und die Herabsetzung der Löhne und Sozialausgaben im Interesse der Landwirtschaft verhindern hilft.

Ebenso liegt es im Interesse der Landwirtschaft, daß öffentliche Arbeiten, Straßenbauten usw. durchgeführt werden, wobei viele Landwirte durch Fuhren und direkten Arbeitsdienst nur gewinnen können, ganz abgesehen davon, daß verbesserte Straßen Ausgaben an Reparatur bei Fuhrwerken ersparen. Und nachdem durch eine Verkürzung der Arbeitszeit vor allem in der Industrie auf 40 Stunden per Woche die Zahl der Beschäftigten und damit der Verbraucher steigen würde, sollte man auch in dieser Beziehung vernünftiger vorgehen als bisher.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP