Ètvrtek 2. února 1933

Trotz Weltwirtschaftskrise und troz aller Gewaltpolitik, mit der der Weltkrieg beendet wurde, hätte es noch immer nicht zu den heutigen trostlosen Verhältnissen in diesem Staate kommen müssen, wenn diese Gewaltpolitik nicht auch von ihm selbst weiterfortgesetzt worden wäre. Die Èechoslovakei brauchte heute wenigstens kein Millionenheer hungernder und darbender Menschen zu haben, wenn sich zu den Ausstrahlungen der Weltwirtschaftskrise nicht auch noch die Auswirkungen einer typisch èechoslovakischen Krise geltend gemacht hätten. Letztere ist jedoch kein Elementarereignis, sondern ein durchaus künstliches Gebilde, hervorgerufen durch eine sowohl nach außen, wie nach innen völlig verfehlte Wirtschaftspolitik. Die Èechoslovakei übernahm vom alten Österreich eine gutausgebaute Industrie mit durchaus gesicherten Absatzmärkten. So fielen ihr beispielsweise 80 % der gesamten Textil-, 92% der Zucker- und 91% der Glasindustrie der ehemaligen Monarchie zu. Sie besaß die besten Voraussetzungen dafür, eine blühende Oase inmitten des allgemeinen wirtschaftlichen Verfalles zu bilden, wenn sie es verstanden hätte und ernstlich dazu gewillt gewesen wäre, sich auch die notwendigen Absatzmärkte zu sichern. Das gerade Gegenteil ist jedoch eingetreten. Durch eine unvernünftige, den wahren Bedürfnissen zuwider laufende Zoll-, Handels- und Wirtschaftspolitik wurde das reiche Erbe nicht nur schlecht verwaltet, sondern nahezu ganz vertan. Anstatt freundliche Beziehungen zu den als größte Abnehmer geltenden Nachbarstaaten zum Zwecke einer wirtschaftlichen Annäherung und Zusammenarbeit aufzunehmen, brach man die bisher bestandenen nahezu vollkommen ab. Die Ausfuhr nach den österreichischen und ungarischen Märkten wurde direkt erschwert und gedrosselt, anstatt sie zu fördern, wie es notwendig gewesen wäre. Lediglich um die wirtschaftliche Orientierung der bestehenden politischen Bindungen anzupassen, mußte sich die gesamte Wirtschaft zu ihrem eigenen und zum Schaden des Staates nach dem Westen umstellen. Völlig unbekümmert um das Wohl und Wehe der eigenen Volkswirtschaft trug die Wirtschaftspolitik dieses Staates in einer geradezu sklavischen Ergebenheit einzig und allein den Wünschen Frankreichs Rechnung. Demgegenüber hätte jedoch die Èechoslovakei von allem Anfang an im ureigensten Interesse weit besser getan, an die Notwendigkeiten der heimischen Wirtschaft zu denken, anstatt sich nur als Büttel Frankreichs aufzuspielen. Nicht nur die Interessen der Wirtschaft, sondern auch des Staates erfordern es, daß die Außenhandelspolitik vom Handelsministerium und nicht vom Außenminister bestimmt werde. Im Gegensatz zu den hierzulande üblichen Gepflogenheiten hätte sich das Verhalten des Außenministers vielmehr nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen zu richten, anstatt die Wirtschaft einer für die Bewohner des Staates verhängnisvollen Gefühlspolitik zu opfern. Trotz aller Erfahrungen ist man jedoch auch heute noch immer weit entfernt davon, eine Änderung eintreten zu lassen. Die Politik der Èechoslovakei steht nach wie vor in einem argen Abhängigkeitsverhältnis zu Frankreich, anstatt daß man auch nur versucht hätte, zu einem ausreichenden handelspolitischen Verhältnis zu Deutschland zu kommen und die wirtschaftliche Bindung zu Deutsch-Österreich inniger zu gestalten. Die Vertragslosigkeit mit Ungarn, die zu einem fast vollständigen Verlust dieses wichtigen Absatzmarktes geführt hat und der heimischen, vor allem der Textilindustrie, einen ungeheuren Schaden zufügte, besteht unverändert fort. Anstatt die bestehenden Zölle einer Revision zu unterziehen und die hohen Zollmauern abzubauen, wurden neue Zölle eingeführt und bisher bestandene erhöht. Darüber hinaus wird das gesamte wirtschaftliche Leben auch noch durch die bestehenden Devisenvorschriften nicht nur gedrosselt, sondern vielfach auch völlig lahmgelegt. Obgleich längst Einmütigkeit darüber herrscht, daß das Bewilligungsverfahren aus währungstechnischen Gründen nicht mehr notwendig ist und handelspolitisch seinen Zweck vollkommen verfehlt hat, wird es als handelspolitische Angriffswaffe und als Vergeltungsmittel, ja sogar als ein Instrument der Politik, aufrecht erhalten. Durch das Bewilligungsverfahren wurde weit mehr Schaden als Nutzen angerichtet und nur ein neues Protektionssystem geschaffen, das tausende neue Arbeitslose schuf und vor allem der sudetendeutschen Wirtschaft zum Unheil gereichte. Wird der eingeschlagene Kurs im bisherigen Sinne fortgesetzt, dann kann und wird es durchaus eintreten, daß die Èechoslovakei außer ihrer Freundschaft zu Frankreich und der kleinen Entente bald überhaupt keine wirtschaftlichen Bindungen mit den anderen Staaten mehr besitzen dürfte. Es würde dann unbedingt das eintreten, was der ehemalige èechoslovakische Gesandte in Wien, Dr. Vavreèka mit einer beachtenswerten Offenheit ausgesprochen hat, als er vor einiger Zeit erklärte, daß die Èechoslovakei dank der völligen Mißachtung ihrer eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse an dem kommenden Wiederaufstieg nicht teilnehmen, sondern die Krise als ein vollständig verärmtes und auf das Balkanniveau herabgesunkenes Land beenden wird. (Sehr wahr!)

Das, was die Zoll- und Handelspolitik in dieser Beziehung nicht zuwege bringt, das wird bestimmt die unselige Finanzpolitik dieses Staates vollenden. Die Èechoslovakei hat schon seit jeher weit über ihre Verhältnisse gelebt, was naturgemäß zu einer unerträglichen Belastung der werteschaffenden Arbeit und des gesamten Konsums führte. Das Staats- und Volksvermögen wurde für einen überflüssig großen Militarismus, für Propaganda, Repräsentationen usw. vergeudet. Immer neue hunderte von Millionen wurden und werden noch immer aus dem Volksvermögen herausgenommen. Sowohl die Konkurrenzfähigkeit am Weltmarkt, wie die Kaufkraft im Inlande, leiden zu gleichen Teilen darunter. Die natürliche Folge ist ein weiterer Verfall der Wirtschaft, ein neuerliches Anwachsen des Arbeitslosenheeres und eine Vermehrung der unproduktiven Lasten. Diese unumstößliche Tatsache wird auch durch das Täuschungsmanöver von einem angeblich ausgeglichenen Budget nicht aus der Welt geschafft. Im Gegenteil zeigt die unter ungeheuren Schwierigkeiten zustande gekommene Ausbalancierung des Budgets, daß den hohen Ausgaben eben hohe Einnahmen gegenüber gestellt werden müssen. So war es bisher und so ist es auch heute. So wie alle vorhergegangenen Regierungen, so hat sich auch die gegenwärtige Koalition die Sache sehr einfach gemacht, indem sie so wie alle ihre Vorgängerinnen die Einnahmen d. h. Steuern und Lasten - ohne Rücksicht auf den unerhörten wirtschaftlichen Verfall einfach erhöht. Die Gebühren für Amtshandlungen wurden gesteigert, die Umsatzsteuer erweitert, die Biersteuer erhöht, eine Glühlampensteuer eingeführt, die Arbeiterfahrkarten verteuert usw. Das neue Kraftwagenverkehrsgesetz muß besonders in diesem Zusammenhange herausgehoben werden, da es ganz dazu angetan ist, die Finanzwirtschaft dieses Staates im richtigen Lichte erscheinen zu lassen. Ganz abgesehen davon, daß es sich dabei um einen neuen schweren Angriff auf den deutschen Arbeitsplatz handelt, trägt es auch zur Ve rmehrung der Arbeitslosigkeit im allgemeinen bei. Allein in den letzten Monaten des vergangenen Jahres sollen bereits mehr als 20.000 Autos abgemeldet worden sein, was gleichbedeutend damit ist, daß dadurch tausende und abertausende neue Arbeitslose unter den Chauffeuren geschaffen wurden. Der finanzielle Erfolg aber wird sich darin äußern, daß nicht 60 Millionen Kronen Mehreinnahmen, sondern vielleicht 200 Millionen Kronen als Minderertrag zu verbuchen sein werden. Schon unter Hinweis auf dieses eine Beispiel darf behauptet werden, daß trotz wochenlanger Behandlung des Voranschlages im sogenannten Siebenerausschuß die im Budget enthaltenen Ziffern heute schon nicht mehr stimmen, daher noch weit weniger in einigen Wochen oder gar Monaten gültig sein können. In Wirklichkeit liegt daher ein vollkommen unausgeglichenes Budget vor.

Doch weiß man sich auch darin zu helfen. Man bereitet eben neue Steuern vor und denkt vor allem daran, verschärfte Steuerstrafbestimmungen einzuführen, die dem Steuerexekutor ähnliche Vollmachten gegen die säumigen Steuerzahler einräumen sollen, wie sie der Herr Polizeirat Preiniger gegen die deutschen Nationalsozialisten besitzt. Den vor dem Zusammenbruch stehenden Kleingewerbetreibenden und Kleinlandwirten soll eben noch die letzte Krone für Steuern herausgeholt werden, anstatt sie ihm in der heutigen Notzeit zu stunden und dadurch seine Existenz überhaupt sicherzustellen. Unaufhaltsam gehen wir so dem vollständigen Verfall von Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft und dem Ruin hunderttausender Existenzen entgegen. Zu gleicher Zeit, in der der Staat neue Belastungen einführt, kürzt er gleichzeitig auch die Löhne und Gehälter seiner Angestellten. Er trägt daher doppelt zur weiteren Verelendung der davon Betroffenen, sowie zur Verminderung der Kaufkraft bei und gibt zugleich trotz Mitregentschaft sozialdemokratischer Parteien auch der Privatwirtschaft das Signal zu einem gleichen Tun. Der Erfolg beider Maßnahmen ist jedoch ein weiterer wirtschaftlicher Verfall.

Unter solchen Umständen darf es niemanden wundernehmen, daß vor allem in unseren sudetendeutschen Gebieten Verhältnisse herrschen, die jeder Beschreibung spotten. (Sehr richtig!) Die Not der sudetendeutschen Menschen ist längst an der Grenze des Erträglichen angelangt. (Posl. Krebs: Schlimmer als in Deutschland!) Jawohl, in einzelnen unserer sudetendeutschen Gebiete ist perzentuell die Arbeitslosigkeit weit größer als in Deutschland. (Posl. Krebs: Die Unterstützung reicht nicht auf ein Fünftel heran!) Man muß durchaus nicht erst oppositionell eingestellt sein, um die heutige Situation mehr als trostlos zu bezeichnen. Zu dieser Erkenntnis muß auch jeder Regierungsangehörige kommen, wenn er seine Äußerungen ehrlich nimmt und mit den wahren Verhältnissen vertraut ist. Dabei braucht man mit unseren sudetendeutschen Not- und Hungergebieten nicht einmal direkt in Verbindung zu stehen. Der vollständige Wirtschaftsverfall tritt uns auf allen Gebieten entgegen. Er äußert sich aber recht deutlich in den amtlichen Ausweisen über den Außenhandel, über den Güterverkehr, die Kohlenförderung, die Lage der einzelnen Industrien, die Steuerleistungen und nicht zuletzt auch in den Ziffern des verspätet vorgelegten Budgets.

Der Gesamtumsatz im reinen Warenverkehr ist im Jahre 1932 auf 14.8 Milliarden gesunken, gegen 25 Milliarden im Vorjahr, 33 Milliarden vor 2 Jahren, und 41 Milliarden vor 3 Jahren. Die Ausfuhr erreichte 7.4 Milliarden gegen 13.1 im Vorjahr, 17.5 vor zwei Jahren und 20.5 vor 3 Jahren. Und dennoch ergibt sich - und zwar zum erstenmale ein Einfuhrüberschuß von 139 Millionen gegenüber einem Aktivum von 1.345 Millionen noch im Vorjahre. Noch deutlicher kann wohl der wirtschaftliche Verfall nicht mehr in Erscheinung treten. Ähnlich äußert er sich auch in der Statistik über die Kohlenförderung und Eisenerzeugung. Wurden im Jahre 1931 noch 18 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert, so ging die Förderung im Jahre 1932 auf 15.9 Millionen Tonnen zurück. Bei Steinkohle sank sie von 13.2 auf 11.1. Die Zahl der Belegschaft verminderte sich im Braunkohlenbergbau von 33.893 auf 31.592, in den Steinkohlengruben von 53.856 auf 44.419. Dabei ist noch zu bedenken, daß die übrigen, die noch in Arbeit stehen und noch nicht erwerbslos sind, unter ungeheuerer Kurzarbeit zu leiden haben und mit einem Lohn nach Hause gehen müssen, der kaum zur Bestreitung der notwendigsten Lebensbedürfnisse genügt. (Posl. Krebs: Der niedriger als die Arbeitslosenunterstützung in Deutschland ist!) Sicherlich in vielen Fällen. Die Roheisenerzeugung sank von 1ÿ1 Millionen Tonnen im Jahre 1931 auf 0.4 Millionen im Jahre 1932. 75% der Kapazität der Eisenindustrie blieben unausgenützt.

Durchaus das gleiche Bild zeigen uns die Ausweise über die Lage der einzelnen lndustrien. Die Ausfuhr fertiger Erzeugnisse der Baumwollindustrie sank von 1929 bis 1932 um 75%, die der Leinenindustrie um 50%, jene der Konfektion um 66%, der Wollindustrie um 80%, der Seidenindustrie um 50% usw. Die Textilindustrie, die einst 600.000 Menschen beschäftigte, und man muß hinzufügen, die vornehmlich im sudetendeutschen Gebiet liegt, ist damit zumindest in einigen Gebieten fast auf das Aussterbeetat gesetzt. Die Papierindustrie erreichte im Jahre 1929 noch eine Erzeugung von 24.000, davon eine Ausfuhr von 5000 Waggons, im Jahre 1932 hingegen nur noch 18.000 bzw. 3300 Waggons. Die weitere Ausfuhr und damit rund 2500 weitere Arbeiter sind stark gefährdet. Die Glasausfuhr erreichte in 11 Monaten dem Werte nach 551 Millionen gegen 898 Millionen Kè im Vorjahre. Auch die Glasindustrie in dem sudetendeutschen Randgebiet steht still und es kommt zu immer neuen Stilllegungen. Rund 70% der Glasarbeiter sind arbeitslos. Die Zuckerausfuhr ist gegenüber dem Vorjahre um rund 40% zurückgegangen. Ähnliche Beispiele könnten noch in reicher Folge angeführt werden. Sie würden jedoch immer die gleichen trostlosen Verhältnisse zum Ausdruck bringen und zugleich auch dartun, daß ganz besonders jene Industrien, die, wie schon gesagt, im sudetendeutschen Gebiete liegen - vor allem die Textil- und Glasindustrie - am schwersten von der Krise betroffen sind.

Es stimmt daher nicht ganz, wenn Herr Dr. Beneš als Außenminister dieses Staates erst vor kurzer Zeit ganz selbstbewußt prophezeite, daß uns Èechoslovaken nichts geschehen kann. Wahrheitsgemäß muß vielmehr festgestellt werden, daß durch die Entwicklung, wie sie in den letzten Wochen und Monaten eingetreten ist, selbst die schwärzesten Voraussagen von den wahren Verhältnissen noch weit übertroffen wurden. Während in der Mehrzahl der anderen Staaten der Arbeitslosenstand verhältnismäßig keine allzu große Veränderung erfahren hat, trat in der Èechoslovakei eine weit über die saisonmäßige Verschiebung hinausgehende Verschlechterung am Arbeitsmarkte ein. Wohl wird vom Ministerium für soziale Fürsorge mit Ende Dezember 1932 der beträchtliche Stand von 750.000 Arbeitslosen ausgewiesen, doch sind damit keineswegs alle Erwerbslosen erfaßt. In Wirklichkeit ist die Zahl der Arbeitslosen in diesem Staate fast doppelt so hoch und erreicht unter Hinzurechnung der Familienangehörigen und Kurzarbeiter bestimmt einen Stand von 3 1/2 bis 4 Millionen Menschen, die in dieser Form von der Wirtschaftskrise erfaßt und ihren furchtbaren Folgerscheinungen betroffen sind. Erschütternd wirkt diese traurige Bilanz, die wir mit Jahresende zogen, vor allem dadurch, daß den Großteil der Arbeitslosen das sudetendeutsche Gebiet stellt. Es darf wohl - wie ich dies bereits im Budgetausschuß erwähnte behauptet werden, daß allein von den 750.000 gemeldeten Arbeitslosen rund 450.000 im deutschen Siedlungsgebiete, der Rest in den übrigen Teilen der Republik anzutreffen sind. (Posl. Krebs: Förmlich eine Sprachenkarte!) Sicherlich, wir sahen es schon einmal im Ausweis des Statistischen Staatsamtes, wo solche Karten beigegeben waren.

So stellt das deutsche Nordböhmen mit Ende Dezember 1932 allein 160.868 oder 40% aller Arbeitslosen. Von den 15 Bezirken mit der größten Arbeitslosenziffer sind 13 rein deutsche Bezirke. Lediglich Prag und Pilsen sind infolge ihrer großen Einwohnerzahl mit unter diesen 15 Bezirken anzutreffen. Während aber beispielsweise Neudek 24% Arbeitslose zählt, weist Prag nur 4% auf. Inzwischen ist die Arbeitslosigkeit um ein ganz bedeutendes angestiegen. Mit Beginn des neuen Jahres ist eine ganze Reihe weiterer Betriebe stillgelegt worden, während andere stark eingeschränkt wurden. Dazu kommt die in jedem Jahre übliche saisonmäßige Steigerung in den ersten 3 Monaten des Jahres, so daß für die nächsten Wochen mit einer wesentlichen Verschärfung der Lage gerechnet werden muß, obgleich das sudetendeutsche Gebiet schon jetzt fast hart an der Grenze des Erträglichen angelangt ist. Die Zerstörung des sudetendeutschen Wirtschaftskörpers ist bereits soweit vorgeschritten, daß Not und Elend in allen Volksschichten ohne Ausnahme Einzug gehalten hat. Nicht nur die Industrie, sondern auch der Handels- und Gewerbestand, sowie die Landwirtschaft stehen vor dem völligen Zusammenbruch. Dem Millionenheer der Arbeitslosen reihen sich die vernichteten Existenzen des Mittelstandes an. Ihre Zahl ist nirgends erfaßt und ausgewiesen. Sie spiegelt sich lediglich in der Zahl der Konkurse und Ausgleiche wieder. Für 1932 werden nicht weniger als 5984 Konkurse und Ausgleiche ausgewiesen. Wie es in dieser Hinsicht draußen in unseren sudetendeutschen Gebieten aussieht, zeigt am besten ein Ausweis des Warnsdorfer Gerichtes für das Jahr 1932. Insgesamt gab es dort 4661 Exekutionsfälle (Hört! Hört!) und zwar 66 Zwangsversteigerungen von Häusern und Liegenschaften, 343 zwangsweise Pfandrechtsbegründungen, 26 Zwangsverwaltungen, 621 Forderungsexekutionen, 34 Delogierungen, 3457 Mobilarexekutionen und 34 durchgeführte Mobilarverkäufe. Also bei einem einzigen Gericht 12 Exekutionen durchschnittlich pro Arbeitstag. Beachtenswert ist auch, daß nur 34 zwangsweise Mobilarverkäufe durchgeführt wurden. Dies ist ein Zeichen dafür, daß bei den meisten Menschen eben nichts mehr zu holen war.

Diese Elendsstatistik könnte noch beliebig erweitert werden. Eines besonderen Hinweises bedarf es wohl, nur noch der ungeheueren Verschuldung der Landwirtschaft, die auf mehr als 28 bis 29 Milliarden Kè geschätzt wird. Tausende und abertausende selbständige Existenzen stehen damit vor dem Zusammenbruch. Es ist nur eine Frage der Zeit, wie lange sie noch auf ihrer Scholle sich werden behaupten können. Wenn sich die existenzlos gewordenen Arbeiter, Angestellten, Gewerbetreibenden, Handwerker und Landwirte und mit ihnen alle in ihrer Existenz Bedrohten zusammenschließen, um gemeinsam für ihre Lebensrechte zu demonstrieren, wie dies im Hungergebiet Preßnitz- Weipert geschah und in den nächsten Wochen wohl auch in vielen anderen Gebieten geschehen wird, dann beweist dies nur, wie groß die gemeinsame Not der sudetendeutschen Arbeitsmenschen bereits geworden ist.

Auch darin irrt Herr Dr. Beneš, wenn er noch vor wenigen Monaten unter Hinweis auf die Èechoslovakei von einer "Insel der Seligen" sprach. Die harten Tatsachen einer rauhen und unbarmherzigen Wirklichkeit haben seinen Optimismus widerlegt und der Feststellung des ehemaligen Gesandten in Wien Dr. Vavreèka recht gegeben, der die Èechoslovakei längst als eine Insel der Schiffbrüchigen bezeichnete. Leider kann man dieser Feststellung seine Zustimmung nicht versagen, denn die Situation in unseren sudetendeutschen Gebieten ist derart, daß für die kommenden Wochen das Schlimmste befürchtet werden muß, wenn nicht rasch etwas geschieht, das Hilfe und Milderung bringt.

In dieser Hinsicht besteht allerdings sehr wenig Hoffnung und Aussicht. Die Regierung hat, wie mit aller Offenheit festgestellt werden muß, die Dinge einfach an sich herankommen lassen, ohne auch nur die geringsten Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen. Ich habe bereits im Budgetausschuß ausführlich zu der überaus mangelhaften Fürsorge für die Arbeitslosen Stellung genommen: ich brauche daher an dieser Stelle nur kurz darzutun, daß gegenwärtig dank des bestehenden Genter Systems hunderttausende Arbeitslose ohne eine geregelte Arbeitslosenunterstützung bleiben und bestenfalls auf die 10 und 20 Kè wöchentlich aus der Ernährungsaktion angewiesen sind. Kaum ein Drittel aller gemeldeten Arbeitslosen erhält eine halbwegs ausreichende staatliche Unterstützung, die anderen können allem Anschein nach ruhig zugrunde gehen. Jedoch auch für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitslosen hat der Staat auf Grund des Genter Systems alle Sorge und Verantwortung einfach den Gewerkschaften auferlegt. Die daraus erwachsende Belastung der gewerkschaftlichen Organisationen ist unhaltbar geworden und wurde von mir bereits im Budgetausschuß hinreichend gekennzeichnet. Nach wie vor halten wir deutschen Nationalsozialisten daran fest, daß das Genter System raschest verschwinden und durch eine Arbeitslosenversicherung ersetzt werden muß, um allen Arbeitslosen eine ausreichende Unterstützung für die ganze Dauer ihrer Arbeitslosigkeit sicherzustellen. Für die Übergangszeit sind unbedingt die Gewerkschaften zu entlasten, jedoch auch alle nicht anspruchsberechtigten Arbeitslosen mit einer hinreichenden Arbeitslosenunterstützung seitens des Staates zu versehen. Es geht einfach nicht an, daß die Arbeitslosen ihrem trostlosen Schicksal überlassen bleiben. Es darf gerade in der gegenwärtigen Zeit keine Stunde in weiterer Untätigkeit vergeudet werden, wenn es nicht zur Katastrophe kommen soll. Für die sudetendeutschen Not- und Hungergebiete erscheint es dringend geboten, den dortigen Arbeitslosen raschest Lebensmittel, Bekleidungsstücke und Beheizungsmaterial zur Verfügung zu stellen. Zum Hunger hat sich nunmehr auch die Kälte gesellt. Es muß daher raschest geholfen werden, wenn diese hart mitgenommenen Menschen nicht erbärmlich zugrunde gehen sollen. Die Gemeinden vermögen beim besten Willen nicht mehrzu helfen, weil sie am Ende ihrer Kraft angelangt sind. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß rühmend hervorgehoben werden, daß sich die meisten Gemeinden bisher restlos in den Dienst der Fürsorge für die Arbeitslosen stellten, obgleich es nicht ihre, sondern Sache des Staates ist, die hungernden und darbenden Menschen zu unterstützen. Konnten sie im vorigen Winter noch namhafte Beträge für die Zwecke der Arbeitslosenfürsorge bereitstellen, so ist es ihnen nunmehr unmöglich geworden. Vielfach vermögen sie nicht einmal mehr die notwendigen Geldmittel für die Auszahlung der Löhne und Gehälter aufzubringen. Wenn verlangt wird, daß die Gemeinden helfen sollen, dann muß ihnen auch durch die Beseitigung des Gemeindefinanzgesetzes, ferner in Form einer durchgreifenden Sanierung seitens des Staates, durch Senkung des Zinsfußes für hochverzinsliche Darlehen, durch Bereitstellung von Geldmitteln, Krediten und Zuschüssen, durch genügende Beteilung mit Lebensmittelkarten u. dgl. mehr, die Möglichkeit dazu geboten werden. Die Regierung muß sich eben endlich dessen bewußt sein, daß außerordentliche Notzeiten auch außerordentliche Hilfsmaßnahmen erfordern. Es gilt daher, an die Stelle von schönen Worten endlich Taten zu setzen, um das gewaltige Heer der Arbeitslosen in seiner Existenz sicherzustellen. Es genügt eben nicht, wenn der Herr Ministerpräsident in der von ihm vorgetragenen Regierungserklärung wohl der Arbeitslosen gedachte, sie aber ansonsten an die öffentliche Mildtätigkeit verwies, indem er seiner Meinung dahin Ausdruck gab, daß diese ungemein schwere Zeit, in welcher soviel unverschuldetes Elend vorkommt, das lebendige und werktätige Mitleid bei allen wachrufen wird, die im Überfluß leben. Oder wenn er weiters seiner Hoffnung dahingehend Ausdruck gab, daß sich in jeder Gemeinde der Republik einige gute Menschen finden und einigen mögen, welche in freiwilligen Hilfsausschüssen Hilfsmittel überall dort beschaffen werden, wo vom Überfluß leicht entbehrt werden kann. Zur öffentlichen Mildtätigkeit haben wir noch nie eines Regierungsappells bedurft. Wir hätten fürwahr ein anderes Programm erwartet. Vor allem waren wir begierig darauf zu erfahren, was die Regierung zu tun gedenkt. Dies umso mehr, als es ja auch dem Ministerpräsidenten bekannt sein müßte, daß die in Frage kommende Öffentlichkeit nichts mehr zu geben vermag, weil sie nichts mehr hat. Die Arbeiter- und Angestelltenschaft ist zum Großteil arbeitslos oder auf niedere Verdienste angewiesen, der Gewerbetreibende und Landwirt sind verschuldet oder längst existenzlos. Jene aber, die noch im Überfluß leben, lassen einen Appell an ihr Herz, noch mehr aber einen solchen an ihre Taschen zumeist unberücksichtigt. (Sehr richtig!) Sie müßten von Staats wegen dazu gezwungen werden, zumindestens einen Teil ihres Überflusses für die Arbeitslosen abzugeben. Im übrigen aber fordern und verlangen wir deutschen Nationalsozialisten eihe geordnete staatliche Arbeitslosenfürsorge. Wir lehnen es mit aller Entschiedenheit im Interesse der Arbeitslosen und der in Frage stehenden Öffentlichkeit ab, daß die Arbeitslosenfürsorge auf die öffentliche Mildtätigkeit abgewälzt wird. Die unverschuldet in Not geratenen Arbeitslosen sind weder Faulenzer, noch Nichtstuer und dürfen daher nicht auf Gnadengaben und Almosen angewiesen werden, sondern müssen in den Genuß der gebührenden Arbeitslosenunterstützung treten.

Übereinstimmend mit dem Großteil der Arbeitslosen aber legen wir deutschen Nationalsozialisten keineswegs das Schwergewicht unserer Forderungen auf den Empfang von Unterstützungen. In der richtigen Erkenntnis, daß es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Arbeitslosen um arbeitswillige Menschen handelt, die arbeiten und nicht müßig gehen wollen, verlangen wir in erster Linie die Bereitstellung ausreichender Arbeitsmöglichkeiten für alle Arbeitsmenschen. Es muß alles getan werden, um die Arbeitslosen wieder in den Produktionsprozeß einzureihen und sie dadurch erneut zu vollwertigen Konsumenten zu machen. Höchstes Ziel muß es sein, Arbeit und Brot für alle Arbeitsmenschen zu schaffen, den hunderttausenden arbeitswilligen Händen, die unfreiwillig feiern müssen, wieder Beschäftigung zu geben. Nur durch Beschaffung von Arbeit kann und wird es gelingen, der gewaltigen Armee von Hungernden und Darbenden, aber auch Verzweifelten wieder Halt, Ziel und Hoffnung zu geben. Diesem erstrebenswerten Ziele müssen daher auch alle vorhandenen Kräfte restlos zur Verfügung gestellt werden, denn die Frage der Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozeß ist eine Frage höchster wirtschaftlicher und sozialer, aber auch kultureller Natur.

Dabei darf sich das Programm der Arbeitsbeschaffung natürlich nicht nur auf öffentliche Arbeiten, sondern muß sich vielmehr auf alle Fragen beziehen, die zu einer wirtschaftlichen Gesundung führen. Ein Teil der zu treffenden Maßnahmen liegt dabei auf internationalem Gebiet und hängt mit den von mir eingangs aufgezeigten Ursachen der heutigen Weltwirtschaftskrise zusammen. Besonders zu nennen wäre nur die Beseitigung der Friedensdiktate, die Wiedergutmachung der von ihnen angerichteten Verheerungen, die Streichung der politischen Schulden, endliche Verständigung in der Abrüstungsfrage und Beseitigung der schädlichen Handelshemmnisse. Es handelt sich in der Tat hiebei um entscheidende Fragen.

Gleichfalls eine internationale Regelung erfordert die Frage der Arbeitszeitverkürzung. Mit ihr, sowie mit allen Fragen sozialpolitischer Natur - ganz gleich ob es sich dabei um die Verlängerung der Kündigungsfristen, um die Doppelverdiener- oder Überstundenfrage, um die Herabsetzung des Anfallsalters in den Sozialversicherungsanstalten, um die Einhaltung der Arbeitszeit, um den Schutz vor Betriebseinstellungen bzw. Werksverlegungen usw. handelt - habe ich mich im Budgetausschuß eingehend befaßt, so daß ich darauf nicht mehr näher einzugehen brauche. In allen diesen Fragen aber würde die Anpassung an die heutige Zeit Hunderten und Tausenden eine neue Existenzmöglichkeit erschließen.

Innerstaatlich muß jedoch auch dem protektionistischen Devisenregime und Bewilligungsverfahren, sowie der unheilvollen Politik der Zollerhöhungen, Kontingentierungen und anderer Handelshemmungen, die der weltwirtschaftlichen Verflechtung und den Interessen der heimischen Wirtschaft keineswegs Rechnung tragen, raschestens ein Ende bereitet werden. In diesen Zusammenhang gehört jedoch auch die Forderung nach endlicher Beseitigung des bestehenden nationalen Unrechtes und der nationalen Unduldsamkeit. Durch eine schlüsselmäßige Berücksichtigung des Sudetendeutschtums bei Besetzung der staatlichen Stellen könnten viele zehntausende deutscher Menschen einer neuen Beschäftigung zugeführt werden. Rechnet man, daß dem Sudetendeutschtum rund 200.000 Arbeitsplätze verloren gingen, so bedeutet dies einen ungefähren Lohnausfall von mindestens eineinhalb Milliarden Kè jährlich.

Gleiches Recht darf das Sudetendeutschtum aber auch bei der Vergabe von Staatslieferungen und bei der Durchführung von Notstandsbauten fordern. Bisher wurden die Staatsaufträge mindestens zu 95% und mehr an èechische Firmen vergeben, während das deutsche Gebiet zumeist leer ausging, obgleich es rund 75% der Arbeitslosen stellt. Das Gleiche war bei den Landesaufträgen der Fall und trat in gleicher Weise aber auch bei der Durchführung von Notstandsarbeiten in Erscheinung; denn gebaut wird zumeist dort, wo es keine oder nicht soviele Arbeitslose gibt wie im deutschen Gebiet. Werden aber Bauten in sudetendeutschen Hungergebieten durchgeführt, dann bestimmt unter Übergehung der deutschen Arbeiter, Angestellten und Handwerker. Diesem schreienden Unrecht und dieser herausfordernden Mißachtung der Lebensrechte der sudetendeutschen Arbeitsmenschen muß endlich Einhalt geboten werden, wenn man nicht wünscht, daß auch ihre Geduld einmal zu Ende geht.


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