Ètvrtek 2. února 1933

Die Sparkommission, wenn sie erfüllt, was sie soll, wird eine schwere Aufgabe haben, aber alle Bürger werden ihr dankbar sein, wenn sie die Ausgaben derart einschränken, daß sie die Steuerträger noch halbwegs leisten können. Denn Steuern, die in ihrer Höhe überspannt werden, verkehren sich rasch in das Gegenteil und man möge die Steuern nennen, wie immer man mag, letzten Endes müssen immer wieder die im Staate lebenden Menschen sie aufbringen, und nirgends ist es so weise wie gerade hier, Maß zu halten, aber schon sehr Maß zu halten. Die Landwirtschaft und der Hausbesitz sind mit Steuern belastet, die ohne Rücksicht auf den Ertrag der Objekte bezahlt werden müssen. Die Grund- und Hausklassensteuer, ohne Rücksicht ob ein Einkommen erzielt wird oder Verluste vorhanden sind, sie muß bezahlt werden. Ob die Erzeugnisse in der Landwirtschaft verkauft werden können oder nicht, sie muß bezahlt werden; und dazu kommen fast siebenmal so viel Umlagen, und wenn diese nun der Bauer nicht zahlen kann, wohlgemerkt, nicht zahlen kann, so kommt der Exekutor und veräußert, wie in so vielen Fällen, Wertgegenstände des Betreffenden zu Schundpreisen. Das aber ist Raub am Vermögen eines anderen und das geschieht unter dem Deckmantel des Gesetzes. Daß solche Maßnahmen, allgemein geübt, viel rascher und sicherer zur Anarchie und Bolschewisierung treiben als irgend eine andere agitatorische Aktion, braucht nicht bezweifelt zu werden, bei Bevölkerungsteilen, die bisher ruhig und ohne revolutionäre Absichten lebten und bereit waren, dem Staate zu geben, was des Staates ist, aber erwarten, daß auch ihnen der Staat ermöglicht, das tun zu können.

Europa ist arm geworden, das beweisen die unerträglich vielen Schulden, die Staat und Wirtschaft haben, das beweisen die stillstehenden Fabriken, die ertraglosen Landwirtschaften. Und wenn man viel Schulden hat und wenig verdienen kann, so ist man schon sehr arm und muß schon sehr sparen, um sich zu erhalten. In dem Voranschlag des Staates und in so vielen Voranschlägen der verschiedenen Selbstverwaltungskörper sehen wir aber Ausgabeposten, die so sind, als wenn wir Gott weiß wie reich wären. Das aber ist Selbstbetrug oder absichtliche Steuerschinderei; bei aller Loyalität ist das nicht anders zu bezeichnen.

Damit rollt sich ein neues Problem auf, das ist die Herstellung eines möglichen Gleichgewichtes in den vielen Selbstverwaltungskörpern. Auch darüber werden sich Regierung und Parlament noch sehr die Köpfe zerbrechen müssen, wie dieses Problem zu lösen ist. Denn der Aufwand hiefür muß von den gleichen Menschen beschafft werden.

Wenn die Menschen, die Abgaben und Steuern leisten sollen und müssen, die Überzeugung gewinnen, daß in den Haushalten des Staates und der anderen Körperschaften die Ausgaben auf das wirklich nicht mehr unterschreitbare Maß beschränkt werden, so wird das verstanden. Wenn die Menschen die Überzeugung gewinnen, daß Regierung und gesetzgebende Körperschaft der Notzeit auch in ihrem Aufwand für den Staat entsprechend Rechnung tragen, so wird das verstanden und die Verbitterung wird gemildert. Wer sich, wenn er verschuldet ist, nach seinen Verhältnissen in Betrieb und Lebenshaltung zu leben bemüht und lebt, dessen Kredit steigt und man hilft ihm, wo man nur kann. Dieser Grundsatz gilt nicht allein für den Privaten, sondern gerade so auch für Staat und andere. Die Aufgaben der Regierung und der Volksvertretung sind ja doch im Grunde genommen die, die Menschen im gegebenen Staatsraum in allem und jedem zu betreuen und ihnen die höchstmöglichste Lebensmöglichkeit zu schaffen und zu sichern. Staatsnotwendigkeiten! Gewiß, aber nur dann, wenn auf die Volksnotwendigkeiten in erster Reihe Bedacht genommen wurde. Volk in Not bedeutet immer auch Staat in Not. Verständnisinnig dieser Erkenntnis Rechnung zu tragen, hilft sicher, die Not zu überwinden.

In Privatbetrieben des Handels- und der Industrie war es früher schon selbstverständlich, daß man den Kunden bestmöglichst entgegenkam. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Wissenschaft entwickelt. Diese Wissenschaft heißt: Dienst am Kunden. Damit werden Methoden empfohlen und geübt, um der Kundschaft zu beweisen, welch großes Interesse und welche Wertschätzung man der Kundschaft entgegenbringt. Verlangt man von irgendeiner Firma des Inund Auslandes eine Auskunft oder ein Offert, so bekommt man die Antwort fast ausnahmslos in der Sprache, in welcher man anfragt. Das wird als Selbstverständlichkeit geübt, ohne daß die Firma deswegen von ihrer besonderen völkischen Eigenart auch nur das geringste einbüßen würde. Auch in Prag kann man hie und da feststellen, daß sich einzelne Betriebe an diesem Dienst an Kunden etwas gelegen sein lassen - in anderen Staaten ist das selbstverständlich. Hier wird französisch oder englisch gesprochen. Noch nie aber habe ich eine Anschrift gesehen, die lautete: Hier wird deutsch gesprochen. Und es wäre doch das am nächsten liegende, weil es in der Tat ja doch geübt wird. Welch guten Eindruck das aber auf die deutschen Inländer und Ausländer machen würde, ohne daß die Wertigkeit der Èechen nur die geringste Einbuße erlitte, ist wohl eindeutig klar.

Der Staat hat vielerlei Aufgaben: administrative, verwaltende, rechtschützende, fürsorgliche, gesetzgebende, machtäußernde usw. Alle diese Tätigkeit wird ermöglicht, zum großen Teil erst dadurch ermöglicht, daß die Bürger des Staates ohne Ausnahme einen mehr oder weniger großen Teil ihres Einkommens oder Arbeitsertrages freiwillig oder gezwungen dem Staate zur Verfügung stellen. Je schwerer die Wirtschaft mit all dem Ungemach zu ringen hat, desto sorgfältiger wird der Dienst am Kunden. Ist es nicht naheliegend genug und wäre es nicht ungemein klug und vernünftig, wenn die einzelnen Zweige der Staatswirtschaft, besonders das Innen- und Finanzministerium, analog der Privatwirtschaft einen ebensolchen Dienst am Bürger des Staates üben würden? Vergibt sich der Staat etwa, wenn er mit Leuten, von denen er Geld haben will, ohne daß dieselben einen sichtbaren Gegenwert erhalten, in der Sprache verkehrt, die der, der zahlen soll, versteht und spricht? Die Bürger des Staates ohne Ausnahme betrachten heute den Staat oder das, was schlechtweg darunter verstanden wird, als etwas Fremdes, etwas, was ihnen nicht wohl will, ja vielfach Feindliches, und ganz mit Recht, weil es der Staat als höchster Stand bisher noch nicht begriffen und verstanden hat, einen entsprechenden Dienst am Bürger zu üben. Er äußert seine Macht, ohne den un erläßlichen Takt und die notwendige Für sorge zu üben. Eine der höchsten Errungen schaften einer hohen Kultur ist die Achtung, die ein Mensch oder ein Volk den anderen Menschen, dem anderen Volke entgegen bringt. Aus der Hetze der "Národní politika" ist leider zu ersehen, daß das Verständnis hiefür bei vielen fehlt. Aber auch das hat sein Gutes, es hält wach. Daß es manchem schwer fallen mag, glaube ich gern, aber gerade darum ist es um so nötiger, im Interesse des Staates selbst.

Ein ganz besonderer Dienst am Bürger wäre, die Steuern seiner Leistungsfähigkeit anzupassen, den Staatsvoranschlag um 2 Milliarden zu senken und dann könnte man ihm etwas beruhigter zustimmen als jetzt. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Schäfera (viz str. 24 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der Staatsvoranschlag für 1933 wird von den Rednern der Opposition als ein Werk hingestellt, gegen das manche ernste Einwendungen zu machen sind. Dieser Auffassung kann man zustimmen, denn es handelt sich auch diesmal um einen Staatsvoranschlag, der den kapitalistischen Bedürfnissen mehr entspricht als den Bedürfnissen der arbeitenden Klassen. Das kann, solange wir in der kapitalistischen Welt leben, nicht anders sein. Die Arbeiterklasse, der überwiegende Teil der Bevölkerung, hat noch nicht die politische Macht und kann auf die Zusammenstellung des Staatsvoranschlags und die Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben nur so weit Einfluß nehmen, als seine politische Macht reicht. Dazu kommt, daß dieser Staatsvoranschlag unter unsäglichen Schwierigkeiten und großen Sorgen zusammengestellt werden mußte. Die Welt befindet sich in einer schweren Wirtschaftsnot. Die Zahl der Arbeitslosen steigt in allen Staaten seit 1929 ununterbrochen und dabei war sie in einigen Staaten schon früher sehr hoch. Die Wirtschaftsnot hat in einigen Ländern der Welt einen Umfang angenommen, daß man geradezu erschrickt, wenn man sich mit ihren Auswirkungen beschäftigt. Von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise ist die Èechoslovakei natürlich nicht ausgenommen und sehr bald hat sich gezeigt, daß jene Wirtschaftpolitiker sich geirrt haben, die meinten, daß wir nicht so arg werden mitgenommen werden, wie andere Staaten der Welt, wie z. B. Deutschland und Amerika nach dem großen Krach von der Arbeitslosigkeit ergriffen worden sind. Auch bei uns befindet sich die Ziffer der Arbeitslosen seit 1929 fortwährend im Ansteigen und wir halten heute bei 750.000 Beschäftigungslosen. Daß in einem Staate in einer Zeit, wo fast eine Million Menschen - mit Angehörigen - keinen Erwerb haben, angewiesen sind auf eine unzureichende Unterstützung, oder überhaupt kein Einkommen haben und nur hie und da gelegentlich ein paar Heller verdienen, auch die Staatswirtschaft mitgenommen wird, weil die Steuern zurückgehen, ist nicht überraschend. Daß dann die Ausgaben des Staates gedrosselt werden müssen, weil die Einnahmen nicht mehr zulangen, um im früheren Ausmaße Ausgaben zu machen, ist eine Tatsache, und es nimmt sich manchmal sehr sonderbar aus, wenn jetzt als Kritiker an diesem Staatsvoranschlage Politiker auftreten, die in einer anderen Zeit, bei besserer Konjunktur, die Möglichkeit gehabt hätten, ein wenig für schlechtere Zeiten vorzusorgen. Es nimmt sich kurios aus, wenn solche Politiker auftreten und die jetzige Regierung belehren, daß es nicht angehe, die Ausgaben in einem so hohem Maße zu belassen, daß der Staat kaum weiterkönne, daß anders gewirtschaftet werden müßte. Der Bürgerblock, der saß bei vollen Kassen, hatte Mittel genug zur Verfügung und konnte es sich sogar leisten, den bürgerlichen Klassen und einzelnen kapitalistischen Gruppen Steuergeschenke in einem hohem Maße zu machen. Auch wir haben am Staatsvoranschlage so manches auszusetzen und wenn die sozialdemokratischen Parteien von der Bevölkerung des èechoslovakischen Staates die politische Macht erhalten hätten, die sie brauchen, um den Staatsvoranschlag nach den Bedürfnissen der arbeitenden Klassen einzurichten, würde er ganz anders ausschauen als der gegenwärtige. Darüber brauchen wir doch erst niemanden zu belehren.

Trotzdem es Aufgabe des Staates ist, sich in so schwerer Krisenzeit der notleidenden Arbeiterklasse anzunehmen, ist der Staatsvoranschlag in dieser Hinsicht von Drosselungen stark betroffen worden. Ich will gleich darauf hinweisen, daß infolge der Not des Staates gerade auf sozialem Gebiete Einschränkungen an den Ausgaben vorgenommen worden sind, die die Arbeiterklasse sehr empfindlich treffen. Ist es nicht gerade in der Zeit der Wirtschaftskrise mehr als zu anderen Zeiten notwendig, sich um die Jugend zu kümmern, dafür zu sorgen, daß die Jugendfürsorge nicht in Schwierigkeiten kommt. Die Zuwendungen für die Aufgaben der Jugendfürsorge sind aber im Staatsvoranschlage herabgesetzt worden, die Folge davon kann man sich leicht vorstellen. Die Einrichtungen der Jugendfürsorge haben ohnehin seit Jahren schwer zu kämpfen. Da wirken sich nicht nur die schlechten wi rtschaftlichen Verhältnisse aus, sondern auch der Umstand, daß es durch das Gemeindefinanzgesetz den Gemeinden und Bezirken nicht mehr möglich ist, die Jugendfürsorge in jenem Maße zu unterstützen, wie früher. Die Einnahmen der Jugendfürsorge gehen ununterbrochen zurück, die Sammlungen ergeben immer weniger und die Gemeinden und Bezirke erklären, daß sie bei dem gegenwärtigen finanziellen Zustande und infolge des Gemeindefinanzgesetzes nicht in der Lage sind, die Jugendfürsorge besser durchzuführen. Schon jetzt gibt es eine ganze Reihe von Bezirksjugendfürsorgen, die in schwerer finanzieller Bedrängnis sind und nicht wissen, wie sie ihren Aufgaben werden nachkommen können. Wenn uns der Bürgerblock nicht die Verwaltungsreform, das Gemeindefinanzgesetz und alle jene Maßnahmen beschert hätte, die si ch heute gerade auf dem Gebiete der Jugendfürsorge auswirken, wo die Mittel am notwendigsten gebraucht werden, dann wäre der Zustand ein ganz anderer. Man will noch immer nicht begreifen und einsehen, daß in einer Zeit der großen wirtschaftlichen Not, wo die Beschäftigungslosigkeit einen immer größeren Umfang annimmt, vor allem der Staat darauf bedacht sein muß, die Mittel für die Arbeitslosenfürsorge bereitzustellen.

Im Staatsvoranschlag sind für die Arbeitslosenfürsorge im Jahre 1933 750 Millionen vorgesehen. Ich bin überzeugt, daß dieser Betrag nicht auslangen wird und wenn die Arbeitslosigkeit so anhält, wie sie mit Anfang 1933 eingesetzt hat, dann werden wir mit einer solchen Summe unser Auskommen nicht finden. Wenn man für die Arbeitslosenfürsorge nicht mehr aufwenden zu können glaubt, dann müßte man darauf bedacht sein, daß die Zahl der Arbeitslosen geringer würde. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, wie Investitionen und Notstandsbauten, aber man müßte auch die Gemeinden und Bezirke instand setzen, Notstandsbauten und andere Arbeiten durchführen zu können, man müßte ihnen durch Zuweisung finanzieller Mittel helfen. Gemeinden und Bezirke haben in den letzten drei Jahren und besonders im letzten Jahre sehr viel für die Arbeitslosen getan, aber sie sind heute am Ende ihrer Kräfte, können nicht mehr leisten und so müssen wir zusehen, wie in den Gemeinden und Bezirken die Zahl der Arbeitslosen steigt, ohne daß man zu ihrem Schutze ordentlich eingreifen könnte. Also Notstandsbauten, Investitionsarbeiten. Wenn wir aber hören, daß die Durchführung einer Investitionsanleihe auf Schwierigkeiten stößt, daß man vor allem meint, es müssen da erst andere Maßnahmen auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge abgewartet werden, so ist das nicht besonders Hoffnung erweckend und kein Beweis dafür, daß man sich der Notwendigkeit bewußt ist, vor der heute jeder Staat in der Welt steht und vor der auch der èechoslovakische Staat steht.

Die Arbeitslosigkeit läßt sich noch auf einen anderen Wege zu einem Teile wenigstens bekämpfen, und zwar auf dem Wege der Arbeitszeit. Das ist übrigens keine Frage, die die Èechoslovakische Republik allein angeht, sondern eine Frage, die heute internationale Bedeutung hat. Erstaunlich ist nur, daß man in den Kreisen unserer Wirtschaftsfachmänner sich noch immer nicht darüber klar geworden ist, daß es ohne eine Verkürzung der Arbeitszeit unmöglich ist, auch nur einen entsprechenden Teil der Beschäftigungslosen wieder in die Betriebe zurückzuführen. Es gibt heute unter verständigen Menschen keinen Streit mehr darüber, daß bei der vorgeschrittenen Technik, bei der Verfeinerung der Maschinen, bei der gesteigerten Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeiters wir auf die Dauer bei der 8-stündigen Arbeitszeit nicht bleiben können, ohne daß Millionen von Menschen dauernd außerhalb des Produktionsprozesses bleiben, die entweder der Verzweiflung zugeführt werden oder auf karge Unterstützungen gesetzt werden müssen, die die öffentliche Wirtschaft natürlich ungeheuer belasten. Auch wenn wir jetzt in keiner Krise leben würden, auch wenn innerhalb eines Jahres oder zweier Jahre wieder normale Wirtschaftszustände einträten, auch dann werden Millionen Menschen in der Welt übrig bleiben, die nicht mehr beschäftigt werden können.

Eine Gruppe von amerikanischen Ingenieuren hat ausgerechnet, daß nach den heutigen technischen Möglichkeiten im Produktionsprozeß und bei der gesteigerten Leistungsfähigkeit der Arbeitskraft in Amerika 660 Arbeitsstunden für jede Arbeitskraft im Jahre genügen würden, um alle Bedürfnisse der amerikanischen Bevölkerung im Umfange des Jahres 1929 zu befriedigen. Wenn man das Jahr zu 300 Arbeitstagen rechnet, so kommen nicht einmal 2 1/2 Stunden tägliche Arbeitszeit heraus. Das, was in Amerika die technische Vervollkommnung der Betriebe, die Rationalisierung gebracht hat, besteht heute auch in England, in Deutschland und bei uns. Man möge nur nachlesen, was der Minister für soziale Fürsorge im Budgetausschuß darüber ausgeführt hat und man wird zugeben müssen, daß die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Rücksicht darauf, daß wir jetzt eine so furchtbare Wirtschaftskrise haben, notwendig und unvermeidbar ist. Und wenn nun unsere Industriellen in der Èechoslovakei verständnislos dieser internationalen Forderung der Gewerkschaften gegenüberstehen, so muß man an sie die Frage richten: Was stellen sich die Herren vor, daß geschehen soll mit den Hunderttausenden Menschen, die nicht mehr in die Betriebe aufgenommen werden können ? Wenn man die Verkürzung der Arbeitszeit ablehnt, wenn man nicht zugeben will, daß auf dem Wege der Einführung der 40-Stundenwoche das Arbeitsquantum auf mehr Menschenhände aufgeteilt wird, wenn man sich gegén die 40- Stundenwoche sträubt, dann muß man uns sagen, welchem Schicksal man jene Menschen zu überantworten gedenkt, die man nicht mehr in die Betriebe aufnehmen kann.

Allerdings geht man ja jetzt gerne über diese großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme mit ein paar Gesten, mit ein paar großen Redensarten hinweg. Gestern abend hat man im Rundfunk hören können, wie leicht man sich die Lösung solcher Fragen vorstellt. Im Deutschen Reiche wird nach der Ankündigung Hitlers in 4 Jahren die Arbeitslosigkeit behoben sein und in 4 Jahren die Bauernschaft Deutschlands von aller Bedrängnis erlöst sein; auf welchem Wege das geschehen soll und auf Grund welchen Programmes das zu erreichen ist, hat man natürlich aus der Rundfunkrede nicht erfahren können. Aber wenn in Amerika Ingenieure berechnen, daß bei der gegenwärtigen Arbeitszeit von 8 Stunden einfach Millionen Menschen außerhalb der Betriebe bleiben müssen, so muß wohl der Mann in Deutschland, der so im Handumdrehen die Arbeitslosigkeit beseitigen will, entschlossen sein, die Unternehmer zu zwingen, daß sie allen arbeitslosen Menschen wieder lohnende Arbeit verschaffen und ihnen wieder ihre Betriebe öffnen.

Aber natürlich, man weiß sich anders zu helfen. Es wird die Arbeitsdienstpflicht angekündigt. Meine Herren, wir brauchen keine Arbeitsdienstpflicht. Alle die Hunderttausende, die heute in der Èechoslovakei arbeitslos sind und die um eine kümmerliche Unterstützung in der Woche ein- bis zweimal oft lange Wege machen müssen, sind bereit zur Arbeit, ohne sich erst eine Verpflichtung dazu auferlegen zu lassen. (Posl. Hackenberg: Aber nicht so, wie der Sternberger Bezirkshauptmann es sich vorstellt!) Man kann allerdings von einem Arbeiter, auch wenn er beschäftigungslos ist, nicht verlangen, daß er für eine Ernährungskarte eine schwere Arbeit auf der Straße übernimmt und noch dazu sein Werkzeug mitbringen soll. Wenn in der Èechoslovakei Industrielle, wie man sich das zeitweise vorgestellt hat, im Einvernehmen mit den Vertretungen der Gewerkschaften sich über eine Verkürzung der Arbeitszeit verständigen könnten, wie das in manchen Betrieben Amerikas geschehen ist, und wie auch in mehreren Betrieben Deutschlands solche Vereinbarungen möglich waren, man würde bald sehen, wie rasch die freigewordenen Stellen besetzt würden ohne Zwang, ohne daß man eine gesetzliche Arbeitsdienstpflicht dazu brauchte. Die Menschen wären froh, wenn sie arbeiten könnten, denn man kann sich nichts Niederdrückenderes, nichts die Moral mehr Erschütterndes vorstellen, als wenn jahraus, jahrein, einen Monat nach dem anderen die Menschen zu keiner nützlichen Arbeit mehr kommen können, wenn sie herumgehen müssen in dem Gefühl, sie könnten nichts dazu beitragen, daß die Werte der Gesellschaft vermehrt werden; man gibt ihnen keine Möglichkeit, sich als nützliche Glieder der Gesellschaft zu betätigen, man zwingt sie, außerhalb der Fabriken zu stehen und sich mit der Ernährungskarte abspeisen zu lassen, sie werden auf diese kleine Ration der Unterstützung gesetzt, weil der Staat es verabsäumt hat, Vorsorge zu treffen, weil in der Èechoslovakei eine wirklich gut ausgebaute Arbeitslosenfürsorge nicht existiert. Wir haben schon im Jahre 1921 darauf aufmerksam gemacht, daß man mit dem Gesetz über den Staatszuschuß zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung in Krisenzeiten nicht das Auskommen finden wird; nicht nur wir waren das, wenn ich nicht irre, stand das sogar im Motivenbericht der Regierungsvorlage, daß das Gesetz über den Staatszuschuß zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung nur für wirklich normale Wirtschaftszeiten gedacht ist. Und weil wir damals schon in krisenhaften Zuständen lebten, weil damals die Wirtschaft noch nicht in Ordnung war, weil man noch immer eine zu große Anzahl Arbeitsloser zählte, mußte man jahrelang warten, ehe das Gesetz angewendet werden konnte. (Posl. Kaufmann: Wo die Zeit nicht so schlimm war, wie heute!) Lange nicht.

Was sehen wir jetzt? Jetzt ist dieses unzureichende, nach keiner Richtung hin befriedigende Gesetz gewissen politischen Gruppen schon zu viel an Arbeitslosenunterstützung. Man könnte ja über das Genter System reden, obwohl es sich um eine Einrichtung handelt, die nur in der Vorkriegszeit noch einigen Sinn gehabt hat, die jedoch in der Nachkriegszeit nur noch in wenigen Staaten angewendet wird. In den Hauptindustrieländern der Welt ist man gleich nach dem Umsturz zur Einführung einer ordentlichen Arbeitslosenversicherung übergegangen. Der Statistik, die das Arbeitsamt herausgegeben hat, entnehmen wir, daß es in den Staaten, die dem Völkerbund angehören, Arbeitslosenversicherungsgesetze für zusammen 44,793.000 Arbeitsmenschen gibt. Die Arbeitslosenversicherung beruht auf der Zwangsversicherung und ist eingeführt in Australien, Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Polen, Schweiz und Rußland. An freiwilliger Arbeitslosenunterstützung haben wir Einrichtungen nur in folgenden Ländern: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Schweiz und in der Èechoslovakei - in der Schweiz auch nicht überall, dort gibt es schon Kantone, wo die Arbeitslosenfürsorge auf gesündere Grundlagen gestellt ist. Die freiwillige Arbeitslosenversorgung haben wir in Staaten mit insgesamt 2,841.000 versicherten Arbeitern und unter der ordentlichen Arbeitslosenversicherung stehen über 44 Millionen Versicherte. Warum ist bei uns bis heute der Übergang zur Arbeitslosenversicherung nicht möglich gewesen und warum dachte man nicht daran, diesen Schritt zu tun? Wahrend der Hochkonjunktur, als die Fabriken voll oder nahezu voll beschäftigt waren, in den Jahren von 1926 bis 1929, innerhalb welcher Zeit wir nur in der Textilindustrie eine stärkere Arbeitslosigkeit hatten, wäre es möglich gewesen, eine ordentliche Arbeitslosenversicherung zu schaffen. Die Gewerkschaften sind wiederholt darauf zu sprechen gekommen, daß das notwendig sein wird, um einer späteren Beschäftigungskrise vorzubeugen. Aber es war damals über diese Frage nicht zu reden. Und jetzt, wo wir mitten in einer Wirtschaftskrise von ungeheurem Umfang, wie noch keine da war, stehen, erleben wir, daß die Zahl der in den Gewerkschaften vorhandenen Arbeitslosen kleiner ist, als die Zahl jener Erwerbslosen, die sich die Arbeitslosenunterstützung nicht auf dem Wege der gewerkschaftlichen Organisation sichergestellt haben. Nun mußte man zu einem Ausweg greifen. Man mußte eine Ernährungsaktion durchführen. Und was merken wir da? Auch über diese Ausgaben, die im Bereiche des Ministeriums für soziale Fürsorge gemacht werden müssen und höchst unzureichend sind, ist man ungehalten und man versucht auf alle mögliche Weise, Erschwerungen herbeizuführen, die geringe Ernährungsaktion noch zu drosseln. Also in Bezug auf die Arbeitslosenunterstützung sind wir gegenüber anderen Industriestaaten der Welt weit zurück und wenn wir darüber reden, den Arbeitslosen Beschäftigung zu verschaffen, stoßen wir auf den hartnäckigsten und schärfsten Widerstand der Industriellen.

Die Unternehmerverbände sind uns die Antwort auf die Frage schuldig geblieben: Was soll aus den Arbeitslosen werden, was soll aus den Menschen werden, die aus der Schule herauskommen, die mit 14, 15 oder 16 Jahren in eine Arbeit möchten und für die die Fabrikstore gesperrt sind? Was soll aus diesen heranwachsenden Burschen und Mädchen werden, wenn sie dem Schicksal der Arbeitslosigkeit verfallen bleiben, wenn sie das Leben eines Beschäftigungslosen, dieses zermürbende, seelenzerstörende Leben eines Erwerbslosen fo rtsetzen sollen? Warum geben uns die Industriellen darauf keine Antwort und warum berufen sie sich auf Einwände, die dutzendmal durch die geschichtliche, wirtschaftliche und industrielle Entwicklung widerlegt worden sind? Warum kommen sie mit denselben Einwänden, die beim Elfstundentag zu hören gewesen sind, als in Österreich der Kampf um den Zehnstundentag durchgeführt wurde? Warum kommt man mit denselben lächerlichen Einwänden, die ununterbrochen während des Kampfes um den Achtstundentag in Industiellenkreisen zu hören gewesen sind? Sind nicht schon in der Vorkriegszeit diese Einwände hinsichtlich der achtstündigen Arbeitszeit widerlegt worden, haben nicht in England große Betriebe mit der achtstündigen Arbeitszeit schon damals die besten Erfahrungen gemacht? Hat nicht die amerikanische Arbeiterschaft auf dem Wege von Verträgen in vielen Betrieben schon in der Vorkriegszeit die achtstündige Arbeitszeit durchzusetzen vermocht? Auch schon in Betrieben in Deutschland ist das der Fall gewesen, wo kraft der gewerkschaftlichen Organisationen es möglich gewesen ist, die achtstündige Arbeitszeit durchzusetzen. Und daß man heute in einer Zeit, in der zehn Arbeiter so viel leisten wie früher hundert, in einer Zeit, wo eine Maschine die Arbeitskraft hunderter Menschen ersetzt, nicht mehr bei der achtstündigen Arbeitszeit bleiben kann, das müßten doch auch die Wirtschaftspolitiker in den Reihen der Industrie einsehen, das müßte doch auch diesen einleuchten und darum verstehen wir nicht, wie so die èechoslovakischen Industriellen durch ihren Vertreter in Genf gegen die Herabsetzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche Stellung nehmen konnten. Wir können erst recht nicht verstehen, daß bis in die Kreise der Koalitionsparteien hinein die gleich rückständige Auffassung vertreten wird, die von unserem Industriellenvertreter in Genf zum Ausdruck gebracht wurde.

Wir begrüßen es, daß das Ministerium für soziale Fürsorge mit dem Eutwurf bezüglich Einführung der vierzigstündigen Arbeitswoche hervorgetreten ist. Wenn den Wirtschaftspolitikern, wie überhaupt den Politikern in der Èechoslovakei daran gelegen wäre, in einer großen Frage vorbildlich zu arbeiten, mit in den ersten Reihen zu marschieren, hätte diese Anregung nicht nur von der Arbeiterschaft, sondern von der ges amten èechoslovakischen Öffentlichkeit, von der èechoslovakischen Politik und von den verantwortlichen Männern dieses Staates begrüßt werden müssen. Was aber haben wir statt dessen gesehen? Ist nicht der Minister für soziale Fürsorge wegen dieses Vorschlages, deswegen weil er seinen Gesetzentwurf zur Diskussion und zur öffentlichen Beratung gestellt hat, auf das schärfste angegriffen worden? Hat man ihm nicht sogar den Vorwurf gemacht, daß er die èechoslovakische Öffentlichkeit beunruhigt habe und ist es nicht bekannt, daß bis in die Kreise der Koalition hinein es sehr einflußreiche Persönlichkeiten sind, die diesem Entwurf höchst ablehnend gegenüber stehen, die es ganz in Ordnung finden und kein Wort des Widerspruches wagen, wenn die Industriellen das schärfste Geschütz gegen diesen Schritt, gegen den Vorschlag auf Einführung der Vierzigstundenwoche auffahren lassen?

Wir haben nicht allzu viel Verständnis von unseren Unternehmerverbänden erwartet. Es hat einmal im alten Österreich eine Zeit gegeben, wo èechische Industrielle für sozialpolitische Forderungen Verständnis an den Tag legten. Das scheint anders geworden zu sein. Es ist heute nicht mehr so wie im früheren Österreich. Die reaktionärsten Auffassungen in der Wirtschaftspolitik und in Fragen des Arbeiterschutzes wurden ehemals von den nordböhmischen Industriellen, von dem dortigen Arbeitgeberverband vertreten. Heute lebt derselbe Geist auch in den Reihen jener Industriellen, deren frühere Wortführer im ehemaligen Österreich eine etwas modernere Auffassung vertraten, etwas moderner über die Dinge dachten. Das scheint vorbei zu sein. Das lehrt uns, daß sich die Arbeiterklasse der Èechoslovakei bei der Durchsetzung der Vierzigstundenwoche nicht auf die Einsicht der Unternehmerklasse verlassen darf, sondern auf ihre eigene Kraft, das zeigt uns nur zu deutlich, daß genau so wie der Zehnstundentag im ehemaligen Österreich nur durch schwere Kämpfe, durch wochenlange Streiks erkämpft werden mußte, wahrscheinlich auch in der Èechoslovakei es uns nicht erspart bleiben wird, für die Vierzigstundenwoche ebenso schwere Kämpfe zu führen, außer es ringt sich in der internationalen Welt, in den Staaten, die dem Völkerbund angehören und in den Kreisen der Wirtschaftspolitiker dieser Staaten doch noch die Erkenntnis durch, daß man aus dem furchtbaren Elend der Arbeitslosigkeit auch dann nicht herauskommen kann, wenn die Wirtschaftskrise etwas abflaut, wenn sich die wirtschaftliche Lage etwas bessert, sondern nur herauskann, wenn man darangeht, mehr Händen Arbeit zu verschaffen und Plätze freizumachen, an die der heute vom Produktionsprozeß Ausgeschlossene treten kann.


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