Herr Außenminister Beneš hat weiters das Handelsministerium bewogen, entgegen unserem Willen mehrere hundert Waggons Weizen aus Jugoslavien ohne Befragen der Einfuhrkommission einzuführen, weil die freundschaftlichen Beziehungen zu Jugoslavien es angeblich notwendig machen. Der Bestand einer Einfuhrkommission als bedeutungsloses Ergebnis der monatelangen Verhandlungen über die Sicherung der Ernte wurde einfach übergangen, obzwar die Zusammensetzung der Kommission und insbesonders die Mitgliedschaft des Großexporteurs und Weizenspekulanten Lustig die Gewähr bietet, daß die Getreideeinfuhr nicht nur keine Unterbrechung erleiden, sondern auch reichlich an Mengen sein wird. Wir bemühen uns mehr als 2 Jahre um halbwegs gute Gesetze, die der Landwirtschaft das Leben möglich machen, unter den schwierigsten innerpolitischen Verhältnissen zu schaffen. Da kommt der Herr Außenminister, ein Telephonruf genügt, und all unsere Arbeit wird aus rein politischer Freundschaft zu bestimmten Staaten zum Schaden der einheimischen Landwirtschaft über den Haufen geworfen. Sehr unangenehm berührt hat die landwirtschaftlichen Kreise, als Herr Außenminister den Gedanken des Wirtschaftsübereinkommen Deutschland-Österreich mit der wirtschaftlichen Begründung ablehnte, daß die Landwirtschaft einen ungesund hohen Schutz bekäme, der das Lebensniveau des flachen Landes erhöhen würde und eine Teuerung zur Folge hätte. Ich will mich mit der Lebenshaltung am Lande mangels an Zeit nicht beschäftigen; aber es wird bald Zeit sein, daß sich die Regierung mit der Landflucht und der Versorgung der Landwirtschaft mit Arbeitern befaßt. Gibt es dem Herrn Außenminister nicht zu denken, wenn die èechoslovakische Landwirtschaft mit 26 Milliarden Kronen seit dem Jahre 1920 aufs Neue verschuldet ist und immer mehr Industrien zum Stillstand kommen? Die Wirtschaftspolitik dieses Staates wird zum Schaden der Volks- und Privatwirtschaft von der Außenpolitik bestimmt, unter welchem Umstande insbesond rs unsere Landwirtschaft schwer leidet. Die Politik seines Staates machen, heißt, die stärkste Säule jedes Staates, jedes Volkes die Landwirtschaft nicht preisgeben. Innere Unzufriedenheiten führen zur Radikalisierung jener Schichten der Bevölkerung, die im landwirtschaftlichen Berufe nicht mehr die Möglichkeit des Lebens finden. Die Verluste unserer Volkswirtschaft, namentlich unserer landwirtschaftlichen Produktion gehen schon seit vielen Jahren ins Ungeheuere und es droht die Gefahr, daß wir unsere besten Abnehmer, unsere unmittelbaren Nachbarstaaten, welche zum Teil über die Kräfte der Zahlungsfähigkeit der Zinsen investiert haben, verlieren, weil die Kaufkraft dieser Staaten immer mehr und mehr schwindet. So spielen gegenwärtig bei den Verhandlungen über den ungarischen Handelsvertrag die seinerzeitigen unannehmbaren Forderungen der ungarischen Landwirtschaft, wie die Beibehaltung des Zolles vom Jahre 1926 für Salami und Wein, der status quo für die Einfuhr von Schweinen über 120 kg Lebendgewicht, sofortige Außerkraftsetzung des Mehlmischungsgesetzes, welches 4 Wochen vorher von diesem Parlamente beschlossen wurde oder keine Handhabung der bestehenden Veterinärabkommens keine Rolle mehr, sondern Währungsfragen sind die Ursache, daß der Handelsvertrag mit Ungarn nicht abgeschlossen werden kann. Wir müssen Ungarn gegenüber heute die Devisensicherung, also die Valutaklausel im Handelsvertrage verlangen, damit die Zahlungen für unsere Industrie gesichert erscheinen. Der Vertrag mit Ungarn ist gegenwärtig eine Vertrauenssache geworden und dürfte dieser Vertrag erst im Herbste nach Klärung der Verhältnisse zustande kommen. Unserer Industrie muß bei dieser Gelegenheit gesagt werden, daß der vertragslose Zustand mit Ungarn seit dem 15. Dezember 1930 infolge der schwierigen Zahlungsmöglichkeiten in Ungarn für sie keinen Nachteil gebracht hat; die Vorwürfe uns gegenüber sind deshalb allmählich in den Zeitungen verstummt. Nur sinnlose Unehrlichkeit könnte das Gegenteil noch behaupten. Wir werden dazu kommen müssen, Kompensationsgeschäfte zu tätigen und Ware gegen Ware mit jenen Staaten auszutauschen, deren Geldverhältnisse schwierig geworden sind Herr Finanzminister erklärte vor einem Monate, daß wir eine gefestigte, stabile Währung haben; die Valuten der umliegenden Staaten sind unsicher, sie schwanken. Dies ergibt eine sehr ungünstige handelspolitische Situation, weil all diese Staaten, wie wir beobachten können, das Bestreben nach erhöhtem Export haben, um entweder die Valuta zu halten oder diese wieder stabil zu bekommen. Das beste Beispiel nach dieser Richtung bietet uns gegenwärtig schon England und die skandinavischen Staaten. Die Entwicklung beweist, daß wir an dem Wohlergehen der Nachbarstaaten ein großes Interesse haben und es war und ist unser Wunsch, daß die freundschaftlichen Verhältnisse zu diesen Staaten aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus jenes Ausmaß gehabt hätten, wie es immer in den Exposées und Kundgebungen zum Ausdrucke kam; praktisch geschah allerdings für die Annäherung sehr wenig. Herr Außenminister Beneš wird nach den letzten Erfahrungen mit Jugoslavien doch zur Erkenntnis kommen müssen, daß zwar eine politische Kleine Entente möglich ist, daß aber von einer wirtschaftlichen Kleinen Entente keine Rede sein kann. Die èechoslovakische Landwirtschaft ist jener Faktor, dessen Existenz und Entwicklungsmöglichkeiten bei Befriedigung der Exportwünsche Jugoslaviens und Rumäniens auf das Ärgste bedroht werden. In dem Verkehr mit den Agrarstaaten mußte unser Herr Außenminister nur immer Zugeständnisse auf Kosten der Landwirtschaft machen. Weder die berufenen landwirtschaftlichen Hauptkörperschaften, noch die Landeskulturräte wurden bei den Handelsvertragsverhandlungen gefragt noch konnten sie ihre Wünsche zur Geltung bringen. Aus den Zeitungen erfuhr man, daß irgendwo neue Verhandlungen über Abschließung von Handels- und Schiffahrtsverträgen stattfinden. Wir vermuten, daß oft das Ministerium für Landwirtschaft nicht Gelegenheit hatte, zu solch wichtigen Fragen, welche die vitalsten Interessen der Landwirtschaft berührten, Stellung zu nehmen. Das erregt in landwirtschaftlichen Kreisen Unmut, weil wir immer vor vollzogene Tatsachen gestellt wurden und die heutige Aussprache über den Staatsvoranschlag gibt bei Behandlung des Ministeriums des Äußeren Gelegenheit, das dringliche Ersuchen zu stellen, daß Herr Außenminister die Bedeutung der Landwirtschaft in Zukunft nicht unterschätzt und daß derselben in den Handelsdelegationen eine entsprechende Vertretung gewährt wird. Wohin kann nun unsere außenpolitische Orientierung vom Standpunkte der Landwirtschaft gehen? Der Weizenüberschuß der unteren Donaustaaten beträgt 2.3 Millionen Tonnen. Die hohen Frachtsätze im Schwarzen Meere gegenüber dem Atlantik verursachen übermäßig hohe Transportkosten. Der Wasserweg über die rumänischen Häfen Galatz und Braila ist sehr weit und dadurch kostspielig und ich kann mich erinnern, daß vor einem halben Jahre vom französischen Finanz- und Landwirtschaftsminister eine Mehrkostenberechnung von 90 Millionen Francs aufgestellt wurde, wenn aus Rumänien und Jugoslavien der Getreidebedarf in Frankreich gedeckt würde. Es fragt sich, ob die rumänische und jugoslavische Freundschaft Frankreichs dies wert ist. Das natürliche Absatzgebiet ist Österreich, Süddeutschland und die Èechoslovakei. Frankreich nimmt 47.000 Tonnen Gerste auf; der Überschuß an Gerste beträgt aber 688.000 Tonnen in Rum nien, 142.000 Tonnen in Ungarn und 121.000 Tonnen in der Èechoslovakei, zusammen 991.000 Tonnen. Der Bedarf in Deutschland ist 1,750.000 Tonnen. Rumänien hat an der Gerstenausfuhr 6 1/2mal mehr Interesse als an der Ausfuhr von Weizen. England deckt seinen Bedarf zum Großteil aus den Kolonien. Die unteren Donaustaaten haben 1,500.000 Tonnen Mais überschüssig; Frankreich hat aber nur einen Bedarf von 700.000 Tonnen. Eine Zollbevorzugung durch den Westen an Rumänien, Ungarn und Jugoslavien ist eine reine politische Konstruktion, eine Geste, die keine praktischen Vorteile bringt. Immer bleibt für Jugoslavien, Rumänien und Ungarn nur Österreich, Deutschland und zum Teil die Èechoslovakei das natürliche Absatzgebiet und daraus ergibt sich auch unsere mitteleuropäische Lage. Nur ein Zusammenschluß mit Deutschland als Abnehmer von landwirtschaftlichen und Industrieprodukten, auch unter Einbeziehung Frankreichs, kann eine wirtschaftliche Erneuerung bringen und damit ist für unsere Außenpolitik die Richtlinie gegeben. Eine Konzeption, nach welcher Agrarstaaten wie Rumänien, Jugoslavien, Ungarn, Österreich, Polen und die Èechoslovakei zu einem Wirtschaftsgebiete vereinigt werden sollen, müssen wir vom landwirtschaftlichen Standpunkte ablehnen. Europa macht eine wirtschaftliche Revolution durch und es hat den Anschein, als ob wir in der Zeit der Kriegsliquidierung uns befinden würden. Der Krieg mit den Waffen hat Europa 13 Jahre verschont, im verstärkten Maße tobte der Wirtschaftskrieg, dem ein unmittelbarer Friede folgen muß, wenn der gänzliche Zusammenbruch der europäischen Wirtschaft verhindert werden soll.
Im Übrigen muß zum Voranschlage des Ministeriums des Äußeren gesagt werden, daß in der Zeit der ungeheueren Not viel zu viel Geld für propagandistische Zwecke Verwendung findet, was uns die Ausgabeposten des Ministeriums des Äußeren mit 155,483.000 besagen. Der Herr Außenminister hat selbst in seinen Ausführungen im Außenund Budgetausschuß wiederholt zum Sparen ermahnt. Österreich-Ungarn hatte im Außenministerium einen Beamtenstand von 744 und in dem Voranschlage finden wir eine Ausgabepost von 18 1/2 Millionen Kronen. Unser Außenministerium unterhält 1290 Beamte und Angestellte und kostet uns, umgerechnet auf die heutigen Geldverhältnisse, 25 1/2 Millionen Kronen mehr als das Ministerium des Äußeren im großen Österreich-Ungarn. Da wäre der Hebel zum Sparen anzusetzen, weil manche Ausgabe in diesem Voranschlag nicht als produktive Ausgabe gewertet werden kann. Wer zum Sparen in richtiger Erkenntnis der heutigen schweren Notzeit mahnt, muß selbst mit guten Beispielen vorangehen. Der Unterhalt von 37 Gesandschaften und 180 Yonsulaten, sowie die großen Repräsentationsausgaben vertragen sich mit der Not des Volkes nicht. Ich will ausdrücklich betonen, daß nicht Abneigung oder Mangel an Interesse für den Staat es ist, wenn von unserer Seite immer wieder zur Sparsamkeit beim Ministerium des Äußeren und beim Nationalverteidigungsministerium gemahnt wird, sondern die Erkenntnis der Notwendigkeit, unproduktive Ausgaben möglichst einzuschränken. Im Budgetausschuß, sowie in den Außenausschüssen des Parlamentes und Senates wurde an den Herrn Außenminister mit Rücksicht auf seinen Einfluß auf die innerpolitischen Verhältnisse das Ersuchen gestellt, alles zu unternehmen, daß nicht allein die Krise des Vertrauens der Völker im Auslande beseitigt wird, sondern daß auch innerhalb der Grenzen dieses Staates, wo verschiedene Nationen das Schicksal zusammengeführt hat, die Krise des gegenseitigen Vertrauens schwinde und daß die Mitarbeit der Deutschen eine bessere Anerkennung als bisher auf èechischer Seite erfahren möchte. Ich schließe mich diesem Wunsche vollinhaltlich an. Der Herr Außenmin ster hat im Auslande wiederholt Gelegenheit genommen, darauf zu verweisen, daß Deutsche in der Regierung sind; er hat die verhältnismäßig erträgliche Situation, in der sich das innere Leben dieses Staates befindet und welche die außenpolitische Stellung ermöglicht hat, doch dieser deutschen Mitarbeit mitzuverdanken. Der Glaube an die Gleichberechtigung wird erschüttert, wenn immer wieder neue Vorstösse gegen unser Volkstum unternommen werden, auf die ich bei der Behandlung des Voranschlages des Ministeriums des Innern zurückkommen werde. Der Staatsmann wäre ein schlechter Kenner seines Staates, der da nicht glauben wollte, durch Unterdrückung eines 3 1/2 Millionen-Volkes etwas anders erreichen zu können als den unbeugsamen Willen zur kulturellen Selbstbehauptung und Selbsterhaltung.
Die Hoffnung auf Herabsetzung der Heeresausgaben haben sich nur im bescheidenen Maße erfüllt. Die Kürzung des Voranschlages um 91 Millionen Kronen befriedigt uns keinesfalls, da ja die Verbilligung der Waren und Bedarfsartikel, welche die Militärverwaltung braucht, weit größere Ersparnisse bringt. Wenn Herr Minister Dr. Viškovský am 30. Oktober im Budgetausschuß erklärte, daß kein Staat in Europa in ähnlicher Weise seine Heeresausgaben herabgesetzt hat wie die Èechoslovakei, so darf der Herr Minister nicht vergessen, daß das Ministerium für Nationalverteidigung noch immer 18% des Gesamtvoranschlages beansprucht, während andere Staaten für den gleichen Zweck, wie Belgien 13%, Ungarn 10%, Deutschland 6% und Österreich 5 % im Voranschlag eingestellt haben. Nicht vergessen darf der Herr Minister jene Ausgabeposten, die im Voranschlage nicht erscheinen. Unser tatsächlicher Aufwand für unsere Armee ist in der Zeit schwerer wirtschaftlicher Depressionen eine hohe Ausgabepost, ein großes Opfer; sicher ist, daß die Èechoslovakei ein viel stärkeres Heer unterhält als andere Staaten. Es wäre nur wünschenswert, daß die Beschlüsse der internationalen Verhandlungen über die Verminderung der militärischen Ausgaben in allen Staaten um 25 %, das wäre bei uns um 450 Millionen Kronen, in die Tat umgesetzt würden. So wenig auch Hoffnung besteht, so wäre es doch sehr zu begrüßen, wenn die allgemeine Abrüstungskonferenz es zustande bringen würde, eine feste und dauerhafte Organisierung des Friedens zu schaffen. Die zur Schau getragenen Friedens- und Freundschaftsbeteuerungen müssen auf ehrlicher Überzeugung basieren, wenn es dazu kommen soll. Frankreich, welches für die Sicherheit neue Bürgschaften von Amerika zu erlangen suchte, hat die Parole ausgegeben, daß für die Abhilfe der Krise jetzt nur noch der Weg einer schnelleren, engeren und unmittelbaren Verständigung mit Berlin offen bleibe. Vielleicht führt die wirtschaftliche Not zum politischen Frieden und zur Herabsetzung der Militärausgaben in allen Staaten.
Eine weitere Enttäuschung bringt uns die Beibehaltung der bisherigen Dienstzeit. Schon vor Jahren wurden Vorbereitungen für die Herabsetzung der Dienstzeit getroffen, ohne daß bisher etwas positives herausgekommen wäre. Wenn in Frankreich mit der zwölfmonatigen Dienstzeit das Auslangen gefunden wird, dann kann bei uns eine Verminderung desselben unter keinen Umständen den Wert der Armee herabsetzen. Die Entwicklung in allen Staaten führt zu einer Verkürzung der Dienstzeit, weil die heutigen Methoden der Kriegsführung eine solche Verkürzung ohne weiters möglich machen. Das Ministerium für Nationalverteidigung möge das seinerzeitige gegebene Wort einlösen, da alle Voraussetzungen für die Einführung der vierzehnmonatigen Dienstzeit erfüllt worden sind. Ich erinnere gelegentlich an den Ausspruch eines französischen Bauernführers anläßlich eines Kongresses in Prag, welcher erklärte: Wenn wir Bauern über den Frieden zu bestimmen hätten, dann wäre die Formel für den Frieden schon längst gefunden. Wir haben kein Interesse an Kriegslieferungen, das oft vorherrschend bei den internationalen Verhandlungen über den Weltfrieden ist.
Als praktischer Bauer muß ich auf die Bedeutung der Ersatzreserve für die Landwirtschaft zu sprechen kommen. Wir haben im Jahre 1927 der vorläufigen Beibehaltung der achtzehnm onatigen Dienstzeit nur unter der Bedingung zugestimmt, daß die Ersatzreserve mit dreimonatiger Dienstzeit eingeführt wird, wobei auf solche Assentierte Rücksicht genommen werden soll, die aus bestimmten Gründen nicht 1 1/2 Jahre Militärdienst ablegen können. Ich sehe mich gezwungen, hier festzustellen, daß wir mit den Auswirkungen des Gesetzes über die Ersatzreserve nicht zufrieden sind, weil sehr wenige Angehörige der Landwirtschaft den Vorteil der dreimonatigen Dienstzeit genießen. Ich will mich hier nicht in Einzelheiten verlieren, doch sind mir mehrere Fälle bekannt, wo Besitzer von Landwirtschaften volle 18 Monate beim Militär verbleiben mußten, weil das Gesuch von der gemischten Kommission beim Ergänzungsbezirkskommando endgültig abgewiesen wurde. In der Zeit, wo die Landwirtschaft sich auf einer abschüssigen Bahn der wirtschaftlichen Entwicklung bewegt, die Steuern aber weiter gezahlt werden müssen, als Wirtschaftsbesitzer 1 1/2 Jahre durch Militärdienst von der Arbeit abgehalten zu werden muß bei der Not an landwirtschaftlichen selbstständigen Arbeitern von uns als schwerer Mangel empfunden werden. Fällt es schon manchem Landwirt unter den heutigen Verhältnissen schwer, für den eingerückten Sohn einen Kutscher aufzunehmen, so ist der Militärdienst für selbstständige Landwirte eine Unmöglichkeit. Die Zahl der Ersatzreservisten muß erhöht werden, damit eine größere Anzahl Rekruten, und namentlich aus der Landwirtschaft, die Begünstigung der Ersatzreserve zuteil wird.
Weitere Wünsche haben wir Landwirte und Kleinbauern hinsichtlich der Ablegung der Waffenübung. Unsere jungen Landwirte, zumeist Übernehmer von Landwirtschaften, müssen als Reservisten zu einer Zeit einrücken, wo die Ernte geborgen werden soll. In Ermangelung von Arbeitskräften für landwirtschaftliche Arbeiten muß ein Teil der Ernte oft der Vernichtung oder Verwüstung anheim fallen, weil der junge Landwirt, der jede Krone Einnahme nach der Übernahme notwendig braucht, als Reservist beim Militär ist. Ungeachtet dessen werden von dem Übernehmer der Wirtschaft die Steuern, Übernahmsgebühren, die Gemeindeabgaben, alle übrigen öffentlichen Lasten und das Ausgedinge rücksichtslos verlangt. Die Führung einer Landwirtschaft erfordert insbesondere zur Erntezeit einen ganzen Mann mit Kenntnissen im eigenen Wirtschaftsbetriebe und kann durch fremde Hilfskräfte nicht ersetzt werden. Das Ministerium für Nationalverteidigung möge unseren Standpunkt in dieser Frage voll anerkennen und Angehörige der Landwirtschaft zur Zeit des Anbaues und der Ernte, das ist in den Monaten April, Juli August und September, zu den Waffenübungen nicht einberufen. Eine Verminderung der Waffenübungen wäre am Platze.
Die Landwirtschaft verlangt weiters die gesetzliche Neuregelung des Militärvorspanndienstes, weil das Gesetz vom 22. Mai 1905, R.-G.-Bl. Nr. 8, und das Gesetz vom 19. Dezember 1923, Nr. 255, nach welchem für die Beistellung von ein Paar Pferden 2.80 Kè die Stunde als Entschädigung gezahlt werden, den Erfordernissen der Zeit und den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Das Ministerium für Nationalverteidigung hat die diesbezüglichen Beschwerden anerkannt und einen Gesetzentwurf über die Anforderungen von Militärvorspann im Frieden ausgearbeitet, der zu Beginn des Jahres 1928 den interessierten Körperschaften zur Stellungnahme übersendet wurde. Wir urgieren diesen Gesetzentwurf und wünschen seine baldige Behandlung in Parlament und Senat.
Von Jahr zu Jahr mehren sich die Klagen über die Schädigung von Feldfrüchten bei den Manövern. Trotz Ersuchen und Protesten der Landwirtschaft sind Soldaten mitten durch stehendes, gereiftes Getreide marschiert, ja mit Pferden und Wagen durchgefahren, wodurch schwere Feldschäden verursacht wurden. Das Ministerium für Nationalverteidigung wird ersucht, Weisungen ergehen zu lassen, daß die landwirtschaftlichen Kulturen auch bei den Übungen geschont werden.
Die Administrative dieses Staates arbeitet ungemein langsam und es bedarf wiederholter Interventionen der Abgeordneten und Senatoren, bevor ein Akt zur Erledigung kommt. Dies ist insofern bedauerlich, weil dadurch die Abgeordneten und Senatoren von der eigentlichen parlamentarischen Arbeit abgehalten werden. Bei einigem guten Willen braucht es nicht vorzukommen, daß man in ein und derselben Angelegenheit oft viele Interventionen machen muß. Ich verweise zum Beispiel auf die Ansuchen um die Erlangung der èechoslovakischen Staatsbürgerschaft, die in der ersten Instanz regelmäßig abgewiesen werden. Jahrelang liegen im Ministerium des Innern derartige Gesuche, ohne daß eine Entscheidung erfolgt. Diese Art der Behandlung ist für den Gesuchsteller und seine Familie oft von großem Nachteil. Ich will es unterlassen, hier anzuführen, wieviel Vorsprachen wegen eines Gesuches bei der Abteilung 11 durchgeführt wurden, das heute nach mehr als 2 Jahren noch nicht erledigt ist. Es wird das dringende Ersuchen gestellt, daß solche wichtige Angelegenheiten einer schnelleren Erledigung zugeführt werden.
Wenn man von uns Deutschen die Erfüllung unserer Pflichten verlangt, dann muß man auf èechischer Seite uns jene Zugeständnisse machen, die uns nach dem Bevölkerungsschlüssel und auf Grund unserer wirtschaftlichen, kulturellen Bedeutung und Stärke gebühren. Pflichten müssen an die Rechte und Rechte an die Pflichten angepaßt werden. Nicht in der Drosselung unserer Sprache durch gesetzliche Bestimmungen, nicht durch Bedrohung des deutschen Arbeitsplatzes oder durch Unterdrückung unserer kulturellen Bedürfnisse ist die vernünftige, nationale und Staatspolitik zu suchen, sondern in der geistigen Annäherung jener, welche das Schicksal in einem Staate zusammengeführt hat. Wir erhalten während der Parlamentstätigkeit eine Unmasse von Gesetzentwürfen, Statistiken und Broschüren. Der Großteil der deutschen Abgeordneten ist der èechischen Sprache nicht so weit mächtig, als daß die Übersetzungen ohne große Schwierigkeiten vor sich gehen könnten. Wenn man auf unsere ernstliche Mitarbeit, deren Bedeutung Herr Außenminister Beneš besonders in den letzten Wochen so oft betont hat, auf unsere sachliche Beratung einen Wert legt, muß man auch den deutschen Abgeordneten und Senatoren die Möglichkeit des Studiums der Gesetzentwürfe, Statistiken und namentlich des Voranschlages ohne große zeitraubende Übersetzungen geben. Wir wollen durch unsere Mitarbeit am Staatsvoranschlag bekunden, dem Staate das zu geben, was des Staates ist. In der Bewilligung zur Einhebung von Steuern und Abgaben findet die Mitarbeit ihren Ausdruck. Wir erheben deshalb neuerlich die Forderung, daß die Gesetzentwürfe und Motivenberichte auch in deutscher Sprache vorgelegt werden und daß es jedem Abgeordneten möglich gemacht wird, in seiner Muttersprache Referate im Ausschuß zu erstatten. Was bei der Landesvertretung möglich war, muß auch im Parlament und Senat sich durchführen lassen. Das Vertrauen in die Gerechtigkeit des Staates wird auch durch die Drosselung der deutschen Sprache untergraben. Bis vor 1 1/2 Jahren bekamen die deutschen Gemeindevorsteher in Bezirken mit über 20% deutschen Einwohnern deutsche Zuschriften. Seit der Aufhebung der Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichtshofes vom März 1928 durch den Beschluß des Plenums im Herbste desselben Jahres, schicken einzelne Behörden, namentlich die Steuerbehörden, rein èechische Zuschriften in die Dörfer. Unsere Gemeindevorsteher wissen damit oft nichts anzufangen und kommen in große Schwierigkeiten. Die Bevölkerung empfindet dieses Vorgehen mit Recht als eine unnütze Schikane und solche Maßnahmen machen es uns schwer, unsere bisherige Politik fortzusetzen. Der Herr Finanzminister mahnt mit Recht zur Sparsamkeit; durch Vereinfachung der Agenda kann gerade in dieser Richtung durch Vermeidung unnützer Kosten viel gespart werden.
Der deutschen Bevölkerung muß bei den verschiedenen Anlässen die volle Bewegungsfreiheit gewährleistet werden und jede unnütze Verbitterung durch provokatorische èechische Festlichkeiten im deutschen Gebiete vermieden werden.
Ein maßgebender èechischer Politiker hat als Minister am 8. April 1927 im Kulturausschusse erklärt, daß die Zugehörigkeit zur deutschen Nation kein Hindernis für die Aufnahme in die Zentralverwaltung des Staates ist. Ungeachtet dessen, finden wir noch immer die Zurückdrängung deutscher Beamter im Staatsdienste; trotz angeborenem Pflichtbewußtsein und objektiver Sachlichkeit findet man selten deutsche Staats- und Landesbeamte. Wenn auch über unser Drängen hie und da ein deutscher Beamter eingestellt wurde, so ist eine Benachteiligung im Allgemeinen immer noch zu beobachten.
Und was geht jetzt bei den Eisenbahnen vor? Die Eisenbahnverwaltung sucht nach Mitteln zum Sparen. Das Blatt der èechischen nationalsozialistischen Eisenbahnerorganisation verlangt am 20. Oktober als Ersparungsmaßnahme bei den Personalausgaben den Hinauswurf der letzten deutschen Eisenbahner. Als Mittel zur Erreichung dieses Zweckes fordert die èechisch-nationalsozialistische Eisenbahnerorganisation neuerliche Sprachenprüfungen der Bediensteten. Es sollen die deutschen Eisenbahner, die es gewagt haben, sich bei der Volkszählung zu ihrem Volkstume bekannt zu haben, bestraft werden. Die Eisenbahndirektionen scheinen dieser ungeheuerlichen Forderung bereits Rechnung zu tragen. Die Direktionen führen in den letzten Tagen auffallend Beschwerde, daß nicht alle Beamten und Bediensteten im inneren Dienste die Dienstsprache anwend n. Zahlreiche Eisenbahnbedienstete, die ihre Sprachenprüfung längst mit Erfolg abgelegt haben, werden aufgefordert, sich einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen. In den letzten Tagen betrifft dies insbesondere Bedienstete des Heizhauses Bodenbach. Die Folge dieses Erlasses ist eine Gefährdung der Existenz dieser Eisenbahner. Ich frage den Herrn Minister, ob diese Weisung auf Grund einer Verfügung des Eisenbahnministeriums erfolgt ist und erinnere daran, daß in der Vorkriegszeit im èechischen Gebiete den Beamten und Bediensteten es nicht eingefallen ist, die deutsche Sprache zu verwenden, welche damals die Dienstsprache war. Kein einziger èechischer Eisenbahner wurde deshalb entlassen. Es ist kein Zufall, daß die neuerlichen Sprachenschikanen zu der Zeit auftauchen, in der Stimmen nach Verminderung des Personalstandes laut werden. Dieser neuerliche Anschlag auf die Existenz der letzten deutschen Eisenbahner, diese Waffe, dieselben hinauszuwerfen, stammt nicht aus dem Arsenal des Friedens. Die Entpolitisierung der Staatsverwaltung wird zum Schlagworte, wenn aus Dienstesrücksichten neuerdings Sprachenschikanen erwachsen. Wir haben als Bürger dieses Staates das vollste Anrecht auf eine gerechte Behandlung in dieser Frage und können die noch herrschenden Mißstände auf die Dauer nicht ertragen. Das Vorgehen bringt uns Deutschen immer wieder in Erinnerung, daß die Gleichberechtigung aller Nationen und Bürger in der Èechoslovakei, die Lehre von der Demokratie, nur eine Redensart ist. Wir verlangen in diesem Staate die vollste Gleichberechtigung des deutschen Be amten und Arbeiters als Vorbedingung des Friedens und des Ausgleiches. Die gegenwärtige Zeit wirtschaftlicher Not fordert insbesondere die Herstellung des gegenseitigen Vertrauens, denn ohne dieses Vertrauen ist an eine ernste Zusammenarbeit nicht zu denken. Der Wille zur Mitarbeit im Staate ist im starken Maße vorhanden, doch darf unsere Teilnahme an der Regierung nicht als Befriedigung unserer Ansprüche gewertet werden; die Mitarbeit der Deutschen hat die innerstaatliche Lösung des nationalen Problemes im Sinne der Gleichberechtigung zur Voraussetzung. Wir erkennen die Pflichten des deutschen Staatsbürgers gegenüber dem Staate, aber diese Pflichten sind gebunden an die des Staates gegenüber dem deutschen Staatsbürger. Wir geben dem Staate, was des Staates ist, aber wir verlangen für unser Volk, was des Volkes ist. Ich will nicht das ganze Problem der nationalpolitischen Angelegenheiten aufrollen, sondern nur feststellen, daß es hoch an der Zeit ist, daß den Worten Gleichen unter Gleichen, Freundschaft, Gerechtigkeit und Geduld, die so oftmals von führenden èechischen Politikern ausgesprochen wurden, die Taten folgen.
Der Tätigkeit der "Národní Výbory" im deutschen Gebiete als Träger des èechischen Angriffsgeistes, die den Anschein erweckt, als ob neue Generationen kommen müßten, um die Aussöhnung der hier zusammengeführten Nationen möglich zu machen, muß von amtswegen Einhalt geboten werden.
Der Nadelstichpolitik, die auch ernste èechische Politiker verurteilen, muß im Interesse der Schaffung des inneren Friedens ein Ende gesetzt werden.
Mit den kulturellen Angelegenheiten hat sich Koll. Hodina bereits im Ausschuß eingehend befaßt und wird noch im Plenum weiters dazu Stellung nehmen. Es genügen deshalb von mir wohl im allgemeinen einige Hinweise. Unser oberster Grundsatz in einem gemischtsprachigen Gebiete muß sein, daß jedem Kinde die Möglichkeit des Besuches der Schule seines Volkes gegeben wird. Der Seelenfang des deutschen Kindes durch Versprechungen, durch Geschenke und Drohungen, der nicht nur von maßgebenden èechischen Politikern, sondern auch von hervorragenden Männern der Wissenschaft streng verurteilt wird, muß auch behördlicherseits bekämpft werden. Jeder einsichtsvolle Èeche muß heute darüber empört sein, wenn für 2 bis 3 Kinder Schulbauten aufgeführt werden und darf nicht jene Minderheitenpolitik bestehen, die eine èechische Bürgerschule in eine deutsche Gemeinde verlangt, wo keine èechischen Familien leben, wie es schon vorgekommen ist. Der Berichterstatter im Budgetausschuß, Herr Prof. Macek hat selbst erklärt, daß er die Ausgaben für èechische Minderheitsschulen als zu hoch bezeichnen muß. Volle Zustimmung finden bei uns seine Worte über die Notwendigkeit von geldlichen Zuwendungen an deutsche Minderheitsschulen aus den zur Verfügung stehenden Mitteln. Bei dieser Gelegenheit muß ich darauf verweisen, daß Gesuche um Wiedereröffnung von einklassigen Schulen oder aufsteigenden Parallelklassen im deutschen Gebiete oft mehr als zwei Jahre bis zur Erledigung brauchen. Eine Beschleunigung ist sehr wünschenswert und möge das Ministerium für Schulwesen auf die untergeordneten Stellen Einfluß nehmen. Es kommt weiters auch noch vor, daß unbegründet solche Gesuche abschlägig beschieden werden. Als Beweis führe ich das Gesuch der Gemeinde Groß-Tschochau, Bezirk Aussig an, wo, bei einem Schülerstande von 126, die Bewilligung um eine aufsteigende Parallelklasse zur zweiklassigen Schule laut Entscheidung des Landesschulrates vom Oktober 1931 nicht erteilt wurde. Besonders hervorgehoben muß werden, daß in derselben Gemeinde eine zweiklassige èechische Minderheitsschule mit 40 Kindern besteht. Warum verzögert man noch immer die deutsche Schule in Albrechtsried, wo der deutsche Kulturverband vierzig deutsche Schulkinder durch vier Lehrkräfte in den Familien unterrichten läßt? In Pattersdorf bei Deutsch-Brod warten 57 deutsche Kinder auf die Erlaubnis des eigenen Schulunterrichtes. Warum noch immer die Hemmung deutscher Bildung, die zur Verkrüppelung des Geistes im zartesten Alter führt? Durch diese ungleiche Behandlung erzielt man gegenseitige Verbitterung und erschüttert immer wieder den Glauben der Gleichberechtigung im deutschen Volke. Eine allgemeine Lehrbücherrevision soll die Entpolitisierung der Schule durchführen und es muß alles verschwinden, was den Neid und Haß gegen die eine oder andere Nation fördern könnte. Die Lehrbücher dürfen nichts enthalten, was die Seele des Kindes vergiften könnte. Die Erziehung der Kinder muß auf dem Grundsatze des Gleichgewichtes von Stadt und Land basieren. Nicht engherzig darf man bei Errichtung von niederen Schulen sein; dieser Grundsatz muß aber für die Kinder aller Nationen gelten. Die Schule soll in erster Linie Erziehungsanstalt und nicht nationale Propagandastätte sein, weshalb um keinen Preis Kinder der Minderheit in Schulen der Mehrheit gepreßt werden sollen. Wir erinnern an das gegebene Versprechen der Schulautonomie vom Jahre 1927, welches damalige Zugeständnis der Herr Schulminister in seinen Ausführungen vom 9. November d. J. neuerlich als realisierbar bezeichnete und schon in den nächsten Wochen die Grundlagen des Gesetzes zur Aussprache kommen sollen. Mit Widerwillen haben wir die Feststellung des èechischen sozialdemokratischen Abgeordneten Beneš, eines Bruders unseres Herrn Außenministers, im Budgetausschuß zur Schulfrage zur Kenntnis genommen. Dieser internationale Sozialdemokrat sprach von einer "Gerechten Èechisierung" und ist diese Einstellung für einen Sozialdemokraten sehr bezeichnend. Ich erinnere Herrn Abg. Beneš daran, daß vor nicht allzulanger Zeit Herr Sen. Soukup seiner Partei bei der Sitzung der Exekutive der sozialdemokratischen Internationale in London einer Resolution die Zustimmung gegeben hat, welche besagt: