Pátek 20. bøezna 1931

Regierung, Parlament, Organisationen und Wissenschaft beschäftigen sich in ungezählten Diskussionen und Theorien mit der Krise. Ich sage Ihnen: Hören wir mit diesen Diskussionen, mit der Theorie auf! Gehen wir in die Praxis und geben wir den Leuten Brot und Arbeit! In diesen Fällen entscheidet, wer rechtzeitig kommt. Auf der anderen Seite müssen auch die Lenker des Staates das eine bedenken: Es kommt nur darauf an, wie lange die Krise dauert, und wenn die Krise lange dauert, dann greift sie in ihren Folgeerscheinungen bis an die tiefsten Wurzeln des Staates und kann den Staat aus den Fugen heben. Infolgedessen müssen Staat, Regierung und Parlament, muß alles zusammenwirken, um diese Krise zu beheben. Es wäre der größte Fehler, wenn wir die Krise durch die Parteibrille, mit der Brille des eigenen Standes, des eigenen Berufes, aus dem Gesichtswinkel des eigenen wirtschaftlichen Kreises betrachten wollten. Das wäre deshalb ein Fehler, weil wir keine Agrarkrise allein haben, wir haben nicht allein eine soziale Krise, wenn Sie wollen, nicht nur eine Krise von Industrie, Handel und Gewerbe, wir haben eine Gesamtkrise und wir können nicht einseitig standes- und berufsmäßig denken. Es gibt nicht nur eine Agrarkrise. Das sei auch wirklich einmal den èechischen und deutschen Kollegen auf agrarischer Seite gesagt. Es gibt nicht nur eine Agrarkrise. Das sage ich deswegen, weil Handel, Gewerbe und Industrie mit den darin beschäftigten Arbeitnehmern das allergrößte Interesse an der schlagkräftigsten, an der kaufkräftigsten Landwirtschaft haben.

In der Regierungserklärung hat Ministerpräsident Udržal gesagt, daß die Regierung 98 Gesetze herausgegeben hat und daß von diesen 98 Gesetzen 89 wirtschaftlicher Natur sind; und von diesen wieder ist der allergrößte Teil agrarpolitischer Tendenz. Das möge den Agrariern auf beiden Seiten beweisen, daß wir alle anderen, die wir für die Gesetze mitgestimmt haben, nicht Feinde der Agrarier sind, daß man aber auf der anderen Seite von uns nicht verlangen kann, daß wir hundertprozentig allem zustimmen, daß man doch auch fordern kann, daß die Agrarier an das Leben vom Handel, Gewerbe, Industrie und Arbeitnehmersc aft denken müssen; sie sind nicht allein auf der Welt, speziell deswegen nicht, weil die andern die Butte bezahlen müssen. Infolgedessen genügt es nicht, parteipolitisch, standesmäßig und berufsmäßig allein zu denken, wir kommen heute nicht einmal mit dem staatlichen Denken, nicht einmal mit dem Denken in europäischer Wirtschaftsdimension aus. Wenn wir heute weiter kommen wollen müssen wir zwangsweise in weltwirtschaftlicher Dimension denken.

In diesem Zusammenhang wäre noch als Einleitung der Zusammenhang zwischen Staat und Politik, der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik zu erörtern. Daß dieser Zusammenhang notwendig gegeben ist, ist ganz selbstverständlich. Denn keine Politik kann jemals getrieben werden, wenn die Wirtschaft ihr nicht die Mittel zur Verfügung stellt. Der Herr Minister Dr. Beneš könnte nicht nach Genf reisen, wenn die Wirtschaft nicht die Mittel zur Verfügung stellen würde. Es besteht aber auch ein großer Zusammenhang zwischen Innen- und Außenpolitik. Da sei auch einmal frei herausgesprochen, daß schließlich auch außenpolitisch für den betreffenden Staat viel versäumt und viel verpatzt werden kann. Es ist auch notwendig, daß die Staatswirtschaft mit der Volkswirtschaft in Verbindung gehalten wird. Es geht nicht, daß beide Wirtschaften verkehrt gehen, es geht nicht, daß die Staatswirtschaft in Steuern, Gebühren und Tarifen aufbaut und die Volkswirtschaft abbaut. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß wir über den eigenen Horizont hinausblicken denn es gibt so viele große Machtkreise, die heute in die Wagschale fallen und die beachtet werden müssen. Wir werden uns eben daran gewöhnen müssen, wirtschaftspolitisch etwas großzügiger zu denken: auf der einen Seite das große England mit den Dominions, wir haben Amerika, wir haben die asiatischen Staaten, wir haben Rußland, den Bundesstaat, daneben ist das zerfladerte Europa. Europa selbst, mit Ausnahme dieser großen Gebiete, hat es noch nicht verstanden, etwas großzügiger zu denken und ich glaube mit vollem Rechte sagen zu können, daß wir uns heute eigentlich doch in der allergrößten Vertrauenskrise befinden: Wenn wir jetzt dieses Affentheater anschauen, wie in Genf mit Gewalt die Zollkonvention zum Scheitern gebracht wurde, ist das 100%iger fester Wille zu helfen? Wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Krise kein Staat aus eigener Kraft überwinden kann, wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Krise nur international geregelt, abgeschafft oder gemildert werden kann. Das, was wir als Staat tun können, das, was wir aus eigener Kraft tun müssen, ist das Menschenmöglichste zur Milderung der Arbeitslosigkeit und der Krise zu tun. Aber alles andere ist eitles Machtwerk. Da sind die Potenzen und Machtbefugnisse zu groß und da müssen wir in größere Machtkreise hineinkommen. Es ist traurig, heute die wirtschaftliche Arbeit des Völkerbundes, durch die Weltwirtschaftskonferenz vertreten, vierjährige Arbeit, plötzlich zerstört zu sehen. Ist es vielleicht beim Internationalen Arbeitsamt anders? Die Zusammenkunft im Jänner war nichts anderes als ein Streit der Meinungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vollständig ohne positives Resultat. Und wenn wir die mitteleuropäische Wirtschaftstagung in Wien betrachten, so werden da sicher viele schöne Worte gesprochen werden, aber nach dem Resultat wollen wir nicht fragen. Da stelle ich die Kardinalfrage: Was glauben Sie, wielange wir zu diesen Diskussionen und Theorien Zeit haben? Merken Sie denn nicht, wie in der Praxis alles unter der Hand zerrinnt, wie in der Praxis der Verelendungsprozeß fortschreitet und daß der wirtschaftliche Ruin und Bankerott unbarmherzig kommen muß. Dem entrinnt kein Staat und dem entrinnt auch nicht der Einzelne. Die Frage ist nur die, wer früher oder später drankommt, wer es länger aushält. Wenn ich mir die Diskussionen bei den Wirtschaftstagungen des Völkerbundes ansehe und sehe, daß wir nach den politischen Errungenschaften der Friedensverträge wirtschaftspolitisch noch keinen Schritt weitergekommen sind, dann muß ich fragen, ob die Leute mit 100%igem ernsten Willen verhandeln. Manchmal macht es den Eindruck, als ob Kinder im Dreck herumpantschen würden.

Wenn ich den Standpunkt vertreten habe, daß unter der Krise heute die Gesamtheit und jeder Einzelne leidet, so frage ich nach den Haupthilfsmitteln, mit denen wir abhelfen könnten. Da sage ich mir, daß wir auch in diesem Hause endlich einmal über die Diplomaten sprechen müssen. Ich stelle an Sie die Gewissensfrage: In welchem Grade sind die Diplomaten an dem Unglück Europas schuld? Ich sage Ihnen Folgendes: Die Diplomaten müssen heute einmal wenig reden und vorsichtig sein. Sie können viel Schaden anrichren. Ich begreife z. B., wenn man es mir noch so sehr widerlegen würde, absolut nicht das Interview des Herrn Außenministers wegen Ungarns. Verzeihen Sie: Etwas mehr denken als sprechen. Wir brauchen heute Ungarn in der großen Krise als Abnehmer. Diese Interviews abgeben, auf der anderen Seite Handelsverträge kündigen, geht nicht. Ich verstehe auch nicht die Ausführungen Hodžas über Mitteleuropa. Ich rechne Hodža mit zu den Diplomaten der Èechoslovakei. Er kommt ja später doch dran, wenn bestimmte Einigungen erfolgt sein werden. Da sage ich auch: wir können uns heute nicht den Scherz leisten, slavische Politik zu machen, wir können uns nicht den Scherz leisten deutsche Politik zu treiben, wir müssen heute eine Politik treiben, daß die 60 Millionen von Arbeitslosigkeit Betroffenen Brot bekommen, damit sie Arbeit bekommen. Das ist das Problem Europas, das ist das Problem der ganzen Welt. Weil wir gerade bei den Diplomaten sind, so frage ich, ob die Diplomaten heute nicht in den Vordergrund des politischen Denkens überhaupt die Wirtschaft setzen müssen, ob die Diplomaten nicht überhaupt von der Wirtschaft viel mehr verstehen sollten. Wir müssen auch daran denken, daß schließlich auch die Diplomaten Menschen sind, daß sie imstande sind, die volle Wahrheit, die hundertprozentige Wahrheit zu sagen. Ich nehme keinen aus speziell nehme ich keinen Diplomaten von der Èechoslovakei aus, ich spreche allgemein. Was ist Regel? Dis Diplomatensprache ist weich, aalglatt, sagt viel an Worten, aber wenig an Inhalt. Aber nie fehlt es drin und ist stark vertreten: ständig die Brüderlichkeit, ständig die Freundschaft und ständig die Friedensliebe bei immer fortschreitender Aufrüstung, bei fortschreitenden Militärlasten, die man bekanntlich nur dazu braucht, um sich vor dem anderen zu schützen. Was ist heute, im 20. Jahrhundert, der Sinn und der Zweck des Völkerbundes in Genf? Aus der Zollkonvention ist nichts geworden, sie ist gescheitert. Wir wollen sehen wie nächstes Jahr die Abrüstungskonferenz aussieht! Wir werden sehen, daß wir auf dem ganzen politischen Welttheater wieder die größte Enttäuschung erleben; und heute hat eigentlich der Völkerbund nicht nur in seinen Wirtschaftseinrichtungen, sondern auch politisch bei der Allgemeinheit an Vertrauen kolossal eingebüßt.

Noch ein Wort über das letzte, wovon ich gesprochen. Wenn Sie Molotow hören, Stalin lesen, Grandi hören, wenn Sie Briand hören, ob Kapitalist, ob Kommunist, ob Monarchist, ob Republikaner: Friedensliebe. Es ist nicht mehr zum anhören, wenn man in der Praxis das wahre Gegenteil sieht wenn man in der Praxis sieht, wie der Gehilfe Briands zum größten Teil an dem Scheitern der Zollkonvention schuld ist, während sich andererseits Mr. Briand bemüht, Paneuropa zusammenzubringen. Ich habe das Empfinden: das ist nicht mehr Demokratie, das ist nicht Herrschaft des Volkes, das ist die Herrschaft einer kleinen Klique, die genau so Europa beherrscht, wie sie es in den Vorkriegszeiten beherrscht hat und eventuell imstande wäre, die Völker in einen Krieg zu hetzen. Wenn das Volk herrscht, dann sage ich Ihnen: die Völker Europas wollen den Frieden, wollen nicht nur den wirklichen Frieden, sondern auch den Wirtschaftsfrieden. Aber diese Klique von Diplomaten, sie muß endlich einmal aufhören, auf den Banketten die schönsten Worte zu sprechen, sie sollen mit festem Händedruck und Aug ins Aug, wahr und offen sein und eintreten für die wirklichen Bedürfnisse, für das, was Europa braucht: für Frieden, Arbeit und Wirtschaftsfrieden. Vergessen Sie nicht, was ich schon gesagt habe: daß die Völker und ihre Arbeitslosen nicht so viel Zeit haben wie die Diplomaten. Die Diplomaten müssen ihre Gehirnganglien für die Bedürfnisse des Volkes etwas rascher in Gang setzen, denn sie dürfen nicht vergessen, daß die einzel-staatlichen Mittelchen, die Aushilfen, die Subventionen an die Wirtschaft doch nur Kampferspritzen sind, und daß letzten Endes, um mit Saenger zu sprechen, Kampferspritzen kein Wirtschaftsinstrument sind. Und da sage ich Ihnen wieder und rufe Ihnen hier von der Tribüne herunter zu: Es kommt nur darauf an, wie lange wir es aushalten.

Heute fragt man oft: Ist Pessimismus das Richtige, ist Optimismus das Richtige? Ich sage Ihnen, man soll weder Optimist noch Pessimist sein, weil beides Grenzfälle sind und beide nicht der Wahrheit entsprechen. Man soll der Wahrheit ins Gesicht sehen und sich nicht vor ihr fürchten und die wahre Antwort auf die Frage: sind wir auf dem Höhepunkt der Krise oder haben wir das große Tief noch zu erwarten. Die Antwort, die Wahrheit ist, wenn Sie sie mir - in aller Bescheidenheit - gestatten: wir sind noch lange nicht auf dem Höhepunkt der Krise. Lassen Sie sich von einem nicht täuschen: die Krise, die durch den Winter zum großen Teil verschlimmert wurde, die Krise wird sicherlich durch die Bausaison, durch das Frühjahr, durch das Eintreten eines bestimmten Bedarfes in verschiedenen Sachen eine Milderung erfahren, die Saison wird ihr eine bestimmte Erleichterung bringen - @a la longue haben wir jedoch die Krise noch nicht überwunden. Und ich frage Sie jetzt einmal Folgendes: wir haben doch genau so, wie in allen anderen Staaten auch in der Èechoslovakei verschiedene Krisen durchgemacht. Die Krise ist nicht nur an und für sich wegen ihrer Größe die schwerste, sie wirkt sich schon auf Grund der früheren Krisen an dem Einzelnen und an der ganzen Wirtschaft schärfer aus und wir kommen immer mehr an den Abgrund, daß die Wirtschaft nicht normal vom bescheidenen bürgerlichen Nutzen lebt, sondern von ihrer Substanz, die doch einmal aufgezehrt sein muß. Sie würden sich täuschen, wenn Sie glauben, daß ich Pessimist bin. Ich bin von Natur aus Optimist. Aber hier muß ich eher der pessimistischen Seite zuneigen, und hier muß ich sagen: der Sache klar ins Auge geschaut, nicht getäuscht. Wir haben noch bittere schwere Zeiten durchzumachen und ich werde an der Hand der beiden Vorlagen, die dem Hause vorliegen an Sie die Gewissensfrage stellen: Können Sie es heute verantworten, diese Vorlagen, die ungezählte Millionen im Programm ausmachen, zu bewilligen, wenn Sie heute noch nicht wissen, wo Sie diese Millionen vielleicht brauchen werden? Können Sie sich heute auf 10 Jahre oder noch länger festlegen? Das wird die entscheidende Frage für Sie sein, die Frage, die von großer und wichtiger Bedeutung deswegen ist, weil diese Vorlagen auf Anleihefonds basiert sind, die Anleihen geschlossen sind, das Programm entwickelt ist, nicht rückläufig gemacht werden kann.

Wenn ich mir noch eine allgemeine Bemerkung erlauben darf, so können wir vielleicht das Eine behaupten: die Krise ist von Amerika gekommen, und die Behebung der Krise wird wieder von Amerika ausgehen müssen. Ich habe vor zwei Tagen mit einem amerikanischen Geschäftsfreund gesprochen, der mich hier in Prag besucht hat. Ich habe ihn nach den amerikanischen Verhältnissen gefragt und er sagte mir kurz und bündig: "Die Krise wird eine Belebung frühestens im Herbste, spätestens im Frühjahr nächsten Jahres erfahren u. zw. - durch die Präsidentenwahl in Amerika." So absurd das klingen mag, die Verhältnisse sind wirklich so, weil in diesem Lande mit seinen großen Dimensionen ein Wahlkampf geführt wird um die Arbeit, und wer die meiste Arbeit verschaffen kann, der wird den Präsidenten in der Wahl durchbringen. Ich habe dies nur des Interesses halber angeführt, um zu zeigen, wie die Verhältnisse bei Licht betrachtet aussehen. Fest steht, daß wir an eine Überwindung der Krise niemals denken können, wenn wir ihre Ursachen nicht überwinden.

Die Ursachen der Krise sind zum größten Teil internationaler Natur und es werden als Ursachen alle möglichen, die verschiedenartigsten Dinge genannt. Aber im Grunde kristallisieren sich als Ursachen der Krise schließlich doch Kernpunkte heraus, von denen man mit Sicherheit sagen kann, daß sie die Krise verursacht haben. Wenn wir gerecht sind, dürfen wir nicht übersehen, daß diese Krise doch eigentlich noch Krieg ist oder wenn Sie wollen, Liquidierung des Krieges, und daß sie zum Großteil auch; soweit sie Europa betrifft, ihre Ursache mit darin hat, daß man organisch gewachsene und miteinander verwachsene Gebiete auseinandergerissen hat. Bitte, das ist politisch und wir wollen heute über die politische Seite dieser Sache nicht sprechen. Aber Koll. Patejdl wird sich daran erinnern, daß ich in der Generaldebatte zur Steuerreform im Budgetausschuß fast wörtlich gesagt habe: "Ich verstehe die politische Lösung der Sache durch die Friedensverträge, und ich verstehe das Bestreben, die politische Selbständigkeit zu erhalten. Aber eines verstehe ich nicht: daß man sich nicht daran gemacht hat, nach Festigung der politischen Selbständigkeit das größere Wirtschaftsgebiet zu schaffen, in der klaren Erkenntnis und Einsicht daß das Eigene zu klein ist."

Ich bin dem Herrn Minister Spina für seine Bemerkung in seiner gewiß nicht uninteressanten Rede auf dem Teplitzer Parteitag sehr dankbar, der gesagt hat: Mit den Schutzzöllen allein können wir es nicht schaffen. (Posl. dr Hanreich: Das ist halt ein Agrarier, der paßt Dir halt! Er hat sich einmal tüchtig verplappert, aber er versteht vom Agrarismus nichts, er sollte bei seiner slavischen Philologie bleiben!) Und Spina hat doch in dem Falle ungeheuer viel Verstand gezeigt, lieber Hanreich. Denn auch Du, mit den entgegengesetzten agrarischen Ansichten wie Spina, wirst dahinter kommen, daß mit den Schutzzöllen allein die Agrarier

nicht geschützt sind, sondern daß große Wirtschaftsgebiete kommen müssen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr Lukavský.) Denn in diesem Punkte Spina angreifen zu wollen, u. zw. gerade von Seiten eines Agrariers, das ist mir - pardon lieber Hanreich - vollständig unverständlich. (Posl. dr Hanreich: Fabrikantenpolitik ist das!)

Selbstverständlich! Was machst denn Du für eine Politik? Mühlenpolitik oder Agrarpolitik und genau so wie Du sie machen kannst, können sie auch andere machen. Allerdings hat der Fabrikant, der sich nämlich in der Welt etwas auskennt und Gefühl und soziales Empfinden hat, eine vielleicht etwas größere Mission, lieber Hanreich, indem er nämlich gleichzeitig auch hunderten von Menschen das Brot gibt. Das beweist, daß es absolute Fabrikantenpolitik nicht gibt, weil damit gleichzeitig Arbeit für hunderttausende von Menschen verbunden ist.

Europa befindet sich seit dem Jahre 1918 in einem ständigen Kampf um die Erhaltung seiner Wirtschaft. Wenn wir die Dinge recht betrachten, hat bei dem großen Umfang, der Krise und bei der einzigen Möglichkeit ihrer internationalen Lösung der Völkerbund und die internationalen Institutionen vollständig versagt.

Ein wichtiger Grund der Krise liegt wohl in den Geldverhältnissen der verschiedenen Staaten. Die Inflation, ob sie heute Geld-, Preis- Produktions-, Berufs- oder Standesinflation ist, hat dem ganzen Wirtschaftskörper ungeheuere Wunden geschlagen. Nur typisch èechoslovakisch hat die auf die Inflation folgende Deflation der èechoslovakischen Wirtschaft die allergrößten Wunden geschlagen, indem damals die Schulden an Steuern, die Schulden an Banken und an Zinsen plötzlich für die Wirtschaft um das Dreifache im Werte gestiegen sind. Es hat damals nichts genützt, als ich bei der Steuerreform Minister Engliš diese Argumente vorgebracht habe.

Es wird auch viel auf den Goldvorrat als Krisenursache hingewiesen. Die Welt hat ungefähr 50 Milliarden Gold. 9 Milliarden davon hat Frankreich und 19 1/3 Milliarden Amerika, so daß beide ungefähr einen Goldvorrat von 56·6% haben.

Eine große Ursache der Krise liegt ganz bestimmt in den Reparationen, die letzten Endes, wie es auch die Zukunft lehren wird, eine ständige große Quelle von Schwierigkeiten für Europa bleiben werden.

Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit nicht aus dem Munde eines deutschen Wirtschaftlers, sondern eines Engländers - Folgendes vor Augen führen. Es hat der englische Abgeordnete Balfour unlängst in seiner Rede gesagt: "Das dringendste Erfordernis ist eine vernünftige Regelung der alliierten Schulden und der Reparationen wegen der riesigen Störungen des Handels und der Währung. Im Außenhandel rangiert England zum erstenmal hinter Deutschland. Wenn man die Reparationszahlungen erzwingt so wird das Endergebnis sein, daß der englische Lebensstandard herabgedrückt oder der englische Außenhandel ruiniert wird."

Meine sehr Verehrten, es läßt sich Beides auf einmal nicht machen. Wenn man die Reparationen von den gequälten Besiegten in dem Umfange haben will, dann muß man auf der anderen Seite auch die Folgeerscheinungen, die sich im Dumping u. s. w. ausdrücken, auf sich nehmen. Ich glaube mit Recht behaupten zu können, daß über die Reparationen sicher nicht das letzte Wort gesprochen worden ist.

Es wird auch sehr häufig gesagt, daß die jetzige Wirtschaftsordnung die Ursache der Wirtschaftskrise ist. Ich begebe mich da auf ein Gebiet, auf dem sicher die Sozialisten mit mir nicht übereinstimmen, das spielt aber keine Rolle, ich erlaube mir das Eine zu bemerken, daß ich glaube, daß nicht die heutige Wirtschaftsordnung die Schuld an dem ganzen Übel trägt, denn die jetzigen Erscheinungen des Wirtschaftslebens sehen wir unter den verschiedensten politischen und wirtschaftlichen Systemen. Wenn man das politische System in Betracht zieht, so haben wir einerseits Rußland mit der Linksdiktatur, Italien mit der Rechtsdiktatur, dann haben wir Monarchien, rein bürgerliche und gemischte, bürgerlich-sozialistische Regierungen, auch rein sozialistische Regierungen, und überall herrscht dieselbe Not und dasselbe Elend.

Es wird auch sehr viel die Rationalisierung und das Kartellwesen als Ursache angegeben. Ich glaube, der Kampf gegen Rationalisierung und Kartellwesen wird nicht gewonnen werden. Aber der Kampf, der gewonnen werden muß ist der Kampf gegen das Tempo der Rationalisierung und gegen die Auswüchse des Kartellwesens; denn Kartellwesen und Rationalisierung, im richtigen Tempo geführt und auch nach der sozialen Seite richtig verwertet, würden ungeheueren Segen stiften. Ich habe gerade vorhin Gelegenheit gehabt, ein paar Worte mit dem Koll. Kaufmann darüber zu sprechen, und da fiel mir im Gespräch ein: Wenn Sie heute die Rationalisierung durchgehen, so kann man sagen, daß der größte Teil der Krise eigentlich bei der Maschinenindustrie liegt. Die Maschinenindustrie ist das Um und Auf. Ist es nicht eine Anomalie, wenn ich es so bezeichnen darf, daß heute das sogenannte kapitalistische Europa mit seinen Errungenschaften der Technik und der Arbeit mit den vollkommensten Rationalisierungen, die es überhaupt gibt, das kommunistische Rußland aufbaut? Haben Sie einmal darüber nachgedacht, welche Anomalie darin liegt, daß heute das sogenannte kapitalistische Europa Rußland in die Lage versetzt, nach wenigen Jahren den allermodernsten Industrieapparat in der ganzen Welt zu haben, während wir umgekehrt dastehen werden unmodern, mittellos, wirtschaftlich geschwächt?

Ich habe mit Ihnen auch ein paar Worte über Rußland zu sprechen. Mich interessiert Rußland nicht nur, sagen wir, aus persönlichen Gründen, sondern auch politisch sehr stark. Da wird mir wieder Herr Dr. Patejdl Zeuge sein, wie ich anläßlich der Budgetbehandlung vor etwa zwei Jahren das russische Budget vorgelegt habe und damals auf den Fünfjahresplan aufmerksam machte. Damals erschien das ganze Projekt noch nicht in den Umrissen, wie wir es heute sehen, und ich darf mir wohl erlauben zu sagen: Es wird sich Europa noch stark wundern, was das russische Dumping für seine Wirtschaft bedeutet und welch soziales Elend es bringen wird. Wir dürfen den Kommunismus in Rußland nicht verwechseln mit dem Stern-Randalismus, nicht mit den Demonstrationen, wie sie unsere Kommunisten machen. Uns geht auch das politische System in Rußland nichts an, ob sie dort jemanden erschießen oder wie immer gegen die Kirche vorgehen. Maßgebend bleibt der Aufbau des russischen Industrieapparates und der russischen Landwirtschaft mit ungezählten Hunderten von Traktoren, die unsere Landwirte und auch die anderen ganz außer Funktion setzen wird. Ich werde dann beim Kapitel Überproduktion, zu dem ich kommen muß, nachweisen, warum ich gesagt habe, daß ich @a la longue nicht glaube, daß wir die Krise schon überwunden haben. Heute nach 11 Jahren den Standpunkt zu vertreten, Rußland nicht anzuerkennen halte ich nicht für klug. (Ke vstupujícím poslancùm inž. Novákovi a dr Hodáèovi:) Es kommen gerade jetzt die Gegner der Anerkennung Rußlands und es freut mich, das gerade ihnen, den èechischen Nationaldemokraten, sagen zu können. Ich glaube, wir müssen uns darüber hinwegsetzen und müssen überzeugt sein, daß auch Rußland heute nicht aus den Fugen gehoben wird. Die Sudetendeutschen in der Èechoslovakei begingen in den Anfängen der Politik den Fehler, daß sie glaubten, der Staat werde nicht lange existieren. Wir haben uns auch daran gewöhnen müssen, daß die Èechoslovakei besteht. Jetzt werden aber auch die èechischen Staatsmänner, wenn es ihnen auch nicht in den Kram paßt endlich einmal mit der ständigen Nichtanerkennung Rußlands aufräumen müssen. Herr Koll. Hodáè, wenn wir daran festhalten, kommen wir zu spät, denn die deutschen Industriellen sind früher nach Rußland gefahren und haben sich für eine Milliarde Aufträge geholt. Unsere Industriellen sind nicht gefahren, die haben sie nicht gebraucht, und unsere Industriellen glauben, die Haftung des Staates für solche Aufträge eventuell nicht annehmen zu können. Ich danke für die Noblesse. Bringen Sie Arbeit ins Haus, das ist das Allerwichtigste! Die Zukunftsentwicklung ist eine andere Sache, über die reden wir heute nicht, wir haben genug über das Heute zu sprechen. Heute brauchen wir Brot, heute brauchen wir Arbeit weil es morgen oder Übermorgen zu spät ist. Von dem Gesichtspunkt aus sieht die russische Frage etwas anders aus. (Posl. inž. Novák: Po nás potopa, pane kolego!) Herr Minister, ich möchte Ihnen eines sagen: Vergessen Sie nicht, daß Rußland 161 Milllionen Menschen hat, daß durch den Fünfjahrplan die Leute in dem Jahre 1929 und 1930 bereits eine Produktion von 503·25 Milliarden zustande gebracht haben. Herr Minister! In ihrem Plan haben die Leute 470 Milliarden gehabt und in Wirklichkeit haben sie 33 Milliarden Kè mehr erzeugt! Wir haben im Krieg von der russischen Dampfwalze gesprochen - Sie werden sich vielleicht erinnern können und ich sage Ihnen: Die russische Dampfwalze wirtschaftlicher Art ist auf dem Wege und rollt heran. Gewöhnen Sie sich ab, Rußland mit Stern zu identifizieren, sondern schauen wir der wirklichen Lage ernsthaft in die Augen. Wir sind bei der Rationalisierung auf Rußland zu sprechen gekommen. Da möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Wir werden die Rationalisierung sicher nicht aus dem Programm bringen, aber das Tempo der Rationalisierung ist es, was wir aus dem Programm bringen müssen. Diejenigen, die sich mit der Wirtschaft einigermaßen beschäftigen, werden mir in diesem Zusammenhange sicher das eine zugeben, daß den ganz kolossalen Errungenschaften des erfinderischen Geistes auf dem Gebiete der Technik und der Rationalisierung, die damit zusammenhängt, Politik und Wirtschaft keines Staates folgen konnte. Wenn die Politik, wenigstens die Wirtschaftspolitik der Staaten der Entwicklung der Technik hätten folgen können, dann hätten sie gestrebt, das Tempo etwas zu bremsen. Wenn Sie den Umfang der fortschreitenden Rationalisierung, die Zunahme der Maschinen in Betracht ziehen und damit rechnen, daß z. B. der Bauer nicht mehr mit dem Pfluge einfach die Erde aufscharrt, sondern mit dem Traktor ackert, glaube ich behaupten zu können, daß wir immer tiefer in die Krise hineinkommen, statt aus ihr heraus. Ich stelle die Gewissensfrage: Ist das Tempo, in dem das geschieht, nicht zu schnell?

Zum Beweis dafür einige Beispiele. Amerika hat bekanntlich mit seinen Errungenschaften das schnellste Tempo der Rationalisierung eingeschlagen. Amerika hatte 1920 246.000 Traktoren, 1929 aber 853.000 Traktoren, Kanada, USA, Argentinien und Australien haben seit 1900 1 1/2 Millionen Traktoren eingeführt. Diese Traktoren - damit Sie einen Begriff davon bekommen - ersparen 12 Millionen Pferde. Sie haben Hunderttausende von Mäh- und Dreschmaschinen eingeführt, und jede Maschine ersetzt 200 bis 300 Arbeiter. Jetzt habe ich Ihnen paar Zahlen von den Traktoren gesagt. Und nun weiter: Auf Grund der Arbeit dieser Traktoren haben sich 1930 auf dem Weltmarkte 270 Millionen Doppelzentner Weizen aufgestapelt. Die Länder, die das Getreide brauchen, haben aber davon nur 150 Millionen gebraucht. Es sind 120 Millionen Doppelzentner Weizen übriggeblieben. 1931 wurden auf dem Weltmarkt 400 Millionen Doppelzentner aufge

stapelt, gebraucht wurden 180 Millionen. Nun frage ich Sie: mit dem Überschuß des Weizens, der ungefähr 300 Millionen Doppelzentner ausmacht, könnte das ganze Heer der Arbeitslosen samt Familien ein ganzes Jahr mit Brot versorgt werden; das gibt einen Begriff von der Masse und dem Umfang dieses Weizenüberschusses. Meine Verehrten, speziell von der agrarischen Seite, sagen Sie mir, wenn hier niemand Einhalt tut: Woher wollen Sie eine Milderung der Krise, eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse? Amerika bringt Sie um, vorausgesetzt, daß Europa nicht vernünftig wird und sich zusammenschließt. Nun lassen Sie in demselben Tempo Rußland zunehmen und stellen Sie sich vor, daß das übrige Europa zwischen diese beiden Komponenten kommt! Was glauben Sie, was da übrig bleibt? (Výkøiky posl. dr inž. Touška.) Ich vermute, daß Koll. Toušek gesagt hat, daß ich schwarz male oder so was Ähnliches. (Výkøiky posl. dr inž. Touška.) Ich habe bloß gesagt, ich vermute. Ich glaube, das ist keine Schwarzmalerei, sondern einfache nackte Wahrheit der Tatsachen, und lügen Sie sich nicht in die Taschen, gehen Sie den Tatsachen nicht aus dem Wege. In diesen Verhältnissen ist natürlich auch, wie ich angeführt habe, das große umfangreiche Kapitel der Überproduktion zu suchen.


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