Pátek 20. února 1931

4. Øeè posl. Geyera (viz str. 41 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr geehrten Herren! Seit das èechoslovakische Parlament besteht, enden alle Budgetberatungen mit einer Annahme des Ziffernhaufens, ohne daß daran eine Änderung vorgenommen worden wäre. Darin liegt ein Verzicht auf die Aufstellung und Beeinflussung des Budgets sowie der Verzicht auf eine Einflußnahme auf die Gestaltung des staatlichen Lebens und des staatlichen Kurses. Die Demokratie verzichtet auf die Führung des Steuers und überläßt die politische und wirtschaftliche Führung des Staates der obersten Bürokratie, die ihrerseits ihre Impulse als Statthalter von den obersten Hochfinanz- und Kapitalgrößen erhält und sich als getreueste Dienerin nicht des Volkes, sondern dieser privilegierten Schichten unter zufriedener tantiemenhafter Teilnahme an der Macht sich ihres steigenden Einflusses immer mehr bewußt wird. Der Verzicht auf die verantwortliche und gestaltende Mitbestimmung der Staatsvoranschläge und damit auf die Verwirklichung des demokratischen Grundrechtes, der Einflußnahme auf die politische, kulturelle und wirtschaftlich-soziale Grundtendenz eines kommenden Jahres als primäre Erbsünde gegen den Geist der Demokratie ist begleitet von einer sekundären Konsequenz, der aus Unwissenheit oder Unfähigkeit geborenen Begleiterscheinung der ebenso folgsamen wie widerspruchslosen Genehmigung der Staatsrechnungsabschlüsse. Dieses durch Jahre von den jeweiligen Koalitionen praktizierte Harakiri am demokratischen Kontrollrecht des Parlaments ist umso verderblicher, als damit dauernd ein Freibrief für die künftige kontrollose oder die Kontrolle nicht sche uende imperialistische Ressort- und Ministerpolitik ausgestellt ist. Man operiert mit dem Moment der Überraschung und geht über lahme und zahme oft nur künstliche Kritik und Entrüstung mit der stoischen Gelassenheit eines Diktators hinweg. Die Koalitionen mimen in geheuchelter Scham nach außen Demokratie, nach innen aber ungehemmt und ungestraft Absolutismus nicht nur der Ziffern, sondern auch der Taten, die man anderswo schreckhaft Faszismus und Diktatur nennt. Die Solidarität im Sündigen gegen den wahren Geist der Demokratie bringt es mit sich, daß die Patentdemokraten unter gegenseitiger Absolution ihrer Sünde unfähig und ohnmächtig werden, ernsthaft gegen die Schuldigen aufzutreten. Es kann daher nur als Verzicht und Selbstverleugnung, keinesfalls als Zeichen eintretender Erkenntnis und Selbstbesinnung gewertet werden, wenn auch der Herr Generalberichterstatter am Freitag in Form einer Bitte die Regierung ums Recht ersuchte, bei künftig beabsichtigten Budgetüberschreitungen dem Parlament den Antrag auf Nachtragskredite vorzulegen. Die Art und den Umfang dieser Überschreitungen gegenüber dem Voranschlag im Einzelnen nachzuweisen, ist durch den Wegfall aller zum Voranschlag parallelen Ausweisungen erschwert, wodurch der Abschluß, wie unser verstorbener Abg. Patzel es in der ihm eigenen Art nannte, zum Ägyptischen Traumbuch wird. Es genügt zur Erläuterung meiner Behauptungen die ressortmäßigen Abweichungen aufzuzeigen und zu betonen, daß sie ohne Genehmigung des Parlaments erfolgt sind, das heißt, bis zum heutigen Tage zu Unrecht bestehen und erst nachträglich, das heißt unter Selbstverleugnung der verfassungsmäßigen Rechte des Parlaments genehmigt werden sollen. Der Ziffer des Voranschlags der Einnahmen in der Höhe von 9.546 Millionen steht ein tatsächlicher Eingang von 10.420 Millionen, also rund 874 Millionen mehr gegenüber. Die Ausgaben, die mit 9.534 Millionen präliminiert waren, haben in Wirklichkeit 9.689 Millionen erreicht, sind also mit rund 155 Millionen überschritten. Aus diesen beiden Abweichungen, Mehreinnahmen von 800 und Mehrausgaben von 155 Millionen ergibt sich eine Gesamtspanne von 1.029 Millionen Kè, die, soweit Überschreitungen in Betracht kommen und soweit dann die nachträgliche Verwendung dieser Mehreinnahmen erfolgt ist, bis heute ungedeckt, das heißt ungesetzlich verausgabt worden sind. Die höheren Ausgaben erstrecken sich teilweise auf Überschreitungen, welche präliminierte Budgetausgaben sind und erreichen in den einzelnen Ressorts folgende Höhe: Ministerium des Äußern 3ÿ8, Ministerium für nationale Verteidigung 61ÿ5, Eisenbahn 1, Gesundheitswesen 3ÿ5, Versorgungs- und Ruhegenüsse 3.4 und Allgemeine Kassaverwaltung 43, zusammen 118 Millionen. Ihnen stehen weitere budgetmäßige Überschreitungen von nichtpräliminierten Beträgen gegenüber, und zwar beim Ministerium für nationale Verteidigung 5ÿ7, beim Ministerium für öffentliche Arbeiten 80 und weitere 20ÿ8, zusammen 108ÿ8, beim Fürsorgeministerium 33ÿ8, beim Schulministerium 16 und bei den Bahninvestitionen 154. Weiter die Zuteilung an den Konsolidierungsfond mit 7 Mill., ein Fond zur Sicherstellung von Futtermitteln mit 25 Millionen und Kreditoperationen mit 95 Millionen, zusammen 418 Millionen. Würde dieser Betrag nicht ausgegeben worden sein, müßte das Budget mit einem Plus von 1.029 Millionen abschließen. Statt dessen ist der größte Teil, nicht nur die 418, sondern weitere 585 Millionen, das heißt also über 1000 Millionen verausgabt, und es tritt damit, trotzdem aus der Bevölkerung über 3/4 Milliarden mehr eingehoben wurden, als Endergebnis eine Verschiebung zu Ungunsten des gesamten staatlichen Haushaltes ein, die auch im Staatsrechnungsabschluß zugegeben wird. Dabei war das Jahr 1928 noch ein sogenanntes gutes, ein Konjunkturjahr. Dabei ist nicht zu vergessen, wie mein Kollege Simm aufgezeigt hat, daß in den früheren Jahren 1924 bis 1927, bzw. bis zum Rechnungsabschluß 1928 weitere 5 1/2 Milliarden, dazu die eine Milliarde, 6 1/2 Milliarden auf diese Weise notwendig irgendwo als Reserven erliegen müssen oder ohne Kontrolle verausgabt worden sind. Es liegt darin das Prinzip des kontrollosen Schuldenmachens gegen nachträglichen Ablaß.

Für das demokratische Gewissen der Koalition müssen diese Überschreitungen, dieses Einpressen von Steuergeldern auf der einen und das Ausgeben derselben ohne Genehmigung auf der anderen Seite umso schwerer wiegen und das Hineinbeißen in den sauren Apfel des Sündenablasses der Koalitionsregierung muß gerade in der Gegenwart als böse Folge vorangegangener schlechter Beispiele gewertet werden. Die fortlaufenden Überschreitungen und Defizite der gegenwärtigen Wirtschaft, wie sie am Vortage uns in einem erschreckenden Maße aufgezeigt worden sind, sind kein rühmliches Bild von der Regierungskunst, die 1930 auf Brot ausgegangen ist und die besonders bei den staatlichen Betrieben eine weitere Verschlechterung der ganzstaatlichen Bilanz hervorgebracht hat. Die angekündigten und durchgeführten Tariferhöhungen haben die, wie auch von èechischer Seite zugegeben wird, nicht wirtschaftlich geleiteten, sondern politisierenden Staatsbetriebe, wie die Eisenbahn, und zum Teil auch die Post, dazugebracht, eine Art Steinach'sche Verjüngungskur dadurch durchzuführen, daß man in die Privatrechte eingreift und dem Konkurrenten auf dem Gebiete der Eisenbahnen, dem Automobil, an den Leib rückt. Die bereits im Ausschuß beschlossene Benzinsteuererhöhung sowie die schon früher von uns bekämpfte nachträgliche Aberkennung oder Einziehung von Konzessionen an private Automobilunternehmungen und Städte muß auf das schärfste bekämpft werden, weil diese Maßnahmen die Staatsbetriebe zumindest keineswegs in dem erhofften Umfange, sanieren können, dagegen auf der anderen Seite einen großen Zweig der, wenn auch schwer ringenden, aber immerhin noch halbwegs gesunden Wirtschaft von kleinen Betrieben zerstören und neuerlich dadurch Tausende von Existenzen dem Heere der Arbeitslosen einreihen werden. Haben die Erhöhungen der Bahntarife sich als vollständiger Fehlschlag erwiesen, müssen die beabsichtigte Konzessionseinziehung für Autobuslinien und als Neuerung und letzte Etappe dieser Steinach'schen Verjüngungs kur die nunmehr auch beabsichtigte Übernahme des Transports der Frachtgüter von den Bahnhöfen bis zum Hause als Mittel abgelehnt werden, das bei der Kompliziertheit und Umständlichkeit des Staatsbetriebes diesem eher höhere Lasten als den vermuteten Vorteil einbringen wird.

Es sei hier bei dieser Gelegenheit auf die verfrühten, mit Stolz vorgetragenen Exposés des Finanzministers in den Jahren 1928 bis 1931 verwiesen, wo von der Konsolidierung des Budgets in bombastischer Weise etwas zu hoffnungsfreudig vorgetragen wurde und dies zu einer Zeit Ende 1928, wo sich anderorts schon Anzeichen eines starken Umschwunges sichtbar geäußert haben. Nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalte nach sind die Budgets längst in die Brüche gegangen und während der Abschluß 1928 diese Tradition schon eingeleitet hat, werden wir nach den gestrigen und vorgestrigen Ausführungen über die Investitionsanleihe beim Jahresabschluß 1930 den vollständigen Zusammenbruch dieser Konsolidierungsbestrebungen nicht nur in der Staatswirtschaft, sondern auch im Staatshaushalt feststellen können.

Zum Budget 1928 hat Finanzminister Engliš den Grundsatz, bzw. die große These aufgestellt, daß der Angelpunkt der ganzen Volkswirtschaft der Zinsfuß sei und daß die fortschreitende Konsolidierung der Volkswirtschaft und die Festigung des Staates nur dann auf die Dauer gewährleistet sein werde, wenn die exorbitante Höhe des Zins fußes, die er damals scharf bemängelt hat, herabsinkt und ein erträgliches Maß, gemessen an der Zeit vor dem Kriege, erreichen wird. Es muß gefragt werden: Was hat die Gesamtregierung, was hat insbesondere Finanzminister Dr. Engliš unternommen, in welcher Weise wurde der gesamtstaatliche Einfluß eingesetzt, um gegenüber den nichtstaatlichen Unternehmungen, den großen privaten Banken und ihren Konzernen diesem staatlichen Verlangen Rechnung zu tragen? Wenn wir um uns blicken, müssen wir sagen, daß das Verlangen der Regierung, als deren Sprecher Minister Engliš schon 1928 aufgetreten ist, bis heute nicht nur nicht eingelöst ist, sondern, daß die Großbanken und die großen Unternehmungen, soweit sie mit den Banken fusioniert oder staatlich protegiert oder von ihnen kontrolliert werden, weiterhin im Triumphe hoher Zinsspannen und hoher Dividenden schwelgen, während auf der anderen Seite die Opfer tausender stillgelegter mittlerer und kleinerer Betriebe und hunderttausende hoffnungslose Arbeitslose die Stätte dieses Kampfes zwischen Lohn- und Zinsrente bezeichnen.

Es kann unsere èechoslovakische Wirtschaft, es können die großen Banken und die großen Kartellindustrien mit größerem Zynismus darauf verweisen, daß selbst der amerikanische Durchschnittsrentenindex von 8·29% im Katastrophenjahr 1930 von den èechoslovakischen Instituten nicht nur gehalten wurde, sondern im Durchschnitt sogar höher liegt und die fabelhafte Höhe von 12 bis 13 % erreicht. Der Herr Finanzminister möge sich nur überzeugen, er möge sich die Kontokorrentauszüge der Handwerker und der kleinen Geschäftsleute von den Banken vorlegen lassen, wo nach wie vor 8, 9, 10%, je nach er Kreditfähigkeit, fixer Zinsen, außerdem die üblichen üblen Provisionsspesen usw. angerechnet werden, so daß in den meisten Fällen auch heute noch zwischen 11 und 13% für jedes Kontokorrentdarlehen und für irgendeine laufende Schuld gezahlt werden müssen.

Auch der gesamte Hypothekarmarkt weist noch dieselben Spuren der Nachkriegszeit auf. Es ist auf diesem Gebiete keine Konsolidierung im Sinne einer Angleichung zu verspüren. Auch hier hat durch 3 Jahre, vom Jahre 1928 bis zum Jahre 1930, die Regierung trotz ihres Wechsels und trotz ihrer heutigen gefestigten Einstellung entweder nichts unternommen oder nichts vermocht und damit hat die Demokratie, der Wille der Regierung, vor der Diktatur des Finanzkapitals eigentlich kapituliert. Ich muß auf ein weiteres Wort des Herrn Finanzministers hier beim Staatsrechnungsabschluß zurückkommen, das von der Ökonomisierung des Staates und der staatlichen Betriebe gehandelt hat, welche Ökonomisierung der Herr Finanzminister zur Vorbedingung einer Senkung der allgemeinen Staatslasten, die er im Jahre 1928 als um rund eine Milliarde zu hoch gefunden hat, als Voraussetzung vorgetragen hat. Die Besteuerung ist inzwischen nicht nur nicht zurückgegangen, sondern sie ist im Gegenteil gestiegen und gerade das Budget des Jahres 1931 hat die übliche Abweichung von diesem Konsolidierungsgrundsatze gebracht.

Die verkrachte Vergewaltigungsreform, die eine neue Wirrnis der Kompetenzen und Instanzen mit sich brachte, die aber vor allem in den Gang der Amtsführung jenes schleppende und retardierende Moment der Verantwortungslosigkeit hineinbrachte, wodurch eine Stelle die Erledigung der anderen zuschiebt, wenn die Sache nicht ganz klappt, die überspitzte Zentralisierung und vor allem die chauvinistische Tendenz, die Minderheiten im Staate fortschreitend rechtlos zu machen, haben zu jener lahmen und innerlich faulen Wirtschaftsführung, sowohl in den Staatsbetrieben, wie auch in den Staatsämtern geführt, die das Wort des Herrn Ministers zunichte gemacht und wodurch die Senkung im negativen Sinne, in die Senkung der Erträgnisse der Staatsbetriebe und eine Erhöhung des allgemeinen Staatshaushaltes stattgefunden hat. Die Krise führte nebenbei statt zu einer Senkung der Steuern, zu ihrer Erhöhung und barbarischen Eintreibung und es kommen in der letzten Zeit eine Unmasse von Fällen vor, wo wegen 250 Kè rückständiger Steuern und wegen 500 bis 600 Kè Unfallversicherungsgebühren aktive kleine Betriebe von der Unfallversicherung oder vom Steueramt zum Konkurs getrieben, und wenn sie dann ihre Aktivität nachweisen, mit dem Zwangsausgleich bedroht werden. Erst gestern ist mir ein solcher Fall gemeldet worden, wo ein Tischler in der Folge mit 72.000 Kè Aktiven und 54.000 Kè Passiven wegen 500 Kè Unfallversicherung, die ihm überdies zu unrecht vorgeschrieben wurden, woraus die Verweigerung der Bezahlung kam, in den Zwangsausgleich getrieben und 18 Menschen seit dem 14. Februar brotlos gemacht worden sind. Dieses Beispiel ist nur eines der generellen Linie der vollständigen Vernichtung des gewerblichen und kleinen Handelsstandes.

Das ist die sogenannte Fürsorge, von der auch in der Regierungserklärung steht. Die Leute werden jetzt wahrscheinlich der öffentlichen Wohltätigkeit empfohlen, von der sich auch gestern der Herr Minister Bechynì, wie die Zeitungen melden, nunmehr das Beste und Meiste verspricht, nachdem das übrige staatliche Latein nicht weiterführen wird.

Eine Ziffer des Rechnungsabschlusses möchte ich jedoch noch ganz besonders hervorheben, das ist eine Post aus dem Jahre 1929 von nur 336 - Millionen Kè, welche auf die Staatsnotenschuld abgezahlt wurde, wodurch diese von 4.097 Millionen nunmehr auf 3.761 Millionen Kè gesunken ist. Ich weiß, ich werde nicht überall gehört und verstanden werden, aber ich betrachte diese Transaktion bei der Errichtung der staatlichen Notenbank, die Übernahme einer Schuld des Staates bei diesem Institut, das bei Anfang des Staates noch nicht auf der Welt war, also eine Nachgeburt ist, als eine der größten Bankerotterklärungen des staatlichen Hoheitswesens gegenüber einer wirklichen wahren staatlichen Geldverwaltung. "Es ist ganz aus der Weis,", um mit Peter Rosegger zu sprechen, daß man einem Nachgeborenen 9 Milliarden als Patengeschenk überweist und dafür diese 9 Milliarden auch noch abzahlt und fortlaufend verzinst. Es ist aber auch ganz aus der Weis" daß man die Münzhoheit einem Institut gleichsam verpachtet, aber keine Pacht erhält, sondern für jede Note, die man sich ausborgt, auch noch 5 bis 5 1/2 % Zinsen zahlt. Das ist einer der Urgründe der vollständigen Verdrehung unseres christlichen Rechtes und die erste Aufgabe einer wirklichen Demokratie wäre es, hier den christlichen Standpunkt und den Standpunkt einer wirklichen Staatshoheit herzustellen, statt als eine der ersten und größten Instanzen sich unter das Joch der Großbanken als der wahren Beherrscher des Staates zu begeben. Ich muß dies von dieser Stelle aus abermals geißeln, weil es so recht zeigt, wie verblendet die gegenwärtige Menschheit ist. Alle Staaten machen es so, also muß sich einer wie der andere gebärden.

Ich muß noch auf eine weitere Erklärung des Herrn Ministers hinweisen und befinde mich da mehr oder weniger im Gegensatz nicht nur zur letzten Regierungserklärung, sondern auch zu den vorhergehenden Erklärungen sowie auch zum Exposé. Die èechoslovakische Regierung sieht erst am Ende des Jahres 1929, die Regierungserklärung sogar erst mitten im Jahre 1930 einen Umschwung. Ich muß daran erinnern, daß ich bei der Budgetberatung im November 1928 bereits auf den Umschlag der Verhältnisse in den Vereinigten Staaten hingewiesen habe, wo im November die ersten scharfen Spuren eines Umschlages aufzuzeigen waren. Kreditsperre und Kreditrestriktion, eine Krediteinschränkung verbunden mit einer Geldabschöpfung haben in der Union die bisherige Blüte scharf unterbrochen und fortschreitend hat sich die Deflation auch über die übrigen Goldwährungsländer erstreckt und mit der bekannten Verspätung der amerikanischen Hitzwelle hat sie zuerst England, dann Deutschland, die Èechoslovakei und nunmehr auch Frankreich erreicht. Der Herr Finanzminister hat in seinem Exposé zum heurigen Budget vom Jahre 1931 dazu Stellung genommen, es aber vermieden, die Sache fertig auszudenken und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Ich zitiere ihn: Er sagt auf Seite 3 Folgendes: "Der amerikanische Preisindex war nach dem Kriege fast um die Hälfte höher als vor dem Kriege und Amerika hatte hiebei dauernd die gleiche Goldtauscheinheit". Es war also keine Ausrede wie bei uns, daß die Geldinflation durch den Papierdruck eingetreten wäre. "Es besteht kein Zweifel, daß dies für eine bedeutende Entwertung des Goldes gegenüber allen übrigen Gütern gezeugt hat - um ein Drittel - daraus ergibt sich aber, daß die Ursache hiefür nur auf der Seite des Goldes gelegen war, namentlich in seiner Anhäufung für Kriegslieferungen in Amerika, weil das Sinken der Produktivität bei allen übrigen Gütern während des Krieges und nach demselben ebenso auf diese Veränderung in der Tauschrelation des Goldes wie seine Anhäufung mitgewirkt hat. Deswegen kann man kaum zur Gänze jenen Theorien beipflichten, welche die Ursache der heutigen Depression auf Seite des Geldes und des Goldes in der Währungsverwaltung und Kreditpolitik der Währungsadministration suchen, weil die Veränderung im Tauschwerte des Goldes ebenso, wie sie bei der Entwertung des Goldes ihre Ursache auf der Seite des Goldes als auch auf Seite der Güter gehabt hat, auch derzeit bei der gegenteiligen Verschiebung ihre Ursache auf beiden Seiten haben kann und auch wahrscheinlich hat. Die Wiedereinführung der Goldwährungen in Europa nimmt auf eine andere Distribution der Weltvorräte an Gold Einfluß - der Anteil Europas ist allein im ersten Halbjahr 1930 von 42·1 auf 43·4 gestiegen - und das Sinken der Produktivität, welches seinerzeit eine Mitursache der Verschiebung der Tauschrelation zwischen Gold und den übrigen Gütern zugunsten des Goldes gewesen ist, wird durch eine allgemeine Verbesserung und Rationalisierung der Produktion wettgemacht. Sicher ist, daß die Währungspolitik der Bank von Frankreich von der Währung der Golddevise zur reinen Währung abbiegt." - Das ist ja inzwischen geschehen. - "Sei dem wie immer, die Änderung in der Tauschrelation des Goldes gegenüber allen übrigen Gütern wirkt, wie sie sich in der Herabsetzung des Preisniveaus ausdrückt, mag sie ihre Ursachen auf Seite der Güter oder auf Seite des Geldes und Goldes haben, auf die Produktion hemmend, weil bei sinkenden Preisen keine Lust zu einer Produktion auf Vorrat besteht, da sich der Produzent fürchtet, daß er bei weiter sinkendem Preise in demselben keine Bedeckung für die Produktionsaufwendungen findet, und sie wirkt auch auf den Absatz hemmend ein, weil keine Lust besteht, die im Preise sinkenden Güter auf Vorrat zu kaufen. Es ist wahr, daß jede Produktionskrise ein Sinken der Preise und ein Ausverkaufen der Vorräte begleitet. Das Sinken der Preise in jenem Umfange aber, in welchem es dauernd bleibt, ist nicht durch die Krise herbeigeführt, sondern hat anderswo seine Ursache und ruft selbst die Krise hervor. Wir können also die vorhandene Depression vor allem als ein Preisproblem bezeichnen. Insoweit die allgemeine Preissenkung durch die allgemeine Erhöhung der Produktivität nicht also durch Ursachen auf der Geld- und Goldseite - verursacht worden ist, könnten wir daran unsere Freude haben, weil sie allgemein eine Verbesserung des Lebensstandards, insbesondere auch beim Arbeiter bedeutet, zu welchem Standard wir nach der Krise kommen" - also wenn wir alle tot sind "Die Verbilligung der Preise sollte von einem erweiterten Absatz begleitet sein". Vorher sagt er: "Bei der Verbilligung kauft niemand, weil er wartet, daß es noch billiger wird". "Und so würden sich am Ende der Entwicklung die Preise niedriger stabilisieren und die Produktion würde bei niedrigeren Preisen einen erweiterten Absatz finden und das allgemeine Lebensniveau würde sich verbessern." Leider ist das aber bisher nicht der Fall. Der Herr Finanzminister geht hier ein Stück richtig. Er sagt, die einen lenken die Aufmerksamkeit auf die gesteigerte Produktion und wir können noch hinzusetzen, auf die Rationalisierung, die den Gütervorrat vergrößert haben, auf der anderen Seite aber ist das Kaufvolumen durch die Abschöpfung des Goldes, vor allem durch seine Hortung, durch die Zurückziehung aus dem Verkehr, durch Abzug der Noten, durch Kreditsperre, verkleinert worden. Sowohl die Vermehrung der Güter müßte preiserniedrigend wirken, die Einziehung des Goldes müßte diesen Prozeß noch verschärfen und führt zu einem Preissturz hauptsächlich der Urproduktionsgüter. Wenn wir nach einiger Zeit die Wirkungen dieses Preissturzes überblicken, finden wir, daß dieser Preissturz nicht der Arbeit zugute kommt, sondern an dem Zins und der Grundrente hängen bleibt, die dauernd hoch bleiben, während der Arbeiter um die Verdienstmöglichkeit gebracht wird. Die Schließung, von hunderten von Betrieben. Arbeitslosigkeit von Millionen von Menschen, ist das Ergebnis dieser Divergenz zwischen dem Volumen der Güter und dem zusammengesunkenen Volumen an Kaufmöglichkeit, an Kaufkraft. Wenn der Herr Finanzminister die Frage so stellt, daß die Produktivität zugenommen hat, daß die Vermehrung und Verminderung des Goldes zugleich mit der Produktion auf die Preisgestaltung Einfluß hat, so müßte meines Erachtens nach eine demokratische Regierung aus dieser Überzeugung, die er hier in seinem Exposée vorgebracht hat, die entsprechenden Folgerungen ziehen und müßte sagen, weder Preisaufblähung noch Preisreduktion sind volkswirtschaftlich tragbar, weil sie beiderseits Verfälschungen des Wirtschaftsvertrages sind, beiderseits Verfälschungen der Lohn-, Kauf- und Grundbuchsverträge darstellen. Die einen ermöglichen eine kurze Scheinblüte, die auf Kosten der Substanz geht, die heruntergewirtschaftet wird, die anderen eine wirtschaftliche Eiszeit in der Zirkulation. Der Herr Finanzminister hätte sich zu dem Gedanken durchringen müssen, hier einen Ausgleich zu schaffen, der nur in dem Sinne gefunden werden kann, daß das gesteigerte Produktionsvolumen einem gesteigerten Kaufvolumen gegenübergestellt wird. Das natürlich setzt voraus, daß man von der heutigen Ansicht der Golddeckung Abstand nimmt und zur aktiven dynamischen Währungspolitik übergeht. Das wäre eine nationale Tat gewesen in einem ganz anderen Sinne, wie sie Herr Minister Bechynì in einigen èechischen Zeitungen geäußert hat, es wäre das eine politische Tat gewesen, nämlich die Beibehaltung eines dauernden gleichen Preisstandes, eine Revolutionierung der Preise. Das Herunterdrücken der Preise hat für die Arbeiter und Angestellten gar keinen Wert, denn nach einiger Zeit ist das Preisniveau wieder ausgeglichen und das Heruntergleiten von einem Niveau zum anderen bewirkt das Zerbrechen vieler Betriebe, das Bersten vieler bis dahin blühender Unternehmungen und den sozialen Tod der Arbeiterschaft nicht nur in dem Zusammenbrechen der Kollektivverträge, in der Aufhebung und Einschränkung ihrer Rechte, was ihren Widerstand hervorruft und sie verbittert. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.)

Wir erleben jetzt die schlechten Folgen einer schlimmen Währungspolitik, die darauf ausgeht, die gesamten Arbeiter auszubeuten und die gesamten Arbeiter unter dem Tribut zu knechten. Es haben in der letzten Zeit nicht nur hiesige Männer, sondern auch solche des Auslandes die sogenannte Goldsteigerung mit einem richtigen Wort bezeichnet: "Die amerikanische Goldsteigerung beinhaltet für die übrige Welt eine schwere Gefahr." Die Kaufkraft des Goldes hat zugenommen um 30%, d. h. um dieselbe Summe nominell muß der Arbeiter, um 30 %, mehr an Arbeitsleistungen aufbringen. Die reichsdeutschen Wertschwankungen betragen 20 %, die deutschen Reparationen, aber auch die Reparationen jedes einzelnen Schuldners einer Bank oder einer Sparkasse, eines Privaten oder eines Institutes haben sich noch mehr verschlechtert, so daß heute 125 Stunden Arbeitsleistung und 25 kg Einheitsware zur Verzinsung derselben 100 Einheiten in Gold wie vor zwei Jahren geleistet werden müssen. Dieses Mißverhältnis zwischen nomineller Preishöhe und Realleistungsübersteigerung führt dazu, daß die Reparationen in Deutschland sich um ein Viertel erhöht haben. Nominell sind sie wie im Jahre 1928 2 Milliarden, in Wirklichkeit aber, gemessen an den Gütern und Leistungen, 2 1/2 Milliarden. So geht es jedem kleinen Bauer, der eine Hypothek auf seinen Grund und Boden aufnimmt, jedem kleinen Gewerbetreibenden, so jedem Fabrikanten und Arbeiter. Und dieselbe Verschiebung vollzieht sich bei uns in der Èechoslovakei. Zu Ungunsten des Schuldners wird der Gläubiger bereichert. Bei uns ist die Spanne derzeit 15 %, es wird aber nach Anregung der Regierung und nach dem geforderten scharfen Preisabbau dazu kommen, daß bei uns auch das Gleichgewicht eintritt, weil schließlich in der ganzen Welt der Gleichgewichtszustand eingetreten ist. Heute begreifen Sie vielleicht, daß die Amerikaner wieder einmal den gütigen gnädigen Herrn spielen und über die Reparationen mit sich reden lassen wollen. Sie können heute leicht die Reparationen um ein Viertel ermäßigen, weil sie sie durch die Deflation im Voraus um ein Viertel in die Höhe geschraubt haben. Es ist das Geschäft eines schlodrigen Geschäftsmannes, der dem Staatsbeamten usw. einen Rabatt gewährt, den er aber bereits vorher in den Preis hineinkalkuliert hat.

Preisabbau bringt nichts mit sich als Lohnabbau. Denn schließlich geht jedes Produkt, bis zum letzten Ende zerlegt, auf zwei Grundbegriffe zurück, auf Lohn und auf Zins. Ich habe bereits gesagt, daß die Zinshöhe bisher jeder Anfechtung Widerstand geleistet hat. Wir sehen aber auch den Geldstreik, d. h. daß Geld überschüssig in den Banken liegt, u. zw. nicht nur bei der Nationalbank, sondern auch in anderen Banken und daß gegenüber früheren Zeiten eine Konversion der Bedingungen eingetreten ist: Kurzfristiges Geld bekommt man zu sehr leichten Bedingungen zu 1%, 1 1/2 %, 2 % nicht nur in London und Paris, sondern auch in Prag. Es ist gerade umgekehrt wie in der Vorkriegszeit, wo kurzfristiges Geld teuerer war, wie langfristiges. Langfristige Anleihen - gehen Sie zu den Gemeinden, gehen Sie zu den Industriellen und fragen Sie - kosten den Gemeinden durchschnittlich noch 7 %, wozu noch die Amortisationskosten hinzukommen. So ist es überall und wir können sagen, daß durch die derzeitige Währungspolitik der Zins durchschnittlich doppelt so viel von der Arbeit wegnimmt, wie vor dem Kriege, worauf zum großen Teil die Kaufkraftverminderung der arbeitenden Schichten, soweit sie noch in Arbeit stehen, zurückzuführen ist. Ich habe damals dem Finanzminister entgegengehalten - bei der Budgetberatung im Jahre 1928 - man kann ein Budget eines Staates solange nicht für konsolidiert erklären, solange seine Währung nicht konsolidiert ist, und heute haben wir den traurigen Ast der absteigenden Wirtschaft, weil die Währungsverwaltung im Sinne der Deflation zur Unterbindung der Zirkulation des Güterumlaufes und Austausches führt und es werden auch alle anderen Maßnahmen, die Sie ergreifen, so gut sie auch gedacht sein mögen für einzelne Gruppen und Schichten, sie werden alle wieder aufgewogen werden, wenn Sie weiter die Preissenkung betreiben, weil Preissenkung Lohnsenkung ist und weil Lohnsenkung nichts anderes bedeutet als Steigerung des Zinses nicht nur im Satz, sondern wie ich bereits gesagt habe, in der Kaufkraft, indem 8 % Zinsen heute um ein Viertel mehr zu bewerten sind wie 1928. Der Großrentner, der Kapitalsrentner hat heute mit seinen 8 % Hypothekenzins soviel wie im Jahre 1928, nämlich 12 %, weil diese 8 % kaufkräftiger geworden sind, während die Arbeit aus dem Wirtschaftsprozeß samt ihren Angestellten ausgeschaltet ist.


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