Pátek 6. února 1931

Es ist nicht zu leugnen, daß die Arbeitslosigkeit keine spezifisch èechoslovakische Erscheinung ist. Alle Staaten leiden darunter mehr oder weniger und bezeichnend für das System, unter dem wir leben ist es, daß gerade unter den Arbeitslosen die Deutschen die Mehrheit bilden. Es ist das einzige Mal, daß wir in diesem Staate in der Majorität sind. Es ist aber auch nicht zu leugnen, daß hierzulande schon Manches zur Linderung der Not getan wurde, aber ich bitte mir zu verzeihen, wenn ich behaupte, daß alle diese Maßnahmen, die bisher getroffen wurden, nur ein Tropfen auf einen heißen Stein sind. Der Ministerpräsident hat in seiner Erklärung auch die Öffentlichkeit angerufen, die Arbeitslosigkeit durch Unterstützungen bannen zu helfen. Es ist ja selbstverständlich, daß angesichts einer solchen Katastrophe jedermann verpflichtet ist, sein Schärflein durch Geld- und Sachspenden beizutragen. Die Gemeinden sind natürlich verpflichtet, durch Volksküchen, Wärmestuben u. dgl. den Staat in seinem Hilfswerk zu unterstützen. Wirklich geholfen werden kann aber nur durch Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten. Hiezu ist in erster Linie und eigentlich einzig und allein der Staat berufen, der so den richtigen Weg zur Bannung der Arbeitslosigkeit weisen kann. In den Voranschlägen der einzelnen Ministerien sind eine so große Anzahl von auszuführenden Arbeiten enthalten, daß deren tatsächliche Inangriffnahme tausenden Menschen Arbeit und Verdienst schaffen könnte. Im Kapitel Ministerium für öffentliche Arbeiten sind Millionenbeträge für Straßenbauten, Wasserbauten, Meliorationen bewilligt, die bei dem milden Winter, in dem wir leben, durchgeführt werden könnten. Tausende Menschen fänden dabei Verdienst. Der Bau der Talsperre in Karlsbad, von dem in der Vorwoche Koll. Ing. Kallina gesprochen hat, der gleichfalls Millionen erfordern wird, wozu auch die Gemeinde Karlsbad einen größeren Beitrag zu leisten hat, wird unbegreiflicherweise hinausgeschoben. Für Wildbachregulierungen und Meliorationen sind ganz unzureichende Beträge eingesetzt. Auch das Eisenbahnministerium, das durch die merkwürdige Politik, die in demselben seit längerer Zeit herrscht, ein großes Defizit aufweist, könnte bei Anwendung der ihm zur Verfügung gestellten Mittel zahlreichen Menschen leicht Beschäftigung bieten. Das Ministerium für Landesverteidigung könnte der Textilindustrie durch Lieferungsaufträge für Monturen, verteilt auf einige Jahre, Arbeit geben und so zur Linderung der Not beitragen. Aber auch in den Voranschlägen der anderen Ministerien finden wir große Beträge welche, wenn sie verwendet würden, Arbeit und Verdienst schaffen würden, und ich halte es für die Pflicht des Staates, der sich in einer so katastrophalen Zeit befindet, diese Dinge auszuführen. Freilich darf dabei das Finanzministerium nicht so kleinlich sein und es müßte die von den Ministerien verlangten Beträge tatsächlich zur Auszahlung bringen, umso mehr, als sie durch den Staatsvoranschlag genehmigt sind.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit, etwas abweichend vom eigentlichen Thema, aber das Finanzministerium angehend, der traurigen Lage eines großen Teiles der Verbraucher Erwähnung tun, welche durch 12 Jahre so elend gestellt sind, daß sie als Verbraucher überhaupt nicht mehr in Frage kommen, der sogenannten Altpensionisten. Durch das Altpensionistengesetz des Jahres 1930 wurden endlich ihre Bezüge einigermaßen an die der Neupensionisten angeglichen, und man hätte nun erwarten müssen, daß das Gesetz, welches im Juni 1930 vom Parlament beschlossen und vom Präsidenten unterschrieben worden ist, rasch durchgeführt wird. Viele Wochen mußte man auf die Durchführungsverordnung warten. Es wäre anzunehmen gewesen, daß die Regierung darauf dringen werde, den armen Ruheständlern die Erhöhung sobald als möglich auszuzahlen. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Trotzdem wir heute bereits Feber 1931 schreiben, also bereits die erste und zweite Etappe fällig wurde, warten noch viele tausende Zivil- und Militärruheständler auf die Erfüllung des ihnen gesetzlich gewährten Anspruches. Es warten noch viele Tausende aus dem Jahre 1930 und sie werden noch Monate warten müssen, so daß die aus dem Jahre 1931 kaum vor der zweiten Hälfte dieses Jahres daran kommen werden. Und so wird sich alles weiter fortschleppen und immer länger werden die Ruheständler auf die Erfüllung ihrer berechtigten Ansprüche warten müssen. Es ist ein großer Fehler seitens des Finanzministeriums, daß nicht in entsprechender Weise Beamte angestellt werden, um das schon längst beschlossene Gesetz durchzuführen.

Ein wichtiger, von uns stets betonter Faktor im Wirtschaftsleben ist der Abschluß von Handelsverträgen. Aber gerade dieses Kapitel wird in der Regierungserklärung in bedenklich kurzer Weise erledigt. Der Herr Ministerpräsident sagt einfach: "Wir haben alles, was möglich ist, getan". Nun meine sehr geehrten Herren, wenn nichts anderes möglich wäre, als was bisher geleistet wurde, wäre es wirklich eine sehr minimale Tätigkeit. Der Abschluß neuer Handelsverträge ist gewiß im Interesse der Hebung der heimischen Wirtschaft zu begrüßen und von uns immer und immer wieder verlangt worden. Es ist gewiß erfreulich, wenn neue Absatzgebiete geschaffen werden, wenn sich der Markt ausdehnt und neue Exportmöglichkeiten geschaffen werden. Ob aber gerade Chile geeignet ist, diese Hoffnungen zu erfüllen, ob die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesem immerhin etwas fernliegendem Lande und der Èechoslovakei sich lukrativ gestalten werden, ob der Verkehr mit Chile unsere Handelsbilanz besonders beeinflußen wird, das möchte ich wirklich bezweifeln. Und mir fällt da das alte Dichterwort ein: "Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!" Warum nicht alles aufbieten, meine sehr verehrten Herren - es ist das schon hundertemale hier von uns gesagt worden - um mit Deutschland in geordnete Handelsbeziehungen zu kommen. Jetzt erst wird daran gearbeitet, mit Südslavien einen Vertrag abzuschließen. Warum entscheidet man sich immer erst im letzten Moment? Wir stehen vor Ablauf des Handelsvertrages mit Österreich. Es ist nichts gesagt worden, man hört nichts darüber, daß diesbezüglich schon Schritte unternommen wurden. Der Zollkrieg mit Ungarn hat der Èechoslovakei heute schon größeren Schaden zugefügt als man glaubt und der Export nach Chile wird gewiß diesen Ausfall, den wir im Export nach Ungarn haben, nicht wettmachen können. Landwirtschaft und Industrie sind in diesem Falle die Sündenböcke dieser Heldentat, beide für die Führung des Staates so überaus notwendigen Zweige unserer Volkswirtschaft seufzen unter dem Druck des unerträglichen Zustandes. Ungarn ist uns gegenüber in einer besseren Lage als die Èechoslovakei; denn bekanntlich ist die Ausfuhr der Èechoslovakei nach Ungarn größer als die Einfuhr Ungarns in die Èechoslovakei. In diesem Zusammenhang möchte ich es als sehr bedauerlich hinstellen, daß der Herr Außenminister gerade in der gegenwärtigen Zeit in den allerletzten Tagen einer französischen Zeitung ein Interview gestattete, in welchem speziell über Österreich und Ungarn gesprochen wird. Ich glaube nicht, daß es zur Hebung freundnachbarlicher Verhältnisse führen kann, wenn der Minister des Äußern, der schließlich und endlich für unsere Handelspolitik verantwortlich ist, mit unseren Nachbarn in solcher Weise spricht. Ich glaube nicht, daß Österreich oder Ungarn die prophetischen Worte des Herrn Dr. Beneš allzu ernst aufnehmen werde, aber immerhin ist es traurig, daß der Minister des Äußern in einer französischen Zeitung in solcher Weise über diese beiden Staaten gesprochen hat.

Daß die Einräumung billiger Kredite für Industrie und Gewerbe und dadurch auch der Arbeiterschaft vermehrte Arbeitsgelegenheit schaffen würde, brauche ich nicht näher zu erörtern. Darüber habe ich und andere Mitglieder des Hauses schon wiederholt gesprochen. Die hunderte Millionen, die die Sozialversicherung den Betrieben entnimmt, sollten in Form von billigen Krediten der Wirtschaft wieder zugeführt werden. Hier Hand ans Werk zu legen, wäre ein Segen für den Staat und für diejenigen, die durch ihre Steuerleistung die Führung des Staatshaushaltes und der Staatsgeschäfte überhaupt ermöglichen. In diesem Falle kleinlich zu sein, würde sich bitter rächen und die Zukunft wird erst die Folgen von Engherzigkeit und mangelnder Voraussicht in tristester Weise zeigen. Der Herr Ministerpräsident ruft zum Schluße seiner Ausführungen alle Kreise zu einträchtiger und ausdauernder Arbeit auf. Ich möchte mir im Namen des deutschen Volkes an die Regierung den Ruf gestatten, uns diese Arbeit durch verständnisvolle Berücksichtigung unserer Wünsche und Forderungen zu ermöglichen. Das geschieht leider nicht. Jeder Anlaß wird seitens der Mehrheit dazu benützt, um uns ihre Macht fühlen zu lassen. Das geschieht jetzt wieder bei der Volkszählung, über die sowohl hier als auch an anderem Orte noch gesprochen werden wird. Wenn Sie endlich zu der Erkenntnis kommen, daß die von Ihnen gewünschte Ruhe und Ordnung auch noch durch den nationalen Frieden im Lande verstärkt werden soll, dann können Sie auch solche schwere Katastrophen, wie wir sie heute erleben, mit größerer Zuversicht, Festigkeit und Hoffnung auf gemeinsame Abwehr entgegensehen. Wir halten die Regierungserklärung für durchaus unbefriedigend, nach jeder Richtung und in jedem Sinne. Wir erklären aber gleichzeitig, daß wir, wenn von der Regierung konkrete Vorschläge gemacht werden sollten, die nach unserer Prüfung zur Klärung der mißlichen Lage beitragen würden, bereit sein werden, für dieselben zu sti mmen. (Potlesk.)

3. Øeè posl. Horpynky (viz str. 16 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Noch war die Druckerschwärze, die der Öffentlichkeit den Inhalt der Regierungserklärung bekanntmachen sollte, nicht ganz trocken, da erschienen schon in den Zeitungen die Betrachtungen und Kritiken über das längst erwartete und endlich gehaltene Regierungsexposée. Ich habe vergeblich auch nur einen einzigen Zeitungskommentar gesucht, der restlos mit der Regierungserklärung zufrieden gewesen wäre. Vielleicht, daß die "Prager Presse" oder die Zeitungswische des Wolf-Verlags uneingeschränktes Einverständnis mit der Regierungserklärung bekundet haben, aber diese Pressereptilien liest doch niemand, und wer sie liest, nimmt sie nicht ernst. Es ist ganz einerlei, ob man sich auf den Standpunkt stellt, daß die Tagespresse die öffentliche Meinung macht oder die öffentliche Meinung nur widerspiegelt. Nach dem, was man in den Zeitungen über die Regierungserklärung gelesen hat, muß man urteilen, daß im ganzen Staatsgebiet eine tiefe Enttäuschung über das herrscht, was in der Regierungserklärung enthalten ist, noch mehr aber darüber, was die Regierungserklärung verschweigt.

Jetzt tobt sich die Wirtschaftskrise bereits 1 1/2 Jahre mit all ihren schweren Erscheinungsformen auch in der Èechoslovakei aus, auf allen Seiten ballt Not und Elend verzweifelte Menschen zusammen und jeden Augenblick droht eine Störung des inneren Friedens und der Ruhe, aber in der Regierungserklärung steht der lapidare Satz: "Wir werden darüber erwägen, in welcher Weise Hilfe gebracht werden könnte". Dieser eine Satz beleuchtet schlaglichtartig nicht nur die Inhaltslosigkeit der ganzen Regierungserklärung, sondern auch die Ratlosigkeit und Hilflosigkeit, in welcher die Regierung den Ursachen und Folgeerscheinungen der Wirtschaftskrise gegenübersteht. Wie beschämend ist es doch für die Regierung, wenn der Abg. Hampl als Vorsitzender der zweitstärksten Regierungspartei hier ein Referat halten konnte, das eigentlich nur aus Ergänzungen der Regierungserklärung bestanden hat. Wertvoll für uns war in den Ausführungen des Abg. Hampl, daß er als Èeche den Mut aufbrachte - dieser Mut hat scheinbar dem Regierungschef gefehlt - im èechischen Parlament zu erklären, daß die Schuld an der ganzen Weltwirtschaftskrise der Unsinn der Reparationszahlungen trägt. Wie matt und bedeutungslos klingt dem gegenüber das tröstende Wort des Herrn Ministerpräsidenten, daß der Verlauf der Krise in der Èechoslovakei immer noch milder ist, als in einer Reihe anderer Staaten, und noch dazu ist dieses Ministerwort einerseits falsch, andererseits verletzend für die Bewohner des geschlossenen deutschen Sprachgebietes.

Der Herr Ministerpräsident schaut nur auf das von Èechen bewohnte Gebiet dieses Staates und glaubt, da sich ein richtiges Bild und eine richtige Vorstellung machen zu können. Die Wirtschaftskrise im deutschen Industriegebiet und unter den deutschen Gebirgsbauern, die deutsche Arbeitslosigkeit, die interessiert ihn nicht. Der drohende wirtschaftliche Zusammenbruch von drei Millionen Deutschen in diesem Staat, das ist eine Erscheinung, die nicht wert ist, in einer Regierungserklärung erwähnt zu werden. Vielleicht hat der Herr Ministerpräsident absichtlich den Hinweis auf die harten Folgen der Wirtschaftskrise im deutschen Sprachgebiet unterlassen, weil es ihm dabei nur schwer gefallen wäre, die Schadenfreude zu unterdrücken, die über den Zusammenbruch der sudetendeutschen Industrie und über das Wüten der Arbeitslosigkeit unter den deutschen Arbeitern überall in diesem Staate herrscht. Zwei deutsche Minister mußten im Ministerrat die Regierungserklärung mit approbieren, ehe sie den gesetzgebenden Körperschaften vorgelesen werden durfte. Wieso konnten diese beiden deutschen Minister es zulassen, daß die Regierungserklärung unter Außerachtlassung sudetendeutscher Verhältnisse gleich mit der falschen Behauptung von dem milderen Verlauf der Krise in der Èechoslovakei beginnt? Die Folgeerscheinungen der Wirtschaftskrise sind im sudetendeutschen Siedlungsgebiet innerhalb der Èechoslovakei weitaus ärger als in den benachbarten Staaten Deutschland und Österreich. Eine Reihe von Produktionsstätten ist zus ammengebrochen, die nie wieder erstehen werden, so daß die dauernde Arbeitslosigkeit die schaffenden Menschen zur Abwanderung zwingen wird. Lebensfähige Produktionsstätten hat man aus dem deutschen Siedlungsgebiete abgezogen und durch Fusionierung mit èechischen Unternehmungen in das èechische Sprachgebiet verlegt, siehe Rothau-Neudek, Mauthnerkonzern usw. Blühende Industrieorte von früher sind heute Leichenfelder der Industrie. Hand in Hand damit gehen Handel und Gewerbe dem sicheren Ruin entgegen. Diese Auswirkung der Wirtschaftskrise im deutschen Siedlungsgebiet findet aber überhaupt keine Beachtung seitens der Regierung, im Gegenteil, wir Deutschen müssen den Eindruck gewinnen, daß sie von der Regierung und von den èechischen wirtschaftlichen Faktoren ganz gerne gesehen, ja sogar gefördert wird.

Es existiert ein Dokument, das vom Herrn Minister Dr. Beneš verfaßte Mémoire III, in welchem zu lesen ist, daß die èechoslovakische Republik ohne das industriereiche sudetendeutsche Siedlungsgebiet nicht lebensfähig wäre.

Heute, im 13. Lebensjahre dieses Staates, bemühen sich die Regierung und das èechoslovakische Staatsvolk, dieses für die Lebensfähigkeit der Èechoslovakischen Republik so unentbehrliche deutsche Siedlungsgebiet wirtschaftlich zu verelenden, ohne befürchten zu müssen, daß der Staat daraus dauernden Schaden nehmen könnte. Damit liefert die Regierung selbst den Beweis dafür, daß die Argumentation falsch war, mit der man bei den Friedensdiktaten in den Pariser Vororten das sudetendeutsche Grenzland gegen den Willen seiner deutschen Einwohner dem èechoslovakischen Staate zwangsweise einverleibte. Jetzt wird der Nachweis erbracht, daß dieser Staat seine heutige unnatürliche Gestalt nur einer Lüge verdankt. Das gibt uns aber die Hoffnung, daß dieser Zustand des Unrechts nicht ewig dauern wird, weil es weder einen nationalen, noch einen wirtschaftlichen Frieden in Europa geben wird, solange nicht eine vernünftige Revision der durch die Friedensdiktate geschaffenen Verhältnisse jedes Unrecht beseitigt haben wird.

Die Regierungserklärung stellt fest, daß die allgemeine Wirtschaftskrise in der Èechoslovakei mit einer Landwirtschaftskrise begonnen habe. Es ist erstaunlich, daß eine Regierung, in der sich die èechische Agrarpartei als stärkste Koalitionspartei eine Art Führerrolle anmaßt, nur mit wenigen Worten die zur Behebung oder Milderung der landwirtschaftlichen Krise eingeführten Maßnahmen mit präventivem Charakter erwähnt, um schließlich festzustellen, daß das Programm der landwirtschaftlichen Probleme noch lange nicht erschöpft ist. Es ist sicher nicht Bescheidenheit, wenn die èechischen Agrarier in der Regierungserklärung nur den kleinsten Raum der agrarischen Krise widmen. Aber auch mit diesem Mittel werden die Agrarier nicht verhindern, daß man ihre Politik einer Kritik unterziehen wird.

Die beginnende landwirtschaftliche Krise hat bereits im Jahre 1926 das damals gerade neugewählte Parlament zu Abwehr- und Schutzmaßnahmen gezwungen. Damals überließ man es einer Beamtenregierung, das erste Agrarzollgesetz dem Parlament abzuringen. Trotzdem damals für diesen Gesetzesantrag die Stimmen dreier deutscher Parteien unbedingt notwendig waren, ist es der Beamtenregierung doch gelungen, einen Initiativantrag der èechischen Agrarier mit Hilfe des Parlaments zum Gesetz zu erheben, der auf die Bedürfnisse der deutschen Landwirtschaft überhaupt keine Rücksicht nahm, ja sogar Bestimmungen enthielt, die sich in der Folgezeit für die deutsche Landwirtschaft als schädlich erwiesen haben. Als im Herbst 1926 das Beamtenkabinett Èerný von einer gemischtnationalen bürgerlich-konservativen Regierung Švehla abgelöst wurde, da war es trotz weiter zunehmender Agrarkrise mit jeder Agrarpolitik vorbei. Zuerst wurde die Schwäche und Nachgiebigkeit der deutschen Regierungsparteien, deren Verbleib in der Regierungsmehrheit zur Aufrechterhaltung des parlamentarischen Regimes unerläßlich war, dazu mißbraucht, eine Reihe staatspolitischer Gesetze zu erlassen, die schwere Schläge und Niederlagen für die sudetendeutsche Politik und für den sudetendeutschen Volksstamm bedeuteten. Es genügt, wenn ich auf die Serie von Militärvorlagen mit den Gesetzen über die Verlängerung der Dienstzeit der Wehrpflichtigen, über den Rüstungsfonds und über die Versorgung längerdienender Unteroffiziere, ferner auf die Verwaltungsreform und auf das Gemeindefinanzengesetz verweise. Das war aber auch die letzte Heldentat der damaligen Regierung. Dann setzte der bekannte Machtkampf zwischen den èechischen Agrariern und den èechischen Klerikalen ein, der die Regierungsmehrheit bis zur Arbeitsunfähigkeit zermürbte und der nach den Kraftproben beim Agrarkongreß 1928 und bei den Wenzelsfeierlichkeiten 1929 zu den Neuwahlen des Jahres 1929 führte.

Als die bürgerlich konservative Regierungsmehrheit von 1926 bis 1929 durch die sozialistische Opposition noch nicht sonderlich behindert war, haben es die èechischen Agrarier unterlassen, wegen einer parteipolitischen Katzbalgerei innerhalb der Regierungsmehrheit eine zielbewußte Agrarpolitik zu machen. Jetzt, da die Agrarkrise verhängnisvolle Formen angenommen hat, und alle bisher ergriffenen Maßnahmen nicht einmal eine fühlbare Erleichterung bringen konnten, wollen die Agrarier die Schuld dafür dem sozialistischen Block in der Regierungsmehrheit aufbürden, der auf Grund der Wahlergebnisse von 1929 in die Regierungsmehrheit aufgenommen werden mußte. Solche Ausreden sind billig wie Brombeeren und werden keineswegs verhindern, daß das Vertrauen zur Politik der agrarischen Standesparteien nicht nur bei den Bauern, sondern bei allen Schich ten und Ständen des schaffenden und arbeitenden Volkes immer mehr und mehr schwinde.

Nüchtern und unerschrocken haben wir alle der Wahrheit in die Augen gesehen, daß die agrarische Überproduktion in Übersee und in Rußland, gefördert noch durch die Einstellung von Maschinen, den Weltmarkt mit einer solchen Unmenge von billigem Getreide überschwemmt, daß die einheimische Landwirtschaft dagegen nicht mehr konkurrenzfähig erscheint. Alle Parteien erkannten die Notwendigkeit, durch Zolldämme das Hereinfluten dieses billigen ausländischen Getreides aufzuhalten, alle beugten sich dem harten Muß, dem heimischen Bauer seine Produkte dreimal so teuer zu bezahlen, als sie auf dem Weltmarkte zu haben sind, nur um die heimische Landwirtschaft vor dem gänzlichen Ruin zu bewahren. Aus der Erkenntnis heraus, welch unermeßlich große Bedeutung der bodenständige Bauernstand für das gesamte Volkstum hat, bringt jeder gern die ungeheueren Opfer aus der eigenen Tasche, um nur die heimische Landwirtschaft halbwegs zu schützen, und es sind höhere weltwirtschaftliche Gewalten, die verursachen, daß trotz aller Opfer unsere Landwirtschaft jetzt noch nur jämmerlich vegetiert.

Die Agrarparteien haben aber diese Opferbereitschaft der anderen nur schlecht gelohnt. Ihre Agrarpolitik erschöpfte sich darin, daß sie von einer Wirtschafts- und Produktionsund Absatzkrise in anderen Zweigen der Volkswirtschaft nichts sehen wollten, daß sie die Notlage und Hilfsbedürftigkeit des heimischen Gewerbes leugneten, daß sie den Handel des Wuchers und der Ausbeutung sowohl der Produzenten als auch der Konsumenten beschuldigten, daß sie jede soziale Maßnahme zugunsten der Festbesoldeten und der Arbeiter erbittert bekämpften und die Forderung aufstellten, daß alle Aufwendung aus öffentlichen Mitteln zur Linderung der wirtschaftlichen Not einzig und allein den Agrariern zur Verfügung gestellt werden soll. So manövrierten sich die Agrarparteien in eine Haßpolitik gegen die anderen hinein, bis sie schließlich bei der Devise landeten: "Wenn der Bauer nichts hat, sollen die anderen auch nichts haben!" Damit waren sie m Ende ihres Lateins.

So erzwangen die Agrarier die vorzeitige Kündigung des Handelsvertrages mit Ungarn und die Heraufbeschwörung eines Zollkrieges, der ihnen zwar keine Abhilfe in der landwirtschaftlichen Krise, der heimischen Industrie aber eine katastrophale Erschwerung der Industriekrise brachte. Mit Bangen sieht jetzt die Öffentlichkeit den beginnenden Handelsvertragsverhandlungen mit Polen und Jugoslavien entgegen, weil die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen ist, daß der intransigente Standpunkt der Agrarpolitik vielleicht auch in diesen beiden Fragen der heimischen Industrie neuen Schaden bereiten wird. Die Regierungserklärung hat mit keinem Worte versucht, diese Tatsache zu erwähnen und die sich daraus ergebende Befürchtung zu zerstreuen und ist daher auch in diesem, der Landwirtschaft gewidmeten Kapitel vollkommen unbefriedigend.

Nun einige Worte zum Kapitel "Arbeitslosigkeit", welche die Regierungserklärung als die drückendste Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise bezeichnet.

Es ist glücklich gelungen, in der Regierungserklärung die Binsenwahrheit festzuhalten, daß in Zeiten großer Arbeitslosigkeit die Regierung die Pflicht hat, sich einerseits um Arbeit und andrerseits um die Existenzmöglichkeit jener zu bekümmern, die ohne Verschulden arbeitslos geworden sind. Wie sich die Regierung die rasche und befriedigende Lösung dieser beiden Aufgaben vorstellt, darüber sagt die Regierungserklärung in vielen Worten eigentlich herzlich wenig und was sie darüber in concreto anführt, muß noch einem gewiß berechtigtem Mißtrauen begegnen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedscda dr Lukavský.)

Wir sehen die Landwirtschaft nur kläglich vegetieren, die Konkurse im Handels- und Gewerbestand erreichen direkt Rekkordziffern, Banken sind in Schwierigkeiten und müssen staatlich saniert werden, das Bankkapital schnürt den Aktiengesellschaften die Kehle zu, so daß sie entweder ihre Betriebe ganz einstellen, oder die Produktion auf ein noch geduldetes Minimum einschränken müssen, wenn sie sich durch Fusionierungen nicht freiwillig dezimieren. Länder, Bezirke und Gemeinden sind durch die Verwaltungsreform und das Gemeindefinanzgesetz und durch den bürokratischen Zentralismus mit ihrer autonomen Wirtschaft ganz auf den Hund gekommen. Eine gewisse Schwerindustrie lebt heute nur noch gnadenweise von den Kriegsrüstungen des Staates.

Wo sind die in der Regierungserklärung erwähnten Wirtschaftskomponenten, die durch die gegenwärtige Krise entweder überhaupt nicht oder nur in unbedeutendem Maße berührt wurden, so daß die Regierung glaubt, an ihr Solidaritätsgefühl appellieren zu können, damit die durch die unverschuldete Wirtschaftsstörung Betroffenen nicht in allem und in jedem nur auf die Hilfe des Staates und auf öffentliche Mittel angewiesen wären? Dieser Appell der Regierung wird wohl nirgends ein Echo finden, denn es fehlt der Wald, aus dem es so zurückschallt, wie man hineinruft. Alle anderen Versprechungen der Regierung, die sie zur Linderung der Arbeitslosigkeit macht, muten wie eine unglaubwürdige und merkwürdige Zukunftsmusik an.

Eine interministerielle Kommission überwacht die vom Staat vorgesehenen Investitionen im Betrage von fast 2 Milliarden Kè im Jahre 1931. Diese Kommission wird wohl nur dann etwas zu tun bekommen, wenn das Geld wirklich vorhanden ist, oder wenn es mit Erlaubnis des Herrn Finanzministers diesem Zwecke auch zugeführt werden darf. Ich befürchte, daß die Regierung nicht so bald in der Lage sein wird, dem Parlamente über die fruchtbare Tätigkeit dieser interministeriellen Kommission einen zufriedenstellenden Bericht zu geben. Die Unterstützung öffentlich-rechtlicher Korporationen, die ohne staatliche Hilfe Notstandsarbeiten nicht durchführen können, erfolgt dank des Schneckentempos des Amtsschimmels und der Reitkunst der auf ihm sitzenden Beamten derart schleppend und schikanös, daß eine Erleichterung der Arbeitslosigkeit wohl noch auf Monate hinaus durch diese Mittel nicht zu erwarten ist.

Die Regierung erhofft sich von dem in Vorbereitung befindlichen Wohnungsgesetz eine Belebung der Unternehmungslust und der Beschäftigung im Baugewerbe. Seit dem Jahre 1926, in welchem die Regierung den dem Parlamente bereits vorgelegten Entwurf eines definitiven Wohnungsgesetzes grundlos zurückgezogen hat, ist in dieser wirtschaftlich so wichtigen und brennenden Frage von der Regierung überhaupt nichts geschehen. Das jetzt von der Regierung in Aussicht gestellte Wohnungsgesetz wird für eine Belebung der Bautätigkeit im Jahre 1931 überhaupt nicht in Betracht kommen. Durch eine Novelle zum Straßenfondsgesetz und durch neu zu errichtende wasserwirtschaftliche, Meliorations- und Wasserwegefonds will die Regierung ihr Investitionsprogramm erweitern, überläßt es aber diesen Fonds, sich die entsprechenden Kredite irgendwie selbst zu beschaffen. Von der Aufnahme einer Investitionsanleihe im Inland oder im Auslande, wie sie auch von meiner Partei in einem detailliert ausgearbeiteten Initiativantrage vorgeschlagen wurde, spricht die Regierungserklärung kein Wort. Wahrscheinlich ist der Herr Finanzminister mit seinem ablehnenden Standpunkte in dieser Frage Sieger geblieben oder wird er Sieger werden. Es mag richtig sein, daß der Herr Finanzminister durch die Ablehnung einer jeden Anleihe der Staatspolitik teilweise einen guten Dienst leistet, um sie vollkommen unabhängig zu erhalten. Aber die Richtigkeit dieser These ist nur cum grano salis zu nehmen. Denn nicht nur der Schuldner gerät in eine gewisse Abhängigkeit vom Gläubiger, sondern auch die Interessen des Gläubigers werden an die des Schuldners gebunden. Keineswegs darf aber eine solche staatspolitische Erwägung über das Interesse und die Lebensmöglichkeit hunderttausender notleidender Menschen gestellt werden, weil sonst Staatspolitik auf Kosten der Humanität getrieben wird.

Groß ist das Gejammer über das Versagen des Genter Systems im Kampfe gegen das wirtschaftliche Elend der Arbeitslosigkeit. Schon bei Schaffung dieses Gesetzes haben wir darauf hingewiesen, daß in wirtschaftlich normaler Zeit man bei geringer Arbeitslosigkeit mit diesem System sein Auslangen finden kann. Für Katastrophenzeiten, die wir befürchteten, weil wir sie kommen sahen, haben wir das Versagen einer solchen Einrichtung warnend vorausgesagt. Die Regierung hat nicht hören wollen und hat keine Vorsorge getroffen. Heute erfahren wir aus der Regierungserklärung, daß die Regierung erst erwägen wird, in welcher Weise Hilfe gebracht werden könnte. Ja, wann wird denn da diese Hilfe kommen?

Die Regierung muß die Arbeitslosenunterstützung nach dem Genter System durch Verköstigungs-, Bekleidungs- und Milchaktionen ergänzen und dafür Millionen ausgeben, die Gewerkschaften geraten in Wut, da sie vollkommen erschöpft sind, sogar ihren Streikfonds aufgebracht haben und nun einer ganz fürchterlichen Verschuldung entgegensehen. Ist da überhaupt Hilfe noch möglich? Und wenn ja, wird diese Hilfe nicht erst kommen, wenn die Wirtschaftskrise bereits im Abflauen begriffen ist? Landwirtschaftlicher Kredit, Volkskredit, Gewerbekredit, Exportkredit, Arbeitslosenversicherung, Versicherung gegen Elementarereignisse, alles Dinge, die in der Regierungserklärung in Aussicht gestellt werden, die aber real noch nicht einmal im embryonalen Zustand existieren, wobei man noch befürchten muß, daß sich alle diese Dinge vielleicht zu Mißgeburten auswachsen werden und die Geschichte einmal der Regierung wird den Vorwurf machen müssen, daß sie den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben versuchte.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP