Pátek 6. února 1931

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 102. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 6. února 1931.

1. Øeè posl. Greifa (viz str. 4 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Unser Urteil über die zur Aussprache stehende Regierungserklärung über die Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise lautet kurz: Zu spät und unbefriedigend! In Zeiten allgemeiner Not wie der gegenwärtigen erwartet die Bevölkerung mit Recht eine großzügige Initiative von Parlament und Regierung. Statt dessen verurteilte man das Parlament gerade in den härtesten Wintermonaten zu wochenlanger Untätigkeit und es bedurfte erst des starken Druckes der öffentlichen Meinung, um die Regierung zu veranlassen, das geheimnisvolle Dunkel zu lüften, das sie durch lange Monate über ihre Absichten und Pläne zur Milderung der Wirtschaftskrise gebreitet hielt. Und was in der vorliegenden Regierungserklärung über diese Absichten und Pläne verlautet, ist mehr als dürftig. Sagt doch selbst der "Sozialdemokrat" vom 4. d. M., daß die Regierungserklärung naturgemäß den Charakter eines Kompromisses trage, welches den politischen Kräften dieses Landes und der Zusammensetzung der Regierung Rechnung tragen muß. Das heißt mit anderen Worten, daß die Not des Volkes zum Schacherobjekt der Regierungsparteien gemacht wird. Es war freilich von einer Regierung nichts anderes zu erwarten, die schon bei ihrer Bildung ohne festes Regierungsprogramm war.

Mit schwächlichen Kompromissen von Fall zu Fall ist der jetzigen schweren Wirtschaftskrise nicht beizukommen und wir stimmen ganz besonders dem Koll. Hampl zu, wenn er meint, daß eine Regierung, die sich in einer derartig schweren Zeit als unfähig erweist, abzutreten hat. Die wirksame Bekämpfung der heutigen Not hat zur Voraussetzung eine klare Erkenntnis ihrer Ursachen und ein weitschauendes, von einem festen Willen getragenes Programm zur Verhütung und Beseitigung ihrer Folgen. Wir wissen schon, daß in der heute alle Staaten erfassenden Weltwirtschaftskrise die Èechoslovakei nicht allein als eine Insel der Glücklichen dastehen kann. Auch wir tragen ein gerüttelt Maß an Lasten dieser Weltkrise, die nicht innerstaatlich gelöst werden kann, weil ihre tiefste Ursache in dem falschen Wirtschaftssystem zu suchen ist. Aber daß bei uns die Not einen solch ungeheueren Umfang erreichen konnte, das müßte nicht sein, wenn der Staat immer seine Pflicht erfüllt hätte und das Wohl der Gesamtheit stets die Triebkraft unserer Wirtschaftspolitik gewesen wäre. Wir geben dem Herrn Ministerpräsidenten Recht, wenn er in seiner Erklärung der Meinung Ausdruck gibt, daß durch einträchtige ausdauernde Arbeit diese Krise überwunden werden kann, allein die Erfahrungen der letzten drei Monate lehren uns, daß gerade der Mangel an Einträchtigkeit und ausdauernder Arbeit die Schuld an unserer innerstaatlichen Krise trägt.

Zum Beweise meiner Behauptung möchte ich nur auf drei Ursachen der èechoslovakischen Wirtschaftskrise hinweisen: erstens die ungünstige Handelspolitik. Mit einem gewissen Stolz wird in der Regierungserklärung darauf verwiesen, daß nicht weniger als 13 Übereinkommen über Handels- und Rechtsbeziehungen mit anderen Staaten abgeschlossen wurden. Die Regierungserklärung schweigt sich jedoch vollkommen über die Tatsache aus, daß die Èechoslovakei gerade mit den Nachbarstaaten, wie Ungarn, Deutschland und Jugoslavien diese guten Beziehungen nicht bestehen hat, wo doch gerade das Fehlen dieser Beziehungen ein Hauptgrund für die Erschwerung unserer Exportmöglichkeit ist. Es klingt unglaubwürdig, wenn Herr Udržal erklärt, es sei das aufrichtigste Bestreben der Regierung, in tunlichst kurzer Zeit mit allen Staaten zur Regelung geordneter Handelsbeziehungen zu gelangen. War es doch die Partei des Herrn Ministerpräsidenten, die entgegen den eindringlichsten Warnungen der kompetenten Wirtschaftsfaktoren die Kündigung des ungarischen Handelsvertrages durchsetzte um reiner parteiegoistischer Ziele willen (Sehr richtig!) Damals wäre wohl die Mahnung des Herrn Ministerpräsidenten an seine Parteigenossen zu einträchtiger gemeinsamer Arbeit im Kampfe gegen die Wirtschaftsnot am Platze gewesen. Die unheilvollen Folgen dieser frivolen Klassenpolitik müssen heute von den anderen getragen werden. Die zwei deutschen Textilarbeiterverbände, die Union der Textilarbeiter und der christliche deutsche Verband haben im Monate Jänner allein mehr als 10.000 neue Arbeitslosenfälle zu verzeichnen. Bedenkt man, daß bei den Gewerkschaftsorganisationen ja nur ein Teil der Arbeiter organisiert ist, welche zum Bezuge der Arbeitslosenunterstützung berechtigt sind, so ist die Annahme berechtigt, daß die Zahl der im Monate Jänner arbeitslos gewordenen deutschen Textilarbeiter mit 15.000 nicht überschätzt ist. Daß sich der vertragslose Zustand mit Ungarn auch in anderen Industriezweigen auswirkt, ist selbstverständlich. So wurde, um nur ein Beispiel anzuführen, der Firma Laske, Granitwerke in Rosenhain, ein größerer Auftrag aus dem oberwähnten Grunde storniert. Wie in letzter Zeit verlautet, verlaufen auch die Verhandlungen mit Südslavien nicht eben glatt und es steht zu befürchten, daß bei nicht baldiger Erledigung eines günstigen Abkommens mit diesem Staate ein großer Teil des dortigen Absatzgebietes für unsere Industrie dauernd verloren geht.

Zum Ausmaß unserer Not haben auch die vollständig falschen Rationalisierungsbestrebungen unserer Privatindustrie bedeutend beigetragen, ihre Folgen sind zumeist auf die Arbeitnehmer abgewälzt worden. Die Opfer, welche diesbezüglich von den Arbeitern und Angestellten gefordert werden, sind unerträglich geworden. Durch das ständige Niedrighalten und Herabdrücken des Einkommens der Lohn- und Gehaltsempfänger ist der Inlandsmarkt in seiner Aufnahmsfähigkeit ungemein geschwächt worden. Angestellte und Arbeiter, die oft jahrzehntelang dem Unternehmen ihre ganze Kraft zur Verfügung gestellt haben, werden ohne jede Rücksicht auf ihre und ihrer Familien Zukunft einfach als überzählig entlassen. Sie kommen bei der Bewerbung um neue Stellen als zu alt nicht mehr ernstlich in Frage. Die Leistungen der Pensionsversicherung sind karg und setzen erst mit dem vollendeten 60. Lebensjahre ein, so daß diese Menschen am Tage ihrer Entlassung oft buchstäblich vor dem Nichts stehen. Dazu kommt noch, daß der Staat das traurige Verdienst hat, den Angestellten der Privatwirtschaft ihren Kampf um den Arbeitsplatz erschwert zu haben. Die Zehntausende vorzeitig abgebauter und nicht genügend versorgter Staatsbeamten bilden heute als billige Arbeitskräfte, als sogenannte Doppelverdiener die härteste Konkurrenz für die Privatangestellten auf dem Arbeitsmarkt. Wir sehen ferner, daß das Bestreben nach Verbilligung der Produktion durch niedrige Löhne zu einem starken Anwachsen der Beschäftigung von Frauen und Jugendlichen geführt hat, während die Familienerhalter, wo nur immer tunlich, aus dem Betriebe ausgeschaltet werden. Die Tatsache, daß für unsere Nachkriegsverhältnisse gerade unsere älteste Industrie, die Textilindustrie sich als zu groß erweist, hat gewisse Kartellierungsbestrebungen hervorgerufen, durch die viele kleinere sogenannte unrentable Betriebe stillgelegt wurden. Das bedeutet in Orten, wo dieser Betrieb die einzige Verdienstmöglichkeit war, einfach eine Katastrophe für die ganze betroffene Bevölkerung. Die Regierungserklärung geht über die Frage, die für Zehntausende die nackte Existenzfrage bedeutet, mit einem einzigen Satz hinweg, nämlich: "Insoferne sich bestimmte Schwierigkeiten infolge der Änderungen im internationalen Handel und in den handelspolitischen Beziehungen ergeben, wird die Regierung bestrebt sein, die Umstellung der Produktion zu ermöglichen". Wir haben wohl mit Recht erwartet, daß sich die Regierung über diese Bestrebungen konkreter ausdrükken würde. Wir haben anläßlich der Verlegung der Rothau-Neudeker Eisenwerke seitens unseres Klubs eine Interpellation an die Regierung gerichtet, worin die Regierung gefragt wird, was sie zu tun gedenkt, um der betroffenen Bevölkerung in den Bezirken Graslitz und Neudek neue Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Es wurde bisher weder unsere Interpellation durch die Regierung beantwortet, noch wurde seitens der Regierung etwas getan, diese gerechte Forderung zu erfüllen.

Als weitere Ursache dafür, daß die Massennot bis heute einen so großen Umfang erreichen konnte, möchte ich die ungenügende soziale Hilfe durch die Regierung bezeichnen. Es muß Grundsatz jeder echten Sozialpolitik sein, in erster Linie den Bedürftigsten zu helfen. Wenn der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung darauf hinweist, daß es ein erfreuliches Zeichen gegenseitiger Solidarität und wirtschaftlicher Gemeinbürgschaft wäre, wenn der Gedanke, den durch die Krise Betroffenen zu helfen, lebendigen Boden und wirksames Verständnis im Interesse des wirtschaftlichen Ganzen auch bei jenen Faktoren fände, die durch die gegenwärtige Krise entweder überhaupt nicht oder nur im unbedeutenden Maße betroffen sind, damit die durch die unverschuldete wirtschaftliche Störung Betroffenen nicht in allem auf die Hilfe des Staates und auf öffentliche Mittel angewiesen wären, so hat nach meiner Meinung dieser Appell nur problematischen Wert. Die Erfahrung hat gelehrt, daß gerade die Kreise, an die der Appell des Ministerpräsidenten gerichtet ist, am wenigsten geneigt sind, aus eigener Initiative oder aus Solidaritätsgefühl sich Opfer aufzuerlegen. Von diesem urchristlichen Grundsatz, dem darbenden Mitmenschen vom eigenen Überfluß zu helfen, dessen Befolgung da der Herr Ministerpräsident verlangt, sind die Besitzenden von heute leider größtenteils weit entfernt. Im Gegenteil. Gerade die selbst von der Not hart Betroffenen haben herrliche Beispiele opferfreudiger Solidarität und wahrhafter Nächstenliebe gezeigt. Und wenn diese heute nach der Hilfe der Staatsgewalt rufen, so eben hauptsächlich deshalb, weil die zum Zwecke der Ausübung der Solidarität geschaffenen Selbsthilfeinstitutionen nicht mehr ausreichend sind. Das klare Zahlenbild, das uns als Ergebnis der Haager Konferenz erscheint, ermöglicht auch in der Èechoslovakei eine vollständige Änderung der staatlichen Finanzpolitik. Die ziemlich großen Reserven, welche vordem angesammelt werden mußten, um einerseits die Währung zu stützen und andrerseits für die Begleichung der Schuldenlast aus dem Weltkriege, deren Höhe bis zur Haager Konferenz ja unbekannt war, zu sorgen, sind nunmehr durch das günstige Ergebnis vom Haag größtenteils frei geworden. Die Optimisten, welche geglaubt haben, daß diese nunmehr frei gewordenen Gelder in erster Linie zur Linderung der Wirtschaftsnot Verwendung finden werden, sehen sich heute arg enttäuscht. Das, was die gegenwärtigen Regierungsklassenparteien uns als die Erfolge ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik aufweisen können, entpuppt sich bei näherer Betrachtung nur als ein Kampf um die Verteilung dieser frei gewordenen Gelder zum Zwecke der Befriedigung egoistischer Sonderwünsche der einzelnen Klassenparteien. Dabei haben auch die deutschen Regierungsparteien die nationale Seite der èechoslovakischen Wirtschaftspolitik gänzlich übersehen. Mit ihrer Zustimmung wurden einer kleinen Gruppe èechischer Banken 300 Millionen aus Staatsmitteln bewilligt. Diese Stärkung der èechischen Geldmacht durch allgemeine Mittel hat ja letzten Endes dazu geführt, daß wir Sudetendeutschen immer mehr und mehr in die Abhängigkeit des èechischen Kapitals geraten sind und heute über keine wesentliche wirtschaftliche Position mehr verfügen. Das sudetendeutsche Volk ist bettelarm geworden und die Živnostenská banka hat in diesem Staate die nationale Frage so gut wie entschieden.

In der Regierungserklärung wird mit keinem Worte der Tatsache Erwähnung getan, daß gerade die Deutschen in diesem Staate das Mehrfache der Krisenlasten zu tragen haben. Die Èechen halten selbstverständlich die Utopie der Nationalstaatsidee auch als richtunggebend für die Wirtschafts- und Sozialpolitik in diesem Staate. Daß dies möglich ist, ist wohl der deutlichste Beweis für die Einflußlosigkeit und die Bedeutungslosigkeit der deutschen Regierungsparteien.

Aus dem bisher Gesagten ergeben sich zwangsläufig einmal unsere Einstellung zur gegenwärtigen Regierung und dann unsere Forderungen an dieselbe. In wirtschafts- und sozialpolitischer Hinsicht formulieren wir unsere Forderungen nach zwei Seiten: zunächst Hilfe für die Opfer der Krise. Die Arbeitslosigkeit wurde auch in der Regierungserklärung als die drückendste Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise bezeichnet. Wir stimmen dem zu und erheben daher als dringendste Forderung die nach ausgiebiger Hilfe für die Arbeitslosen. Es muß als Verhöhnung empfunden werden, wenn die Regierung in ihrer letzten Erklärung ausspricht, daß darüber erwogen werden soll, in welcher Weise den durch die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung und des Staatsbeitrages in eine drückende Situation geratenen Gewerkschaften Hilfe gebracht werden soll. Schon vor Monaten waren es die Textilarbeiterverbände, welche als die von der Krise am meisten Betroffenen der Regierung auf Grund einwandfreier Beweise klarlegten, daß ihre Kräfte erschöpft sind, und die der Regierung ganz konkrete Vorschläge über die Art der Hilfe unterbreitet haben. Als unmittelbare Folge dieser Aktion kam das Gesetz über den 150 Millionenkredit, über dessen Durchführung sich anscheinend die Regierung noch nicht klar geworden ist. Unsere Partei hat bei Behandlung dieses Gesetzes den Antrag gestellt, es möge eine interparlamentarische Kommission eingesetzt werden, welche die Verwendung dieser 150 Millionen zu bestimmen und zu überwachen hat. Dieser Antrag wurde seitens der Regierungsmehrheit abgelehnt und heute zeigt es sich bereits, daß die Gewerkschaften zwar die Anreger für die Krisenhilfe gewesen sind, die Nutznießer hievon jedoch in anderen Kreisen zu suchen sein werden. Nach den bisherigen Verlautbarungen sollen von den 150 Millionen zur Sanierung der Arbeitslosenfonds der Gewerkschaften ganze 5 Millionen zur Verfügung gestellt werden, während nach den einwandfreien Ausweisen der Gewerkschaften die Arbeitslosenkassen der Textilarbeiterverbände a!lein bereits ein Defizit von rund 15 Millionen haben. Es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis die durch die Wirtschaftskrise ebenfalls hart bedrängten Berufsorganisationen aus einer ganzen Reihe anderer Industriezweige die gleichen Forderungen an die Regierung werden stellen müssen. Es ist wahr, daß unter der gegenwärtigen Wirtschaftskrise alle Erwerbsgruppen mehr oder weniger schwer zu leiden haben, allein keiner dieser Standesgruppen geht es so unmittelbar an ihre nackte Existenz, als wie den Arbeitern. Und keine andere Gruppe kann so einwandfrei, zahlenmäßig den Tiefstand ihrer Existenz nachweisen, als es die Arbeitnehmer durch ihre Gewerkschaften heute in der Lage sind. Wir können daher es nicht unwidersprochen zulassen, daß die Regierung erst zu erwägen gedenkt, auf welche Weise den Gewerkschaftsorganisationen Hilfe gebracht werden soll, sondern müssen mit allem Nachdruck fordern, daß den Gewerkschaften die Möglichkeit geboten wird, ihren Verpflichtungen gegenüber den Arbeitslosen voll und ganz nachzukommen. (Výkøiky posl. dr Luschky.)

Im "Sozialdemokrat" vom 4. d. M. preist ein Artikelschreiber es als große sozialpolitische Errungenschaft dieser Regierung, daß heute ein Arbeitsloser auf eine dreimal so lange Unterstützungsdauer gesetzlichen Anspruch hat, als dies beim Antritt der gegenwärtigen Regierung der Fall war. Das Ministerium für soziale Fürsorge hat zwar verordnet, daß für gewisse Industriezweige, wie die Textil-, Leder-, Metall- und Papierindustrie usw. die Bestimmungen der Novelle zum Genter System, betreffend die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung für die Dauer eines dritten Vierteljahres, Anwendung finden sollen. Die Gewerkschaften jedoch mußten als Durchführungsorgane dieses Gesetzes erklären, daß sie von dieser Berechtigung insolange keinen Gebrauch machen können, als die Regierung den Gewerkschaften nicht bestimmte Garantien für die Möglichkeit der Durchführung dieser Verordnung geben kann. Ich frage: Was nützt also dem Arbeitslosen der gesetzliche Anspruch auf eine verdreifachte Unterstützungsdauer, wenn dem Durchführungsorgan dieses Gesetzes, der Berufsorganisation, hierzu die finanziellen Mittel fehlen? Es ist gewiß nicht Schadenfreude, wenn ich heute darauf verweise, daß die Entwicklung der Verhältnisse meiner, anläßlich der Novellierung des Genter Systems hier im Hause ausgedrückten Meinung Recht gegeben hat, daß gerade die Bestimmungen über die sogenannte Krisenfürsorge wegen ihrer Undurchführbarkeit lediglich papierene Bestimmungen bleiben müssen. Die Vorschläge der Gewerkschaften sind an und für sich nichts Neues. Sie beinhalten nur Forderungen, welche andere Staaten unter dem Druck der allgemeinen Wirtschaftskrise den Gewerkschaften gegenüber schon lange erfüllt haben. Belgien, Holland, Dänemark und die Schweiz haben in den letzten Jahren bereits Millionenbeträge für die Arbeitslosenkassen der Gewerkschaften aus Staatsmitteln ausgegeben.

Wir erwarten ferner von der Regierung, daß sie ihr besonderes Augenmerk einem vorbeugenden Schutz der Krisenopfer zuwendet. So urgieren wir dringend die Vorlage eines Gesetzes über Kündigungsschutzbestimmungen für die alten Arbeiter und Angestellten. Desgleichen fordern wir eine gesetzliche Erschwerung der Frauenarbeit, wodurch durch vermehrte soziale Schutzbestimmungen den Unternehmern der Anreiz zur Bevorzugung der billigen Frauenarbeit genommen werden soll. Die ungewöhnlich hohen Anforderungen, welche während der Dauer der Krise durch die Verpflichtungen gegenüber den arbeitslosen Mitgliedern an die Gewerkschaften gestellt werden, haben zur Folge, daß die Berufsorganisationen manche wichtige Aufgabe, so unter anderem auch das Streben nach Hebung des Reallohnes, hintansetzen müssen. Trotz der großen immer fortschreitenden Verelendung der Arbeitnehmermassen ist von Seiten der Unternehmer die Absicht immer klarer erkennbar, die wirtschaftliche Schwäche der Arbeitsnehmerorganisationen auszunützen und die ohnehin kargen Löhne noch tiefer zu senken. Erleichtert wird diese Absicht der Unternehmer noch durch das gänzliche Fehlen eines gesetzlichen Schutzes der Kollektivverträge. Wenn heute die Belegschaft eines Betriebes vor die Alternative gestellt wird, einem 15 oder 20% igen Lohnabbau zuzustimmen oder der eventuellen vollständigen Sperrung des Betriebes entgegensehen zu müssen,- so kann wohl niemand behaupten, daß ein unter solchem Druck eventuell von der Arbeiterschaft abgeschlossenes Vertragsverhältnis noch etwas mit einem freien Arbeitsvertrage gemein hat. Wohl die meisten dieser sogenannten freien Arbeitsverträge, wie sie gegenwärtig in Zeiten dieser Wirtschaftskrise abgeschlossen werden, hätten die Überprüfung durch ein unparteiisches, gesetzlich verankertes Einigungs- und Schlichtungsamt notwendig.

Auch die Regelung des Arbeitsmarktes durch gesetzlichen Ausbau der Arbeitsvermittlung ist unter den heutigen Verhältnissen ein Gebot der Stunde.

Gewiß ernst zu nehmende Wirtschaftspolitiker vertreten heute die Ansicht, daß der schematische Achtstundentag bereits als überholt zu betrachten sei und eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit das einzige Ventil darstelle, durch das der heutige unnatürliche Druck auf dem Arbeitsmarkte abzuleiten ist. Es ist ganz klar, daß dieses Problem nur international erwogen und einer Regelung zugeführt werden kann. Was jedoch durch innerstaatliche Regelung gefordert und erreicht werden kann, ist: durch möglichste Beschränkung von Überstundenbewilligungen - auch in den kleinen und gewerblichen Betrieben und durch Einführung und strenge Überwachung der allgemeinen Sonn- und Feiertagsruhe die Möglichkeit von Wiedereinstellungen Beschäftigungsloser zu schaffen. Wenn die Regierungserklärung darauf verweist, daß für die Verköstigungs- und Bekleidungsaktion für die Arbeitslosen bisher 24 Millionen Kè aufgewendet worden sind, so müssen wir auch diese Hilfe als ungenügend bezeichnen, Wir wissen, daß selbst wenn wir die Verdoppelung dieses Betrages fordern, auch dann noch nicht alle Arbeitslosen mit den Lebensmittelkarten im Minimalwerte von 10 Kè wöchentlich beteilt werden können. Bei dieser Gelegenheit bringen wir auch der Regierung den von unserer Partei im Senate eingebrachten Antrag auf Verdoppelung der Unterstützung für die Überalten in Erinnerung.

Bei der Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten stellen wir an die Spitze unserer Forderungen das Verlangen nach sofortiger Aufnahme der Verhandlungen über den Abschluß eines günstigen Handelsvertrages mit Ungarn und beschleunigter Fortsetzung der Verhandlungen mit Deutschland und Südslavien. Zur endlichen Belebung des Inlandsmarktes verlangen wir die sofortige Ausschreibung von Staatslieferungen unter gerechter Berücksichtigung der deutschen Industrie. Es wäre gewiß interessant zu erfahren, wieviele von den 1278 öffentlichen Bauherren, von denen die Regierungserklärung spricht, Deutsche waren, und welcher Anteil von den 21·5 Millionen Kè, die für die produktive Arbeitslosenfürsorge bewilligt wurden, auf deutsche Gebiete entfällt.

Wir vermissen ferner in der Regierungserklärung konkrete Angaben bezüglich eines großzügigen Investitionsprogrammes. Die für Investitionen vorgesehenen 2 Milliarden im Voranschlag für das Jahr 1931 sind in Anbetracht der großen Aufgaben, die der Regierung durch die Wirtschaftskrise in dieser Hinsicht erwachsen, ungenügend. Über die Bereitwilligkeit der Regierung zur Aufnahme einer Investitionsanleihe hüllt sich die Regierungserklärung in vollkommenes Schweigen. Und doch sind diese Aufgaben so brennende und viele. Wir verweisen nur auf den Zustand unserer Bahnen und Bahnhöfe und unserer Straßen. Die Schiffbarmachung der Oder von Mähr. Ostrau zur Landesgrenze, die Anlegung eines Oderhafens, der Bau der Talsperre bei Mohra, die Regulierung der Eger, die Rekultivierung der durch den Bergbau verwüsteten Gebiete sind nur einige konkrete Vorschläge, die in diesem Investitionsprogramm Aufnahme finden könnten und die nicht nur beitragen würden, im Augenblick für ganze Gebiete das Gespenst der Arbeitslosigkeit zu bannen, sondern auch in der Zukunft als produktive Ausgaben gerechtfertigt werden können.

Der "Sozialdemokrat" vom 4. d. M. überschreibt seinen Komentar zur Regierungserklärung mit den Worten: Nun zur Tat! Wir hoffen, daß diese Parole einer Regierungspartei nunmehr auch zum Leitsatz der Gesamtregierung erhoben wird. Der Aufgaben sind genug.

Eines aber ist zu bedenken: Wir werden die Wirtschaftskrise nicht überwinden, wenn es uns nicht gelingt, auf dem Weltmarkte konkurrenzfähig zu werden und zu bleiben. Bei dem heutigen Überangebot an Erzeugnissen wird immer die Qualitätsware an erster Stelle den Platz auf dem Weltmarkte behaupten. Die Regierung möge nicht vergessen, daß dieser Grundsatz der Privatwirtschaft auch Geltung hat im Wirtschafts- und sozialpolitischen Betriebe eines Staates. 98 Gesetze, davon 89 wirtschafts- und sozialpolitischen Charakters, hat die Gesetzesfabrik des Èechoslovakischen Staates während der 13monatigen Tätigkeit der jetzigen Regierung produziert. Die Überzeugung, daß auch hier die Quantität nicht den Mangel an Qualität ersetzen kann, veranlaßt meine Partei, die vorgelegte Regierungserklärung abzulehnen und dieser Regierung das Vertrauen zu versagen. (Potlesk.)

2. Øeè posl. Jelinka (viz str. 14 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich möchte vorerst namens der deutschen Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft unserem tiefsten Bedauern über die blutigen Vorkommnisse der letzten Tage Ausdruck geben und halte es für selbstverständlich, daß, wenn schon militärischer Sukkurs herangezogen wird, der Auftrag erteilt wird, mit der nötigen Schonung für Menschenleben vorzugehen. Aber wir können die Veranstalter dieser Demonstrationen nicht von aller Schuld freisprechen und halten den Weg, den sie zu betreten scheinen, nicht für den richtigen, ihren Anhängern zu helfen. Aber wir machen die Regierung aufmerksam, diese Stimmung in der Bevölkerung zu beachten und ihre Maßnahmen dagegen zu ergreifen.

Hohes Haus! Anläßlich der in der Vorwoche stattgefundenen Verhandlung über den Handelsvertrag mit Chile sind die Redner, die hiebei alle Erscheinungen des öffentlichen Lebens in den Kreis ihrer Erörterungen gezogen, über die Handelsverträge und über die Arbeitslosigkeit gesprochen haben, der Regierung zuvorgekommen, die erst - man könnte sagen vor wenigen Stunden - ihre die Lage erörternde Erklärung in diesem Hause vortrug. Sie alle wissen, daß die ganze Öffentlichkeit dieser Erklärung mit großer Spannung entgegensah, weil die tatsächlich trostlosen und desolaten Verhältnisse ein entschiedenes Vorgehen seitens der Regierung erwarten ließen, aber die Erwartungen, die wir an die Regierungserklärung geknüpft haben, sind nicht in Erfüllung gegangen und man kann ruhig sagen, daß die Regierungserklärung fast alle Kreise des öffentlichen Lebens enttäuscht hat.

Die Erklärung enthält nichts, wovon die Redner dieses Hauses, namentlich die Redner der Vorwoche, nicht auch schon gesprochen hätten. Sie enthält keine positiven Vorschläge, nichts, das man als neue verheißungsvolle Idee bezeichnen könnte. Man hat tatsächlich von der Erklärung etwas anderes erwartet, und mit Betrübnis müssen wir konstatieren, daß die vom Herrn Ministerpräsidenten vorgetragene Erklärung die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hat. Der Herr Ministerpräsident beruft sich auf seine im Oktober vorigen Jahres im Senat abgegebene Erklärung. Ich erinnere mich deutlich an die von ihm damals gesprochenen Worte. Er sagte, die Regierung habe mit Umsicht und Tatkraft die Erscheinungen des öffentlichen Lebens verfolgt und wolle auch weiter mit Umsicht und Tatkraft ihres verantwortungsvollen Amtes walten. Es ist schon damals bei der Kritik dieser Erklärung gesagt worden, daß Umsicht und Tatkraft nicht genügt haben, um die Krise zu mildern und die Situation, in der wir heute leben zu bessern. Seit dieser Zeit sind Monate ins Land gezogen, andere Ereignisse eingetreten, denen man seitens der Regierung hilf- und ratlos gegenüber steht. Die Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit sind in erschreckender Weise gestiegen, sind Probleme von nie dagewesener Schwere geworden und die Regierung kann nichts anderes vorsorgen, als was seit einem Jahr von den Mitgliedern dieses Hauses verlangt wird. Freilich sagte der Herr Ministerpräsident, es bedürfe zur Linderung und Beseitigung der Wirtschaftskrise und ihrer Folgen hierzulande auch der Ruhe und Ordnung. Im Jahre 1930 versprach er Umsicht und Tatkraft als das Heilmittel, heute verlangt er Ruhe und Ordnung. Ob das die richtigen Medikamente sind, mit denen man die so schwere wirtschaftliche Krankheit heilen kann, ob man damit die Arbeitslosigkeit und alles was drum und dran hängt beseitigen kann, ist allerdings zweifelhaft.

Der Herr Ministerpräsident nennt mit vollem Recht die Arbeitslosigkeit die drückendste Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise. Die Regierung hat aber diese Katastrophe voraussehen müssen, als dort und hier Fabriken stillgelegt, Betriebe eingestellt wurden, die Schlote zu rauchen aufhörten. Warum hat man nicht damals sofort mit der systematischen Investitionspolitik begonnen, warum hat man die zwei Milliarden, die der Voranschlag für 1931 enthält, nicht sofort rollen und in die Bevölkerung kommen lassen? Muß denn zuerst immer ein Unglück geschehen, bevor man die schadhafte Brücke reparieren läßt? Auch jetzt, wo das öffentliche Leben, wie wir in den letzten Tagen gesehen haben, bedenkliche Formen annimmt - und es ist zu befürchten, daß es damit nicht sein Bewenden haben wird - geht man nicht daran, die längst geplanten Arbeiten zu beginnen, sondern setzt eine Kommission ein, die erst studieren, beraten und vielleicht zum Schluß nach längerer Zeit auch Arbeiten vergeben soll. Ich möchte mir hiebei aber die Bemerkung erlauben, daß die Wirtschaftskommission, die beim Völkerbund in Genf etabliert ist, mit schlechtem Beispiel vorangeht. Auch dort kennt man die allgemeine Misere des Kontinentes, aber auch dort weiß man sich nicht anders zu helfen als Subkommissionen zu wählen und Berichterstatter zu ernennen, mit anderen Worten, Zeit zu vergeuden, statt der Öffentlichkeit zu helfen.

Der Herr Ministerpräsident hat in der Regierungserklärung auch die Länder, Bezirke und Gemeinden beschworen alle Kräfte aufzuwenden, um die Arbeitslosigkeit zu lindern. Es ist aber bekannt, daß die Voranschläge der Länder, Bezirke und Gemeinden seitens der Regierung in unverantwortlicher Weise gekürzt wurden, daß diese Körperschaften daher heute nicht über die nötigen Mittel verfügen um die Arbeit durchzuführen. Seit 15. Dezember, an welchem Tage der Vertrag mit Ungarn ablief, ist die Arbeitslosigkeit in erschreckender Weise gestiegen und sie ist heute wohl das schwerst zu lösende Problem.


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