Ètvrtek 29. ledna 1931

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen möchte ich mich den hierzulande herrschenden Verhältnissen auf wirtschaftlich em Gebiete zuwenden. Alle unsere schon vor Jahresfrist gestellten Forderungen nach Schaffung von Arbeitsgelegenheit, Förderung der Exportindustrie durch Abbau der Handelssteuern, Gewährung billiger langfristiger Kredite, Einstellung der ungeheuerlichen Steuereintreibungsmethoden, die besonders bei dem mittleren Handels- und Gewerbestand geradezu katastrophale Folgen herbeigeführt haben, sind bewußt überhört worden und heute stehen wir mitten in dieser Katastrophe und was ich nachdrücklich nochmals feststellen muß - gleichzeitig bei völliger Tatenlosigkeit der Regierung. Ich will heute nur auf die Hungergebiete im Erzgebirge hinweisen, auf die Ruinen von Rothau, Schindelwald und Neudek, die große Zahl stillgelegter Fabriksbetriebe in Graslitz, Weipert und Asch und wäre ich in der Lage, eine endlose Reihe solcher Orte aus dem ganzen sudetendeutschen Sprachgebiete anzuführen. Täglich kommen neue Hiobsposten, und am unverzeihlichsten ist es, wenn man feststellen muß, daß auch Fabriksbetriebe stillgelegt und tausende Arbeiter entlassen werden müssen, die man offen als Opfer der Profitgier des Bankkapitals und der rücksichtslosen Steuereintreibungsmethoden bezeichnen muß.

Erst gestern wieder ist mir ein Fall aus Weipert gemeldet worden, der klar erkennen läßt, daß die unersättlich en Bankhyänen ohne jede Einsicht sind und die Stillegung von Betrieben erzwingen, die bei einiger Einsicht und Entgegenkommen auch weiterhin hunderten arbeitswilligen Menschen Brot und Verdienst schaffen könnten. Hier ist es Pflicht und Aufgabe der Regierung, mit aller Beschleunigung einzutreten und vor allem auch Pflicht des Fürsorgeministers einzugreifen und solche Banken zu zwingen, der katastrophalen Wirtschaftslage Rechnung zu tragen und nicht noch das Unheil mutwilligerweise vergrößern zu helfen. Hier hätte man mit dem 150 Mill.-Krisenfond sofort einzugreifen, um lebensfähige Industrien zu erhalten und die mutwillige Vergrößerung des Arbeitslosenheeres zu verhindern. Vorbeugende soziale Hilfe muß die Losung heißen, nicht Bettelunterstützungen. Seit der Gründung des Staates sind Milliardenbeträge zur Sanierung verkrachter èechischer Banken aufgewendet worden, die aus eigener Schuld ihren Zusammenbruch herbeigeführt haben, weil sie nur von dem nationalistischen Bestreben geleitet waren. Hand zu legen auf deutsche Industriebetriebe und infolge dieser verfehlten Spekulation in Schwierigkeiten geraten sind. Heute ist es Pflicht der Regierung, unverzüglich durch Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten, aber auch, was mir bedeutend wichtiger erscheint, durch Erhaltung bestehender Arbeitsmöglichkeiten, die Arbeitsplätze sichern zu helfen.

Koll. Dr. Keibl hat vorgestern durch Antragstellung Mittel und Wege gewiesen zur Bereitstellung der dazu gewiß notwendigen großen Beträge. Aufgabe der Regierung wäre es, sofort an die Durchfüh rung dieser Anträge zu schreiten und vor allem anderen augenblicklich eine Stelle zu schaffen, die allen in Not geratenen Unternehmern die sofortige Möglichkeit böte, schon bei den jetzt täglich schwebenden Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Banken der Krisenbeihilfe teilhaftig zu werden. Das Eingreifen der Regierung allein würde oft genügen, bei erträglichen Bedingungen die Fortführung der Betriebe zu ermöglichen. Zehntausende Arbeiter könnten so vor der größten Not gerettet werden und die vorhandenen Unterstützungsgelder könnten schon längere Zeit Arbeitslosen zugewendet werden. Daneben wäre es notwendig, daß die Regierung umgehend daran geht, die Staatsaufträge unter gerechter Berücksichtigung der Wirtschaft und möglichst auf 2 bis 3 Jahre im vorhinein sofort zu vergeben, um Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Aber auch bei Vergebung von Bauten und öffentlichen Arbeiten müssen in Zukunft in erster Linie die im Gebiete ansässigen Unternehmer Berücksichtigung finden.

Es sei mir bei dieser Gelegenheit gestattet, auf einen in wenigen Wochen zur Vergabe gelangenden großen Bau hinzuweisen und zwar auf die seit Jahrzehnten angestrebte, dem Schutze des Weltkurortes Karlsbad dienende Talsperre. Die Begleitumstände zwingen mich, von dieser Tribüne aus zu dieser Frage Stellung zu nehmen, weil, so unglaublich es klingen mag, hier Einflüsse am Werke sind, die jedem wirtschaftlichen Empfinden geradezu ins Gesicht schlagen. Die Ausschreibung der Vergebung der Talsperre ist bekanntlich vor mehreren Monaten erfolgt und nunmehr soll an die Vergebung des Baues geschritten werden. Die Anbotfirmen haben Anbote von 21 1/2 Mill. beginnend bis ungefähr 38 Millionen gelegt. Unter den Anboten ist eines, das ungefähr auf den Betrag von 27 1/2 Mill. lautet, die nächsten Anbote halten bei der Summe von 32 1/2 Millionen. So sehen wir also hier eine Differenz von 5 Millionen Kè klaffen. Dazu muß ich bemerken, daß Bezirk und Stadt Karlsbad zu diesem Baue, der rund 30 Millionen verschlingen wird, 14 Mill. d. h. 40% beitragen müssen. Es ist für die Bevölkerung von Karlsbad selbstverständlich nicht gleichgültig, wem dieser Bau vergeben wird, weil die verantwortliche Stelle - und das ist die Stadtvertretung von Karlsbad - mit Recht sich auf den Standp nkt stellt, daß bei Gewähr gleich einwandfreier technischer und sachlicher Durchführung des Baues auch die Höhe der Anbotsumme bei der Vergebung entscheidend ins Gewicht fallen müsse. Wir müsen leider feststellen - es sickert immer mehr und mehr durch - daß sich einzelne Staatsorgane auf den Standpunkt stellen, daß diese Differenz von 5 Mill. eigentlich keine Rolle spiele. Auf der anderen Seite sehen wir, wie der Finanzminister Engliš immer wieder predigt: Sparen, sparen, sparen! und er fordert dieses Sparen in erster Linie immer wieder von den autonomen Körperschaften. Jetzt ist endlich dem Finanzminister Dr. Engliš die Gelegenheit geboten, seiner Losung "Sparen" zum Durchbruch zu verhelfen. Für Karlsbad ist es nicht gleichgültig, ob dieser Bau zu einer Anbotsumme von 32.5 oder von 27.5 Millionen vergeben wird. Die Forderung der Karlsbader Stadtvertretung ist nur zu berechtigt, daß aus wirtschaftlichen Gründen die Zuteilung des Baues an jene Firma zu erfolgen habe, die bei vollkommener Gewähr tadelloser technischer und sachlicher Durchführung des Baues 5 Millionen weniger verlangt, weil dadurch die Möglichkeit für die Karlsbader Gemeinde geboten ist, 2 Mill. in Ersparung zu bringen, welcher Betrag bei der so schweren Krisenzeit zu Gunsten der Arbeitslosen anderweitig Verwendung finden kann. Der Staat würde außerdem 3 Millionen Kronen ersparen.

Weiter müssen wir von der Regierung fordern, daß endlich einmal mit Beschleunigung an die Ausarbeitung eines großzügigen Bauprogramms unter besonderer Berücksichtigung der notleidenden Gebiete geschritten werde. Ich möchte die Aufmerks amkeit der Regierung auf die seit Jahren erhobene und immer noch unberücksichtigt gebliebene Forderung nach Schiffbarmachung und Regulierung der Eger lenken. Durch die Aufnahme der Eger in das Wasserstraßenprogramm und eine rasche Inangriffnahme des Baues könnte in umfassender Weise produktive Arbeitsgelegenheit geschaffen werden. Es ist selbstverständlich klar, daß wir solche ähnliche Wünsche für das ganze deutsche Sprachgebiet haben.

Eine weitere grundsätzliche Forderung geht dahin, daß in Zukunft bei Neubesetzung von Posten aller Kategorien im Staatsdienste und bei allen Stattsbetrieben der Bevölkerungschlüssel einzuhalten ist. Die vollständige Unzulänglichkeit des in Geltung stehenden Arbeitslosenunterstützungssystems ist ja heute allseitig anerkannt. Nun gilt es aber auch, die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen und unverzüglich alle Vorkehrungen zu treffen, damit allen Arbeitslosen die Arbeitslosenunterstützung, also auch den nicht organisierten, sofort zur Auszahlung gebracht werben kann. Bei den Arbeitsvermittlungsstellen ist dafür Sorge zu tragen, daß die Zuteilung von Arbeit nicht nach politischen Gesichtspunkten erfolge, sondern daß volle Gleichberechtigung platzgreife. (So ist es!)

Es ist nur allzubegreiflich, daß als weitere Folge dieser entsetzlichen Arbeitslosigkeit, die wir im deutschen Gebiete zu verzeichnen haben, eine schwere Krise über den Handelsund Gewerbestand hereingebrochen ist, und es ist ungeheuerlich, daß gerade in diesem Zeitpunkte die Finanzbehörden mit den ungeheuerlichsten rigorosesten Maßnahmen gegen die Steuerrückständigen vorgehen. Ich möchte heute nur die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Vorgänge lenken, die sich in der letzten Woche in Drahowitz bei Karlsbad abgespielt haben, wo man von morgen früh bis abend ständig ein großes Lastauto in Bewegung sieht, das von Haus zu Haus fährt und das Arbeitsmaterial des Kleingewerbetreibenden und des Kaufmanns auflädt und zur Veräußerung bringt. Alle bisher unternommenen Schritte in der Richtung, in Karlsbad dem Steuerdirektor Einhalt zu gebieten, sind bisher erfolglos geblieben.

Neben all den Augenblicksmaßnahmen wird man aber endlich daran denken müssen, auch allen Bestrebungen nach Abbau der Ursachen der Weltwirtschaftskrise in der Innen- und Außenpolitik des Staates Rechnung zu tragen. Böhmen ist und bleibt ein Herzstück Mitteleuropas und die verantwortlichen Staatsmänner werden endlich auch in ihrer politischen Einstellung dieser Tatsache Rechnung tragen müssen. Wer ernstlich die Konsolidierung Mitteleuropas will, wer ernstlich an der Sicherung des Weltfriedens arbeiten will, wer ernstlich zur Behebung der Wirtschaftskrise beitragen will, muß endlich auch bereit sein, alle Hemmnisse, die einer solchen Entwicklung entgegenstehen, aus dem Wege zu räumen. Welch ungeheuere Verluste infolge der bisherigen verfehlten Außen- und Handelspolitik eingetreten sind, lassen sich ermessen, wenn man sich das diesbezügliche, in einem lehrreichen Schriftchen von Ing. Emil Hudler zusammengestellte Ziffernmaterial vor Augen führt, mit welchem nur die Textilindustrie erfaßt wird. In der unter dem Titel "Verlorene Milliarden" erschienenen Schrift wird der Nachweis geführt, daß der im ersten Jahrzehnt durch diese unselige Politik erzwungene Abbau der Textilindustrie allein einen Verlust an Unternehmergewinn in der Höhe von 8.000 Millionen und einen Verlust an Arbeiterlohneinkommen von 14.200 Millionen zur Folge hatte. Man kann sich lebhaft die Auswirkungen dieses Ausfalles für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe in diesen Gegenden ausmalen. Es entspricht dies 160.000 Arbeitslosen. Der Staat selbst ist hier bei der Textilindustrie mit einem Ausfall für Porti, Steuern, Frachtgebühren, Versicherungsbeiträgen für Unfall-Sozialversicherung und ähnliches mit 22.4 Milliarden beteiligt. Wir haben also nach dieser Zus ammenstellung mit einem Gesamtausfall von 50 Milliarden zu rechnen, die dem Wirtschaftskreislauf entzogen wurden. Da die Auswanderungsmöglichkeit in der Nachkriegszeit fast vollständig unterbunden ist, ist es doch die Pflicht der Regierenden, dafür Sorge zu tragen, daß die Bevölkerung wieder dauernd Brot und Arbeit findet. Es war und ist daher unverantwortlich, die Exportindustrie durch eine verfehlte Zoll- und Handelspolitik zum Erliegen gebracht zu haben, da ihre Erhaltung doch unbedingt leichter gewesen sein müßte, als nunmehr durch Schaffung neuer Arbeitsgelegenheit den arbeitslos gewordenen Menschen Brot, Arbeit und Verdienst zu schaffen.

Hier mitzuwirken erscheint mir bedeutend wichtiger, als alle Bemühungen des Außenministers nach Stützung und Förderung der französischen Hegemoniepolitik, nach Verhinderung der Durchführung des Abrüstungsverpflichtungen und der Förderung aller minderheitenfeindlichen Maßnahmen. Seine Aufgabe wäre es, gerade mit Hilfe seiner handelspolitischen Abteilung dafür Sorge zu tragen, daß endlich mit aller Raschheit die Handelsvertragsverhandlungen aufgenommen und durchgeführt werden, um wenigstens auf diesem Gebiete eine geordnete Entwicklung in die Wege zu leiten.

Und nun zum Schlusse. Die niedergetretenen und durch die Friedensdiktate vergewaltigten Volksrechte werden sich, wenn auch nur langsam, aber doch durchsetzen. Die Vorgänge bei der letzten Völkerbundsratstagung, die Stellungnahme zum polnischen Vergewaltigungssystem läßt erkennen, daß sich hier langs am eine Wendung zum Besseren vorbereitet. Freilich sind wir weit davon entfernt zu glauben, daß der Völkerbund in seiner heutigen Verfassung und Zusammensetzung überhaupt in der Lage ist, zu einer wirklichen Befriedung Europas zu führen, besonders solange die einflußreichsten Staaten zielbewußt ihre ganze Macht in entgegengesetzter Richtung in die Wagschale werfen. Schon die Stellungnahme dieser Siegerstaaten und Auchsiegerstaaten mit Ausnahme Italiens zur Abrüstungsfrage läßt erkennen, daß man mit allen Mitteln einer wahren Demokratisierung Mitteleuropas, die doch nur auf dem Boden der Gleichberechtigung aller Völker herbeigeführt werden kann, widerstrebt und nichts mehr fürchtet als den Augenblick, der ein Europa gleichberechtigter Völker heraufführen könnte. Und doch ist diese Gleichberechtigung die Voraussetzung der auch von den Gegnern angeblich erstrebten Zusammenfassung Europas in einem wirtschaftlichen Paneuropa, als dem Vorläufer der Vereinigten Staaten von Europa.

Ich bin der festen Überzeugung, daß das heute noch aufgerichtete Gewaltsystem, auf gerichtet von kurzsichtigen Staatsmännern und leider auch heute noch von grundsätzlich demokratisch eingestellten Parteien gefördert, hoffentlich nicht zu spät von allen Völkern erkannt und vielleicht infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise, deren Ende noch nicht abzusehen ist, bald gestürzt werden wird, um einer freien Entwicklung der Völker und ihrem freiwilligen Zusammen schluß zu größeren Wirtschaftseinheiten die Bahn frei zu machen, die allein eine wirks ame Bekämpfung der Krisenauswirkungen ermöglichen können.

Nicht auf demWege der modernen Sklaverei, wie sie die Nachkriegsepoche in die Wege geleitet hat, sondern nur auf dem Wege freier Entwicklung und voller nationaler Gleichberechtigung aller Völker ist dieser Gesundungsprozeß - soll Europa vor dem drohenden Chaos gerettet werden - herbeizuführen. Wer sich dieser Entwicklung, die sich selbstverständlich nur über eine friedliche und gerechte Revision der Friedensdiktate von Paris und deren Vororte ermöglichen läßt, entgegenstellt, muß offen als Friedensfeind gebrandmarkt werden. Wer dem nationalen Frie den, der heute von weiten Kreisen als Grundlage des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufstiegs erkannt wird, einen Hemmschuh in den Weg wirft, muß rücksichtslos bekämpft und trotz aller scheinheilig vorgebrachten Beteuerungen und demagogischen Mätzchen, so z. B. der Behauptung, daß nur die Unabänderlichkeit der Friedensdiktate den Frieden erhalten könne, als Wegbereiter zu weiterer wirtschaftlicher Verelendung und letzten Endes kriegerischer Entwicklung gebrandmarkt und bekämpft werden. Für uns Sudetendeutsche ist der Weg, den wir unbeirrbar zu gehen gewillt sind, klar vorgezeichnet: Freiheit der Völker, Gleichberechtigung der Völker, Zusammenarbeit der Völker, um in friedlicher Zusammenarbeit die Grundlagen der Überwindung der Wirtschafts- und sozialen Krise herbeizuführen und im friedlichen Wettstreite der ihr Schicksal selbst bestimmend en Völker, der gemeinsamen Wohlfahrt zu dienen. Unsere geopolitische Lage hat uns Sudetendeutschen eine besondere Aufgabe zugewiesen, deren Lösung fortgesetzte èechische Machtgier zwar hemmen, auf die Dauer aber nicht hindern kann. Wahres èechisches Volksinteresse würde es aber erfordern, in auf gegenseitiger Achtung aufgebauter Zusammenarbeit an der Lösung dieser großen Probleme mitzuarbeiten und nicht, wie bisher, sich hindernd in den Weg zu stellen. Je früher diese Erkenntnis auf èechischer Seiten reifen wird, desto früher werden unsere beiden Völker die Früchte dieser Arbeit zu ernten vermögen. (Potlesk.)

3. Øeè posl. Kaspera (viz str. 13 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Seit vielen Monaten herrscht in diesem Staate, so wie in vielen anderen, eine außerordentlich schwere Wirtschaftskrise, die bereits Hunderttausende von Arbeitslosen geschaffen hat und auf die auch die gegenwärtige Notlage der Kleinlandwirtschaft und der unaufhaltsam fortschreitende Zusammenbruch des Gewerbestandes zurückzuführen ist. Zahlreiche Betriebe und große Unternehmungen sind stillgelegt worden. Ganze Wirtschaftsgebiete und Industriezentren, allerdings fast ausschließlich deutsche, wurden insbesondere in den letzten Monaten brachgelegt. Solche außerordentliche Notzeiten erfordern unseres Ermessens auch außerordentliche Maßnahmen seitens der dazu berufenen Stellen. Man müßte daher annehmen, daß allen voran die Regierung sich dazu berufen fühlen würde, ihr Gesamtverhalten darauf einzurichten. Ihre Aufgabe wäre es den wahren Ursachen der herrschenden Krise nachzugehen und alles aufzubieten, um die ungeheuere Not zu lindern, die sich seit vielen Monaten der breitesten Massen der Bevölkerung bemächtigt hat.

Die Regierung scheint jedoch etwas anderer Meinung zu sein. Sie scheint entweder von der herrschenden Wirtschaftsnot nichts zu wissen, oder hat wichtigeres zu tun, als sich einer selbstverständlichen Pflicht gegenüber den Opfern der Wirtschaftskrise zu entledigen. Daß dem tatsächlich so ist, geht nicht nur aus der mehr als späten Einberufung des Hauses, sondern noch mehr aus der Inhaltslosigkeit der Tagesordnung für die erste Haussitzung und ganz besonders aus der Interesselosigkeit hervor, (Sehr richtig!) die die Regierung und die Regierungsparteien in dieser ersten Vollsitzung des Hauses nach einer sechswöchentlichen Ruhepause an den Tag legen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.) Diese geradezu herausfordernden Zustände wurden bereits vorgestern vom Koll. Köhler, aber auch von Vertretern anderer Parteien entsprechend gebrandmarkt. Tatsache ist, daß wir vor mehr als Monatsfrist zum letzten Male Gelegenheit hatten, von dieser Stelle aus, zu den geradezu katastrophalen Vorgängen im Wirtschaftsleben Stellung zu nehmen. Ich habe denn auch die letzte Haussitzung am 16. Dezember v. J. dazu benützt, um erneut ein wahrheitsgetreues Bild über die herrschenden trostlosen wirtschaftlichen Verhältnisse zu entwerfen. Gleichzeitig habe ich damals dem Hause auch alle im Interesse der Gesamtheit der arbeitenden und schaffenden Menschen dieses Staates abzuleitenden Forderungen meiner Partei zur Kenntnis gebracht. Die von mir vor Monatsfrist genannten Ziffern und Zahlen, die damals aufgezeigten Elendsbilder genügten vollauf, um in aller Deutlichkeit darzutun, mit welcher furchtbaren Wirtschaftsnot wir es insbesondere in den deutschen Siedlungs- und Industriegebieten zu tun haben. (Sehr richtig!) Ich brauchte daher meinen damaligen Ausführungen nichts anderes hinzuzufügen als lediglich den Hinweis darauf, daß es inzwischen noch weitaus schlechter und schlimmer geworden ist. Das Heer der Arbeitslosen hat sich in der Zwischenzeit nahezu verdoppelt. Aber auch bei allen übrigen arbeitenden und schaffenden Schichten unseres Volkes ist die wirtschaftliche Not um ein Bedeutendes gestiegen. Nur einige wenige Ziffern und Zahlen mögen diese Feststellung beweisen und meine vor Monatsfrist abgegebene Stellungnahme ergänzen.

Wiesen die Arbeitsvermittlungsanstalten im Monat August noch - ich sage mit Absicht "noch" - 88.005 erfaßte, also von den Anstalten registrierte, Arbeitslose aus, so stieg ihre Zahl im September bereits auf 104.574, im Oktober auf 122.379, im November auf 155.203, um dann mit Ende Dezember 230.766 zu erreichen. Gegenwärtig sind die Arbeitslosenziffern noch immer in einem ständigen Ansteigen begriffen. Allein im Monat Dezember 1930 stieg also die Arbeitslosigkeit um 75.563 oder um volle 50 % gegenüber dem Stande des Vormonates. Bedenkt man jedoch, daß es sich hierbei keineswegs um den wahren Stand der Arbeitslosigkeit (Sehr richtig!), sondern nur um die von den Arbeitsvermittlungsanstalten erfaßten Arbeitslosen handelt, so kann ohne jede Übertreibung angenommen werden, daß gegenwärtig weit mehr als 500.000 Arbeitsmenschen von der Arbeitslosigkeit betroffen sind. Hinzuzuzählen wäre jedoch noch die gewaltige Zahl der Familienangehörigen, die gleichfalls unter der Arbeitslosigkeit der Familienerhalter schwer zu leiden haben.

Von den mit Ende Dezember vorhandenen 230.000 Arbeitslosen entfallen auf Böhmen 172.929 Arbeitslose gegen 112.724 mit Ende November, während auf Mähren-Schlesien 44.609 gegen 28.170, auf die Slowakei 8688 gegen 7658 und auf Karpathorußland 832 gegen 612 entfallen. In Böhmen, Mähren und Schlesien stieg die Arbeitslosigkeit im letzten Monat somit um nahezu 60%. Diese Steigerung machte sich vor allem wieder in den sowieso schon hart genug bedrängten deutschen Industriegebieten bemerkbar. (Souhlas.) So stieg die Arbeitslosigkeit im Bezirke Aussig von 1691 auf 4434, im Bezirke Böhm.-Leipa von 1301 auf 2931, in Dux von 600 auf 1354, in Falkenau von 1303 auf 2931, in Gablonz von 2103 auf 4581, in Landskron von 519 auf 1163 usw. (Posl. Krebs: Der Durchschnitt dieser Ziffer bedeutet, daß wir in Prag eine Arbeitslosenziffer von 90.000 hätten! Dagegen haber wir in Prag nur eine Arbeitslosenziffer von 18.000!) Ich komme darauf noch zu sprechen.

Die èechischen Bezirke blieben auch diesmal wieder im Vergleiche zu den deutschen von schwereren Erschütterungen verschont. Ich führe wieder nur einige Beispiele an: So hatte der Bezirk Presnitz mit 26.658 Einwohnern 3154 Arbeitslose, was 11·5% der Bevölkerung ausmacht. Groß-Prag z. B. hatte 18.472 Arbeitslose bei 761.208 Einwohnern, was daher 2·6% ausmacht. Der politische Bezirk Marienbad wies bei 31.063 Einwohnern 3589 oder 10·4% Arbeitslose auf, Graslitz bei 36.237 Einwohnern 3755 oder 10·3%, Tetschen bei 115.405 Einwohnern 7878 oder 8·7% Arbeitslose. Dagegen Pilsen bei 168.368 Einwohnern nur 7392 oder 5% Arbeitslose, Trautenau 3510 oder 8·2% Arbeitslose gegen Hoøowitz mit nur 1736 oder 4·5%· Arbeitslosen. Der politische Bezirk Tachau zählte 2081 oder 8.2% Arbeitslose, dagegen der Bezirk Turnau nur 1230 oder 4% Arbeitslose, Neudek mit 32.821 Einwohnern 2312 Arbeitslose, dagegen Starkenbach nur 1257 Arbeitslose. Im Bezirk Neudek betrugen die Arbeitslosen daher 7% gegen 4·5% im Bezirk Starkenbach. Komotau hatte 4855 oder 6·7% Arbeitslose, dagegen Jungbunzlau 1796 oder 3·5% Arbeitslose, Asch bei 39.283 Einwohnern 2449 Arbeitslose, dagegen Neustadt a. M. trotz des dazugehörenden deutschen Adlergebirges, das wohl einen Großteil der Arbeitslosen dieses Bezirkes stellt, bei 46.771 Einwchnern nur 1794 Arbeitslose. Während also bei Asch die Arbeitslosigkeit 8·2% beträgt, macht sie bei Neustadt a. Mettau nur 3·5% aus, davon sicherlich ein Großteil Deutsche. Im politischen Bezirke Karlsbad gibt es bei 76.875 Einwohnern 4181 oder 5.4% Arbeitslose, Gablonz bei 86.207 Einwohnern 4581 oder 5·3%, Falkenau bei 56.169 Einwohnern 2931 oder 5·2%, Braunau bei 50.558 Einwohnern 2279 oder 4·7%, Reichenberg 4261 Arbeitslose, daher 4·4% und im Bezirk Aussig 4434 oder 3.6% Arbeitslose. Dagegen hat Schlan nur 1243 oder 2% Arbeitslose, Königgrätz bei 76.781 Einwohnern 1600 oder 2.2%, Pardubitz nur 1792 oder 2·9% Arbeitslose. Kladno, das also größer ist wie der Karlsbade Bezirk, hat nur 1618 oder 3.4% Arbeitslose. (Posl. Krebs: Alles das sind Ziffern vom Dezember! Inzwischen ist das um 50% in die Höhe gegangen. - In Aussig haben wir jetzt z. B. 7000 Arbeitslose!) Sicher. Das zeigen die Arbeitslosenmeldungen, die bei den Gewerkschaften eingehen und die sich bei den Gewerkschaften geradezu zu Bergen häufen.

So könnte noch eine ganze Reihe von Bezirken angeführt werden, deren Arbeitslosenziffern jedoch immer ein und dasselbe Bild zeigen, das heißt die besonders starke Arbeitslosigkeit in den deutschen Industrie- und Siedlungsgebieten beweisen würden. Noch krasser würde das Verhältnis, wenn man nicht die èechischen Industriegebiete, sondern vielmehr die agrarischen Bezirke aus dem Innern des Landes zu Vergleichszwecken heranziehen würde. Mir liegt jedoch sehr viel daran, gerade den Unterschied zwischen der Stärke der Arbeitslosigkeit in den deutschen Industriegebieten gegenüber den industriegebieten des èechischen Landesteiles aufzuzeigen, weil daraus am besten ersichtlich ist, daß es eine besondere Fürsorge für die èechische Industrie tatsächlich gibt. Es stimmt somit nicht ganz, wenn der deutsche Sozialdemokrat Dr. Heller im Senate erklärte: "Die Krise ist also unsere gemeinsame Sorge, ohne Rücksicht auf die Nationalität!" (Oho! Oho! Posl. Pohl: Wo haben Sie denn diese Ziffern her, die Sie verlesen haben?) Das spielt ja gar keine Rolle. (Posl. Pohl: Oh ja, das ist ein Unterschied!) Es nützt ja gar nichts, Herr Kollege, nur dagegen zu wettern, anderseits aber für all die Maßnahmen zu stimmen. Tatsache ist, daß diese Verhältnisse aufzuzeigen sind. Wie gesagt, die Herren Sozialdemokraten wettern dagegen, tragen aber auch dafür Sorge, daß diese Verhältnisse aufrecht erhalten bleiben. Damit will man von deutscher sozialdemokratischer Seite die bestehenden Tatsachen verwischen, um dem deutschen Arbeiter scheinbar die Internationale wieder etwas schmackhafter zu machen. Der Großteil der deutschen Arbeiter läßt sich nichts mehr vortäuschen, weil er das auf ihm lastende Unrecht in den letzten Monaten leider nur allzu deutlich zu spüren bekam. (Výkøiky posl. Krebse a Pohla.)

Durch die angeführten Zahlen bewahrheitet sich unsere oftmalige Feststellung aufs Neue, daß wir es in diesem Staate mit einer besonderen deutschen Krise oder besser gesagt mit einer direkten Vernichtung der deutschen Industrie und Wirtschaft zu tun haben. Ein Ähnliches geht ja auch aus den Berichten der 48 Arbeitsvermittlungsanstalten für Nordböhmen hervor, die ich schon des öfteren zitierte. Denselben ist zu entnehmen, daß die genannten Arbeitsvermittlungsanstalten mit Ende November 35.140 Arbeitslose überhaupt und davon 12.206 teilweise Arbeitslose in Evidenz führten. Unterstützung bezogen 10.363 gänzlich und die vorgenannten 12.206 teilweise Arbeitslosen. Die Anzahl der Arbeitslosen aber stieg im Laufe des Monates Dezember von 35.140 auf 58.707. Die Zahl der unterstützten Personen, die gänzlich arbeitslos waren, von 10.363 auf 16.607, jene der unterstützten, aber nur teilweise arbeitslosen Personen von 12.206 auf 18.185. Daraus ist nun zweierlei ersichtlich und zwar einerseits das Ansteigen der Arbeitslosenziffern um 67, 60 und 49 % innerhalb eines Monates und andererseits die Tatsache, daß der weitaus größte Teil der gemeldeten Arbeitslosen keine Unterstützung erhält. Mit Ende Dezember 1929 wurden bei denselben Anstalten nur 9988 Arbeitslose gegen 58.707 mit Ende Dezember 1930 - sowie 3353 - gegen 16.607 - unterstützte gänzlich arbeitslose Personen und 7326 - gegen 18.185 - unterstützte, jedoch nur teilweise arbeitslose Personen gezählt. Es handelt sich somit gegenüber dem Vorjahre um eine Steigerung von 488, 400 und 148%. Aus diesen Zahlen geht jedoch auch hervor, daß das deutsche Nordböhmen allein 40% der Arbeitslosen bei einem Gesamtstande von 230.000 Arbeitslosen im ganzen Staatsgebiete stellt. (Hört! Hört! - Posl. Krebs: Das Vierfache dessen, was auf uns entfallen ist!) Sicherlich, da wir nur ein Viertel der Bevölkerung dieses Staates ausmachen.

Der mächtigen Arbeitslosenziffer des nordböhmischen Gebietes sind jedoch noch jene der übrigen deutschen Siedlungsgebiete zuzuzählen. Schon zu wiederholten malen habe ich auf die geradezu katastrophale Lage Ostböhmens hingewiesen. Die einstmals bedeutsamen Industrieorte von Rochlitz i. Riesengebirge bis Braunau stellen heute allein ein Heer von mindestens 10.000 Arbeitslosen dar. Im Bezirke Trautenau wurden laut letztem Ausweis 3510 Arbeitslose gezählt. In Wirklichkeit dürften jedoch weit mehr als 4000 vorhanden sein. Im Hohenelber Bezirke wurden im letzten Bericht 1300 ausgewiesen. Im Braunauer Bezirke gibt es mehr als 2500 Arbeitslose. Inzwischen ist es jedoch gerade in diesen Gebieten zu neuerlichen Stillegungen und Betriebseinschränkungen gekommen, so vor allem in der ostböhmischen Juteindustrie. Zu den bereits angeführten Arbeitslosenziffern der Bezirke Trautenau, Braunau und Hohenelbe kommen jedoch auch noch jene aus den deutschen Teilen der Bezirke Neustadt a. M., Königinhof, Starkenbach, Neupaka usw. Die Zahl von 10.000 Arbeitslosen im ostböhmischen Gebiete ist daher nicht zu hoch gegriffen. Keineswegs unbeachtet darf jedoch die große Zahl der Kurzarbeiter bleiben, die wöchentlich nur 3 oder 4 Tage arbeiten und daher mit erschreckend niederen Wochenverdiensten nachhause gehen.


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