Wie es um die Lage des westböhmischen Gebietes bestellt ist, geht zum Teil aus den bereits eingangs angeführten Arbeitslosenziffern hervor. Der tasächliche Stand aber ist sicherlich mehr als doppelt so groß. Ein überaus trauriges Bild bietet auch das nordwestböhmische Braunkohlenrevier. Auf dem Robert-, dem Biehl- und dem Alexanderschachte sind in den letzten Tagen allein nahezu 500 Bergarbeiter entlassen worden. Von 35.000 Bergarbeitern Nordwestböhmens sind mehr als 4000 arbeitslos, 26.000 Bergarbeiter müssen sich mit 3 oder 4 Arbeitstagen und dem dadurch bedingten niederen Einkommen wöchentlich begnügen. Nur die restlichen 5000 Bergarbeiter sind vollbeschäftigt. Schwer zu leiden hatte in den letzten Monaten neben der Arbeiterschaft von Rothau insbesondere auch jene der Mannesmannröhrenwerke. Aussetzungen folgten dort auf längere und kürzere Stillstände des Betriebes. Während die Bohrabteilung dieses Werkes schon seit 14 Tagen gänzlich steht, sind mit 26. Jänner l. J. auch das Walzwerk, die Brecherei, die Fertighalle, die Rohrschmiede und die mechanische Werkstätte vorläufig wieder bis 2. Feber neuerlich stillgelegt worden. Die Notlage des Böhmerwaldes aber auch der übrigen deutschen Randgebiete habe ich wiederholt aufgezeigt, so daß es heute keines besonderen Hinweises auf diese Gebiete mehr bedarf.
Wie trostlos es im mähr.-schlesischen Gebiete aussieht, geht ganz besonders aus den zahlreichen Betriebsstillegungen und einschränkungen hervor, die in letzter Zeit insbesondere in der Textilindustrie sowohl in den Gebieten Mähr.-Schönberg, Freudental, Jägerndorf, wie auch Brünn und insbesondere Römerstadt vorgenommen wurden. (Posl. Krebs: Jetzt erst werden sie durch den Handelskrieg mit Ungarn den letzten Rest bekommen!) Ich komme noch darauf zu sprechen.
Jedoch auch in anderen Industrien des dortigen Gebietes, vor allem auch in der Eisenindustrie des Mähr. Ostrauer Gebietes, in Witkowitz usw. sind Entlassungen bereits vorgenommen worden oder für die allernächste Zeit geplant. Im Bezirke Römerstadt wurden bei 30.000 Einwohnern vor Weihnachten 6000 Arbeitslose gezählt, weil die meisten Betriebe zu Weihnachten auf 14 Tage aussetzten. Gegenwärtig zählt dieses Gebiet 3500 erfaßte Arbeitslose, von denen ungefähr 1000 organisiert sind und daher Anspruch auf Unterstützung haben, während 2500 gewerkschaftlich keiner Organisation angehören. Große Not herrscht vor allem auch in der sogenannten Deutsch-Brodeker Sprachinsel. Durch den Zollkrieg mit Ungarn wurde jedoch auch eine ganze Reihe nordmährischer Unternehmungen schwer betroffen. Dieselben schritten daher zu Entlassungen. Weitere Entlassungen werden folgen. Sehr stark angestiegen ist die Arbeitslosigkeit in den Bezirken Bärn, Weißkirchen, Olmütz, Prerau und Sternberg. Daß Mähren-Schlesien unter einer besonders schweren Arbeitslosigkeit zu leiden hat, erhellt schon aus der Tatsache, daß dieses Gebiet vornehmlich Sitz der von der Wirtschaftskrise dieses Staates am meisten betroffenen Textilindustrie ist.
Verschafft man sich einen Gesamtüberblick über die von mir angeführten deutschen Gebiete, so kann daraus mit voller Sicherheit geschlossen werden, daß die deutschen Arbeitsmenschen dieses Staates mit 70 und mehr Prozent an der hier herrschenden Arbeitslosigkeit beteiligt sind, während die deutsche Bevölkerung dieses Staates nur 25 % der Bevölkerung ausmacht. Diese Tatsachen sollten den maßgebenden Stellen doch endlich zu denken geben und sie dazu anspornen, das künstlich geschaffene Unrecht zu beseitigen. Doch dürfte gerade die Tatsache, daß es sich nur um deutsche Menschen handelt, in vielem die Ursache zum Nichtstun der heutigen Regierung sein.
Wie trostlos es um das deutscne Siedlungsgebiet bestellt ist, geht vor allem auch aus der großen Zahl der in den letzten Jahren erfolgten dauernden Stillegungen hervor. Nach einer vom "Allgemeinen Deutschen Textilverband" herausgegebenen Zusammenstellung, die keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ergibt sich inbezug auf die bisher durchgeführte Stillegung von deutschen Textilbetrieben folgendes betrübliche Bild: Baumwollspinnereien 17 stillgelegte Betriebe mit 2500 Arbeitern, Baumwollwebereien 42 stillgelegte Betriebe mit 6000 Arbeitern, Flachsspinnereien 11 stillgelegte Betriebe mit 5500 Arbeitern, Wollwebereien 11 stillgelegte Betriebe mit 3000 Arbeitern, Hanfspinnereien 1 stillgelegter Betrieb mit 170 Arbeitern, Wirk- und Strickwarenindustrie 10 stillgelegte Betriebe mit 500 Arbeitern, Veredlungsindustrie 4 stillgelegte Betriebe mit 200 Arbeitern, Bandweberei 5 stillgelegte Betriebe mit 200 Arbeitern, Posamenten 2 stillgelegte Betriebe mit 1200 Arbeitern, Stickerei-Spitzenindustrie 8 stillgelegte Betriebe mit 850 Arbeitern, Seidenindustrie 2 stillgelegte Betriebe mit 650 Arbeitern; insgesamt daher 113 stillgelegte Betriebe mit 20.770 Arbeitern.
Dabei handelt es sich jedoch nur um die vollständige Stillegung von ganzen Betrieben, keineswegs um die Einstellung von Betriebsteilen oder um vorübergehende Einstellungen. In Wirklichkeit sieht es daher noch weit trostloser aus, als diese Zusammenstellung zum Ausdruck bringt. Im Reichenberger Gebiete wurden seit 1922 allein 39 Betriebe mit ungefähr 5000 Arbeitern aufgelassen. In Ostböhmen 24 Betriebe, im Rumburg-Warnsdorfer Gebiet eine noch größere Anzahl. Keineswegs verschont blieben dabei das mähr.-schlesische Gebiet und fast alle übrigen deutschen Industriezentren.
Es ist unmöglich, auf die Verhältnisse in den einzelnen Orten näher einzugehen. Habe ich jedoch bisher immer auf die besonderen Vorgänge in Rothau verwiesen, so will ich diesmal, nur um einen typischen Einzelfall herauszugreifen, auf die furchtbare Notlage der nordböhmischen Stadt Zwickau verweisen. Der Stadtrat von Zwickau wandte sich auch an das Ministerium für soziale Fürsorge um Hilfe. In der Begründung des diesbezüglichen Ansuchens wurde u. a. auch angeführt: "In der Stadt ist die Arbeitslosigkeit nunmehr bis zu einem Grade fortgeschritten, daß fast niemand mehr beschäftigt ist, außer einigen Gehilfen in kleinen Gewerbebetrieben. Die jetzt abgeschlossene Zählung ergab bei 5000 Einwohnern: 1512 Arbeitslose, davon 632 verheiratete mit 487 Kindern." Zwickau beschäftigte vor dem Kriege 3600 Arbeiter. Im Jahre 1919 waren in der Textilbranche nur noch 759 Arbeiter beschäftigt. Im Jahre 1921 stieg die Zahl der Beschäftigten wieder auf 1714. Heute arbeitet, wie dem vorangeführten Bericht zu entnehmen ist, kein Betrieb mehr. Es herrscht daher in allen Schichten der Bevölkerung größte Not und größtes Elend, aber auch höchste Verzweiflung.
Ähnlich wie in der Textilindustrie liegen natürlich auch die Verhältnisse in der Glasindustrie. Auch in letzterer ist es zu zahlreichen neuen Betriebsstillegungen gekommen. Eine grenzenlose Not infolge der schon langandauernden Arbeitslosigkeit herrscht vor allem im Gebiete der Gablonzer Glas- und Schmuckindustrie. Gerade diesem Gebiete müßte sich daher eine besondere Fürsorge und Unterstützung des Staates zuwenden.
Das dadurch zum Ausdruck gebrachte Elend hat jedoch noch immer nicht seinen Höhepunkt erreicht; denn die Krise greift immer weiter um sich und artet immer mehr und mehr zur Wirtschaftskatastrophe im wahrsten Sinne des Wortes aus. Jeder Tag bringt neue Betriebsstillegungen und Arbeiterentlassungen. Die Arbeitslosenmeldungen häufen sich bei den Gewerkschaften immer mehr und mehr. Selbst in Gebieten wie Aussig, das bisher von einer größeren Arbeitslosigkeit verschont geblieben war, steigen die Arbeitslosenziffern in erschreckender Weise an. Koll. Krebs hat ja vorhin eben angedeutet, daß die Zahl nicht mehr 4400 beträgt, sondern bereits auf 7000 angestiegen ist.
Eine wesentliche Verschärfung der Lage ist seit der Kündigung des Handelsvertrages mit Ungarn eingetreten. Der Abbruch der diesbezüglichen Verhandlungen und der darauffolgende vertragslose Zustand haben vor allem in der Textilindustrie, die so wie so außerordentlich schwer von der Krise betroffen ist, neue Erschütterungen und damit neue große Arbeiterentlassungen gezeitigt. Weitere 10.000 bis 15.000 Arbeitsmenschen, die bisher durch den Export nach Ungarn Beschäftigung fanden, sind zum Teil schon um ihre Existenz gekommen oder werden in nächster Zeit, wenn die so geschaffenen verhängnisvollen Verhältnisse nicht bald eine Abänderung erfahren, allein in der Textilindustrie zur Entlassung kommen. Daß die Textilindustrie in erster Linie durch die Vertragslosigkeit mit Ungarn zum Leiden kommt, geht aus der Tatsache hervor, daß sie bisher mit einem Drittel, u. zw. mit 470 Millionen an der Ausfuhr nach Ungarn beteiligt war. Die Èechoslovakei stand bisher unter nach Ungarn einführenden Staaten an erster Stelle. Sie war mit 86 % aller Leinenstoffe, mit 65 % aller Leinengarne, mit 54 % aller Baumwollwaren, mit 37 % aller Wollwaren und mit 35 % aller Wollgarne, die nach Ungarn eingeführt wurden, beteiligt. Das alles aber übte scheinbar auf die hohe Regierung und ihre Vertreter nicht den geringsten Einfluß aus; denn sonst hätte man es von dieser Seite niemals zu einer Vertragslosigkeit mit Ungarn kommen lassen dürfen. Am allerwenigsten aber aus dem Grunde, um den Wunsch einiger weniger Großagrarier zu erfüllen. (So ist es!)
Schon bei der Behandlung der Agrarzölle habe ich auf die zu erwartenden Gegenmaßnahmen Ungarns aufmerksam gemacht und eigentlich alles das angedeutet, was nun tatsächlich eingetreten ist. Damals versuchte Herr Koll. Böhm mich durch einen Zwischenruf zu widerlegen, indem er behauptete, daß es zu keinen Auswirkungen kommen werde. Er ist leider durch die Geschehnisse der letzten Zeit widerlegt worden, während sich meine Befürchtungen zum Schaden der gesamten Industrie und Wirtschaft, insbesondere aber zum Nachteil der deutschen Arbeitsmenschen dieses Staates restlos erfüllt haben. So berichtete das "Èeské Slovo" erst vor ganz kurzer Zeit, daß die Folgen des vertragslosen Zustandes vor allem in den Grenzstationen deutlich sichtbar seien. Überall herrsche vollständige Stille; seit dem 26. Dezember kam weder von èechoslovakischer, noch von ungarischer Seite eine Warensendung; auf der achtzig Kilometer langen Strecke von Satoral bis Miskolz ist seit drei Wochen kein einziger Lastzug abgefertigt worden. So schaut die angekündigte Förderung der Industrie und Wirtschaft aus. Anstatt dafür zu sorgen, daß neue Absatzgebiete geschaffen werden, wird alles getan, um die alten zu vernichten. Anstatt dafür zu sorgen, daß größere Arbeitermassen wieder eingestellt werden, hilft der Staat und seine Organe mit, neue gewaltige Arbeiterentlassungen zu provozieren.
Tatsächlich hat die Arbeiterentlassung auch in zahlreichen Betrieben bereits eingesetzt. So kam es in Römerstadt aus diesen Ursachen heraus zur vorläufigen Einstellung eines Betriebes mit rund 1700 Arbeitern. Desgleichen zu Einschränkungen in der Bennischer. Webindustrie, aber auch in der Tuchindustrie und vielen anderen Industriezweigen. Inzwischen aber sucht sich die ungarische Textilindustrie den geänderten Verhältnissen anzupassen. Sie erweitert ihre Betriebe, so daß es auch nach Wiederaufnahme geregelter Verhältnisse keineswegs möglich sein wird, den einstmaligen ungarischen Absatzmarkt in vollem Ausmaße wieder zurückzugewinnen. Doch nicht nur in der Textilindustrie kam es zu solchen Auswirkungen. Die Mitteilungen anderer Industrien besagen genau dasselbe. So wird vor allem über eine aus den ungarischen Zollschwierigkeiten entstandene Benachteiligung der Porzellanindustrie berichtet. Ungarn nahm bisher 17 bis 18% der Gesamtausfuhr dieser Industrie auf. Die Ausfuhr nach Ungarn betrug in den letzten Jahren bei dieser Industrie durchschnittlich 15 Millionen Kè. Der Wirtschaftsverband der Porzellanindustriellen errechnet den durch den Entfall des Exportes nach Ungarn entstehenden Lohnentgang auf ungefähr 6 Millionen Kè. Demgemäß müßte es zur Existenzund Brotlosmachung weiterer 750 Arbeiter und Arbeiterinnen in der Porzellanindustrie kommen.
Seit dem 15. Dezember ist jedoch auch der Export der Papierindustrie nach Ungarn fast zur Gänze ausgefallen und es haben daher auch in dieser Industrie gewaltige Arbeiterentlassungen eingesetzt. Die èechoslovakischen Papierfabriken deckten bisher die ungarische Papiereinfuhr - hauptsächlich bei Pack- und Rotationspapier - bis zu 80 %. Man kann sich daher leicht errechnen, welche Auswirkungen die Vertragslosigkeit mit Ungarn auf diese und auch auf viele andere Industrien zur Folge haben muß. In Anbetracht der aufgezeigten Tatsachen aber kann man nicht umhin, das Vorgehen und die Tatenlosigkeit der Regierung in dieser Angelegenheit als ein frivoles Spiel mit den Interessen der Arbeiterschaft zu bezeichnen. Man ließ einfach diesen weiteren Zusammenbruch ruhig an sich herankommen und opferte die Existenz weiterer Tausender von Arbeitsmenschen den Interessen der Großagrarier. Die deutsche Arbeiterschaft wird insbesondere den deutschen Sozialdemokraten sehr wenig Dank dafür zu sagen wissen, daß sie sich an diesen traurigen Verhältnissen mitschuldig gemacht haben. (Posl. Krebs: Oppositionelle Reden ändern daran nichts!) Jawohl!
Zu ganz denselben betrüblichen Feststellungen gelangt man, wenn man anstatt der Arbeitslosenziffern die Ausweise über den Außenhandel zur Grundlage der Betrachtungen nimmt. Auch ihnen kann der ständige Rückgang der industriellen Produktion deutlich genug entnommen werden. Die Entwicklung des èechoslovvakischen Außenhandels zeigt nämlich in den letzten zwei Jahren folgendes, sicherlich nicht allzu erfreuliches Bild:
Die Einfuhr betrug im Jahre 1929 19.987 Millionen Kè. Die Ausfuhr dagegen 20.498 Millionen Kè. Im Jahre 1930 machte die Einfuhr 15.726 Millionen Kè, die Ausfuhr dagegen 17.494 Millionen Kè aus. Daraus geht hervor, daß wohl ein Ausfuhrüberschuß von 1.767 Mill. 803.000 Kè auch im Jahre 1930 vorhanden war, jedoch nur deshalb, weil auch die Einfuhr außerordentlich stark gesunken ist. Die Ausfuhr und mit ihr die gesamte industrielle Produktion sind daher in einem ständigen Rückgange begriffen. Immer mehr und mehr Menschen werden dadurch existenz- und brotlos gemacht. Im Jahre 1930 wurden um nahezu 4 Milliarden weniger eingeführt, jedoch auch um volle 3 Milliarden weniger exportiert. Der Rückgang in der Ausfuhr von Fertigfabrikaten macht allein 1.800 Mill. Kè aus während die Einfuhr von Rohstoffen um 2.600 Millionen Kè vermindert wurde. Diese Tatsachen müssen ebenso sehr zu denken geben wie das ständige Anwachsen der Arbeitslosenziffern. Durch die verminderte Ausfuhr kommt der Verlust von Absatzgebieten, durch die stark herabgedrückte Einfuhr die ständig zunehmende Verminderung der Kaufkraft zum Ausdruck. Gleiche Rückschlüsse können jedoch auch aus der verringerten Beschäftigung der Bahnen und aus dem trotz Erhöhung der Bahntarife zutage tretenden verminderten Einnahmen derselben gezogen werden. Ein weiterer Gradmesser für die Höhe der Besch äftigung ist ferner auch der Rückgang im Verbrauch und daher auch in der Förderung von Kohle zu suchen. Das Gesamtbild, das wir aus all den angestellten Betrachtungen gewinnen, ist ein trauriges und erschütterndes zugleich; denn jeder Rückgang bedeutet eine Vermehrung der Arbeitslosigkeit und eine Steigerung der Not und des herrschenden Elends. Der gesamten Öffentlichkeit sind diese Zustände auch hinreichend bekannt, nur der Regierung scheinen sie bisher noch nicht bekannt geworden zu sein. Sonst könnte sie sich nicht einem solchen unverantwortlichen Nichtstun hingeben, wie dies in den letzten Wochen und Monaten geschah. (Posl. Krebs: Sie wird schon spüren, wenn die Steuereingänge so sinken werden, daß der Staatshaushalt ins Wackeln kommt!) Sie spürt es schon bei den verminderten Einnahmen der Eisenbahnen.
Das zu entwerfende Bild wäre jedoch noch immer unvollständig, wenn wir nur das Elend feststellen wollten, das durch den Rückgang der industriellen Produktion gezeitigt wurde. Wir müssen vielmehr auch der der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannten Zerrüttung und des Niederganges des Kleingewerbestandes in diesem Zusammenhange Erwähnung tun. Hand in Hand mit dem Niedergange der industriellen Produktion vollzieht sich auch der Zusammenbruch des Gewerbestandes und der Kleinlandwirtschaft. Hunderte und tausende einstmals selbständige Menschen sind längst um ihre Existenz gekommen. Sie reihen sich dem gewaltigen Heere der arbeitslosen Arbeiter und Angestellten an. Zum Teil kann der Niedergang des Gewerbestandes den uns zur Verfügung stehenden Ausweisen über die Insolvenzen entnommen werden. Ich führe daher an, daß im Jahre 1928 2133 Ausgleiche und 517 Konkurse, im Jahre 1929 bereits 2875 Ausgleiche und Konkurse zur Anmeldung kamen. Ihre Zahl stieg im Jahre 1930 auf 4411 Ausgleiche und 892 Konkurse an. Im Monat Dezember allein wurden 452 Ausgleiche und 53 Konkurse angemeldet. Die Überschuldung im Jahre 1930 erreichte mit mehr als 750 Millionen Kè einen noch nie dagewesenen Höhepunkt.
Diese unleugbaren Beweise einer grenzenlosen Verelendung zeigen mit aller Deutlichkeit die ungeheuere Notlage, in der sich die arbeitenden und schaffenden Menschen dieses Staates befinden. Sie erfahren jedoch bei der Arbeiter- und Angestelltenschaft noch eine wesentliche Verschärfung durch gegenwärtig einsetzenden Generalangriff des gesamten Unternehmertums auf die Löhne und Gehälter, sowie auf die gesamte Lebenshaltung der Arbeitnehmerschaft. Gerade in den letzten Wochen kam es seitens einzelner Unternehmer und ihrer Verbände unter Ausnützung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer ganzen Reihe von Vertragskündigungen. Ich nenne nur jene in der Textilindustrie Böhmens, jene in Mähren-Schlesien, vor allem Friedek-Mistek, Mähr.-Schönberg, ferner in der ostböhmischen Juteindustrie usw. In Freudentall steht die Arbeiterschaft bereits seit Wochen im Streik. Aber auch in anderen Industrien und Industriezweigen hat der planmäßige Angriff des Unternehmertums eingesetzt, das die gegenwärtige Zeit als die geeigneteste dazu betrachtet, um die seit Jahren gehegten Wünsche verwirklichen zu können. Es kam daher auch in anderen Industrien zur Vertragskündigung, insbesondere in der Metallindustrie, so in Nordböhmen, in Neuern und anderen Gebieten, in der Glasindustrie insbesondere im Gebiete von Haida-Steinschönau, ferner bei der Firma Fischels Söhne in Niemes und in zahlreichen anderen Betrieben. Allen Vertragskündigungen liegt der fromme Wunsch nach Herabsetzung der Löhne um 15 bis 20 % zugrunde. Darüber hinaus wird jedoch auch noch eine Reihe anderer Verschlechterungen verlangt. Mit einem Wort: die Arbeiter- und Angestelltenschaft soll auch hier wiederum die Zeche bezahlen und etwaige Verluste der letzten Monate decken. Das Unternehmertum, bezw. seine Vertreter begründen diese Lohnherabsetzung mit der schlechten Wirtschaftslage. Sie erklären wieder einmal, daß die längst notwendig gewordene Herabsetzung der Preise und die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit nur durch die Herabsetzung der Löhne und Gehälter erzielt werden können. Es ist leider unmöglich, in diesem Zusammenhange auf eine Widerlegung dieser völlig falschen Begründung näher eingehen zu können. Ich muß mich darauf beschränken, dieser Tatsachen nur Erwähnung zu tun, um eine Gesamtbild von der heutigen Notlage der Arbeiterschaft zu entwerfen. Gleichzeitig soll damit aber auch die Regierung an ihre selbstverständliche Pflicht erinnert werden, ehestens einzuschreiten, um der geplanten vollständigen Verelendung der Arbeitnehmerschaft mit allen zu Gebote stehenden Mitteln Einhalt zu gebieten.
Wir sind daher begierig zu erfahren, was die Regierung in dieser Sache zu tun gedenkt. (Posl. Knirsch: Heute nachmittag haben sie Ministerrat und werden papierene Erklärungen abfassen!) Bevor das in die Tat umgesetzt wird, dauert es noch allerhand. (Posl. Krebs: Auslandsanleihe!) Sie kommt nicht einmal! Koll. Knirsch hat bereits die Antwort auf diese Frage gegeben, sie wird in papierenen Resolutionen bestehen.
Die Herren Unternehmer aber sollten sich vor Augen halten, daß auch wieder einmal andere Zeiten kommen werden, Zeiten, in denen die Arbeiterschaft über mehr Kraft und Macht als heute verfügen und dann ihre Forderungen stellen wird. Sie müßten endlich auch einmal anerkennen, daß nicht Lohn- und Gehaltsabbau, sondern vielmehr eine Erhöhung der Löhne und Gehälter zum Ziele führt.
Jede weitere Lohnherabsetzung hat eine weitere Verminderung der Kaufkraft und damit eine weitere Einschränkung der Produktion zur Folge. Verminderte Produktion führt zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit. Das sollte auch den Unternehmern endlich klar geworden sein. Der Lohn- und Gehaltsaufbau aber wäre durch die noch immer vorhandenen beträchtlichen Reingewinne einzelner Industrien vollauf gerechtfertigt. Er ist mit Rücksicht auf die ständig fortschreitende Rationalisierung nicht nur begründet, sondern geradezu zu einer Notwendigkeit geworden. All das sollte gerade den Staat und die Gesellschaft an die Pflichten erinnern, welche sie der Arbeitnehmerschaft und insbesondere den Opfern der Wirtschaftskrise gegenüber zu erfüllen haben.
Halten wir uns das bisher Angeführte vor Augen, so kommen wird zu der Erkenntnis, daß sich durch die in den letzten Wochen und Monaten herrschenden Verhältnisse für die Regierung und insbesondere auch für das Ministerium für soziale Fürsorge ein überaus dankbares Betätigungsfeld aufgetan hat. Stellt man jedoch die Frage, was bisher zur Bekämpfung der bestehenden mißlichen Verhältnisse getan wurde, so muß man ohne jede Übertreibung leider antworten, daß soviel wie nichts unternommen wurde, in ausreichendem Maße eine Linderung des Hungers, der Not und des herrschenden Elends herbeizuführen. Wohl hat sich unter dem Eindrucke des Massenelends eine private Mildt¨tigkeit aufgetan, die jedoch nur ungenügendes zu leisten vermag. Die breite Masse ist arbeitslos. Sie vermag daher nichts zu geben; denn sie ist ja auf diese Hilfe und Unterstützung angewiesen. Die aber, die geben könnten, tun es nicht; denn sie haben stets verschlossene Ohren und zugeknöpfte Taschen. Aber auch die Gemeinden sind trotz dem vorhandenen besten Willen und trotz größten Bemühungen zumeist nicht in der Lage, größere Mittel für die Zwecke der Arbeitslosenfürsorge bereitstellen zu können. Es kann und darf nicht in Abrede gestellt werden, daß sowohl bei der Mehrzahl der Menschen, als auch beim Großteil der Gemeinden der notwendige gute Wille vorhanden ist. Doch so wie die breite Masse nicht helfend eingreifen kann, weil sie eben selbst Not leidet, so können aus dem gleichen Grunde auch die Gemeinden nichts Besonderes tun; denn auch die Not der Gemeinden ist geradezu sprichwörtlich geworden.
Schließlich ist es weder Sache der öffentlichen und privaten Mildtätigkeit, noch eine Angelegenheit der Gemeinden, das herrschende Elend zu bannen. Es ist lediglich der freie Wille beider und eine den heutigen Verhältnissen entspringende soziale Notwendigkeit. In erster Linie aber ist es Pflicht des Staates, helfend einzugreifen, die Folgen der Wirtschaftskrise zu lindern und ihre Ursachen zu bannen. Pflicht des Staates ist es, für ausreichende Arbeitsmöglichkeiten zu sorgen oder für eine zureichende Unterstützung der unverschuldet arbeitslos gewordenen Menschen die notwendigen Mittel bereitzustellen. Mit aller Schärfe muß daher verurteilt werden, daß gerade der Staat und seine Regierung, die allein dazu verpflichtet wären, Abhilfe zu schaffen, es bisher an der notwendigen Tatkraft und Initiative vollständig fehlen ließen. Anstatt ausreichende Hilfe zu leisten, trat das gerade Gegenteil ein. Die Steuerschraube wurde immer schärfer angezogen, Post und Eisenbahn gingen mit ihren Tarifen in die Höhe. Anstatt für den so notwendigen Preisabbau ein leuchtendes Vorbild zu sein, bemühte sich die Regierung in letzter Zeit geradezu krampfhaft, preisverteuernd zu wirken. Sie trä gt damit aber auch die Schuld an einem weiteren Rückgang der industriellen Tätigkeit und an dem Zusammenbruch von Gewerbe und Landwirtschaft.
Der Tatsache, daß man es in der gegenwärtigen schicksalsschweren Zeit sechs Wochen lang nicht für nötig hielt, die Volksvertretung einzuberufen, und ihr schließlich eine nichtssagende Tagesordnung vorlegte, habe ich bereits Erwähnung getan. Das Haus ist zusammengetreten, ohne daß den bestehenden Bedürfnissen auch nur formell Rechnung getragen worden wäre. Die Regierung gibt weder Bericht darüber, was sie zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise zu tun gedenkt, noch hat sie es für notwendig gehalten, über die inzwischen ins Unermeßliche angestiegene Wirtschaftsnot nach sechswöchentlicher Ruhepause eine Aussprache anzusetzen, um zumindestens die Forderungen und Wünsche entgegenzunehmen. Durch ein solches Tun oder, besser gesagt, Nichtstun kommt nicht nur die ganze Hilflosigkeit der heutigen Regierung, sondern auch der Mangel an gutem Willen in unverkennbarer Weise zum Ausdruck. Man überläßt es einfach der privaten Mildtätigkeit und den Gemeinden, die verzweifelten und hungernden Menschen über den Winter hinüberzuretten. Ansonsten aber schert man sich von Seite der Regierung sehr wenig darum, ob diese Menschen ihr Leben zu fristen vermögen oder nicht. Bestenfalls bewilligen die Behörden gnädigst die Einleitung von Sammlungen für die in die Hunderttausende gehenden Arbeitslosen. Doch nicht einmal das ist durchgehends der Fall. Ich brauche ja nur an den Fall Komotau zu erinnern, wo die Behörde den Gemeinden die Gewährung von Unterstützungen an die Arbeitslosen verbot. Sie gab u. a. den Gemeinden folgendes bekannt: "Das Gemeindeanit wird aufmerksam gemacht, daß Arbeitslosenunterstützungen überhaupt nicht in den Wirkungskreis der Gemeinden fallen". Gleichzeitig damit brachte sie die "Ersatzpflicht der Gemeindevertretungsmitglieder in Erinnerung".
Wir stehen naatürlich auch auf dem Standpunkt, daß die Arbeitslosenunterstützung nicht Sache der Gemeinden, sondern des Staates ist. Die Gemeinden mußten nur eingreifen, weil eben der Staat versagt hat. Es ist daher geradezu herausfordernd, wenn eine Bezirksbehörde den Arbeitslosen dadurch zu schaden versucht, indem sie nun auch noch den Gemeinden die Hilfeleistung kategorisch verbietet. So wenig Verständnis Staat und Behörden heute für die verzweifelte Lage der Arbeitslosen aufbringen, so rasch sind sie zur Stelle, wenn es gilt, die Polizeigewalt gegen demonstrierende Arbeitslose in Anwendung zu bringen.
Ist es denn nicht bezeichnend, daß die Regierung bis zum heutigen Tage noch nicht einmal von den ihr im Eilzugstempo bewilligten 150 Millionen-Kredit Gebrauch gemacht hat, beziehungsweise sich noch nicht einmal über die Verwendung dieses Betrages schlüssig geworden ist? Zumindest die wahren Opfer der bestehenden Wirtschaftskrise haben von dem Vorhandensein dieses jämmerlichen Betrages noch nicht das geringste zu spüren bekommen, obgleich das Gesetz ausdrücklich und vielversprechend hervorhob, daß der aufzunehmende Kredit zur Linderung der Folgen der Wirtschaftskrise Verwendung finden soll. Anstatt zur Linderung der Not beizutragen, ist der geschaffene neue Fonds vielmehr zum Streitobjekt der Koalitionsparteien geworden, da jede recht viel aus demselben für sich und für die ihr nahestehenden Vereinigungen herausholen möchte. Vorläufig tobt noch der Kampf um die Quote, die auf die einzelnen entfallen soll, indessen die Arbeitslosen, die Gewerkschaftsorganisationen und die zusammenbrechenden Existenzen ruhig weiter warten dürfen, ob auch auf sie etwas entfallen wird. Vielleicht hilft ein gütiges Geschick, die Zahl der Arbeitslosen in der Zwischenzeit auf ganz natürlichem Wege um ein Bedeutendes zu verringern.
Oder sollte die hohe Regierung der Meinung sein, mit ihren bisherigen Maßnahmen bereits genug getan zu haben und daher von weiteren Hilfsmaßnahmen Abstand nehmen zu können? Wir vermöchten natürlich einen solchen Standpunkt nicht zu teilen; denn die Tatsachen lehren uns, daß die bisherigen Maßnahmen nicht nur unzureichend, sondern vielmehr vollständig unzulänglich sind. Ich will in diesem Zusammenhange nur auf die bestehende Art der Arbeitslosenunterstützung nach dem Genter System verweisen. Erneut muß ich im Namen meiner Parteifreunde erklären, daß wir uns mit dem Weiterbestande desselben nicht einverstanden erklären können. Wir fordern und verlangen vielmehr erneut seine sofortige Beseitigung und Ersetzung durch eine Arbeitslosenversicherung, die allen Arbeitsmenschen, aber auch den selbständigen Personen, für den Fall der Arbeitslosigkeit eine ausreichende Unterstützung zu gewährleisten hat. Ein vernichtendes Urteil über das Genter System hat ja erst unlängst der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes hier auf Prager Boden gefällt. Wenigstens seine Feststellung sollte dazu dienen, sich einmal ernsthaft mit dieser Frage zu beschäftigen. Nach dem Berichte des Internationalen Arbeitsamtes besteht bereits in zehn Staaten eine Zwangsversicherung, durch die 47·5 Millionen Arbeiter erfaßt werden. Nur die Èechoslovakei hinkt hinten nach und marschiert in der Reihe jener weniger, die es nur bis zu einer freiwilligen Versicheru¨g gebracht haben. Alleiniger Nutznießer des Genter Systems ist der Staat, der sich damit nicht nur viel Arbeit vom Halse geschafft und sie den Gewerkschaften aufgehalst hat, sondern dadurch auch gewaltige Ersparnisse auf Kosten der Arbeitslosen machte. Zahlte der Staat im Jahre 1923 bei niedrigerer Arbeitslosigkeit und bei einem gleichfalls mangelhaften Unterstützungsgesetze dennoch 392 Millionen Kè an die Arbeitslosen aus, so betrugen die Ausgaben für den gleichen Zweck im ersten Halbjahr des Jahres 1930 auf Grund der Bestimmungen des Genter Systems lediglich 16 Millionen Kè. Ein Pappenstiel im Hinblick auf die große Arbeitslosigkeit und die ungeheuere Not, die in den Reihen der Arbeitnehmerschaft herrscht. Ein Almosen geradezu auch im Vergleich zu den vielen Millionen, die in diesem Staate für Militarismus, Repräsentationen, Auslandspropaganda, Minderheitsschulen, an verkrachten Banken u. dgl. m. verausgabt werden. Inzwischen sind auf Grund des Genter Systems Tausende und Abertausende von Arbeitslosen vom Bezuge einer Unterstützung vollständig ausgeschlossen. Im Oktober 1930 gab es insgesamt 2 Mill. 496.078 krankenversicherte Personen. Im Feber 1930 wurden von den Gewerkschaften, die Arbeitslosenunterstützung auszahlen und Berichte einbrachten, insgesamt 899.464 Mitglieder angegeben. Daraus geht hervor, daß lediglich ein Drittel der krankenversicherten Personen gewerkschaftlich organisiert ist und daher Anpruch auf Unterstützung besitzt. Was aber sollen die anderen tun, um sich gegenwärtig am Leben zu erhalten? Sicherlich tragen sie zum Großteil selbst die Schuld daran, daß sie keine Unterstützung beziehen, weil sie es nicht für notwendig hielten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Trotz der bestehenden eigenen Schuld aber darf gerade der Staat diese Menschen nicht untergehen lassen, und es ist bedauerlich genug, daß die Regierung daran erst besonders erinnert werden muß. Die Regierung müßte zumindestens dafür Sorge tragen, daß alle gegenwärtig der Organisation beitretenden Arbeitnehmer in den Bezug der staatlichen Unterstützung kommen könnten. Darüber hinaus gibt es jedoch auch tausende Arbeitsmenschen, die ohne jede eigene Schuld keinen Anspruch auf Unterstützung haben. Es sei in diesem Zusammenhange nur an jene erinnert, die keine Möglichkeit hatten, einer gewerkschaftlichen Organisation beizutreten, sei es, daß sie keine Kenntnis von den bestehenden Bestimmungen hatten, daß es ihnen aus ihren Einkommensverhältnissen heraus unmöglich war, oder sie aus anderen Gründen nicht beitreten konnten. Ferner muß auf die vielen, insbesondere Heimarbeiter, aber auch andere Arbeiterkategorien verwiesen werden, die nicht krankenversicherungspflichtig sind und daher gemäß den Bestimmungen des Gesetzes gleichfalls keinen Anspruch besitzen. Schließlich dürfen auch die sog. Grenzläufer nicht unerwähnt bleiben; denn sie werden am meisten mitbetroffen. Sie mußten auf ihrem Arbeitsplatze im Reiche sowohl ihren Beitrag zur Arbeitslosenversicherung bezahlen, als auch einer dortigen Gewerkschaftsorganisation angehören und hielten daher die Zugehörigkeit zu einer gewerkschaftlichen Organisation in der Èechoslovakei entweder nicht für notwendig oder vermochten die mehrfachen Ausgaben nicht zu bestreiten. Heute sind Tausende und Abertausende dieser "Grenzläufer" arbeitslos und erhalten trotz ihrer Beitragsleistung zur Arbeitslosenversicherung infolge mangelnder Vereinbarungen zwischen der Èechoslovakei und dem Deutschen Reiche keine Unterstützung. Sie sind gewissermaßen ein Opfer dieses Mangels geworden und daher hat unseres Erachtens der Staat und die èechoslovakische Regierung die unbedingte Pflicht, hier raschest helfend einzugreifen, um ein bestehendes Unrecht zu beseitigen. Ganz besonders aber muß auch der keineswegs geringen Zahl der bisher selbständigen Existenzen gedacht werden, die gleichfalls ohne Beschäftigung, aber auch ohne Unterstützung sind. Ihnen war es infolge der bestehenden Bestimmungen nicht möglich, sich einen Anspruch auf Unterstützung zu sichern. Nicht sie, sondern der bestehende Mangel in der sozialen Gesetzgebung trägt die Schuld daran, daß sie gegenwärtig keine Unterstützung erhalten können. Das Genter System aber darf nicht ein Mittel dazu sein, um an falscher Stelle Ersparnisse zu machen, sondern muß für die Übergangszeit bis zur Einführung der Arbeitslosenversicherung eben so ausgebaut und ausgestaltet werden, daß es den Anforderungen der Jetztzeit wenigstens halbwegs genügt und allen Arbeitsmenschen die Möglichkeit zum Bezuge des Staatsbeitrages gewährt.