Ich möchte noch auf eines zurückkommen. Als die Zwangswirtschaft im Jahre 1920/21 tobte, habe ich einen Artikel geschrieben und darin einen Satz, den ich noch heute anwenden könnte, weil man der Landwirtschaft nie die Beachtung schenkt, die ihr eigentlich gebührt. Ich schrieb damals: Es gibt keine einzige Industrie, kein einziges Gewerbe, kein einziges Amt in einem Staatswesen, das solch einer Beachtung wert wäre, wie gerade die Landwirtschaft. Dabei will ich keinem Lebenszweige eines Staates die große Bedeutung schmälern. Ohne Landwirtschaft gibt es kein Brot, keine Milch, kein Fleisch, kurz die Landwirtschaft gibt jedem anderen Lebenswesen, das in der Industrie, in den Ämtern, in den Lehrsälen, in den Werkstätten wirkt und schafft, Kraft und Leben. Weil leben- und kraftspendend, gebührt dem Bauer Achtung, nicht Verachtung, Wertschätzung, nicht Herabwürdigung, staatliche Unterstützung, nicht schrankenlose Ausbeutung, Anerkennung nicht Verspottung, freie Entwicklung, nicht Zwangsverwaltung, Freiheit, nicht Frohn. Ein Staat, der seine Landwirtschaft als unerläßliche Industrie behandelt, wird und muß groß und mächtig werden. So war es damals und so ist es eben auch heute. Der Landwirtschaft schenkt man eben nicht die Beachtung. Das sieht man auch bei dem 150 Millionengesetz. Man schreit hinaus und sagt, die Landwirtschaft hat eine Unterstützung in dieser und jener Höhe zum Weihnachtsgeschenk bekommen und wenn man die ganze Sache etwas genauer besieht, wird, wie ich schon vorhin sagte, der Restgutsbesitzer der einzige Nutznießer sein. Nur einzelne Nutznießer, ich glaube, die Restgutsbesitzer werden in erster Linie ihre Geschenke bekommen. (Posl. inž. Kallina: Zum vierten Mal finanziert werden!) Und die anderen werden sich schinden und plagen können, um die Steuern aufzubringen. (Posl. inž. Kallina: Aber Sie dürften sich bei der Volkszählung brav bewährt haben!) Ja, die Volkszählung war ein ganz gewaltiger Schritt nach vorwärts für die Herren an der Staatsmacht. Ich möchte einen Vorschlag machen, der wichtiger wäre als das 150 Millionengesetz. Ich würde beantragen, man sollte der deutschen Landwirtschaft und den notleidenden Steuerträgern ein Jahr lang die Steuern streichen. Dann wäre sozusagen ein gerechter Ausgleich geschaffen. (Posl. Stenzl: Das wird jeder fühlen von den Landwirten, aber von den 150 Millionen wird er nichts spüren!) Ja, da wird er nichts spüren, höchstens würde es der Landwirt bei der Einbringung dieser 150 Millionen spüren. (Posl. Nitsch: Die Eisenbahnen verpachten!) Das wäre das einzig beste.
Ich möchte der Staatsregierung
wünschen, daß sie einmal mit den Einkünften leben soll, wie wir
Bauern sie in unseren Wirtschaftsbesitzen haben, wie wir uns jetzt
in der Notzeit einschränken müssen, wo das Elend in den Bauernstuben,
in den Betrieben und bei den Arbeitern eingezogen ist und wo es
heißt, sich einschränken. Damit sollte der Staat einmal wirtschaften,
mit dem, was wir haben. Wir müssen arbeiten, damit dieser Staat
leben kann. Dann würden ganz andere Gesetze zutage kommen, die
uns nicht zugrunde richten. Von den Gesetzen, die jetzt gemacht
werden, haben wir nichts, ich muß aufrichtig sagen, wenn dieses
Gesetz tatsächlich die Not lindern würde, würde ich dafür stimmen.
Aber für ein solches Gesetz kann man nicht stimmen. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Koll. Matzner hat vorhin unsere Stellungnahme zum vorliegenden Gesetz bereits charakterisiert. Es erübrigt sich, dazu noch viel zu sagen. Wir haben schon vor Wochen unsere Stellung zur Wirtschaftskrise bezogen, ich habe damals ausführlich in meiner Rede dargelegt, daß man an diese Krise, die eine Weltwirtschaftskrise ist, nicht mit den kleinlichen Mitteln herantreten kann, wie sie hierzulande die ganzen Monate hindurch in den verschiedenen Gesetzen ihren Ausdruck fanden. Ich habe damals den Standpunkt vertreten, daß in erster Linie der Staat selbst durch eine vernünftige Wirtschaftspolitik, durch Steuersenkungen, durch Steuerermäßigungen die Kaufkraft der Bevölkerung heben müßte, was zur Folge hätte, daß dadurch die Industrie neu belebt würde. Unsere ernsten Mahnungen diesbezüglich hatten keinen Erfolg. Ich habe diese Mahnungen damals in einer Anzahl von Steuerprotesten hier zur Anschauung gebracht und diese Steuerproteste, die die Nationalpartei gesammelt hat und die von 150.000 Menschen stammen, damals dem Präsidium des Hauses überreicht. Es sind seither wieder ganze Reihen solcher Steuerproteste u. zw. mit 10.000 Unterschriften eingelaufen, die ich neuerdings dem Hauspräsidium mit der Bitte überreiche, sie an den Herrn Finanzminister weiterzuleiten, damit er endlich den Ernst der Situation erkenne, daß die Bevölkerung weiterhin durch die bisherigen Praktiken, kleinliche Steuerexekutionen u. dgl. mehr in einen unmöglichen Zustand der Erregung hineingetrieben werden dürfte. Alle diese Erwägungen waren überflüssig. Im Gegenteil, der Staat selbst ging seinerseits mit schlechtem Beispiele voran, er führt in vielen Beziehungen eine Verteuerung durch. Ich verweise nur auf die mit 1. Jänner eintretende Verteuerung der Bahntarife, auch auf die Erhöhung der Gemeindeumlagen, die jetzt notwendigerweise vorgenommen werden muß, weil das vorliegende Gesetz das Übel nicht an der Wurzel erfaßte und den Gemeinden nicht neue Einnahmsquellen zugewiesen hat.
Nun versucht die derzeitige Koalition, mit 150 Millionen der Wirtschaftskrise aufzuhelfen. Ein durchaus lächerliches stümperhaftes Beginnen, was meines Erachtens nicht anders denn als Augenauswischerei bezeichnet werden kann. Ich staune nur, wie freigebig Finanzminister Dr. Engliš bei der jetzigen Regierung den verschiedenen Forderungen der Parteien gegenüber ist, während er früher, in der alten Koalition, bei der bürgerlichen Regierung, durchaus zugeknöpfte Taschen hatte und bei irgendwelwelchen Forderungen immer gleich mit dem Rücktritt drohte. (Výkøiky.) Jetzt ist Geld in Hülle und Fülle vorhanden, das, ich weiß nicht woher wieder eingebracht werden soll, wahrscheinlich durch erhöhte Steuereintreibung, durch Steuerschikanen. Der Finanzminister will wahrscheinlich auf diesem Wege die 4 1/2 Milliarden Steuerrückstände, die nach unserer Auffassung uneintreibbar sind, in nächster Zeit durch Exekutionen zur Eintreibung bringen. Anders wären ihm Geldmittel nicht zur Verfügung.
Wie stümperhaft das Vorgehen der Regierungsparteien allen Fragen gegenüber, sowohl in nationaler Hinsicht, wo die ganzen Jahre hindurch nichts geleistet wurde, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist, zeigen jetzt wieder die Verhandlungen mit Ungarn wegen des Abschlusses des Handelsvertrages. Es wird doch notwendig sein, hier mit einigen Worten auf dieses tief einschneidende Ereignis zurückzukommen und zu zeigen, wie unfähig sich gerade die jetzige Regierung in einer so wichtigen Lebensfrage des Staates bewiesen hat.
Am 15. Juni wurde bekanntlich sechsmonatig der Handelsvertrag mit Ungarn, also mit 15. Dezember, gekündigt. Anfang Juli kam damals die ungarische Delegation nach Prag, um die ersten Verhandlungen bezüglich des Abschlusses des Handelsvertrages zu pflegen. Sie vertrat damals bei der ersten Zusammenkunft ihren Standpunkt dahin, daß die, damals im Juni beschlossenen erhöhten Zollsätze für sie unerträglich seien und daß sie auf deren Beseitigung bestehen müsse. Demgegenüber vertrat die èechoslovakische Delegation ihren Standpunkt in der Weise, daß sie erklärte, daß daran nicht zu denken sei. Bei dieser ganz schroffen Haltung mußten die Verhandlungen abgebrochen werden. Es ist interessant festzuhalten, daß in der gleichen Zeit, am 11. Juli, dem Hause der Handelsvertrag mit Rumänien vorlag, der auch, wie sie wissen, hier beschlossen worden ist, wobei Rumänien hauptsächlich bei Fettschweinen bis 120 kg, ermäßigte Zollsätze zugesichert wurden, daß auf Grund dieses Handelsvertrages 200.000 Fettschweine und 42.000 Rinder zur Einfuhr zugelassen wurden. Auf der einen Seite also eine schroff ablehende Haltung gegenüber Ungarn, auf der anderen Seite ein Entgegenkommen, allerdings einem befreundeten Staate, nämlich Rumänien, gegenüber. Ich wundere mich noch heute, wie agrarische Parteien einer derartigen Bestimmung ihre Zustimmung geben konnten, die selbstverständlich außerordentlich geeignet ist, die Landwirtschaft zu schädigen. Ich wundere mich, wie sie noch heute diese Bestimmung gegenüber ihren Wählern verteidigen können.
Den ganzen Sommer über und auch im Herbste ruhten die Verhandlungen. Sie hätten meines Erachtens seitens der Èechoslovakei aufgenommen und fortgeführt werden müssen. Man redet sich damit aus, daß der Führer der èechoslovakischen Delegation Dr. Friedmann angeblich erkrankt sei. Dann wäre es Pflicht gewesen, jemanden anderen an seine Stelle zu setzen, man durfte die Zeit nicht ungenützt vorüberstreichen lassen. Es zeugt von einem beispiellosen Leichtsinn, wenn die Verhandlungen erst eine Woche vor dem 15. Dezember neuerdings aufgenommen wurden. Denn erst damals, eine Woche zuvor, telephonierte die èechoslovakische Regierung dem hiesigen ungarischen Vertreter, daß sie zu Verhandlungen bereit sei. (Posl. Horpynka: Man hätte verhandeln sollen, bevor man kündigt!) Das wäre weise Voraussicht gewesen, die kann man aber bei unseren Staatsmännern nicht annehmen. Sie hatten noch Zeit den Sommer und den Herbst über, um Verhandlungen zu führen. Ungarn zeigte auch hier wieder ein weitgehendes Entgegenkommen, indem die ungarische Regierung sofort ihre Delegation zum zweitenmale nach Prag schickte, obwohl es meines Erachtens nach Aufgabe der èechoslovakischen Regierung gewesen wäre, die Delegation nach Budapest zu schicken, weil wir den Vertrag gekündigt hatten. In letzter Sekunde gewissermaßen wurden die Verhandlungen neuerdings aufgenommen und sie sollten in verhältnismäßig kurzer Zeit zur beiderseitigen Zufriedenheit zu Ende geführt werden.
Hier standen also Standpunkt gegen Standpunkt. Der ungarische Standpunkt ging dahin, daß man nach dem 15. Dezember keinen vertragslosen Zustand eintreten lassen möge, die ungarischen Vertreter plädierten vielmehr dafür, daß ein Rahmengesetz wenigstens die allgemeinen Vereinbarungen des Handelsvertrages unter allen Umständen aufrecht erhalte und daß vorläufig nur die Zollsätze selbst aufgehoben werden. Die Èechoslovakei erklärte demgegenüber, daß sie auf diesen unserer Ansicht nach durchaus vernünftigen Vorschlag nicht eingehen könne, daß sie an ihren erhöhten Zollsätzen unter allen Umständen festhalten müsse und daß der Vertrag in vollem Umfange aufgelöst werde.
So ist gegenwärtig die Situation. Wir müssen die Angelegenheit von beiden Standpunkten aus betrachten. Es ist selbstverständlich, daß die ungarische Regierung, die im Juni beschlossenen erhöhten Zollsätze von ihrem Standpunkt aus nicht widerspruchslos entgegennehmen kann, weil ihr dadurch die Möglichkeit zur Belieferung der Èechoslovakei Produkte in die Èechoslovakei benommen worden ist. Umgekehrt können wir selbstverständlich, wenn wir diese Zollsätze beibehalten wollen, nicht verlangen, daß die Ungarn unsere Industrieprodukte ungehindert im vollen Umfange wie bisher in das Land hereinlassen. Die Hauptschwierigkeiten sind also hauptsächlich in diesen zwei Punkten gegeben und es wäre meines Erachtens keine Schwierigkeit gewesen, nach dem Grundsatze: "do ut des - gib Du etwas, dann gebe ich etwas", eine beiderseitige zufriedenstellende Vereinbarung bei einigem guten Willen zu treffen.
Die Hauptschwierigkeit für Ungarn beruht in der Ausfuhr von Weizen- und Weizenmehl, was das Hauptkontigent darstellt, in der Ausfuhr von Fettschweinen, bzw. Schweinefett. Aber auch wir haben umgekehrt ein Interesse an einer ungehinderten Einfuhr unserer Industrieartikel nach Ungarn, was ohneweiters aus den Zahlen hervorgeht. Die Ausfuhr der Èechoslovakei betrug im Jahre 1928 8 % unserer gesamten Ausfuhr, was immerhin bedeutend ist, wenn man überlegt, daß die Èechoslovakei ihre Industrieprodukte in 26 verschiedenen Staaten exportieren muß. So kommt es, daß Ungarn an fünfter Stelle als Absatzgebiet steht. Im Jahre 1929 fiel der Anteil auf 6·4%, er machte, in Zahlen ausgedrückt, immerhin 1.300 Millionen aus. Dieser Export betrifft in erster Linie Textilwaren, Glas, Leder, Eisen und Maschinen, überragend aber Textilien, sie machen in der Ausfuhr allein 475 Millionen im Jahre 1929 aus. Die Einfuhr ungarischer Produkte betrug im Jahre 1929 967 Millionen oder 4·8 % der gesamten Einfuhr. Damit ist unsere Handelsbilanz gegenüber Ungarn mit 333 Millionen positiv. Wenn wir bedenken, daß die Èechoslovakei ihren Weizenbedarf nicht selbst decken kann, daß wir eine Vermehrung des Anbaues von Weizen wohl kaum werden durchführen können, eine Steigerungsmöglichkeit also nicht gegeben ist, wenn wir weiter bedenken, daß unsere Bodenprodukte, die in erster Linie bei uns gebaut werden, Zucker, Futterrübe und Gerste sind, entsprechend den klimatischen Verhältnissen, so werden Sie zugeben müssen, daß aus dieser Sachlage heraus die Möglichkeit bestand, mit Ungarn ein Übereinkommen in Bezug auf die Weizen-, bzw. Weizenmehleinfuhr zu treffen. Es wäre also ohne Zweifel möglich gewesen, ohne Schädigung der hiesigen Landwirtschaft einen bestimmten Prozentsatz an Weizen und Weizenmehl hereinzulassen. Es ist gar keine Frage, daß wir alle auf dem Standpunkt stehen, daß der Landwirtschaft geholfen werden muß, daß jede schwere Schädigung hintangehalten werden muß. Das eine aber hätte, wie Sie aus den Zahlen ersehen, nicht eintreten müssen; es hätte nicht eintreten müssen, wenn ein bestimmtes Quantum von Fettschweinen hereingelassen wird, schon deshalb, weil ja in Ermangelung des Schutzes der Regierung unsere Produktion an Schweinen daniederliegt, durch die ganzen Jahre nicht gefördert wurde und weil es noch lange dauern wird, bis die èechoslovakische Landwirtschaft im eigenen Wirkungskreis unseren Mehrbedarf an Schweinen hierzulande zu decken in der Lage ist. Abgesehen davon werden Schweine noch in großer Menge aus Polen eingeführt. Es wäre also ganz gut möglich, wie ich schon sagte, auf diese Dinge ein wenig Bedacht zu nehmen, Bedacht zu nehmen auf die Ei - und Ausfuhr. Die Zahlen sind bekannt und bei einem intensiven Studium müßten unsere Volkswirtschaftler schließlich und endlich zur Erkenntnis kommen, daß unsere Ausfuhr durch diesen Schritt bedroht ist, daß sie zurückgeht, und daß nach dieser Richtung hin etwas geschehen müsse. In den ersten 11 Monaten des Jahres 1930 ist der Export der Èechoslovakei gegenüber dem Jahre 1929 wiederum um 2215 Millionen gefallen, was ohne Zweifel ein ganz bedenkliches Zeichen ist. Besonders der Export an Fertigwaren ist um 1300 Millionen im Rückgange. Sie sehen an diesem Beispiele des ungarischen Handelsvertrages, wie hier die ganzen Jahre verhandelt wurde, wie kurzsichtig unsere Wirtschaftspolitiker sind und sie sich selbst bei wirtschaftlichen Fragen von ihrer persönlichen Neigung diesem oder jenem Staate gegenüber leiten lassen. Vielleicht hat der ganz vertragslose Zustand, wie er jetzt heraufbeschworen wurde, keinen anderen Zweck, als den Ungarn vorübergehend zu zeigen, daß der èechoslovakische Staat immerhin etwas darstellt, daß er sich nicht, so ohne weiters dem Kommando der Herren in Budapest fügt. Wir leiden ja an einer gewissen Großmannssucht, und die sollte wahrscheinlich den Ungarn auf diesem Wege deutlich zum Bewußtsein gebracht werden. Die Folgewirkung wird selbstverständlich sein, daß inzwischen mit Rücksicht auf diesen vertragslosen Zustand jetzt auch unsere Industrie keinen Zollschutz, keine Begünstigung mehr bei der Einfuhr nach Ungarn genießt. Die Folge davon wird sein, daß selbstverständlich die ganze Exportindustrie schwer betroffen wird, besonders die Textilindustrie, daß wir unseren Absatzmarkt in Ungarn verlieren werden. Denn selbstverständlich werden sofort andere Staaten - wie man hört, sind bereits Delegationen in Budapest eingetroffen, um neue Vertragsverhandlungen aufzunehmen - versuchen, günstige Verhältnisse für ihre Einfuhr zu erzielen. Wir werden also auf diesem Wege unseren Export verlieren, und wenn nach einigen Monaten endlich doch wieder ein brauchbares Verhältnis sich zwischen beiden Staaten herauskristallisieren wird, dann wird es selbstverständlich bereits zu spät sein, dann werden wir nicht mehr in der Lage sein, die für unsere Industrie verloren gegangenen Absatzmärkte zurückzugewinnen. Genau so wie einseitig chauvinistisch die Handelspolitik nach dem Umsturze vorgegangen ist und dadurch herbeiführte, daß wir unseren Absatzmarkt in vielen Staaten restlos verloren haben, daß selbst natürliche Handelsbeziehungen, die zwischen uns, den Sudetenländern und den verschiedenen anderen agrarisch gerichteten Staaten Österreich-Ungarns, mit dem Balkan, Galizien, Polen usw., daß alle diese Handelsbeziehungen restlos abgerissen wurden. Das nennt man hierzulande Wirtschaftspolitik. Statt auf der einen Seite in Erwägung dieser Umstände alles zu tun, selbstverständlich unter dem Schutz des landwirtschaftlichen Standpunktes, um nicht die Industrie zu schädigen, werden leichtsinnigerweise Handelsbeziehungen abgebrochen und tausende und Abertausende Arbeiter werden in den nächsten Wochen durch dieses unsinnige Vorgehen arbeitslos werden, weil einfach die Produktion im alten Umfange nicht aufrechterhalten werden kann. Es ist begreiflich, daß angesichts dieses vollständigen Versagens bei diesen Verhandlungen mit Ungarn, sich der führenden Kreise hierzulande eine gereizte Stimmung bemächtigt hat, eine Stimmung, die den Schuldigen sucht, ohne sich selbst an die Brust zu schlagen und zu sagen: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa, und die Schuld in sich selbst zu finden, eine gereizte Stimmung, die sich in hochnotpeinlichen Hausdurchsuchungen äußert, die seit gestern in der Schriftleitung des "Prágai Magyar Hirlap" vorgenommen werden u. zw. unter dem vorgeschützten Grunde, daß in dieser Zeitung Artikel erschienen sind über Beziehungen zwischen den èechischen und magyarischen Sozialdemokraten, die der magyarischen Tagespresse nachgedruckt waren. Ich glaube, das ist nur ein vorgeschützter Grund. Der Hauptgrund dürfte darin zu finden sein, daß in der letzteren Zeit gerade in diesem Blatte rund 40 hervorragende Persönlichkeiten aus der Slowakei aus allen Ständen und Schichten der Bevölkerung zu Worte kamen, um sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Slowakei zu äußern, und daß die Äußerungen dahin gingen, daß die Verhältnisse sehr schlecht sind, weitaus schlechter als im alten Österreich, und eine vernichtende Kritik an den hiesigen Zuständen übten. Das scheint den Prager Machthabern auf die Nerven gefallen zu sein. Möglich, daß man auf diesem Wege, durch diese Schikanierung des magyarischen Blattes, einen Druck auf die ungarische Delegation zum Nachgeben ausüben wollte. Man drohte sogar mit der Einstellung des Blattes; wir wissen nicht, ob es nicht tatsächlich noch der Fall sein wird, denn gerade jetzt um 5 Uhr wurden die Schriftleiter vorgeladen, um einem hochnotpeinlichen Verhör unterzogen zu werden. (Posl. Horpynka: Man braucht nicht mehr zu drücken, die ungarische Delegation ist schon weg!) Die ungarische Delegation ist inzwischen abgereist, sie hat Prag verlassen, weil es keinen Zweck hat, bei diesem ablehnenden Standpunkt weiter zu verhandeln, sie konnte mit dem guten Bewußtsein abreisen, daß sie ihrerseits alles getan hat, um die schwebenden Verhandlngen zu einem guten Ende zu bringen, mit dem Bewußtsein, daß es ihr gelungen ist, die èechische Delegation ins Unrecht zu setzen. Es ist begreiflich, daß bei einer so feindlichen Stimmung, wie sie von Seiten der Èechoslovakei Ungarn gegenüber beobachtet wurde, friedliche wirtschaftliche Verhältnisse nicht gedeihen können, daß es schwer ist, hier einvernehmlich Handelsbeziehungen anzuknüpfen und zu führen. Seit Jahr und Tag - und das haben wir ja genügend oft hier im Parlament feststellen können - wird ja in der gesamten Außenpolitik ein ungarnfeindlicher Kurs beobachtet, die Èechoslovakei, mit Beneš als Außenminister ist überall dabei, wenn es gilt, gegen Ungarn, genau so wie gegen Deutschland, einzuschreiten, bzw. aufzurüsten, das Land zu demütigen, wobei allerdings unsere Beziehungen durchaus korrekt sind, das muß man immer wieder betonnen, freundschaftlich sogar, wie Sie wissen, Deutschland gegenüber. Das hindert allerdings nicht, daß wir uns in die Politik dieser Staaten einmischen, daß wir sofort vom Leder zi ehen, wenn Curtius sich erkühnt, ein wenig gegen den wirtschaftlichen Boykott bei Tonfilmen loszugehen, daß wir uns hineinmischen, was Ungarn für eine Staatsform haben darf oder soll, daß wir die Restauration der Habsburger, die eine innere Angelegenheit Ungarns ist, als Kriegsfall erklären, es als Kriegsfall erklären, wenn sich Deutschösterreich Deutschland anschließen würde, kurz und gut, wir verfolgen in der ganzen Außenpolitik eine Richtung, die uns in Ungarn, Österreich, Deutschland und auch sonstwo wenig Freunde macht, uns dafür aber den Stempel des Lächerlichen aufdrückt. Herr Špaèek - und das ist oft genug betont worden - hat als Berichterstatter seinerzeit bei der Wehrvorlage ausdrücklich erklärt, daß wir die Rüstungen brauchen ..... (Posl. inž. Kallina: Ist das der Restgutbesitzer Špaèek?) - Ja, der Gutsherr von Fulnek - für den zukünftigen Krieg gegen Ungarn und Deutschland. (Posl. Nitsch: Wird auch er in den Krieg gehen?) Nach bewährten Mustern wahrscheinlich nicht, er wird sich immer rückwärts halten.
Mit derartigen Schikanierungen ist es selbstverständlich und begreiflich, daß eine freundschaftliche Stimmung nicht erzeugt werden kann und daher auch wirtschaftliche Verhandlungen schwer vorwärts zu bringen sind. Ich mache in erster Linie für die Schwierigkeiten der Verhandlungen mit Ungarn unsere Delegation verantwortlich und stelle fest, daß das Verhalten der ungarischen Delegation durchaus korrekt war. Das zeigt wieder einmal klar und deutlich, daß unsere jetzige Regierung, unsere großen Staatsmänner, die an der Spitze dieser Regierung stehen, der Sache in gar keiner Weise gewachsen sind und daß sie nach dem bewährten österreichischen Prinzip arbeiten: fortwursteln, nur über die schwierigen Situationen durch gegenseitiges Wegtäuschen und Geschenkegeben u. dgl. mehr hinwegzukommen trachten. Von einer kraftvollen Führung des Staates, von einer zielbewußten Politik in wirtschaftlicher, kultureller und nationaler Hinsicht kann selbstverständlich keine Rede sein. Wir taumeln aus einer Regierungskrise in die andere, sie werden notdürftig wieder durch einige Pflaster zusammengeleimt, um bei der nächsten Gelegenheit sofort wieder in Erscheinung zu treten. (Výkøiky na levici.) Das ist deshalb, weil eben die verantwortlichen Faktoren keine wirklichen Staatsmänner sind, sondern in erster Linie selbstverständlich nur Parteimänner, welche die Staatsnotwendigkeiten ihren Parteiansichten und Parteibedürfnissen unterordnen. So will man jetzt über die gegenwärtige schwere Wirtschaftskrise und über die andere, die Regierungskrise, die angeblich schon wieder herumspukte, weil diese durchaus verschiedenartig zusammengesetzte Gesellschaft sich wieder einmal nicht einigen kann, - ich habe mir erzählen lassen, daß der Pater Šrámek jetzt nicht einmal mehr den Spruch gebraucht: Wir haben uns geeinigt, daß wir uns einigen werden, weil er angeblich schon an der Wirkungskraft dieses Spruchs verzweifelt - so will man, sage ich, über die gegenwärtigen Krisen mit 150 Millionen hinwegkommen, und Koll. Matzner hat mit Recht darauf hingewiesen, daß vielleicht wieder ein Streit über die Verteilung dieser 150 Millionen entbrennen wird, die ja ganz kontrollos wahrscheinlich wieder werden verausgabt werden. Sie werden es begreiflich finden, daß wir zu einer solchen Wirtschaft, die den regierenden Parteien und Männern das freie Verfügungsrecht gibt, absolut kein Vertrauen haben. Die bisherige Fondswirtschaft, die in unglaublicher Weise gediehen ist, zeigt uns, daß wir bei der Verteilung aus diesem Fonds immer und jederzeit zu kurz kommen und die vielfachen Beträge dieser Fonds nicht auf normalem Wege den Bedürftigen und denen, die es notwendig brauchen, zufließen, sondern auf Nebenkanälen meist für ganz andere Zwecke verbraucht werden. Es sind eben da vielfache Nutzni eßer, möchte ich sagen, des herrschenden Systems, die auf diesem Wege zufriedengestellt werden müssen.
Wie stark diese Nebenfaktoren und Nebenregierungen sind, das haben wir gerade jezt wieder bei der Volkszählung zu beobachten Gelegenheit gehabt. Sie werden mir gestatten, daß ich etwas abweichend vom Thema auch auf diese Dinge zurückkomme, u. zw. deshalb, weil wir heute die letzte Sitzung haben, das Parlament auf Wochen in die Ferien geht und keine Möglichkeit mehr besteht, hier von dieser Stelle aus den ganz unmöglichen Äußerungen des Innenministers Dr. Slávik entgegenzutreten.
Wir waren uns von Haus aus bewußt, daß auch bei der diesjährigen Volkszählung genau so wie vor 10 Jahren mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln versucht wird, einen für die Èechen günstigen Prozentsatz, für uns eine ungünstigere Zahl in der Zusammensetzung der Bevölkerung herauszubringen. Wir nahmen nur an, daß vielleicht doch mit Rücksicht auf die Teilnahme deutscher Parteien an der Regierung, mit Rücksicht auf den Umstand, daß zwei deutsche Minister auf der Ministerbank sitzen und nach außen einen gewissen Anteil an der Macht vortäuschen, der Schein gewahrt wird und daß man die gröbsten Zurücksetzungen und Mißhandlungen verhindern werde. Was sich wieder bebei der Volkszählung ereignet hat, übertrifft jedoch alles, behaupte ich, sogar das im Jahre 1920 Gebotene. Es geht darüber noch weit hinaus, nur unterscheidet es sich in einem: Damals ging man ganz rücksichtslos gegen die Deutschen vor. Was von Staatswegen veranlaßt wurde, um das notwendige und gewünschte Ergebnis zu erzielen, wurde ganz offen gemacht. Diesmal wahrte man gewissermaßen ein wenig nach außen hin den Schein, man ging nach derselben Methode vor, wie sie hierzulande schon seit zehn Jahren in Übung ist, indem man den verschiedenen Intervenierenden, die verschiedene Mißbräuche oder Wünsche rechtzeitig bekanntgaben, die als die Vertreter der deutschen Parteien beim Innenminister erschienen, immer weitestgehende Zusagen und Verssprechungen machte, ohne natürlich daran zu denken, sie in die Tat umzusetzen und ihre Durchsetzung mit ernsten Mitteln zu erzwingen. Innenminister dr. Slávik hat den deutschen Regierungsparteien, beziehungsweise den intervenierenden Kollegen mehr als einmal scheinheiligst erklärt, daß er und die Regierung selbstverständlich ein Interesse daran haben, die wirklichen Verhältnisse zu erforschen und die wahren Zahlen hier durch die Zählung festzulegen. Ich weiß nicht, ob ich ihm den guten Willen zubilligen darf, aber das eine wage ich zu behaupten, daß auch hier wieder ohne Zweifel der Beweis geliefert wurde, daß die eigentliche Regierung schwächer ist als die Nebenregierungen, (Souhlas na levici.) die hierzulande das Szepter in der Hand haben. Freilich mögen auch nach außenhin einige Befehle an die Zwischeninstanzen, an die untergeordneten Stellen herausgegangen sein. Aber das Eine ist jedenfalls sicher, daß sie überall von den unteren Stellen sabotiert wurden, daß sich die Landes- und Bezirksämter einfach nicht daran hielten, daß infolgedessen der Staat auch nicht genug stark war, die Durchsetzung dieser vielleicht erlassenen Befehle zu erwirken. Begreiflich auch deshalb, weil der Beamte weiß, er kann machen, was er will, er kann, weiß Gott wie, gegen die deutsche Minderheit vorgehen, er bleibt immer straflos. (Výkøiky posl. Nitsche, dr Hassolda a dr Hanreicha.) Die Interpellationsbeantwortungen, die wir auf solche Fälle des öfteren bekommen, zeigen ja, mit wie wenig Ernst die Erhebungen durchgeführt werden, aber auch, daß jede Schandtat, wo immer und durch wen immer sie ausgeführt wird, von seite der übergeordneten Stelle, des Ministers selbst, gedeckt wird. (Posl. Nitsch: Ja, noch belohnt wird!) Ja, er muß noch belohnt werden durch ein besseres Avancement. Daher ist es begreiflich, daß bei dem Fehlen einer starken Hand der Chauvinismus große Orgien feiert und wieder einmal bei der Volkszählung Gelegenheit hatte, sich gegen die wehrlosen Deutschen auszutoben.
Das, meine ich, war verständlich, das war vielleicht da und dort begreiflich, wenn es auch von Seite des Staates, seitens einer Regierung, in der deutsche Parteien sitzen, nicht geduldet werden durfte. Es ist geradezu unglaublich, wenn sich noch der Innenminister Slávik dazu hergibt, dieses ganz offensichtlich deutschfeindliche und ungesetzliche System, weil es auch gegen die bestehenden Vorschriften verstößt, mit seinem Namen zu decken und eine Reihe von Äußerungen zu machen, bei denen man sich geradezu an den Kopf fassen muß, ob der Minister selbst an die Wahrheit dessen glaubt oder wieder nur Worte gebraucht, um eine gewisse Benebelung der Gehirne, vor allem der Meinung des Auslandes, herbeizuführen. Innenminister Slávik hat z. B. im Haushaltungsausschuß des Senates in der vorigen Woche unter anderem gesagt, daß die von deutscher Seite vorgebrachten Beschwerden tendenziöser Art sind, daß sie sich als vollkommen grundlos erwiesen haben, er sprach von einer künstlichen Bevölkerungsverschiebung mit Rücksicht auf die Durchführung der Volkszählung, und nach der Annahme, daß der Hieb die beste Parade ist, sagte er, diese Verschiebungen sind nicht auf èechischer, sind vielmehr auf deutscher Seite vorgenommen worden. Z. B. im Hultschiner Gebiete sei es vorgekommen, indem hier Bevölkerung aus Preußen und ungarische Bevölkerung - ausgerechnet ungarische Bevölkerung - aus der Slovakei verschoben wurde; außerdem wurde in zahlreichen Gegenden eine Verschiebung von Holzfällern deutscher Nationalität beobachtet und festgestellt. Bei der Ernennung der Zählkommissäre sei die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung berücksichtigt worden. So wurde z. B. eine ganze Anzahl von Personen deutscher Nationalität zu Zählkommissären ernannt, wobei allerdings auf die Sprachenkenntnisse Rücksicht genommen werden mußte, und das ergab Schwierigkeiten bei der Ernennung. Dort, wo vielleicht Zweifel in die Durchführung bestanden, wurde die Einrichtung von zweiten Zählkommissären zur gegenseitigen Kontrolle gewissermaßen zugelassen. Die Volkszählung ist keine Wahl, sagte der Minister, sondern eine rein verwaltungstechnische Angelegenheit zur Feststellung bestimmter Tatsachen, und es muß bedauert werden, daß einige Zeitungen diese Maßnahmen mit Vorbedacht entstellen.