Úterý 16. prosince 1930

Ich betone nochmals, daß wir uns, obgleich wir jeden Schritt, der zur Linderung der Wirtschaftsnot unternommen wird, freudigst begrüßen, keinesfalls mit solchen Teilmaßnahmen zufrieden stellen können, umsomehr als uns auch in diesem Falle wieder keine wie immer geartete Gewähr dafür geboten ist, daß dabei auch den Belangen der deutschen Bevölkerung dieses Staates und allen voran jenen der von der Krise am meisten betroffenen deutschen Arbeiter- und Angestelltenschaft in gerechter Weise Rechnung getragen werden wird. In dieser Ansicht werden wir vor allem auch durch die Fassung des § 2 des vorliegenden Gesetzentwurfes bestärkt; denn es heißt dort, daß "die Regierung die Art der Verwendung dieses außerordentlichen Kredites bestimmt", während der § 3 bestimmt, daß "die auf Rechnung dieses Kredites gemachten Ausgaben im Staatsrechnungsabschlusse des betreffenden Jahres zu verrechnen sind". Ganz abgesehen davon, daß sich das Parlament bei Annahme dieser Bestimmung selbst eines ihm zustehenden Rechtes begibt, sehen leider gerade wir Deutschen uns veranlaßt, diesen Bestimmungen gegenüber arge Bedenken zu hegen; denn alle Benachteiligungen, die wir Deutschen in den letzten Jahren erfahren mußten, stehen uns nur noch allzu deutlich in Erinnerung. Ich brauche dabei ja wiederum nur an den allgemeinen Kampf gegen die deutsche Industrie und Wirtschaft, an die Übergehung derselben bei Staatslieferungen, an den Hinauswurf und die Zurücksetzung Deutscher im Staatsdienste, an die Ni chtberücksichtigung deutscher Arbeiter und Gewerbetreibender bei Staatsbauten, an die Resystemisierung als Èechisierungsmittel, an die Hintansetzung der Deutschen im Schulwesen, ihre Benachteiligung auf allen Gebieten des Staatshaushaltes und an vieles andere zu erinnern, um aufzuzeigen, welche bedeutsamen Gründe einen solchen Argwohn gerechtfertigt erscheinen lassen. Wir befürchten mit einem Wort, daß auch diese Beträge zum Großteil ins èechische Gebiet, also dorthin wandern werden, wo es keine oder zumindestens keine so große Arbeitslosigkeit gibt wie in den deutschen Gebieten.

Daß solche Bedenken ihre Begründung haben und vollauf zurecht bestehen, geht aber auch aus dem vom Ministerium für öffentliche Arbeiten im vergangenen Jahre durchgeführten Investitionen als auch aus dem Investitionsprogramm dieses Ministeriums für die nächste Zeit hervor. Gemäß des letzteren entfallen nahezu alle für Schulbauten vorgesehenen 60 Millionen für die èechischen Hochund Mittelschulen, darüber hinaus weitere 28 Millionen für Minderheitssch ulen, ferner soll es zum Bau der staatlichen Gesundheitsanstalt und zu weiteren umfangreichen Regierungsbauten in Prag, zu einem Wohnhausbau der Sozialversicherung in Prag, zur Errichtung eines Wasserwirtschaftsfonds, des Meliorationsfonds, zur beschleunigten Durchführung des Straßenbauprogrammes und der Elektrifizierung, sowie zur Ausgestaltung und Vermehrung des Flugwesens kommen. Von diesen umfangreichen Investitionsarbeiten dürfte höchstens bei der Durchführung der Elektrifizierung und des Meliorationsprogrammes etwas auf die Deutschen entfallen. Die Straßenbauten werden zum Großteil in Prag und Umgebung, in Brünn und in der Slovakei durchgeführt. Kommen jedoch Straßenbauten im deutschen Gebiete zur Durchführung, dann werden dabei zumeist nur èechische Arbeiter und Gewerbetreibende beschäftigt, wie dies ja so zi emlich bei allen Staatsbauten überhaupt der Fall ist. Ganz besonders aber dürfen wir Deutschen vom Bau der Minderheitsschulen und vom Ausbau des Flugwesens nichts erwarten. Was den Wasserwirtschaftsfonds anbelangt, so soll es in der ersten 15jährigen Periode zur Schiffbarmachung der Beraun und Sazawa, zum Bau mehrerer Talsperren im èechischen Gebiete, zur Schiffbarmachung der Moldau von Prag bis Budweis kommen. Die Schiffbarmachung der Eger hingegen wurde erst nach langen Zweifeln in die letzte Etappe mit aufgenommen. So könnten noch andere Gebiete herausgegriffen werden, doch würde auch dabei immer nur das eine zutage treten, daß es eben eine starke Benachteiligung der Deutschen in diesem Staate unbedingt gibt und daß sich dieselbe bei allen Fragen und Angelegenheiten, ganz gleich ob politischer, wirtschaftlicher, kultureller, nationaler oder sozialer Natur, zutage tritt. Wir müßten die ganzen Jahre hindurch geradezu blind und taub gewesen sein, wenn diese Vorgänge an uns vorübergegangen wären, ohne in uns eine besondere Einwirkung zu hinterlassen. Wenn wir daher heute allen Maßnahmen des Staates mit dem größten Mißtrauen entgegentreten, so sind nicht wir, sondern es sind diejenigen schuld, die sich diese Benachteiligung und Zurücksetzung des gesamten Deutschtums in diesem Staate die ganzen letzten 12 Jahre hindurch geradezu zum Ziele gesetzt haben.

Nach all dem Gesagten erscheint es uns als unbedingt notwendig, außer einer Erhöhung des Betrages auch eine Abänderung der Bestimmungen des Gesetzentwurfes dahingehend zu fordern, daß ein besonderer Ausschuß, bestehend aus Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und Senates, eingesetzt werde, dem die Durchführung des Gesetzes zu übertragen wäre und der mindestens vierteljährlich einen besonderen Bericht zu erstatten hätte. Ich mache besonders darauf aufmerksam, daß wir von der Annahme des Antrages unsere Zustimmung zu dem Gesetz abhängig machen. Bemängelt muß aber auch werden, daß weder der Gesetzentwurf noch der Motivenbericht etwas Näheres über die Verwendung des in Frage stehenden Betrages enthält. Es genügt wohl keineswegs, wenn es über die Verwendung im Motivenbericht heißt: "Bei der allgemeinen Wirtschaftsdepression unterliegen der Krise gerade die schwächsten Wirtschaftseinheiten, seien es nun bestimmte Produktionszweige oder soziale Klassen und Organisationen, die Hilfe brauchen, wenn sie die Krise überdauern sollen. Ferner müsse der Staat auch an seine Angehörigen im Ausland denken, die dort ihre Existenz verlieren. Alle diese Hilfe kann die Regierung nicht im Rahmen des ordentlichen Budgets gewähren, sie fordert daher für diesen Zweck einen außerordentlichen Kredit."

Daraus geht hervor, daß der Motivenbericht keine klaren Bestimmungen über die Art der Verwendung des zu genehmigenden Kredites enthält. Der ganze Inhalt des Gesetzentwurfes kann daher in einen einzigen Satz zusammengefaßt werden, der da lautet: Die Regierung erhält das Recht, einen außerordentlichen Kredit von 150 Millionen Kronen aufzunehmen und kann machen damit was sie will.

Daß wir auch mit einer solchen Handhabung nicht einverstanden sein können, weil sie einem Regierungsprotektionismus sondergleichen Tür und Tor zu öffnen vermag, ist ganz klar. Dies umsomehr, als wir wohl mit Recht behaupten können, daß eine solche Bestimmung nicht notwendig gewesen wäre; denn die seit vielen Monaten bestehende Krise hätte es gestattet, einen genauen Überblick zu schaffen, wo es am dringendsten ist, mit Hilfsmaßnahmen einzusetzen, so daß auch eine dementsprechende Aufteilung des 150 Millionen-Kredites hätte vorgenommen werden können. Wenn demgegenüber der Motivenbericht zum vorliegenden Gesetzentwurfe erklärt, "daß man derzeit weder voraussehen und noch weniger ziffernmäßig hätte feststellen können, wie der Kredit für die verschiedenen Zwecke und Maßnahmen, die aus dem Fonds dotiert werden sollen, aufzuteilen sei", so können wir eine solche Feststellung keineswegs als berechtigt gelten lassen und verlangen die Angabe eines entsprechenden Aufteilungsschlüssels.

Der von uns verlangte erhöhte Betrag wäre daher raschestens flüssig zu machen und ist unseres Erachtens nach in allererster Linie den Opfern der Wirtschaftskrise, d. h. den arbeits- und existenzlos gewordenen Menschen und ihren Familien zuzuwenden. Wie ich bereits darlegte, gibt es gegenwärtig ungefähr 500.000 bis 600.000 Arbeitslose und mit den Familienangehörigen ungefähr 1 1/2 Million Menschen, die durch die Krise vollständig brotlos gemacht worden sind. Das Elend, das in den Reihen dieses Arbeitslosenheeres anzutreffen ist, steigert sich immer mehr und mehr und wird gerade jetzt mit dem Eintritt des Winters außerordentlich scharfe Formen ann ehmen. Es wird sich, bedingt durch die härtere Jahreszeit, nicht nur die Zahl der Arbeitslosen um ein Bedeutendes vermehren, sondern auch die Not unter der Arbeiterschaft wird wesentlich zunehmen. Während des Sommers und des Herbstes war es den aus den Fabriken und Betrieben entlassenen Menschen wenn auch nur vorübergehend, so doch wenigstens zeitweise möglich, sich einen kleinen Erwerb zu verschaffen. Diese Möglichkeiten fallen mit dem Einsetzen der Winterszeit vollständig weg. Selbst die Notstandsarbeiten werden fast überall eingestellt werden müssen.

Dazu kommt, daß die Winterszeit an die Menschen erhöhte finanzielle Anforderungen stellt, sei es inbezug auf Kleidung, Beheizung usw. Es ist geradezu furchtbar, wenn festgestellt werden muß, daß es tausende und abertausende Familien gibt, wo es infolge der Arbeitslosigkeit des Familienerhalters nicht mehr möglich ist, den Kindern die für ihre Gesunderhaltung notwendige Milch zukommen zu lassen, oder wo die Kinder infolge mangelnder Bekleidung die Schule nicht besuchen können, wie dies nicht nur in Rothau, sondern auch in vielen anderen Gebieten der Fall ist. Selbstmorde arbeitsloser Menschen, die trotz eifrigsten Suchens keine Arbeit finden können, stehen auf der Tagesordnung. Am elendsten ist es um die Lage der unorganisierten Arbeiterschaft bestellt, die freilich aus eigenem Verschulden, weil sie es nicht für notwendig hielten, sich einer gewerkschaftlichen Organisation anzuschließen, keine Arbeitslosenunterstützung erhalten. Wie groß die Zahl dieser Menschen ist, geht daraus hervor, daß nicht einmal die Hälfte der krankenversicherten Personen in diesem Staate gewerkschaftlich organisiert sind. Dem Berichte der Zentralversicherungsanstalt für den Monat November ist zu entnehmen, daß es im August 1930 2,541.838 Versicherte gab, gegenüber 2,680.693 Versicherten im August 1929. Die Differenz von ungefähr 140.000 Versicherten dürfte zum Großteil auf die Arbeitslosigkeit zurückzuführen sein, da ein großer Teil der Arbeitslosen aus dem Versicherungsverhältnis ausscheidet. Dieser Anzahl von 2,680.693 Versicherten stehen jedoch nach den Mitteilungen des "Statistischen Staatsamtes" lediglich 1,130.287 organisierte Arbeitnehmer gegenüber. Weit größer als die Zahl der Organisierten und daher für eine Arbeitslosenunterstützung Anspruchsberechtigten ist in diesem Staate die Zahl jener, die kein Anrecht auf eine Unterstützung haben und die man gleichfalls nicht untergehen lassen kann, wenn sie ihre heutige besonders trostlose Lage auch zum Großteil dem eigenen Verschulden zuzuschreiben haben. Doch auch die gewerkschaftlich Organisierten bleiben von den Härten einer andauernden Arbeitslosigkeit nicht verschont. Die in den meisten Fällen überaus karge Arbeitslosenunterstützung reicht natürlich keineswegs aus, nur auch nur die allernotwendigsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Zahlreiche Arbeitslose, und zwar vor allem jene, die von der Krise am schwersten getroffen wurden, das sind namentlich die Textil- und Glasarbeiter, sind zum Großteil ausgesteuert, haben die ihnen zustehenden 26 Wochen erschöpft und besitzen daher keinen Anspruch mehr auf weitere Unterstützung, solange die außerordentliche Arbeitslosenunterstützung nicht in Kraft gesetzt wird. Die Notlage dieser Arbeitnehmerschaft ist natürlich schon mit Rücksicht auf die lange Dauer der Arbeitslosigkeit eine ungeheuere. Neben all dem nach Hunderttausenden zählenden Arbeitslosenheere aus den Reihen der Arbeiter- und Angestelltenschaft wird gleichfalls ein nach Hunderttausenden zählendes Aufgebot von Existenzlosen aus dem Lager der vordem selbständigen Menschen gestellt, die entblößt aller Mittel und ihrer einstigen Habe dem größten Elend preisgegeben sind und ohne eigenes Verschulden keine Arbeitslosenunterstützung erhalten können; denn für sie existiert bisher kein gesetzlicher Anspruch auf eine solche Unterstützung. In allen diesen Fällen, aber auch bei den Heimarbeitern, die infolge ihrer Nichtzugehörigkeit zu einer Krankenversicherung, kein Anrecht auf staatliche Unterstützung haben, bei den tausenden von Grenzlaufern, bei den aus dem Ausland heimkehrenden Arbeitslosen, die alle im Auslande ihre Versicherungsbeiträge gezahlt haben, aber nun keine Unterstützung erhalten, wird in wirksamster Weise eingegriffen werden müssen, wenn diese Menschen nicht verhungern, elend zugrunde gehen und der Verzweiflung in die Arme getrieben werden sollen. Ehestens muß daher die außerordentliche Arbeitslosenunterstützung in Kraft gesetzt werden, die, soweit es sich dabei um den staatlichen Anteil handelt, zum Großteil aus dem aufzubringenden Kredite zu bestreiten sein wird, da die im Staatsvoranschlag vorgesehenen 74 Millionen Kronen kaum auslangen werden um die Unterstützung für die ersten 26 Wochen zu bestreiten.

Neben dieser für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer bestimmten Maßnahme wird es unbedingt notwendig sein, ausgiebige Beträge für Ausspeisung-, Bekleidungsaktionen, für Beistellung von Heizmaterial und Lebensmitteln usw. auszuwerfen. Eine Ernährungsaktion im bisherigen Ausmaße für die in der Zeit vom 1. August bis Ende Dezember lediglich ein Betrag von 10 Millionen Kronen ausgeworfen wurde, genügt keinesfalls. Zum Beweise dafür berufe ich mich nicht auf eigene Angaben, damit mir von bestimmter Seite nicht wieder ein Vorwurf gemacht werden kann, sondern bringe nachstehend einen Bericht aus dem als eine Art Regierungsorgan anzusprechenden sozialdemokratischen Tagblatte "Volkswille" vom 29. November d. J. zur Kenntnis, der sich in nicht mißzuverstehender Art und Weise mit dieser Angelegenheit etwas näher befaßt und unter anderem auch anführt: "Silberbach. Ein Notschrei. Soll ich mit meiner Familie verrecken oder soll ich mich aufhängen? So fragte ein Arbeitsloser beim hiesigen Gemeindeamt. Und wir fragen nun, haben die Arbeitslosen mit ihren Familien das Recht, als Menschen zu leben? Wenn ja, dann ist es Pflicht und Schuldigkeit der Regierung, Pflicht der Gesellschaft, für ihre Mitmenschen ein erträgliches Leben zu schaffen. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit ist bei vielen Familien schon seit einem Jahre ständiger Gast und es ist einfach unmöglich, das Elend bei solchen Familien zu beschreiben. Seit Jänner hat sich die Krise immer mehr und mehr verschärft und täglich wächst die Zahl der Arbeitslosen. Vor mehreren Monaten fanden Sitzungen bei der Bezirksbehörde in Graslitz statt, wo alle Parteien vertreten waren. Alle waren sich einig, daß es so nicht weitergehen kann. Es wurde lange debattiert und auf Grund eines einmütigen Beschlusses sofortige Hilfe von der Regierung verlangt. Bis heute ist aber so viel wie nichts geschehen, mit Ausnahme dessen, was Gen. Dr. Czech für die Ernährungsaktion herausschlagen konnte, was aber leider sehr wenig ist. Wir sind überzeugt, daß Genosse Dr. Czech mehr für die Opfer der Wirtschaftskrise tun würde, wenn es ihm möglich wäre. In Silberbach sind jetzt 403 gänzlich Arbeitslose und 37 Kurzarbeiter mit 559 Angehörigen gemeldet, insgesamt also 999 Personen. Durch die Ernährungsaktion konnten bei der letzten Verteilung 53 Verheiratete mit je 20 Kè und 50 Ledige mit je 10 Kè wöchentlich beteilt werden. (Výkøiky.) Wie eine Familie mit 20 Kè in der Woche leben soll, das wissen die Götter. Wie aber die anderen Arbeitslosen und deren Angehörige mit absolut Nichts leben sollen, das wird auch kein Gott wissen. Die Gemeindefunktionäre wissen nicht, wie sie die Lebensmittelkarten verteilen sollen, wenn nur der vierte Teil der Arbeitslosen beteilt werden kann. Die Gemeinde selbst hat ihr Möglichstes getan. 82.000 Kè wurden heuer für die Notstandsarbeiten ausgegeben, 5.300 Kè nicht vorgesehene Unterstützungen, 6.900 Kè für Schuhe armer Schulkinder und 2.500 Kè für Schulhefte. Die Kassen sind jetzt leer und es kann absolut nichts mehr gemacht werden. Vom Fürsorgeministerium erhielt die Gemeinde bis jetzt rund 30.000 Kè. Aber alles ist nur ein Tropfen auf einen heißen Stein, wenn man bedenkt, daß in der hiesigen Gemeinde wöchentlich mindestens 70.000 Kè Verdienstentgang zu verzeichnen sind. Nicht besser geht es den Kleingewerbetreibenden, die ebenfalls schon längst fast nichts mehr zu arbeiten haben. Wenn aber die Krise vorüber sein wird, dann werden die Fabrikanten wieder hunderttausende Kronen Steuern geschenkt bekommen, die Kleingewerbetreibenden müssen aber rücksichtslos weiterzahlen. Der Kaufmann borgt nicht mehr, der Kohlenmann kann auch nicht mehr borgen. Was soll da werden? Die bedauernswerten Menschen können doch nicht herumlaufen wie hungrige Hunde, um irgendwo einen Knochen aufzuschnappen! Man hat doch 300 Millionen für Menschen aufgebracht, von denen ja doch die meisten ohnedies leben konnten, keine Krise zu befürchten haben und in ihrem Alter anständig versorgt werden. Für verkrachte Banken hatte man ebenfalls schon Hunderte Millionen übrig. Warum läßt man gerade die Arbeiter, die doch alles aufbringen müssen, so elend zugrundegehen?" Und zum Schlusse heißt es da: "Wir machen die kompetenten Stellen aufmerksam, daß es höchste, allerhöchste Zeit ist zu helfen. Die sozialdemokratischen Gemeindefunktionäre lehnen jede Verantwortung für die zu erwartende Katastrophe in Silberbach ab."

Ich habe diesen Darlegungen, die die eigene Regierungspolitik der deutschen Sozialdemokraten ins rechte Licht rücken, nichts hinzuzufügen, würde nur wünschen, daß diese Zeilen bei der Regierung, der ja auch die Parteigenossen des Artikelschreibers angehören, die notwendige Beachtung finden. Unsere Wünsche für eine notwendige Erweiterung der Ernährungsaktion gehen dahin, daß dabei vor allem der Erfassung aller Arbeitslosen ein Augenmerk zugewendet wird, daß aber auch die existenzlos gewordenen, vordem selbständigen Menschen mit erfaßt werden und daß die bisher völlig unzulänglichen Zuwendungen wesentlich erhöht werden. Allerdings zeigt sich schon hiebei, daß ein Auslangen mit dem vorgesehenen Kredit von 150 Millionen nicht möglich sein wird, da ja neben der Ernährungsaktion auch noch andere Hilfsmaßnahmen erfolgen sollen und müssen. Und doch wäre auch der Betrag von 150 Millionen für Zwecke der Ernährungsund Bekleidungsaktion, sowie für die Beistellung von Heizmaterial für den Winter nicht zu hoch; denn wenn dieser Betrag innerhalb eines halben Jahres auf ungefähr 600.000 Arbeitslose verteilt werden würde, so entfiele auf jeden Arbeitslosen ein Betrag von 250 Kronen oder pro Monat ein Betrag von 35 bis 45 Kè, was sicherlich nicht zuviel wäre. Nimmt man jedoch für diese Berechnung die Zahl der betreffenden Familienmitglieder zur Grundlage, so zeigt es sich, daß bei einer Zugrundelegung von 1 1/2 Million Betroffenen auf jede Person 100 Kè oder für die Dauer eines halben Jahres 16 bis 17 Kè pro Kopf und Monat entfallen würden, bei nur 100 Millionen 150 Kè, beziehungsweise 24 bis 25 Kè.

Wie spärlich die Mittel sein werden, die für die einzelnen Hilfsmaßnahmen aus dem in Frage stehenden Fonds werden flüssig gemacht werden können, geht schon aus der vorstehenden Berechnung hervor. Die dabei errechneten Beträge werden so hoch keineswegs in Frage kommen, weil auch noch andere Maßnahmen überaus notwendig und dringlich sind. So verlangen wir, daß über die tatsächlich Arbeitslosen hinaus endlich auch der Kurzarbeiter gedacht werde, indem die längst fällige Kurzarbeiterunterstützung seitens des Staates geschaffen werden muß. Jedoch auch der Unfallsrentner, der mit kargen Pensionen ausgestatteten Menschen, und nicht zuletzt der auf eine Altersunterstützung angewiesenen Personen muß bei dieser Gelegenheit gedacht werden, denn sie vermögen mit ihren bisherigen Zuwendungen nicht nur nicht zu leben, sondern werden auch durch die Krise indirekt betroffen, verschiedene Zuwendungen, die sie zu anderen Zeiten erhielten, in der Zeit der allgemeinen Not begreiflicherweise vollständig in Wegfall kommen.

Einer ganz besonderen Sanierung bedürfen jedoch auch die meisten mit der Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung betrauten Gewerkschaften. Sie mußten seit Jahren, u. zw. seit der Inkraftsetzung des Genter Systems ungeheuere Opfer bringen, während der Staat sich seit dieser Zeit gewaltige Beträge erspart hat. Es sei nur darauf verwiesen, daß der Staat beispielsweise im Jahre 1919 260 Millionen Kè, im Jahre 1922 209 Mill. Kè und im Jahre 1923 sogar 392 Mill. Kè an Arbeitslose zur Auszahlung brachte, während er im ersten Halbjahr 1930 für die gleichen Zwecke lediglich 16 Millionen auswarf. Schon mit Rücksicht auf die Ersparnisse, die der Staat durch die Einführung des Genter Systems seit dem Jahre 1925 gemacht hat, hätte die gegenwärtige Aktion einen größeren Umfang annehmen können, als dies der Fall ist. Während der Staat beim Kapitel "Arbeitslosenfürsorge" gewaltige Ersparnisse erzielte, vermehrten sich die Ausgaben der Gewerkschaften für die gleichen Zwecke um ein ganz Bedeutendes und brachten es mit sich, daß den gewerkschaftlichen Arbeitslosenkassen, insbesondere jenen Organisationen, die Textil- und Glasarbeiter unter ihrer Mitgliedschaft besitzen, Riesendefizite erwuchsen, die viele Millionen ausmachen. Neben den reinen Fachverbänden der Textil- und Glasarbeiter ist vor allem auch der Gewerkschaftsverband deutscher Arbeiter, Sitz Aussig, außerordentlich stark von diesen Auswirkungen mitbetroffen. Von seinen mehr als 15.000 Mitgliedern stammt nahezu die Hälfte wovon 7.218 Mitglieder, aus der Textil- und Glasindustrie, u. zw. 5.729 Mitglied raus der Textilindustrie und 1.489 Mitglieder aus der Glasindustrie. Die Arbeitslosenkassa des Gewerkschaftsverbandes deutscher Arbeiter weist mit Ende November buchmäßig ein Defizit von 509.000 Kè aus, obgleich dieser Verband 25 % bis 30 % der Mitgliedsbeiträge an seiner Arbeitslosenkasse abrechnet und nur einen Teil der Ausgaben für administrative Arbeiten u. dgl. in Rechnung stellt, während die Abfuhr bei anderen Organisationen durchschnittlich nur 15 bis 17% ausmacht und alle Ausgaben in Rechnung gestellt werden. Daher ist das ausgewiesene Defizit, obgleich es eine halbe Million beträgt, niedrig im Verhältnis zu jenen, die von den reinen Fachverbänden der Textil- und Glasarbeiter ausgewiesen werden, da der Verband aus seinen allgemeinen Mitteln durch erhöhte Abgaben an die Arbeitslosenkasse und durch Übernahme des Großteiles der administrativen Arbeiten bereits einen bedeutenden Teil des Abganges selbst gedeckt hat. Es darf jedoch auch nicht vergessen werden, daß infolge der Vereinigung aller Arbeiterkategorien in einem einheitlichen Verbande die Mitgliedsbeiträge der von der Arbeitslosigkeit weniger betroffenen Arbeiterkategorien mit zur Deckung der Auszahlungen an die Textilund Glasarbeiter verwendet wurden, so daß sich auch das Defizit des Gewerkschaftsverbandes weit höher belaufen würde, wenn man den gewaltigen Unterstützungsanforderungen der 7218 Textil- und Glasarbeiter des genannten Verbandes lediglich die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen dieser beiden Arbeitskategorien gegenüberstellen würde. Ein Ausschluß des von der Arbeitslosigkeit besonders schwer betroffenen Gewerkschaftsverbandes deutscher Arbeiter und des Verbandes deutscher Gewerkschaften als der Spitzenorganisation der völkischen Gewerkschaften aus der im Rahmen dieses Fondes gedachten Sanierung der Gewerkschaftten wäre nicht nur eine nicht näher zu rechtfertigende Benachteiligung und ein herausforderndes Unrecht, sondern auch eine Provokation der gesamten deutschen Arbeiter- und Angestelltenschaft, die bekanntlicherweise am meisten unter der Arbeitslosigkeit zu leiden hat. Leider hat jedoch sowohl der Gewerkschaftsverband als auch der Verband deutscher Gewerkschaften bisher sehr traurige Erfahrungen in dieser Beziehung machen müssen; denn beide Vereinigungen wurden trotz eingebrachter Proteste sowohl bei der Schaffung einer besonderen Kommission für die Arbeitslosenversicherung, sowie bei der Beratung über den Ausbau der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung, bei der Zusammensetzung des Ernährungsbeirates und bei vielen anderen Angelegenheiten übergangen und wurde auch letzthin bei den finanziellen Zuwendungen des Landes Böhmen an die einzelnen Gewerkschaften unberücksichtigt gelassen, während dem deutschen Gewerkschaftsbunde 90.000 Kè, den deutschen Christlichsozialen 20.000 Kè, und den èechischen Gewerkschaften insgesamt ein Betrag von 400.000 Kè zugesprochen wurden. Arge Bedenken unsererseits wegen einer etwaigen Benachteiligung der deutschen Gewerkschaften sind daher auch in diesem Falle vollkommen am Platze. Außer einer Sanierung der Gewerkschaften in Form der Deckung der Defizite ist vor allem auch die Gewährung weit höherer Zuschüsse und die Auszahlung eines erhöhten Regiebeitrages notwendig. Wir konnten den bisherigen Mitteilungen des Ministeriums für soziale Fürsorge entnehmen, daß in beiden Fällen eine Erfüllung dieser Forderungen mit 1. Jänner 1931 eintreten soll, was wir gerne zur Kenntnis nehmen. Wie notwendig dies ist, geht schon aus der Tatsache hervor, daß der Gewerkschaftsverband deutscher Arbeiter beispielsweise im Jahre 1929 864.866·70 Kè an Arbeitslosenunterstützung zur Auszahlung brachte, in den ersten 11 Monaten des Jahres 1930 dagegen bereits 1,993.264·50 Kè an Arbeitslosenunterstützung auszahlte und dadurch nicht nur ungeheuere finanzielle Opfer zu bringen, große Zinsenverluste zu tragen, sondern auch eine gewaltige Mehrarbeit zu bewältigen hatte. Über alle bisher genannten Notmaßnahmen hinaus aber wird es noch notwendig sein, entsprechende Beträge für die Förderung und Ankurbelung der Industrie und Wirtschaft flüssig zu machen um den tausenden und abertausenden von Menschen, die nicht müßig gehen und nicht auf Gnadengaben, Almosen u. dgl. angewiesen sein wollen, Arbeits- und neue Existenzmöglichkeiten zu verschaffen. Allerdings muß auch hiebei vor unzweckmäßigen Ausgaben gewarnt werden; denn es hat keinen Zweck, wenn beispielsweise der Zuckerindustrie Millionenbeträge zur Verfügung gestellt werden, um eine Art Prestigepolitik zu betreiben, während man andere Industrien nicht nur nicht fördert, sondern geradezu auf ihre Vernichtung hinarbeitet. Es muß sicherlich als eine Art Verbrechen gewertet werden, wenn Unmengen von Geld dazu verschleudert werden, um beispielsweise die Glasindustrie ins èechische Gebiet zu verschleppen, während ein Bruchteil dessen genügen würde um sie dort zu fördern, wo sie stets heimisch war. Ein besonderes Augenmerk aber ist der Belebung der Textilindustrie und insbesondere der Schaffung einer Exportkreditversicherung zuzuwenden. Einer weiteren Förderung bedarf es in der Frage der produktiven Arbeitslosenfürsorge, in der Schaffung eines großen Investitionsprogrammes, in der Durchführung von Notstandsarbeiten und in der Wohnbauförderung.

Eine besonders ausgiebige Hilfe muß aber auch dem Kleingewerbestande und der Kleinlandwirtschaft zuteil werden. Diese beiden Berufsschichten haben gleichfalls, wie ich ja des näheren aufgezeigt habe, unendlich schwer unter der Krise und ihren Auswirkungen zu leiden. Kommen für die Landwirtschaft und für den Gewerbestand vor allem Steuernachlässe und Streichung der Steuerrückstände in Frage, so werden auch Transportnachlässe, Bestellung billiger Düngemittel und kostenlose Lieferung des Saatgutes, Entschädigung der von Elementarkatastrophen Betroffenen die kleine Landwirtschaft ganz besonders hervorzuheben.

Indem ich unsere Einstellung aufgezeigt habe, mache ich nochmals darauf aufmerksam, daß wir ganz besonders Wert darauf legen, daß ein besonderer Ausschuß, der aus 30 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und Senates bestehen soll, einzusetzen sei, dem mehr oder weniger die Durchführung des Gesetzes und die Art der Verwendung der Gelder anheim gestellt wird, der aber auch die Verpflichtung hat, jedes Vierteljahr dem Hause Bericht zu erstatten und daß wir von der Annahme dieses unseres Antrages unsere Zustimmung zum Gesetze selbst abhängig machen werden. (Potlesk.)

3. Øeè posl. Œliwky (viz str. 44 tìsnopisecké zprávy):

Nim przejde do sprawy, le¿acej dziœ na porz¹dku dziennym, pozwólcie mi, bym zareagowa na niektóre wywody przedmówcy narodowosocjalistycznego pos³a Stejskala, który chlubi³ sie i chwali³, ¿e ustawa o gentskim systemie to olbrzymia zdobycz dla klasy robotniczej i wielka "vymoženost". Na dowód tego, jak tej ustawy o gentskim systemie u¿ywaja, przytoczy³ przyk³ad, ¿e narodowosocjalistyczna organizacja tekstylnych robotników ofiarowa³a dla tekstylnych robotników za 11 miesiecy 3 miljony Kè dla 17 tysiêcy ludzi pod³ug tego systemu. Przeliczywszy to na jednego cz³onka, wychodzi, ¿e jeden cz³onek otrzymywa³ miesiecznie zaledwie 15 Kè, t. z. na jeden dzieñ 50 halerzy, dos³ownie 50 halerzy zapomogi wedlug gentskiego systemu. Czy nie sa to kpiny, czy to nie ironja i naigrywanie sie z biednych bezrobotnych?


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