Dank milden Witterungsverhältnissen blieben wir bisher von diesen Auswirkungen noch verschont. In dem Augenblick aber, wo ein härteres Winterwetter einsetzt, kommen natürlich auch in diesem Jahre so wie alljährlich die Saison- und Bauarbei ten zum Abschluß. Alle hiebei beschäftigt gewesenen Arbeiter stoßen dann mit zu dem bereits vorhandenen mächtigen Heere der Arbeitslosen. Die dadurch bedingte Erhöhung der Arbeitslosenziffern wird sogar um ein ganz bedeutendes mehr als in den Vorjahren betragen, da in diesem Jahre neben den normalen Saisonund Bauarbeitern auch die zahlreichen Notstandsarbeiten beendet werden müssen, bei denen eine große Zahl von Arbeitslosen Beschäftigung gefunden hat. Parallel damit läuft jedoch auch ein weiterer Zusammenbruch der Industrie und Wirtschaft, was in den andauernden Betriebsstillegungen und Einstellungen in der Vermehrung der Kurzarbeit usw. in unverkennbarer Weise zum Ausdruck kommt und einen geradezu katastrophalenWinter erwarten läßt. (Posl. Geyer: Ab heute Nacht Zollkrieg mit Ungarn!) Sehr richtig.
Alle Betrachtungen, die ich bisher angestellt habe, bezogen sich jedoch nur auf die Lage der Arbeiter- und Angestelltenschaft. Alle Ziffern und Zahlen, die ich nannte, haben immer nur die Auswirkung der wirtschaftlichen Zerrüttung auf die Arbeitsnehmerschaft zur Grundlage. Um jedoch ein vollständiges Bild der Zerrüttung und des bestehenden Elends zu entwerfen, erscheint es mir unbedingt notwendig, vor allem auch einer leider viel zu wenig beachteten Tatsache Erwähnung zu tun, die darin besteht, daß wir es in der heutigen Zeit nicht nur mit einer Brotlosmachung der Arbeiter- und Angestelltenschaft, sondern in hunderten und tausenden Fällen auch mit einem vollständigen Ruin und einer damit verbundenen völligen Existenzlosmachung weiter übriger Kreise und Schichten unseres Volkes, allem voran vieler Angehöriger des Gewerbestandes zu tun haben. Wir deutschen Nationalsozialisten haben stets auf die innigen Zusammenhänge zwischen der Arbeiter- und Angestelltenschaft einerseits und dem kleinen Gewerbestand andrerseits hingewiesen und dargetan, daß diese arbeitenden und schaffenden Schichten und Stände unseres Volkes auch in ihrem wirtschaftlichen Lebenskampf auf das innigste auf einander angewiesen sind. Die gegenwärtige wirtschaftliche Notzeit bestätigt vollauf die Richtigkeit unserer Anschauung. Die Existenz des einen hängt zweifellos von der Existenz des anderen ab. Geht es der Arbeiter- und Angestelltenschaft schlecht, ist sie arbeitslos und verfügt die breite Masse der Arbeitnehmerschaft über kein entsprechendes Einkommen, so äußert sich dies nicht nur in einer Verelendung der Arbeitnehmerschaft, sondern auch in einem Rückgang der Produktion, einer Verminderung des Inlandsabsatzes und nicht zuletzt auch in einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des gesamten Mittelstandes, allen voran des deutschen Gewerbestandes. Geht es dem Arbeiter und Angestellten gut, so vermag auch der kleine Gewerbestand zu leben. Ebenso besteht aber auch gar kein Zweifel mehr darüber, daß ein Zusammenbruch der Arbeiter- und Angestelltenschaft naturgemäß auch den Ruin des kleinen Gewerbestandes mit sich bringt. Freilich tragen auch andere Momente zur heutigen Verelendung und zum Untergang des Gewerbestandes wesentlich mit bei. Ich brauche hiebei ja nur an das Ringen des kleinen Handwerkers im Kampfe um seine Selbstbehauptung gegen die Erzeugnisse rationell ausgestatteter Industrieunternehmungen, aber auch an die scharfe Konkurrenz zu erinnern, die heute dem kleinen Kaufmann durch die Großwarenhäuser und dergleichen mehr geboten wird. Nicht zuletzt liegt aber eine der Hauptursachen für den Zusammenbruch des kleinen Gewerbestandes auch in der übermäßig hohen steuerlichen Belastung desselben und nicht zuletzt in der rigorosen Eintreibung der Steuerrückstände. Hiebei wird zumeist keine Rücksicht auf die herrschenden Verhältnisse und auf die bereits eingetretene Verelendung der in Frage kommenden Berufsschichten genommen. Alle diese Zeiterscheinungen aber bedingen es, daß wir es heute neben einer ungeheueren Arbeitslosigkeit unter der Arbeiter- und Angestelltenschaft auch mit einer starken Verelendung und Existenzlosmachung eines großen Teiles des kleinen Gewerbestandes zu tun haben.
Ganz abgesehen davon, daß durch diese Geschehnisse zahlreiche bisher selbständige Meister zu bloßen Lohngewerblern herabgesunken sind und in ein gleiches oder ähnliches Lohnverhältnis wie die Arbeiterschaft geraten, offenbart sich darüber hinaus in den letzten Monaten aber auch ein katastrophaler Zusammenbruch eines bedeutenden Teiles des deutschen Gewerbestandes, Hunderte und Tausende bisher selbständiger Existenzen wurden dadurch vernichtet. Die Zahl dieser Opfer der heutigen schweren wirtschaftlichen Erschütterung ist nirgends festgehalten. Sie bleibt bei allen Betrachtungen unberücksichtigt, obgleich auch sie das gewaltige Heer der Arbeitslosen um ein Bedeutendes vergrößern hilft. Lediglich aus der beständig steigenden Zahl der Konkurse und Ausgleiche, der Exekutionen und Zwangsversteigerungen können Rückschlüsse auf die wahre Lage des Gewerbestandes gezogen werden. Auf Grund der bestehenden wirtschaftlichen Verbundenheit zwischen Arbeiter- und Angestelltenschaft einerseits und dem Gewerbestand andrerseits ist es daher eine reine Selbstverständlichkeit, wenn festgestellt werden muß, daß die Zwangsmaßnahmen gegen den Gewerbestand gleichen Schritt halten, mit dem beständigen Anwachsen der Arbeitslosenziffern. Dies kommt sowohl in der beständigen Zunahme der Konkurse und Ausgleiche, wie auch in der übermäßig hohen Anzahl der Exekutionen und Zwangsversteigerungen der letzten Monate mit aller Deutlichkeit zum Ausd ruck. So gab es im Juli letzten Jahres 66 Konkurse, gegenüber 49 im Vorjahre, im August 71, im September 70 und im Oktober 75. An Ausgleichen gab es im Juli l. J. 315 gegen 237 im Vorjahre, im August 295 gegen 185 und im September l. J. 314 gegen 192, im Oktober 346 Ausgleiche gegen 251 desselben Monats im Vorjahre. Noch schärfer kommt die Zerrüttung in der sich der Gewerbestand befindet, durch die zahlreichen Exekutionen und Zwangsversteigerungen zum Ausdruck, deren Zahl sich in einem beständigen Anwachsen befindet. Ein ganz besonders typisches Beispiel liefert hiebei das Gablonzer Gebiet, das infolge der Eigenartigkeit seiner Industrie hunderte kleine selbständige Existenzen aufzuweisen hat, die gleich der Glasarbeiterschaft des dortigen Gebietes furchtbar unter den herrschenden wirtschaftlichen Verhältnissen zu leiden haben. Koll. Simm hat anläßlich der von ihm durchgeführten Rundfrage auch derartige Erhebungen im Gablonzer Bezirk gepflogen und die von ihm gemachten Feststellungen vor wenigen Tagen von dieser Stelle aus bekanntgegeben. Seine damaligen detaillierten Angaben zus ammenfassend, bin ich in der Lage angeben zu können, daß in ungefähr 20 Orten des Gablonzer Bezirkes nicht weniger als 1500 Feilbietungen, mehr als 150 gerichtliche Versteigerungen, zahlreiche Transferierungen und eine Unmasse von Mobilarexekutionen durchgeführt wurden. Diese Tatsachen allein beweisen wohl zur Genüge, mit welchen furchtbaren Auswirkungen und Verheerungen wir es auch im Gewerbestand zu tun haben; denn durch sie wird deutlich genug dargetan, daß die Existenzlosmachung zahlreicher Gewerbetreibender gleichen Schritt mit der Steigerung der Arbeitslosigkeit unter den Arbeitern und der Angestelltenschaft hält.
Damit aber ist auch ein unzweideutiger Beweis erbracht, daß in einem nicht unbedeutenden Teile des Gewerbestandes eine gleiche oder zumindest ähnliche wirtschaftliche Not, wie in den Reihen der Arbeitnehmerschaft herrscht. Es darf sogar behauptet werden, daß die Notlage bei einem Teile der Zugehörigen zum gewerblichen Berufsstande ihre besonderen Härten besitzt und jener der unorganisierten Arbeitslosen gleicht; denn auch dem existenzlos gewordenen Kleingewerbler steht kein Recht zu, sich um eine Arbeitslosenunterstützung zu bewerben. Es besteht gar kein Zweifel darüber, daß die soziale Gesetzgebung dieses Staates neben den allgemeinen großen Mängeln, die sie besitzt, vor allem auch große Lücken in Bezug auf den Schutz der kleinen selbständigen Existenzen aufzuweisen hat. Der kleine Gewerbetreibende, der in den gegenwärtigen Zeiten unbedingt eines sozialen Schutzes bedarf, kennt jedoch weder eine Versicherung für den Fall der Krankheit, des Alters oder der Invalidität, noch hat er die Möglichkeit sich für den Fall seiner Existenzlosmachung den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zu sichern. Abgesehen davon, daß diese Übelstände einer dringenden Korrektur bedürfen, beweisen sie uns vor allem die leider zumeist viel zu wenig erkannte schwere Notlage des kleinen Gewerbestandes, als ganz natürliches Folgeergebnis der allgemeinen wirtschaftlichen Erschütterung. Es kann tatsächlich behauptet werden, daß der Steuerexekutor ziemlich der bestbeschäftigste Arbeiter und der ständige, allerdings sehr ungern gesehene Kunde in den Geschäftsläden ist. Ähnlich und keineswegs besser ist es um die wirtschaftlichen Verhältnisse der kleinen Landwirtschaft bestellt, insbesondere aber um die wirtschaftliche Lage der Kleinhäusler und Kleinbauern, allen voran unsere deutschen Gebirgsbauern. Der Bauer sieht den Erlös aus der Arbeit eines ganzen Jahres in kurzer Zeit in seinen Händen zerrinnen. Die letzte Kuh wird ihm aus dem Stall geführt und die herrschende schwere Landwirtschaftskrise äußert sich auch bei ihm in einer furchtbaren Notlage.
Nimmt man die geschilderten wahren Verhältnisse zur Grundlage aller Betrachtungen über die bestehende Wirtschaftsnot, so muß man unbedingt den Worten zustimmen, die der Herr Ministerpräsident am 4. Dezember l. J. im Budgetausschuß des Senates ausgesprochen hat, indem er erklärte: "Der Wirtschaftskrieg in dem wir uns befinden, und in den wir in nächster Zukunft noch tiefer hineingeraten werden, ist eigentlich schrecklicher als der Krieg auf den Schlachtfeldern, weil er keinen Waffenstillstand, keinen Frieden und kein Erbarmen kennt, und in furchtbarster Weise die Völker würgt: durch Hunger und Elend." Und er fügte dann noch hinzu: "Wir müssen Arbeit beschaffen, aber wir müssen auch denjenigen, die keine Arbeit finden können, Brot geben."
Diesen Worten des Herrn Ministerpräsidenten ist im Prinzip nur zuzustimmen und es wäre nur zu wünschen, daß sich die Regierung diese Worte zu Herzen nimmt. In Hinblick auf die geschilderten Verhältnisse in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft muß doch die Frage aufgeworfen werden, ob denn die Regierungsseite wirklich daran glaubt, mit einem Betrage von 150 Millionen Kronen das herrschende grenzenlose Elend ausreichend lindern und den fortschreitenden Zusammenbruch und Verfall in Industrie und Wirtschaft aufhalten oder auch nur hemmen zu können.
Die Antwort auf diese Frage muß bei gerechter Beurteilung der gegenwärtigen Situation von vorneherein eine durchaus verneinende sein; denn der in Frage stehende Betrag ist und bleibt im Hinblick auf das allgemeine herrschende Elend nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. (Výkøiky.) Es würde selbst dann, wenn er eine den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende und gerechte Aufteilung und Verwendung findet, nur geringe Auswirkungen auslösen und wird höchstens imstande sein Einzelelend zu lindern beziehungsweise vereinzelte wirtschaftliche Not zu mildern. Die Textilindustrie allein, die zweifellos von der Wirtschaftskrise am meisten betroffen ist, erhebt die Forderung nach einem Betrage von 150 Millionen Kronen für Sanierungszwecke. Wo bleiben aber dann ausreichende Hilfsmaßnahmen auf anderen Gebieten, wenn diesem Wunsche vol auf Rechnung getragen werden würde? Schon daraus ist ersichtlich, wie überaus begründet unser Antrag auf eine Erhöhung des in Frage stehenden Betrages ist. Man wird mir, wie dies bei derartigen Anlässen immer der Fall ist, einfach antworten, daß wohl der Wille, aber keine ausreichenden Geldmittel dazu vorhanden seien, um mehr für diese Zwecke ausgeben zu können, als gegenwärtig dafür vorgesehen ist. Diese Argumentation ließe sich natürlich im Hinblick auf die gewaltigen und schon so oft angeführten Ausgaben für den Militarismus, für sog. Minderheitsschulen, für Repräsentationszwecke, Auslandspropaganda, mit dem Hinweis auf die durchgeführte Sanierung der Banken usw. spielend leicht entkräftigen. Um mir jedoch einen etwaigen Vorwurf einer unsachlichen und ungerechtfertigten Argumentation zu ersparen, will ich im nachfolgenden einen Angehörigen der heutigen Regierungsparteien sprechen lassen und sowohl ihm selbst, als auch uns in Erinnerung rufen, welche Stellung er als damals, als er noch Oppositioneller war, in einer gleichen Angelegenheit eingenommen hat.
So ganz durch Zufall kam mir in den letzten Tagen eine sozialdemokratische Zeitung, u. zw. "Der internationale Metallarbeiter", Nr. 47 des 4. Jahrganges vom 25. November 1922, das Verbandsblatt des deutschen sozialdemokratischen Metallarbeiterverbandes, zu Gesicht. In dieser Zeitung ist unter anderem auch, wie es dort heißt, eine "großangelegte Rede" des Obmannes des "Internationalen Metallarbeiterverbandes" u. zw. des Herrn Koll. Kaufmann, enthalten, der, wie es in dem genannten Blatte weiter heißt, "bei der Beratung des Kapitels Arbeitslosenfürsorge in der Nationalversammlung den Machthabern dieses Staates ihre Sünden vorhielt und energische Hilfe für die Arbeitslosen und Kurzarbeiter verlangte." Es handelte sich damals um einen ganz gleichen Fall, wie um den gegenwärtigen zur Verhandlung stehenden, um eine besondere Zuwendung von 100 Millionen Kronen zur Linderung der Not der Arbeitslosen, auf Grund erhöhter Arbeitslosigkeit. Zur Kennzeichnung der damaligen Verhältnisse und wirtschaftlichen Not sei nur angeführt, daß damals von den Arbeitsvermittlungsanstalten 137.000, gegenwärtig aber mehr als 154.000 Arbeitslose ausgewiesen wurden. Die wirtschaftliche Situation war daher die ungefähr gleiche wie heute, sodaß die damaligen Ausführungen des Herrn Koll. Kaufmann auch auf die heutigen Verhältnisse vollauf zutreffen. Wenn er in seiner großangelegten Rede im November 1922 Folgendes ausführt: "Die Majorität des Hauses hat es sich ganz einfach gemacht und sich geeinigt, dem Minister für soziale Fürsorge zur Milderung der Not und der ungeheueren Wirtschaftskrise einfach 100 Millionen hinzuwerfen. Damit ist sie fertig und die Angelegenheit für sie erledigt. Nach unserer Meinung ist die Wirtschaftskrise und die Not der Massen auch mit diesen 100 Millionen nicht erledigt und nicht beseitigt. Die Vertreter der Arbeiterschaft sind gezwungen, neuerdings von dieser Stelle ihre warnende Stimme zu erheben und die Durchführung jener Maßnahmen zu verlangen, die sie schon im Jahre 1919 gefordert und im Jahre 1920 und im Jahre 1921 urgiert haben. Die Regierung hat unsere Stimme nicht gehört und unsere Vorschläge nicht beachtet, sie hat ruhig ihre Prestigepolitik in der Währungsfrage fortgesetzt, vor allem aber die Politik der Unfreundlichkeit und des übermütigen Siegers gegen alle Nachbarländer, mit denen wir gezwungen sind, in wirtschaftlichem Verkehr zu stehen, beibehalten, sie hat trotz aller Mahnungen, Anregungen und Anträge ihre verfehlte Zoll-, Handels- und Steuerpolitik fortgesetzt. In der Zeit der immer schärfer und immer sichtbarer werdenden Wirtschaftsnot hat die Regierung bei jeder Gelegenheit, wenn es sich um sozialpolitische Maßnahmen handelte oder wenn die Arbeitslosenfrage auf eine breitere Grundlage gestellt werden sollte, erklärt, daß sie kein Geld übrig habe und daß im Voranschlage keine Beträge hiefür vorhanden seien. Dieselbe Regierung hat aber in Zeiten wirtschaftlicher Not - wir sehen das auch im diesjährigen in den nächsten Tagen zur Debatte stehenden Voranschlag - Milliarden für den Militarismus übrig. Eine Herabdrückung oder Milderung der die Volkswirtschaft und besonders die Exportindustrie beschwerenden Lasten ist aber unmöglich, aber Milliarden für den Militarismus bleiben stets übrig. Im Hause hat wiederholt unser Klub und draußen haben unsere Partei und Gewerkschaft, wie ich schon vorhin sagte, im Herbst 1921 in großen Kundgebungen das gesagt, was wir von der Regierung verlangen. Wir haben unsere Vorschläge klar und deutlich erstattet, haben verlangt, daß die drückendsten Abgaben, die Kohlen- und Kokssteuer, die Umsatzsteuer und die Eisenbahntarife entsprechend herabgesetzt werden müssen, wir haben auch in der letzten Session persönlich den damaligen Finanzminister aufmerksam gemacht, daß wenn die angeregten Maßnahmen nicht durchgeführt werden, die Ziffern seines Voranschlages fiktive seien, daß in 4 bis 5 Monaten - der Zeitpunkt ist jetzt schon gekommen - jede industrielle Produktion zum Stillstand kommen werde, und so die Ziffern auf der Einnahmenseite seines Voranschlages unrichtig sind, weil diese Einnahmen nie hereinzubekommen sein werden. Anstatt aber hervorragende Leute aus der Industrie und aus der Arbeiterschaft zu Rate zu ziehen und großzügige Maßnahmen durchzuführen, um zumindest die schwere Katastrophe zu mildern und zu lindern, hat die Regierung nichts getan. Im Gegenteil, sie hat, wie wir das besonders in der Währungsfrage beobachten können, die Interessen der Industrie und der Arbeiterschaft denen der Großbanken geopfert. Wenn unsere Wirtschaft und Industrie zusammenbricht, glaubt man, mit halben Maßnahmen helfen zu können." (Rùzné výkøiky posl. inž. Junga a Krebse.)
Ich glaube, daß das, was ich Ihnen zur Kenntnis gebracht habe, genügt, um Ihnen die Einstellung der Herren von anno dazumal zu beleuchten.
Es ist sicherlich nicht uninteressant, sich heute, wo die deutschen Sozialdemokraten mit zu den Machthabern dieses Staates gehören, die damaligen Ausführungen eines nunmehrigen Regierungsparteilers in Erinnerung zu rufen. Denn sie entheben uns vor allem einer eingehenderen Stellungnahme im ähnlichen Sinne. Aus den angeführten Darlegungen geht hervor, daß Herr Koll. Kaufmann und mit ihm seine Partei damals in ganz berechtigter Weise ebensowenig mit den 100 Millionen zufrieden waren, wie wir es gegenwärtig mit den von ihnen vorgeschlagenen 150 Millionen sind. Darüber hinaus erscheint es mir aber doch notwendig, die Änderung in den Anschauungen der deutschen Sozialdemokraten von damals und heute etwas näher ins Licht zu rücken. Herr Koll. Kaufmann als nunmehriges Mitglied einer Regierungspartei übte mit Recht, so wie wir es gleichfalls schon damals taten und auch heute noch tun, daran Kritik, daß die Regierung nie Geld in ausreichendem Maße übrig hat, wenn es sich um sozialpolitische Maßnahmen handelt, während diese Regierung aber in Zeiten wirtschaftlicher Not Milliarden für den Militarismus erübrigt. Inzwischen sind diese Ausgaben für den Militarismus noch wesentlich erhöht worden, und der scharfe Kritiker von damals, hat gemeinsam mit seinen Kollegen restlos, um nicht zu sagen mit Begeisterung, für diese Milliarden gestimmt. Dasselbe war jedoch auch noch bei einer ganzen Reihe anderer unzweckmäßiger und ungerechtfertigter Ausgaben (Minderheitsschulen, Sanierung der Banken usw.) der Fall. Überaus zeitgemäß ist jedoch, auch an die Stellungnahme des Herrn Koll. Kaufmann in der Frage der "Umsatzsteuer", die seiner damaligen Ansicht nach verschwinden sollte, und an die berechtigte Einstellung inbezug auf die Eisenbahntarife zu erinnern; denn es ist doch immerhin recht sonderbar, daß entgegengesetzt der damaligen, ganz berechtigten Forderung nach Beseitigung der Umsatzsteuer und Herabsetzung der Eisenbahntarife nunmehr in der Aera der Mitregentschaft der deutschen Sozialdemokraten, also unter Mithilfe des Herrn Koll. Kaufmann und seiner Partei, die Umsatzsteuer neuerlich bis zum Jahre 1932 verlängert und die Eisenbahntarife anstatt heruntergesetzt, nunmehr mit 1. Jänner 1931 - in einer Zeit größter wirtschaftlicher Not - bei den Personenfahrpreisen und Transportgebühren um 20 %, bei den Gebühren für Gepäck, das im Personenzuge befördert wird, um 33 %, die Reisendenjahreskarten um 10 % usw. erhöht werden. So ließen sich noch zahlreiche andere Fälle aufzeigen, die beweisen würden, daß die deutschen Sozialdemokraten in rein grundsätzlichen Fragen heute das gerade Gegenteil von dem tun, was sie damals selbst forderten, und mit argem Geschimpfe über die herfallen, die sich eine Kritik dieses Tuns erlauben. Das hier angeführte aber möge genügen, den Beweis dafür zu erbringen, daß es in nichts besser geworden, sondern daß vielmehr in Allem alles beim alten geblieben ist.
So wie in vielen anderen Punkten seiner damaligen Ausführungen, so stimme ich, in Anwendung derselben auf die heutige Zeit auch damit vollkommen überein, wenn er im Jahre 1922 erklärte: "Wenn unsere Wirtschaft und unsere Industrie zusammenbricht, glaubt man mit halben Maßnahmen helfen zu können." So war es Herr Koll. Kaufmann aber nicht nur im Jahre 1922, sondern so ist es auch heute noch; denn auch der gegenwärtig vorliegende Gesetzentwurf ist, ganz abgesehen von der unzureichenden Höhe des Betrages, nichts anderes als eine halbe Maßnahme, mit der das eigentliche Kernproblem unserer heutigen Zeit umgangen wird. In Anbetracht der furchtbaren wirtschaftlichen Not und des herrschenden Elends müßten endlich ganze und nicht nur halbe Maßnahmen getroffen werden, um die Wirtschaftskrise, soweit es im Rahmen der Möglichkeit liegt, zu beseitigen und ihre verhängnisvollen Auswirkungen zu bannen.
Dazu gehört jedoch vor allem eine richtige Erkenntnis der wahren Ursachen der heutigen Wirtschaftskrise und der feste Wille, sie beseitigen zu wollen. Es bleibt unbestritten, daß die Wirtschaftskrise dieses Staates eine Teilerscheinung der heute vorhandenen Weltwirtschaftskrise ist, allerdings bedeutend verschärft durch eine ganze Reihe innerstaatlicher Ursachen. Als solche führe ich vor allem die bisher betriebene verfehlte Zoll- und Handels-, sowie Finanz- und Wirtschaftspolitik und nicht zuletzt auch den, seit dem ersten Augenblick des Bestandes der Republik in unveränderter Form bis zum heutigen Tage geführten Kampfe gegen die deutsche Industrie und Wirtschaft dieses Staates an. Jedoch sowie die Republik selbst, so ist auch die sog. Weltwirtschaftskrise nichts anderes als eine Folge des Weltkrieges und allen voran eine Folgeerscheinung der Friedensdiktate. Sie besteht daher gleichfalls schon seit dem Jahre 1919 und stand damit sozusagen schon an der Wiege dieses Staates. In den ersten Jahren nach dem Kriege machte sich das allerdings weniger bemerkbar; denn es bestand ein ganz begreiflicher Warenhunger, damit aber auch ein gesteigerter Warenhunger und eine Steigerung der Produktion, was eine starke Nachfrage nach Arbeitskräften mit sich brachte. Wir verspürten daher in den ersten Jahren des Bestandes die eingetretene wirtschaftliche Zerrüttung noch nicht in dem Maße, wie es gegenwärtig der Fall ist. Es besteht aber gar kein Zweifel darüber, daß die größte Schuld an der heutigen Wirtschaftskrise jenen zufällt, die sich - sei es nun aus Unwissenheit oder aus politischem Haß heraus - erdreisteten, die Karte Europas in einem so weit gehendem Maße zu verändern und damit auch schwere Eingriffe in die jahrhundertealte wirtschaftliche Verbundenheit vorzunehmen. Ungeheuer ist damit die Schuld, die die Friedensdiktatoren auf sich geladen haben, indem sie die einheitlichen Wirtschaftsgebiete zerstückelten, neue Grenzen zogen und damit das Streben nach Selbstversorgung in kleine Einheiten trugen, was naturnotwendig zur heutigen Überproduktion, damit auch zum Zusammenbruch überzähliger Industrien und zur heutigen ungeheuerlichen Arbeitslosigkeit führen mußte. Darin liegen ganz besonders die Ursachen der Wirtschaftskrise dieses Staates. Die Wirtschaftskrise dieses Staates ist daher in erster Linie das Resultat der Zertrümmerung des alten gemeinsamen Wir schaftsgebietes, wozu sich auch eine verfehlte, gegen die deutsche Industrie gerichtete Handels- und Wirtschaftspolitik gesellte. Eine von Siegerwahn diktierte Zollpolitik und ein ungeheuerer Steuerdruck taten ihr übriges. Die dadurch bedingte Errichtung hoher Zollmauern, die Errichtung neuer Industrien und die Einstellung auf Selbstversorgung raubten der heimischen Industrie die bisher besten Absatzgebiete. Wäre die hiesige Industrie nicht durch Zollmauern und Grenzen von ihren früheren Absatzmärkten getrennt, wären dort nicht neue Industrien entstanden und hätten wir dort nicht mit weit überlegenen Industriestaaten zu konkurrieren, so wäre es sicherlich in unserem Gebiete zu keiner solchen Verschärfung der Krise gekommen. Freilich spielen auch andere Ursachen bei der gegenwärtigen Krise eine bedeutungsvolle Rolle. So vor allem die Ausschaltung großer volkreicher Gebiete der Erde, wie Rußland, China und Indien vom Weltmarkte, ferner die Mechanisierung, d. h. die weitgehendste Ersetzung menschlicher Arbeitskräfte durch die Maschinen usw. Insbesonders ist durch eine falsch gehandhabte Rationalisierung der Sinn der Technik, den Menschen das Leben zu erleichtern, in das gerade Gegenteil umgekehrt worden. Aus einem Segen wurde ein Fluch für die arbeitende Menschheit. Nicht zuletzt wirkt sich in verhängnisvoller Weise die Trust- und Kartellbildung und die damit zutage tretende Einschränkung der Produktion und Hochhaltung der Preise aus. Insbesondere für die deutschen Siedlungs- und Wirtschaftsgebiete dieses Staates wirken die Konzentrationsbestrebungen geradezu katastrophal, das sie zur Brachlegung ganzer Betriebe und damit zur Vernichtung weiter Gebiete führen. Nicht unerwähnt darf jedoch auch die Tatsache bleiben, daß Sowjetrußland heute Getreide, Rohstoffe und Halbfertigwaren in großen Mengen zu Schleuderpreisen, die oftmals unter den Gestehungskosten liegen, auf den Markt wirft und damit zur Steigerung der Weltarbeitslosigkeit beiträgt. Ganz besonders hervorzuheben aber ist, daß das wirtschaftliche Schicksal Deutschlands seine Auswirkungen auch auf die benachbarten Staaten und Länder, ganz besonders natürlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Èechoslovakischen Republik hat. Machtpolitischer Wahnsinn und eigene politische Unfähigkeit sorgten dafür, daß Deutschland die Kriegsschulden Europas an Amerika übernehmen mußte. Rund 2 Milliarden Reichsmark werden jährlich dem kapitalarmen Lande entzogen. Auf dem Wege von Schuldenzahlungen und Tributleistungen fließen damit ungeheuere Summen in die Kassen Amerikas und werden dort unproduktiv angehäuft. Die Folge davon ist eine wirtschaftliche Stagnation. Deutschland führt bedeutend weniger ein, muß jedoch mit allen Mitteln trachten, soviel als möglich auszuführen. Die einen, darunter vor allem auch die Èechoslovakische Republik, büßen dadurch den guten Käufer ein und die anderen werden auf dem Wege der verschärften Konkurrenz vom Weltmarkte verdrängt. Damit wird die wirtschaftliche Not Deutschlands auch zur Not aller seiner Nachbarstaaten, insbesondere jener, mit denen Deutschland seit jeher in wirtschaftlichen Beziehungen stand.
All das sollte vor allem von der Èechoslovakischen Republik endlich einmal erkannt und auch dazu benützt werden, diesen Verhältnissen vollauf Rechnung zu tragen. Insbesondere jenen, die an dem unveränderten Weiterbestande ihrer Republik so liebevoll hängen, sei ganz offen gesagt, daß der Bestand dieses Staates lediglich von seiner wirtschaftlichen Existenz abhängt. Dadurch ruht das Schicksal der Èechoslovakischen Republik keineswegs in den Händen Frankreichs, mit dem sie sich auf Gedeih und Verderb verbunden fühlt, sondern vielmehr in den Händen des von diesem Staate und seinen eigentlichen Machthabern so arg bekämpften Deutschlands. Je mehr die Èechoslovakische Republik daher ihren geringen Einfluß dahingehend geltend macht, Deutschland weiterhin niederzuhalten, umso mehr schaufelt es sich selbst das Grab.
In Anbetracht der bestehenden Tatsachen täte man wirklich gut, daran sich nicht nur mit halben Maßnahmen in Form einer vorübergehenden Flüssigmachung ungenügender Geldmittel zu begnügen, um die allergrößten Löcher zu verstopfen, sondern müßte endlich einmal daran denken, das heutige Übel an der Wurzel anzufassen und eine Generalkur durchzuführen. Vieles von dem, was in der Zeit des allgemeinen Umbruches und in den darauf folgenden 12 Jahren verbrochen wurde, wird nicht mehr gutzumachen sein. Ich denke dabei vor allem an den Verlust von Absatzgebieten infolge der dort inzwischen neu erstandenen Industrien und dergleichen mehr. Ebenso unmöglich oder zumindest nicht in der Macht der Èechoslovakischen Republik ist es, auf die unruhigen Kolonialgebiete sowie auf Rußland und China einen Zwang dahingehend auszuüben, sich am Weltmarkte zu beteiligen. Geradezu widersinnig aber wäre es, den Fortschritt der Technik unterbinden oder vielleicht die bereits geschaffenen Neuerungen außer Wirksamkeit setzen zu wollen. In diesem Falle müßten vielmehr weitgehende Kompensationen eintreten, sei es durch die Verkürzung der Arbeitszeit, Herabsetzung der Altersgrenze in den Sozialeinrichtungen usw., um auch die arbeitenden Menschen an den Errungenschaften der Technik teil werden zu lassen, oder sei es durch eine bedeutende Erhöhung der Löhne und Gehälter, um durch eine Verm ehrung der Kaufkraft den arbeitenden Menschen die Möglichkeit zur vollen Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse zu geben und so eine bedeutende Steigerung der Produktion zu erzielen. Möglich und überaus dringend geboten ist es vor allem, auch der Vertrustung und der damit verbundenen künstlichen Hochhaltung der Preise und Drosselung der Produktion auf gesetzlichem Wege energisch Einhalt zu bieten. Ein Gebot der Stunde aber ist es geradezu, endlich an eine Änderung der bisher üblichen Zoll-, Handels-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zu schreiten. Es ist doch überaus bezeichnend, daß es noch immer zu keinem Handelsvertrage mit Deutschland und auch den anderen Staaten gekommen ist. Alle unsere Einwendungen gegen die in diesem Staate gehandhabte Zoll- und unzulängliche Handelspolitik finden gerade in der gegenwärtigen Zeit durch die Vorgänge bezüglich des Handelsvertrages mit Ungarn eine völlig klare Bestätigung. Das Wesen der Finanzpolitik kennzeichnet sich selbst durch die rigorosen Maßnahmen, die bei der Steuereintreibung an den Tag gelegt werden, während die Benachteiligung der deutschen Industrie und Wirtschaft, ja darüber hinaus der systematische Vernichtungskampf gegen diese unvermindert andauert. In letzter Zeit macht sich im deutschen Gebiet ganz besonders auch ein durch nichts eingeengtes Wüten der èechischen Banken unter Führung der Živnostenská und allem Anschein nach unter besonderer Duldung des Staates geltend, was zur Brachlegung ganzer Betriebe führt. Anstatt sich mit halben Maßnahmen zu begnügen, müßte den Grundursachen der heutigen Wirtschaftskrise nachgegangen werden, um wenigstens dort, wo noch eine Abänderung möglich ist, bisher begangene Fehler aus der Welt zu schaffen und Unzulänglichkeiten zu beheben. In den Rahmen des Möglichen fällt daher aber auch der Kampf um die Beseitigung oder zumindestens die Abänderung der bestehenden Friedensdiktate, die ich bereits vorher als die Wurzel allen Übels und als Hauptursache der gegenwärtigen schweren wirtschaftlichen Erschütterungen bezeichnete. Freilich wehren sich alle großen und kleinen Nutznießer derselben gegen eine Revision, doch dürfte sich gerade die Èechoslovakische Republik aus kleinlichen Erwägungen und aus dem Hasse gegen alles Deutsche seitens ihrer eigentlichen Machthaber nicht abhalten lassen, vor allem auch an ihre eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse zu denken. Wir fordern und verlangen daher von diesem Staate, daß er sich nicht nur von seinen reinen machtpolitischen Bestrebungen leiten lasse, sondern auch dafür Sorge trage, daß den ihn bewohnenden Staatsbürgern Arbeit und Brot im ausreichendem Maße gesichert werde.