Pátek 25. dubna 1930

Weitere Ursachen der heutigen Weltwirtschaftskrise, bzw. der immer mehr und mehr um sich greifenden Arbeitslosigkeit sind noch in der allgemeinen Zunahme der erwerbstätigen Bevölkerung, sowie in der dauernden Überflüssigmachung von Arbeitskräften durch Rationalisierung, Mechanisierung und Konzentration der Industrien zu suchen. Während einerseits durch die allgemeine Verarmung die Zahl der erwerbstätigen Bevölkerung beständig steigt, werden andererseits durch Rationalisierung, durch den Fortschritt der Technik und durch die verschiedensten Konzentrationsbestrebungen Tausende und Abertausende Arbeitsmenschen frei und überflüssig. An hunderten von Beispielen ließe sich der Nachweis dafür erbringen, daß bei stark herabgesetzter Arbeiterzahl gleiche oder noch erhöhte Leistungen erzielt werden konnten und daß bei gleichbleibender Arbeiterzahl Leistungssteigerungen von 100, 150 und mehr Prozent erreicht wurden. Ein Ähnliches kommt auch bei der Zusammenlegung von Betrieben und Unternehmungen zum Ausdruck, wodurch gleichfalls zahlreiche Arbeitskräfte dauernd frei werden. Wir konnten diese Tatsache in letzter Zeit des öfteren in der Textilindustrie aber auch in der Metall- und anderen Industrien beobachten. Ich brauche hiebei ja nur auf die Bestrebungen hinzuweisen, die gegenwärtig in bezug auf eine Vereinigung von Rothau-Neudek mit Karlshütte im Gange sind. Wenn wir uns auch einem Fortschritt keineswegs verschließen, so müssen wir dennoch auf diese Geschehnisse und ihre Folgeerscheinungen aufmerksam machen, damit die üblen Seiten dieses Fortschrittes durch entsprechende soziale und wirtschaftliche Maßnahmen im Interesse der betroffenen Arbeiterschaft rechtzeitig wettgemacht werden können.

Alle bisher angeführten Erscheinungen tragen jedoch direkt oder indirekt zu dem größten Übel unserer heutigen Zeit, und zwar zur beständigen Herabdrückung der Kaufkraft der breiten Massen und damit zu einem verminderten Absatz industrieller und agrarischer Erzeugnisse mit bei, worüber ich gestern bereits ausführlich sprach.

Sie üben jedoch auch einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der Löhne und Gehälter aus; denn auch bei der Arbeitskraft regelt die Nachfrage den zu zahlenden Preis. Die heutige Arbeitslosigkeit zeitigt darüber hinaus aber auch einen beständigen Kampf der Arbeitslosen gegen die noch in Arbeit stehenden, was notgedrungen zur Unterbietung der Löhne, zu Lohndruck und damit zur allgemeinen Verarmung, Niedrighaltung der Kaufkraft und Verminderung des Bedarfes führen muß. Solcherart ist das Schicksal der Arbeitslosen nicht nur ein Unglück für die direkt davon Betroffenen, sondern darüber hinaus auch ein Verhängnis für die gesamte Arbeitnehmerschaft und alle mit ihr in engster Verbindung stehenden schaffenden Menschen.

Außer den Auswirkungen der allgemeinen Weltwirtschaftskrise machen sich in diesem Staate noch besondere wirtschaftliche Erschütterungen geltend, deren Ursachen in innerstaatlichen Erscheinungen zu suchen sind. Ich brauche ja nur daran zu erinnern, daß es für diesen Staat, der 75% der Gesamtindustrie der ehemaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie übernahm, bei einer halbwegs vernünftigen Zoll-, Handels- und Finanzpolitik ein Leichtes gewesen wäre, diese hochentwickelte Industrie am Leben zu erhalten und den mit ihr verbundenen Menschen ein weit sorgenfreieres Dasein zu gewähren, als das gegenwärtig der Fall ist. Allerdings hätte dann an die Stelle der einem national-chauvinistischen Hasse entspringenden industriefeindlichen Haltung der ersten Regierungen dieses Staates eine Politik der Erhaltung der alten und der Gewinnung neuer Absatzgebiete treten müssen. Weit wichtiger, als die für das wirtschaftliche Leben dieses Staates belanglose Anlehnung an Frankreich, wäre die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Nachfolgestaaten gewesen. Die Folgen dieses, den wahren Bedürfnissen geradezu entgegengesetzten Handelns blieben auch nicht aus und äußerten sich in einer ununterbrochenen Kette von Absatzschwierigkeiten, Betriebsstockungen, Arbeiterentlassungen, Betriebseinstellungen und endlich in einer vollständigen Abwanderung ganzer Betriebe und Unternehmungen, während in den einstmals besten Absatzgebieten eigene nationale Industrien entstanden. Die Maschinen wurden verpackt und in das neuerstandene industriearme Ausland befördert, während die arbeitswilligen Menschen dieses Staates, die bisher mit diesen Maschinen in engster Verbindung standen und durch sie Arbeit und Brot gefunden hatten, nun als dauernd arbeitslos hier zurückblieben. So kam es zu den schweren Krisenerscheinungen 1922/23, 1926/27 und mit Ende 1929 zu einer neuerlichen schweren Wirtschaftskrise in Industrie, Handel und Gewerbe, die mit Beginn des Jahres 1930 eine bedeutende Verschärfung und Steigerung erfuhr.

Die den wirtschaftlichen Niedergang dieses Staates verschärfende industriefeindliche Haltung insbesondere der ersten Regierungen findet eine, wenn auch überaus fadenscheinige Begründung in dem auch heute noch nicht ganz ausgestorbenen Streben nach Schaffung eines Nationalstaates. Es ist leider nur allzuwahr, daß man sich in diesem Staate lang genug der geradezu wahnwitzigen Meinung hingab, durch Vernichtung der zum Großteil in deutschen Händen befindlichen Industrie und Wirtschaft die Widerstandskraft der Deutschen zu brechen und auf diesem Trümmerfelde den heißersehnten Nationalstaat zu errichten. Wenn es auch bisher nicht gelang, diese Wahnidee restlos in die Tat umzusetzen, so vollzogen sich in Auswirkung dieses Tuns doch wesentliche Verschiebungen; denn ein Großteil des industriellen Besitzstandes ist unter Ausnützung der solcherart geschaffenen Wirtschaftslage, durch entsprechenden Druck seitens des Staates und nicht zuletzt auch durch die Expansionskraft des èechischen Finanzkapitals - wobei ich ja nur an die Živnostenská banka zu erinnern brauche - in èechische Hände hinübergewandert, was sich an den deutschen Arbeitsmenschen recht fühlbar auswirkte. Dieser Zustand wurde im Laufe der Jahre noch durch eine Reihe anderer Maßnahmen würdig ergänzt und wesentlich verschärft. Ich brauche hiebei ja nur neuerdings an die Verdrängung der Deutschen aus dem Staatsdienste, aus den staatlichen Betrieben, wie Berg- und Hüttenwerken, Tabakfabriken usw. aber auch an die Verdrängung der Deutschen von den privaten Arbeitsplätzen durch das Zertifikatisten- und das Legionärgesetz, oder bei Vergebung der Staatslieferungen und durch die Durchführung der Bodenreform zu erinnern. Alle diese Maßnahmen trugen dazu bei, der seit Jahr und Tag in diesem Staate herrschenden Wirtschaftskrise eine besondere deutsche Note zu verleihen und den vor mir aufgezeigten Kampf der Arbeitslosen gegen die noch in Arbeit Stehenden im deutschen Lager weit schärfer zu gestalten als dies in den èechischen Reihen der Fall ist.

Auf Grund der von mir aufgezeigten Verhältnisse ist es gar kein Wunder, wenn die vor dem Kriege meist unbekannte Arbeitslosigkeit insbesondere in unseren Gebieten aus einem Einzelschicksal zu einem Massenproblem geworden ist. Bereits im sozialpolitischen Ausschuß habe ich in ausführlicher Weise dargetan, daß diesem bedeutsamen Zeitproblem das größtmöglichste Augenmerk zuzuwenden ist, um die bestehende Not tausender und abertausender Arbeitsmenschen zu lindern und die Verzagten und Niedergedrückten einer neuen Beschäftigung zuzuführen. Ich halte denn auch daran fest, daß es die höchste und vornehmste Pflicht des Staates ist, den ihn bewohnenden Menschen ausreichende Arbeitsmöglichkeiten zu sichern; denn bei der großen Zahl der Arbeitslosen, die wir heute aufzuweisen haben, handelt es sich fast durchwegs um arbeitswillige Menschen, denen lediglich aus Verschulden oder aus Versäumnis des Staates das primitivste Recht, das Recht auf Arbeit und ausreichende Arbeitsmöglichkeiten, verloren ging. Alle diese Menschen aber lehnen es ab, auf Wohltaten, Almosen und Gnadengaben angewiesen zu sein. Sie erheben lediglich Anspruch auf ein ihnen gebührendes Recht, auf das Recht, sich durch ehrliche Arbeit das zum Leben notwendige Brot zu verdienen.

Von dieser Einstellung ausgehend fordern wir deutschen Nationalsozialisten in erster Linie die Beschaffung ausreichender Existenz- und Arbeitsmöglichkeiten und setzen damit das Verlangen nach produktiver Arbeitslosenfürsorge an die Spitze unserer Forderungen zur Bekämpfung der heutigen Wirtschaftskrise und ihrer verhängnisvollen Begleiterscheinungen, wie Arbeitslosigkeit, Hunger, Not und Elend. In der Generaldebatte des sozialpolitischen Ausschusses habe ich mich mit unseren diesbezüglichen Forderungen besonders eingehend befaßt, so daß ich sie hier nur ganz kurz andeuten brauche, um das bereits Gesagte nicht nochmals zu wiederholen.

Allem voran verlangen wir eine den wahren Bedürfnissen der Wirtschaft dieses Staates angepaßte Zoll-, Handels- und Finanzpolitik. Hierher gehört die gründliche Revision der bestehenden Zoll- und Handelsverträge, die Schaffung eines umfassenden Netzes von Handelsverträgen, endliche Tätigung eines Handelsvertrages mit Deutschland, die Änderung der bisherigen Außenpolitik zum Zwecke der Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu den größten Abnehmern unserer Industrieerzeugnisse, also zu Deutschland, Deutschösterreich und Ungarn. Ebenso macht sich die größte Sparsamkeit auf allen Gebieten der staatlichen Finanzwirtschaft, eine Entlastung der breiten Masse zum Zwecke der Hebung der Kaufkraft und eine steuerliche Erleichterung für die Industrie, Gewerbe und Landwirschaft geltend.

Dringend notwendig erscheint mir die rascheste Durchführung von Notstandsarbeiten und eine tatkräftige Förderung der Bautätigkeit, um die arbeitslos gewordenen Menschen wenigstens vorübergehend unterzubringen.

Hervorheben möchte ich hiebei nur, daß das, was in bezug auf Bauförderung im Bauforderungsgesetz oder auch in der Regierungsvorlage über die Neuregelung des "Genter Systems" vorgesehen ist, keineswegs als genügend angesehen werden kann. Neben dem Staate, den Ländern, Bezirken und Gemeinden müßten vor allem auch die privaten Unternehmungen und insbesondere die Banken zur regsten Bautätigkeit verpflichtet werden.

Um den Gemeinden überhaupt die Möglichkeit zur Durchführung von Notstandsarbeiten und zur Teilnahme an einer regen Bautätigkeit zu geben, bedarf es vor allem einer raschesten Beseitigung, des Gemeindefinanzgesetzes.

An die Stelle der industriefeindlichen Politik muß endlich eine tatkräftige Förderung von Industrie und Wirtschaft treten, zum Zwecke der Wiederinbetriebsetzung stillgelegter Unternehmungen, der Umstellung brachliegender Industrien, der Schaffung und Ansiedlung neuer Industriezweige. Hierher gehört jedoch auch die Um- und Nachschulung Arbeitsloser auf Kosten des Staates, die Beschaffung billiger Kredite, die Herabund nicht Hinaufsetzung der Tarif- und Transportsätze, die Vergebung der Staatslieferungen nicht nach nationalen Gesichtspunkten, sondern nach der Bedürftigkeit und nicht zuletzt die größtmögliche Sparsamkeit in der Finanzwirtschaft und die tunlichste Entlastung auf allen Gebieten des Steuerwesens.

Jedoch auch auf sozialpolitischem und allgemein gesetzgeberischem Gebiete machen sich mit Rücksicht auf die herrschende Wirtschaftskrise und die von ihr gezeitigten Härten eine Reihe von Verbesserungen und Neudurchführungen notwendig, und zwar die Schaffung eines Bankenaufsichts- und eines Kartellgesetzes.

Geradezu unheilvoll wirkt sich das von Jahr zu Jahr steigende Überstundenunwesen aus. Allerdings stellen auch die schönsten Erlässe an die Gewerbeinspektoren unserer Meinung nach noch lange keine richtige Bekämpfung dieses Überstundenunwesens dar. Weit wirkungsvoller wäre ein gründlicher Ausbau der Gewerbeinspektorate, die Schaffung besonderer Arbeitsinspektoren und die endliche gesetzliche Regelung der Besserbezahlung aller geleisteten Überstunden. Unter Bezugnahme auf die Auswirkungen der Rationalisierung und Mechanisierung erscheint vor allem eine Verbesserung des Gesetzes zur Versorgung der Überalterten, sowie eine Novellierung der Sozialversicherung notwendig. Völlig unhaltbar ist das Gesetz zum Schutz des heimischen Arbeitsmarktes geworden.

Nicht zuletzt fordern wir zum Zwecke der Beseitigung der besonderen Härten der Wirtschaftskrise im deutschen Gebiete, die Wiedergutmachung der uns durch die Nationalisierungsmaßnahmen zugefügten Schäden und die Berücksichtigung deutscher Anwärter bei Besetzung der Staatsstellen gemäß des Bevölkerungsschlüssels. An wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen gegen die Wirtschaftskrise und ihre Folgeerscheinungen verlangen wir vor allem die Durchführung von Ausspeisungs- und Bekleidungsaktionen. Ein ganz besonderes Augenmerk ist der Hebung der Kaufkraft der breiten Masse zuzuwenden, denn in der Hebung der Kaufkraft der breiten Masse sehen wir ein wirksames Mittel für die Bekämpfung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, aber auch zur Abwehr kommender wirtschaftlicher Erschütterungen!

Vermag der Staat den ihn bewoh nenden arbeitswilligen Menschen keine ausreichende Arbeits- und Erwerbsmöglichkeit sicherzustellen, oder ihnen zur Zeit wirtschaftlicher Erschütterungen auch durch Notmaßnahmen nicht in einem ausreichenden Maße über die kritische Zeit hinwegzuhelfen, so erwächst für ihn unbedingt die weitere Verpflichtung, den unverschuldet arbeitslos gewordenen Menschen für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit eine Unterstützung zu gewähren. Die Entwicklung der diesbezüglichen Gesetzgebung zeigt deutlich genug, daß man sich in diesem Staate noch nie an eine gründliche Lösung dieses bedeutsamen Problems herangewagt hat. Der schon in den ersten Jahren des Staatsbestandes einsetzenden erhöhten Arbeitslosigkeit suchte man durch das Gesetz vom 10. Dezember 1918 Rechnung zu tragen, das sechsmal verlängert und dabei teilweise abgeändert und schließlich im Jahre 1921 durch das Gesetz Nr. 322 abgelöst wurde. Auch dieses Gesetz wurde, wie dies in diesem Staate schon so üblich ist, fünfmal verlängert und blieb bis 31. März 1925 bestehen. An seine Stelle trat dann mit 1. April 1925 das Gesetz vom 19. Juli 1921, also das sog. "Genter System", dessen Verlängerung und teilweise Abänderung gegenwärtig zur Verhandlung steht. Eine vergleichende Gegenüberstellung der bisher in Kraft gewesenen Unterstützungsarten beweist deutlich genug, daß durch die Einführung des "Genter Systems" eine weitere Verschlechterung der schon vorher unzulänglichen Lösung des Problems der Arbeitslosenunterstützung eingetreten ist. Waren auf Grund der früheren Gesetze alle krankenversicherungspflichtigen Personen anspruchsberechtigt, so trat durch das Genter System eine Verminderung der Anspruchsberechtigten dahingehend ein, daß durch dieses Gesetz außer der Krankenversicherungspflicht auch die Mitgliedschaft bei einer gewerkschaftlichen Organisation als Bedingung gefordert wird. Darüber hinaus besteht jedoch ein Anspruch erst dann, wenn die gewerkschaftliche Zugehörigkeit mindestens drei Monate währt, d. h. wenn das Mitglied gemäß der Unterstützungsbestimmungen der Organisation bereits 52 Wochenbeiträge geleistet hat. Des weiteren sind nach dem geltenden Genter System nur solche Gewerkschaftsmitglieder anspruchsberechtigt, deren Organisationen vom Staate, bzw. dem Minister für soziale Fürsorge die Bewilligung zur Auszahlung des Staatsbeitrages erhalten haben. Durch die gegenwärtige Regierungsvorlage wird der Kreis der Anspruchsberechtigten bei außerordentlicher Arbeitslosigkeit und unter der Voraussetzung, daß auch die zugehörige Organisation für diesen Fall eine besondere Unterstützung angesetzt hat, auch auf jene erweitert, die wohl eine dreimonatige Mitgliedschaft nachweisen können, aber noch keine 52 Wochenbeiträge geleistet haben.

Während die Bestimmungen über den Verlust der Unterstützung und über die Fälle, bei denen kein Anspruch besteht, bei allen Unterstützungsarten ziemlich gleich sind, weichen sie inbezug auf Höhe und Dauer der Unterstützung wesentlich von einander ab. So betrug die Höhe der Unterstützung gemäß Gesetz Nr. 322 vom Jahre 1921 in Orten bis 7000 Einwohner 8 Kè, über 7000 Einwohner 10 Kè täglich, wozu noch eine Frauen- und besondere Kinderzulage kamen. Das Höchstausmaß dürfte 16, bzw. 18 Kè täglich nicht übersteigen. Die Höhe der staatlichen Unterstützung gemäß des Genter Systems richtet sich nach der Höhe der Gewerkschaftsunterstützung und beträgt gegenwärtig das ein-, bzw. anderthalbfache des Organisationsbetrages. Das bisher geltende Höchstausmaß des Staatsbeitrages darf täglich 12 Kè nicht übersteigen, wobei jedoch die Gesamtunterstützung über zwei Drittel des letzten Lohnes nicht hinausgehen darf. Die gegenwärtige Regierungsvorlage sieht wohl den drei-, bzw. vierfachen Staatszuschuß, jedoch nur auf die Hälfte der bisherigen Gewerkschaftsunterstützung vor, und enthält auch die Bestimmung, daß die Gesamtunterstützung zwei Drittel des letzten Lohnes nicht übersteigen darf, aufrecht, während das Höchstausmaß mit 18 Kè täglich festgesetzt wird. Was die Unterstützungsdauer anbelangt, muß festgehalten werden, daß sie sich gemäß Gesetz 322 auf ein halbes Jahr erstreckte, während sie nach den bisherigen Bestimmungen nur 13 Wochen oder drei, bzw. vier Monate betrug. Die Regierungsvorlage erweitert die Bezugsdauer auf 26 Wochen und bestimmt, daß bei außerordentlicher Arbeitslosigkeit und unter der Voraussetzung, daß auch die Gewerkschaft eine solche Unterstützung in ihre Bestimmungen aufnimmt, weitere dreizehn Wochen gezahlt werden können.

Schon diesem Vergleich kann zur Genüge entnommen werden, daß durch Einführung der Genter Systems eine wesentliche Verschlechterung eintra, die vor allem in einer starken Verminderung der Anspruchsberechtigten, der Herabsetzung der höhe und Dauer der Unterstützung bestand. Jedoch auch durch die Regierungsvorlage tritt keineswegs eine solche Änderung der Grundbestimmungen ein, daß von einer wesentlichen Verbesserung gesprochen werden könnte. Den besten Beweis für diese Behauptung liefern die vom Ministerium für soziale Fürsorge veröffentlichten Zahlen über die Höhe der ausgezahlten Arbeitslosenunterstützungen. Ich führe zu diesem Zwecke nur kurz an, daß vor Einführung des Genter Systems an Unterstützungen nachfolgende Beträge ausgezahlt wurden: u. zw. im Jahre 1919 260 Millionen, im Jahre 1920 94·9 Millionen, 1921 76 Millionen, 1922 209 3 Millionen, 1923 392 2 Millionen und 1924 140 Millionen, und vom 1. Jänner 1925 bis 31. März 1925 35·5 Millionen Kè. Nach der Einführung des Genter Systems kamen lediglich folgende Beträge zur Auszahlung, u. zw. vom 1. April 1925 bis 31. März 1926 3·6 Millionen, vom 1. April 1926 bis 31. März 1927 20 Millionen, vom 1. April 1927 bis 31. März 1928 17·8 Millionen, und vom 1. April 1928 bis 31. März 1929 13 9 Millionen Kè.

Es bedarf daher wohl keines weiteren Beweises dafür, daß der Staat der eigentliche Nutznießer des Genter Systems ist, während die Arbeitslosen auf das schwerste geschädigt wurden. Diesbezüglich bedarf es ja nur des besonderen Hinweises auf die Tatsache, daß die Krise des Jahres 1926 bis 1927 jener des Jahres 1922 bis 1923 völlig glich, während an ausgezahlten Unterstützungen den 392 Millionen des Jahres 1923 nur 20 Millionen des Jahres 1926 und 17·8 Millionen des Jahres 1927 gegenüberstehen. So gern wir jede, selbst die kleinste Verbesserung anerkennen, die die gegenwärtige Regierungsvorlage vorsieht, so sehr vermögen wir uns jedoch auch der Tatsache nicht zu verschließen, daß die Regierungsvorlage keineswegs das bringt, was von ihr erwartet wurde. Auch hiebei bediene ich mich in meiner Beweisführung keineswegs unstichhaltiger Daten, sondern verweise nur darauf, daß der Motivenbericht zum vorliegenden Gesetzentwurf selbst besagt, daß die Gesamthöhe des Staatsbeitrages nach der Neuregelung höchstens 38 Mill. Kè, also kaum 18 Millionen mehr jährlich als bisher betragen, und der finanzielle Aufwand des Staates für die außerordentliche Arbeitslosenunterstützung zwischen 7 und 17 Mill. Kè jährlich ausmachen wird. Schon mit Rücksicht auf diese, sicherlich sehr vorsichtig zu Gunsten des Staates errechneten Beträge kann doch keineswegs von einer nennenswerten Verbesserung gesprochen werden; denn was sind bestenfalls 38 Mill. Kè für die Arbeitslosen im Vergleich zu den 2200 Millionen Kc, die alljährlich für militärische Zwecke verausgabt oder im Vergleich zu den vielen Millionen, die für Repräsentationszwecke, Propaganda usw. zwecklos hinausgeworfen werden. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.)

Der Zustand, wie er im bisherigen Gesetze zum Ausdruck kommt und auch durch den Regierungsentwurf nur eine teilweise in einem viel zu geringen Ausmaße erfolgende Abänderung erfährt, ist nicht nur unhaltbar, sondern beweist auch, wie wenig geeignet das Genter System sowohl bei normalen, wie auch insbesondere bei Krisenzeiten zur ausreichenden Lösung des Problems der Arbeitslosenunterstützung ist. Aus diesem Grunde forderten wir seit jeher die Einführung einer obligatorischen Arbeitslosenversicherung und halten natürlich diese Forderung auch weiterhin im vollsten Ausmaße aufrecht, weil wir wissen, daß nur eine pflichtgemäße Arbeitslosenversicherung imstande sein wird, das Problem der Arbeitslosenfürsorge vollwertig zu lösen. Ihre Einführung kann keine allzu großen Schwierigkeiten bieten, da ohne weiters eine Anlehnung an die bestehenden Sozialversicherungsanstalten möglich ist. Die Bezirkssozialversicherugsanstalten würden dann eben auch die Agenden und Arbeiten der Arbeitslosenversicherung mitzuübernehmen haben, wozu ihnen auch die Arbeitsvermittlung übertragen werden könnte, sodaß die heutigen Bezirkssozialversicherungsanstalten damit zu Sozialversicherungsanstalten im wahrsten Sinne des Wortes werden würden.

Gerade die gegenwärtige Wirtschaftskrise gebietet allen Ernstes und so rasch als möglich die Einführung der Arbeitslosenversicherung. Wir begrüßen es daher, daß das Ministerium für soziale Fürsorge bereits einen besonderen Ausschuß mit den diesbezüglichen Vorarbeiten betraut hat. Ganz entschiedenen Einspruch aber müssen wir gegen die Art und Weise erheben, wie dieser Ausschuß zusammengesetzt worden ist; denn wie wir feststellen konnten, wurden dabei große Gewerkschaften und Gewerkschaftszentralen, z. B. der "Verband deutscher Gewerkschaften, Sitz Aussig", mit seinen ungefähr 50.000 Mitgliedern zur Gänze übergangen, obgleich dieser Verband schon mehrfach seine diesbezüglichen Forderunegn erhob und entsprechende Vorschläge einbrachte. Da eine gleiche Vorgangsweise auch bei der Ernennung des Beirates für Ernährungsfragen an den Tag gelegt wurde, so erkennen wir darin wohl nicht mit Unrecht ein einseitiges parteipolitisches Vorgehen, gegen das wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Wir erwarten jedoch, daß der berechtigten Forderung des "Verbandes deutscher Gewerkschaften" noch nachträglich Rechnung getragen werden wird. Ebenso geben wir auch der Hoffnung Raum, daß der mit den Vorarbeiten für die Arbeitslosenversicherung betraute Ausschuß seine Tätigkeit nicht bis ins Unendliche ausdehnen, sondern sie vielmehr raschestens einem Ende zuführen wird, denn das Genter System kann nach seiner Novellierung nur als eine Übergangsmaßnahme betrachtet werden.

Lediglich mit Rücksicht darauf, daß die heutige Wirtschaftskrise rascheste Maßnahmen erforderte und uns anderseits bewußt war, daß die Schaffung der Arbeitslosenversicherung nicht von heute auf morgen geschehen kann, erklärten wir uns mit einer bloßen Novellierung des Genter Systems als Notmaßnahme für eine kurze Übergangszeit einverstanden. Umso mehr bedauern wir, daß sich diese Novellierung dank der beständigen Uneinigkeit der heutigen Koalition ohne Rücksicht auf die Schwere der Industrie- und Wirtschaftskrise so lange hinausgezogen hat, so daß viel von ihrer Bedeutung als Übergangsmaßnahme verloren ging, da inzwischen viele Monate größter Arbeitslosigkeit ohne jede verbesserte Hilfeleistung verstrichen sind. Unser Protest gilt jedoch nicht nur dieser unheilvollen Verschleppung, sondern gleicher Weise auch der ungerechtfertigten Verbindung der sozialen Vorlagen mit den agrarischen Forderungen. Nicht zuletzt aber erheben wir auch entschiedensten Einspruch gegen die Nichtbeachtung des Großteiles unserer vollauf berechtigten und auf das Mindestmaß eingeschränkten Forderungen und Abänderungsanträge, wodurch die Mangelhaftigkeit der Abänderung am besten zum Ausdruck kommt.

Wir haben unsere Forderungen zur Abänderung des Genter Systems in einem besonderen Antrage niedergelegt und denselben zeitgerecht im Abgeordnetenhause und im Senate eingebracht. Ebenso haben wir diesbezügliche Abänderungs- und Ergänzungsanträge im sozialpolitischen Ausschusse gestellt und auch heute wieder vorgelegt, obgleich unsere Anträge ohne Rücksicht auf ihre Zweckmäßigkeit einfach niedergestimmt wurden. Bei der Stellung unserer Anträge ließen wir uns vor allem von dem Bestreben leiten, vor allem die dem Genter System anhaftenden Mängel soviel als möglich zu beseitigen. Diese Mängel bestehen vor allem darin, daß durch das Genter System nur ein Bruchteil der gesamten Arbeitnehmerschaft, u. zw. nur der gewerkschaftlich Organisierte und auch dieser infolge der Ausscheidung der Heim- und Saisonarbeiter nicht zur Gänze, für die Anspruchsberechtigung erfaßt wird. Weitere Mängel des in Frage stehenden Gesetzes sehen wir in der unzureichenden Höhe und der unzulänglichen Dauer der gewährten Unterstützung, sowie in der übermäßig hohen Belastung der gewerkschaftlichen Organisationen sowohl in finanzieller als auch in verwaltungstechnischer Hinsicht, ohne daß ihnen dafür auch nur annähernd ein entsprechender Gegenwert geboten würde. Obgleich wir damit nur das Dringlichste für die Änderung herausgriffen und uns lediglich auf leicht erfüllbare Forderungen einstellten, müssen wir nunmehr umso enttäuschter feststellen, daß sich der Gesetzentwurf trotz alledem noch über den Großteil dieser berechtigten Minimalforderungen hinwegsetzte, was deutlich genug aus einem Vergleich zwischen unseren Forderungen und den Bestimmungen der Regierungsvorlage hervorgeht.

Wir forderten:

1. Die Beseitigung der im Abs. 1 des § 1 enthaltenen Bestimmung, wonach nur "krankenversicherungspflichtige Personen" anspruchsberechtigt sind und begründeten diese Forderung damit, daß zahlreiche Heimarbeiter, insbesondere im Gablonzer Gebiete, durch diese Bestimmung trotz ihrer gewerkschaftlichen Zugehörigkeit aus dem Bezuge einer Arbeitslosenunterstützung unberechtigterweise ausgeschieden werden.

Die Regierungsvorlage setzt sich über diese begründete und berechtigte Forderung hinweg und hält daher an der Ausscheidung der Heimarbeiter fest, obgleich gerade diese Armen der Ärmsten von oftmaliger Arbeitslosigkeit heimgesucht werden und daher eine Unterstützung am meisten benötigen würden.

2. Wir verlangten die Gewährung ausreichender Vorschüsse an die Gewerkschaften nach dem jeweiligen Stande der Arbeitslosigkeit. Diese Forderung erscheint zur Genüge durch die Tatsache begründet, daß die Gewerkschaften bisher zumeist viele Monate lang warten mußten, bis sie wieder in den Besitz der auf Kosten des Staates ausgezahlten Beträge gelangten. Dadurch erwuchsen den Gewerkschaften nicht nur ungeheure Zinsenverluste, sondern sie wurden darüber hinaus auch in ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit gehemmt und behindert. Die Regierungsvorlage trägt dieser mehr als berechtigten Forderung nur teilweise und völlig unzureichend Rechnung, indem sie bestimmt, daß der Minister für soziale Fürsorge in der Höhe eines einmonatigen Bedarfes solche Vorschüsse gewähren kann. Die vorgesehene Höhe dieses Vorschusses ist vor allem mit Rücksicht auf die nun eintretende Erweiterung der Unterstützungsdauer von 13 auf 26 Wochen keinesfalls als eine Entlastung der Gewerkschaften zu bezeichnen, und müßte mindestens im Ausmaße eines halbjährigen Bedarfes festgesetzt werden.

3. Wir verlangten die Streichung der im Punkt 4, Abs. 1 des § 4 vorgesehenen Bestimmung, wonach die Mitgliedschaft bei der Fachorganisation an keine andere Bestimmung gebunden sein darf als an jene, daß das Mitglied in dem betreffenden Fache beschäftigt ist und an die Organisation die festgesetzten Beiträge leistet. Diese Bestimmung beinhaltet einen unzulässigen Eingriff in die Rechte der Gewerkschaften und ist vielfach auch undurchführbar. So gibt es Angestelltengewerkschaften, die nur männliche, bzw. nur weibliche Mitglieder aufnehmen und auf Grund der in Frage stehenden Bestimmung zur Aufgabe dieser Gepflogenheit gezwungen werden können. Darüber hinaus vollzieht sich bei allen Gewerkschaften die Mitgliederaufnahme nach dem Bekenntnis zu gewissen ethischen, sozialen oder auch nationalen Weltanschauungen, worin vor allem auch die Geschlossenheit der Organisationen verankert liegt. Der § 4 des Gesetzes 267/21 verbietet den Gewerkschaften diese grundsätzliche Einstellung und macht sich damit einer Art Freiheitsberaubung derselben schuldig.


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