Nach diesen allgemeinen Bemerkungen zum Voranschlage möchte ich nur ganz kurz auf einige Einzelheiten zu sprechen kommen. Ich möchte darauf hinweisen, daß fast von allen deutschen Rednern im Budgetausschusse bei Besprechung des Kap. 3 des Voranschlages die Forderung aufgestellt wurde, daß endlich die Staatsverwaltung bei Aufnahme von Beamten Rücksicht auf die nichtèechischen Nationen der Republik nehme, besondere Rücksicht nehme auf das 3 1/2 Millionen Volk der Sudetendeutschen. Diese Forderung wurde von einzelnen Rednern scharf unterstrichen, und es ist bezeichnend, daß besonders auch die Vertreter der früheren deutschen Regierungsparteien, mit Abg. Mayr-Harting an der Spitze, nunmehr diese Forderung erhoben haben. Nun muß ich aber darauf hinweisen, daß der Generalberichterstatter Dr. Hnídek seine ablehnende Haltung bezüglich der Abänderungsfähigkeit der einzelnen Posten damit begründet hat, daß seiner Ansicht nach die Einflußnahme der Parlamentarier auf die Zusammenstellung des Budgets schon in der Richtung gegeben sei, daß durch die im Budgetausschusse zum vorliegenden Voranschlage vorgebrachten Beschwerden auf Grund des Berichtes über die Debatte der Regierung die Möglichkeit geboten wird, den größten Teil der vorgebrachten Forderungen und Beschwerden bei der Aufstellung des neuen Voranschlages entsprechend zu berücksichtigen. Nun ist es aber bezeichnend, wie der Generalberichterstatter an die Regierung über die Forderung nach Einhaltung des Bevölkerungsschlüssels bei der Anstellung von Beamten bei allen Ressorts in diesem Staate berichtet. Er stellt sich einfach auf den Standpunkt, daß diese Forderung als nicht berechtigt anzusehen ist, weil auch in den vergangenen elf Jahren die Staatsverwaltung angeblich bei der Aufnahme von Beamten, bei den Ernennungen in den einzelnen Ministerien nie auf die nationale Zugehörigkeit des Beamten, sondern immer nur auf die fachliche Qualifikation, auf den wirklichen Bedarf und auf das Dienstinteresse Rücksicht genommen worden sei. Wir kennen dieses Dienstinteresse. Unter diesem Deckmantel "Dienstinteresse" wurden bisher bei allen Staatsämtern und Staatsbetrieben die deutschen Bewerber ausgeschlossen, weil auf Grund von internen Weisungen bei jedem deutschen Bewerber eben von vornherein festgelegt wurde, daß seine Aufnahme den Dienstinteressen nicht entspreche. Durch diese Stellungnahme wurden von vornherein Zehntausende von deutschen Bewerbern unberücksichtigt gelassen, und auch der ganze Beamtenabbau hat sich auf dieser Grundlage vollzogen, da man entgegen der angeblichen Forderung nach fachlicher Qualifikation fachlich hochqualifizierte deutsche Beamte einfach rücksichtslos abgebaut hat, nachdem man an ihre Stelle vorher èechische Bewerber eingestellt hatte.
Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit sehe ich mich leider bemüßigt, zum Schlusse zu eilen. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß sich sowohl der Finanzminister als auch der Generalberichterstatter auf den Standpunkt gestellt haben, daß der Staatsvoranschlag 1930 aktiv sei. Man hat nur vergessen zu erklären, daß man diese Aktivität künstlich konstruiert hat. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß man eine ganze Reihe dringender und dringlicher Probleme des Staates, bezw. der Bevölkerung unberücksichtigt gelassen hat, so vor allem die Regelung der Altpensionistenfrage, die Erhöhung der Gehälter der Staatsbeamten und die Lösung des Wohnungsproblems. Alle diese großen Probleme, die dringend einer Regelung bedürfen und unbedingt noch im laufenden Jahre ihrer Lösung zugeführt werden müssen, bedürfen selbstverständlich ganz gewaltiger Staatsmittel und es wäre meines Erachtens eine verantwortliche Regierung und eine verantwortliche Parlamentsmehrheit verpflichtet, wenn sie ernstlich an die Einlösung der ihren Wählern in dieser Richtung gegebenen Versprechungen herantreten wollten, die für die Lösung dieser Probleme notwendigen Beiträge auch bereits in den Voranschlag 1930 einzustellen.
Der Redner der èechischen Agrarpartei Dr. Èerný, welcher gleichzeitig Vorsitzender des Budgetausschusses ist, hat heute von dieser Stelle Worte gesprochen, die uns zum Teil aufhorchen ließen. Wir haben zum erstenmal aus dem Munde eines einflußreichen èechischen Kollegen - ich nehme an, daß Koll. Dr Èerný sich voll der Verantwortung für das bewußt war, was er hier sprach - Ausführungen gehört, die uns erhoffen lassen könnten, daß sich wenigstens auf dem Gebiete des Schulwesens unter der neuen èechisch-deutschen Regierungsmehrheit die Verhältnisse ändern werden. Er hat davon gesprochen, daß er, und ich muß doch annehmen, da er ein prononzierter Vertreter seiner Partei ist, daß also auch seine Partei auf dem Standpunkt steht, daß grundsätzlich die Èechisierungsbestrebungen im deutschen Gebiet aufzuhören haben, u. zw. hat er das nicht mit den Interessen des Deutschtums begründet, sondern mit den Staatsinteressen. Er hat von dieser Stelle erklärt, daß der größte Teil der èechischen Bevölkerung angeblich es nicht verstehen könnte, wenn man ihn ins deutsche Gebiet führen würde vor die mächtigen èechischen Schulpaläste, für die die notwendigen èechischen Kinder fehlen und erklärte die für den Bau solcher Schulpaläste aufgewendeten Beträge für hinausgeworfenes Geld, welches nur Widerstand, Widerwillen und Empörung in deutschen Kreisen hervorruft. Er hat feierlich erklärt, daß er auf dem Standpunkt steht, daß kein deutsches Kind - ich variiere seinen Ausspruch und nehme an, daß ich ihn richtig zitiere - daß kein deutsches Kind in Hinkunft èechisiert werden darf und daß kein èechisches Kind germanisiert werden darf. Nun, es ist schwer, die letztere Bemerkung ernst zu nehmen, weil es auch Koll. Èerný unmöglich sein wird, den Nachweis zu erbringen, daß irgendwann und irgendwo in den letzten elf Jahren durch Germanisierungsbestrebungen ein èechisches Kind der èechischen Kultur verloren gegangen wäre. Ich kann seine Ausführungen nur dahin auslegen, daß er auf dem Standpunkt steht, daß im Interesse der Zusammenarbeit in der èechisch-deutschen Regierungsmehrheit unbedingt gebrochen werden muß mit dem bisherigen System des Aufbaues èechischer Schulpaläste im deutschen Gebiet, mit der Verschwendung von hunderten Millionen Kronen für die èechischen Schulpaläste. Ich muß es offen sagen: Wir werden an der Stellungnahme der èechisch-deutschen Regierungsmehrheit zu den von uns eingebrachten Resolutionsanträgen, z. B. in der Richtung nach Forderung des Ausbaues der Schulautonomie, ja sofort erkennen können, inwieweit diese Feststellungen Èernýs ernst zu nehmen sind oder ob sie nur zum Fenster hinausgesprochen wurden, um den neuen deutschen Regierungsparteien, besonders den deutschen Sozialdemokraten, ihre Regierungsbereitschaft wenigstens mit schönen Worten zu honorieren. Wir hören also wohl die Botschaft, uns fehlt aber mit Rücksicht auf die bösen und schweren Erfahrungen der vergangenen Jahre der Glauben, daß es in dieser Richtung mit der neuen èechischdeutschen Regierung besser werden wird. Wollen Sie tatsächlich eine Änderung platzgreifen lassen, wollen Sie das bisherige Unterdrückungssystem gegen die nichtèechischen Nationen in diesem Staate tatsächlich abbauen, dann haben Sie die Möglichkeit, schon bei Beratung über die einzelnen eingebrachten Anträge zum Staatsvoranschlag diesen Ihren guten Willen auch durch die Tat zu beweisen.
Auf Grund der bisherigen Erfahrungen
müssen wir aber schon mit Rücksicht auf die auf den alten deutschfeindlichen
Grundlagen erfolgte Zusammenstellung des Voranschlages uns vor
Augen halten, daß das bisher gegen das Sudetendeutschtum geübte
Unterdrückungssystem fortgesetzt wird, und werden wir daher gegen
den vorliegenden Staatsvoranschlag stimmen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Der Herr Finanzminister hat sein Exposee mit Worten der Befriedigung darüber eingeleitet, daß es ihm diesmal wieder möglich ist, dem Hause einen aktiven Voranschlag zu unterbreiten. In der Tat halten sich Einnahmen und Ausgaben die Wage, und wenn auch heuer wieder der Voranschlag um einige Millionen verschleiert wird, so spielt das bei dem Milliardenbudget keine besondere Rolle. Wir haben aber den Staatsvoranschlag nicht nach dieser rechnerischen Aktivität zu beurteilen, sondern haben den Milliardenvoranschlag zu prüfen, ob er für unsere Volkswirtschaft auch tragbar ist. Und da besagt es schon sehr viel, daß der Finanzminister selbst mit Besorgnis hervorgehoben hat, daß unser Staatshaushalt um eine Milliarde zu hoch ist. Der Herr Finanzminister hat damit die Ursache unserer wirtschaftlichen und finanziellen Verelendung berührt. Er ist aber den Dingen nicht auf den Grund gegangen, denn nach unserer Auffassung ist dieser Staatsvoranschlag im Hinblick auf die Belastungsfähigkeit der Bevölkerung nicht um eine Milliarde, sondern um mehrere Milliarden zu hoch.
Er ist einfach nicht tragfähig für die schaffende Bevölkerung dieses Staates, auf der ja alle Steuerlasten ruhen. Der Staat lebt einfach über seine Verhältnisse. (Posl. Simm: Wie der Kriegsgewinner von anno dazumal!) Sehr richtig, freilich er, der Staat, lebt dabei, aber Tausende und Abertausende werktätiger Staatsbürger und Steuerträger kommen Jahr für Jahr unter die Räder. Großbetriebe, selbständige Betriebe, die ehedem auf festen finanziellen Grundlagen ruhten, verfallen heute infolge der unerhörten steuerlichen Überlastung dem Ruin oder aber werden den Großbanken unterworfen. Vor diesen Ruinen der Wirtschaft steht heute ein Heer von Arbeitslosen. Wir durchleben gegenwärtig eine Wirtschaftskrise, deren Umfang und Entwicklung wir noch gar nicht absehen. Diese Krise steht gewiß im Zusammenhang mit der allgemeinen europäischen Wirtschaftskrise, aber bei uns in der Èechoslovakei wird diese Krise zur Katastrophe verschärft durch die ungeheure Belastung der Bevölkerung und Produktion mit Steuern und Abgaben. Die übermäßige Besteuerung der Bevölkerung vermindert deren Kaufkraft, was natürlich wiederum auf die Produktion zurückwirkt. Der Weltkrieg hat durch seine unerhörten finanziellen Anforderungen selbst große Staaten, wie England, in wirtschaftliche und finanzielle Krisen gezogen. Die Èechoslovakei ist nur ein kleiner Staat von 14 Millionen Einwohnern. Die östlichen Gebiete des Staates, Karpathorußland und ein Teil der Slovakei, sind zudem steuerpolitisch passiv, die westlichen Gebiete müssen für die kulturelle Förderung des Ostens Millionenbeträge aufbringen, wie seinerzeit in der österreichisch-ungarischen Monarchie die nördlichen Länder, insbesondere auch die Sudetenländer und Niederösterreich, Millionen aufbringen mu ßten zur kulturellen Erschließung von Bosnien und der Herzegowina. Dieser verhältnismäßig kleine Staat mit nur 14 Millionen Einwohnern unterhält nun eine Armee, die Jahr für Jahr über 2 1/2 Milliarden Kè an Steuergeldern erfordert. Zu diesen Ausgaben kommen weitere 2000 Millionen Kè jährlich an Zinsendienst für die Staatsschulden und für die Schuldentilgung. Meine verehrten Damen und Herren! Ein Staat mit solcher Belastung sollte sich der größten Einschränkung und Sparsamkeit befleißigen. Die kleine Èechoslovakische Republik übt jedoch eine Repräsentation, die weit über ihre Kräfte geht, sie lebt auf großem Fuße, wie irgendein Großstaat, ohne Rücksicht auf die Tragfähigkeit der Bevölkerung. Ich verweise da nur, um einige Streiflichter hervorzuheben, auf unseren diplomatischen Außendienst, der heute weitverzweigt, umfangreicher und kostspieliger ist als der seinerzeitige Außenapparat und diplomatische Dienst der Österreichisch-ungarischen Monarchie. (Výkøiky posl. Simma.) Millionenbeträge werden buchstäblich hinausgeworfen, um lediglich den trügerischen Schein einer inneren Konsolidierung vorzutäuschen und um den verschiedenen Bündnispflichten zu genügen. Die innere und äußere Repräsentation des Staates erfordert weitere Millionen. Wir zählen in diesem verhältnismäßig kleinen Staate 15 Ministerien! (Výkøiky posl. inž. Junga, dr Schollicha a Simma.) Diese große Zahl von Ministerien mag, wie sehr richtig bemerkt wurde, dem jeweiligen zur Regierungsbildung ausersehenen Premier die Regierungsbildung wesentlich erleichtern, wenn der Andrang allzugroß ist. Aber es ist doch keine Frage, daß 15 Ministerien mit all dem doch erforderlichen Aufwand heute die Verwaltungskosten übermäßig belasten, daß sie insbesondere bei uns die Vereinfachung der Verwaltung erschweren. Ein Instanzenzug macht sich oft geltend (výkøiky posl. Simma), der zurückerinnert an Zeiten, die längst überwunden sein sollten. Ein Ministerium schiebt die Akten dem anderen zu. (Posl. inž. Jung: Der Generalstab und das Gesundheitsministerium müssen überprüfen, ob braune Hemden zulässig sind!) Sehr richtig! Sie streiten über die Kompetenz. Jedes Ministerium will selbstverständlich seine Kompetenz einerseits streng wahren, aber auf der anderen Seite will es die Verantwortung in vielen Fällen einem anderen zuschieben, und so wandert der Akt von einer Abteilung in die andere und von einem Ministerium zum anderen. Akte, die in acht Tagen erledigt werden könnten und erledigt werden sollen, bedürfen oft eines Zeitraumes von Monaten und Jahren. (Posl. dr Schollich: Das wichtigste ist das Unifizierungsministerium!) Nur ein Beispiel von Tausenden, das bezeichnend ist für diesen schleppenden Geschäftsgang: Wenn jemand vom Bahnärar ein Stückchen Grund und Boden im Ausmaß von einigen Quadratmetern pachten oder kaufen will, das für das Eisenbahnärar vollständig überflüssig und wertlos ist, muß er mindestens ein Jahr auf eine Entscheidung warten. Da müssen sich aber noch verschiedene einflußreiche Persönlichkeiten auf die Beine machen und den Geschäftsgang im Wege von Interventionen beschleunigen. (Posl. dr Schollich: Dann kommen zahlreiche Kommissionen!) Der Akt geht bei der Direktion allein schon durch sechs Abteilungen, es müssen Kommissionen abgehalten und hinausgeschickt werden, die beurteilen sollen, ob diese paar Quadratme ter pachtweise überlassen werden können und von der Direktion geht der Akt dann erst noch an das Ministerium. Ein Apparat von mindestens 25 akademisch gebildeten Beamten muß aufgeboten werden, um eine Verpachtung von einigen Quadratmetern ärarischen Bodens durchzuführen. (Veselost.) Das Haus lacht, aber wir sagen uns doch, sind diese Dinge nicht tieftraurig? Warum geht man diesen Dingen nicht endlich auf den Grund? Wie kommt ein Staatsbürger dazu, daß er über ein Jahr auf die Erledigung einer Eingabe warten muß, daß die Beamten mit Interventionen überschwemmt werden müssen, daß ein einfacher Akt, den die Bezirkshauptmannschaft oder ein Stationsvorstand mit einem Federstrich erledigen könnte, 25 akademisch gebildete Beamte in Bewegung setzen muß. So geht der Instanzenzug infolge Überlastung des ganzen Verwaltungsapparates diesen Jammerweg. Ich glaube, daß es berechtigt ist, wenn man die Frage aufwirft, ob dieser verhältnismäßig große Verwaltungsapparat von 15 Ministerien für diesen kleinen Staat notwendig ist.
Meine Damen und Herren! Wenn ein industrieller Großbetrieb so umständlich und schwerfällig arbeiten wollte, er wäre in absehbarer Zeit einfach dem Zusammenbruch geweiht. Der Staat natürlich frettet sich weiter, er bricht infolge dieser Überlastung nicht zusammen, aber, meine verehrten Herren von den èechischen Bänken, Sie kennen die Geschichte ebenso wie wir und wissen, daß noch jeder Staat, der so verwaltet wurde, der seine Staatsbürger so ausbeutet, daß sie nur mehr von der Hand in den Mund zu leben gezwungen sind und nicht wissen, was ihnen der Morgen bringen wird, daß ein solcher Staat, wenn an ihn einmal die Schicksalsfrage herantritt, ebenso dem Zusammenbruch entgegengeht wie jeder private Geschäftsmann. Ich will nicht mehr von den verschiedenen Nebenministerien sprechen, als da sind das Bodenamt und andere Zentralstellen. Davon wurde schon so oft hier gehört, so daß es sich erübrigt, darauf heute zurückzukommen. Welche Summen wurden weiters in den letzten zehn Jahren für die erfolglose künstliche Èechisierungsarbeit ausgegeben - ich konstatiere mit Genugtuung, erfolglose, wenn sie uns auch schwere Schäden zugefügt hat - aber das 3 1/2-Millionenvolk der Sudetendeutschen konnte nicht zugrunde gerichtet werden und steht heute auf seinem Grund und Boden noch so fest wie vor zehn Jahren. (Potlesk.) Was für Summen für diese Èechisierungsarbeiten hinausgeworfen wurden, das haben zum Teil diesmal während der Budgetdebatte auch in aller Offenheit und mit aller erfreulichen Rückhaltlosigkeit Kollegen von den èechischen Bänken ausgeführt. Eine Èechisierungsarbeit, die auch in der Errichtung zweckloser Minderheitsschulen bestand, Millionen und Millionen wurden aufgewendet, sinnlos und zwecklos. Das nicht nur immer allein zu Èechisierungszwecken. Ach nein! Da kam so ein Národní výbor-Mann, der ruhte nicht und schlief nicht, bis er irgendwo eine solche Trutzburg erstand, nur um dort den "Herrn" zu zeigen. Wenn er darauf verweisen konnte, so etwas sogar im Egerland durchgesetzt zu haben, in rein deutschen Gemeinden, in Nordböhmen oder im Braunauer Land, wo es keine èechische Bevölkerung mit Ausnahme einiger Beamten gibt, war er stolz darauf. Diese Trutzburg soll uns Deutschen zeigen, daß wir auf unserem Heimatboden keine Selbstverwaltung und kein Selbstbestimmungsrecht genießen, sondern daß ein Zwingherr über uns gesetzt ist. (Posl. Simm: Herr Lukavský wollte auf alle Fälle in Eger eine èechische Handelsakademie!) Jawohl! Vielleicht wäre, wenn die Geschichtsentwicklung in Europa den Weg genommen hätte, den die Herren in Versailles und Saint Germain sich gewünscht hatten, die Einsicht und Einkehr bei den Èechen auch nicht in dem Maße vorhanden, wie wir heute hörten. Wir freuen uns, daß wenigstens auf einzelnen Gebieten auch auf den èechischen Bänken Einkehr und Einsicht in dieser Hinsicht vorhanden ist.
Was ich da über die Verwaltung sage, ist nichts Neues, es ist ein altes Lied, das den Regierungsparteien ebenso bekannt ist, wie den Kollegen und Kolleginnen von der Opposition. Aber wenn es zur Abstimmung kommen wird, werden auch die Kollegen von den Regierungsparteien, die sowohl im Budgetausschuß als auch von dieser Stelle rückhaltslose und berechtigte Kritik an diesem Voranschlag üben, doch für ihn stimmen. Wir verstehen es, sie befinden sich in einer Zwangslage, sie haben den Staatsvoranschlag von einer Regierung übernommen, für deren Arbeit sie nicht verantwortlich gemacht werden können, zumindest nicht alle Regierungsparteien. Wir haben Verständnis dafür, aber wir sagen: Der Staatsvoranschlag für das künftige Jahr 1931 wird ein ganz anderes Gesicht bekommen müssen. Denn für diesen kommenden Staatsvoranschlag werden auch die neuen Regierungsparteien in vollem Ausmaß und Umfang verantwortlich sein. Er wird ein ganz anderes Gesicht bekommen müssen, wenn wir die Wirtschaft vor weiterem Zusammenbruch und die schaffende Bevölkerung vor weiterer Verelendung schützen wollen. Die ersten Schritte der neuen Regierung konnten Hoffnungen erwecken, denn wir müssen anerkennen: die neue Regierung ging daran, mit manchen parlamentarischen Methoden zu brechen, die den Parlamentarismus zu einer reinen Farce gemacht haben. Sie hat mit mancher dieser Methoden gebrochen, wir freuen uns darüber und anerkennen es ganz rückhaltlos. Im Gegensatz zu früher geht durch dieses schon von Pessimismus und Verdrossenheit erfüllt gewesene Haus ein frischerer arbeitsfreudigerer Zug. Aber einen Grundfehler hat auch diese Regierung u. zw. den, daß sie kein Wegprogramm, kein Regierungsprogramm zur Grundlage für ihre Arbeit hat und das ist doch für eine jede Koalitionsregierung eine selbstverständliche Voraussetzung, wenn sie ernste erfolgreiche Arbeit leisten soll. Ein solches Wegprogramm kann entbehrt werden, wenn die Regierungsgewalt in die Hand nur einer Weltanschauungsrichtung oder nur einer Interessengruppe gegeben ist. Dann regiert sie nach ihrem Programm, nach ihrer Überzeugung und hat sich lediglich mit der Opposition auseinanderzusetzen. Aber für jede Regierung, in welcher Parteien mit den verschiedensten Weltanschauungen, Gruppen der verschiedensten Interessen sitzen, ist es doch, bevor man sich auf die Ministerbank setzt, Voraussetzung, daß man sich darüber im Klaren ist, wohin und wie man marschieren will.
Ich verweise auf die Parlamente in allen anderen Staaten. Halten Sie es für möglich, daß eine Regierung in Berlin denkbar wäre, wie die gegenwärtige, die aus Sozialdemokraten, Zentrum und bürgerlichen Kapitalisten gebildet ist, daß sie im Reichstag unter so unerhört schwierigen Verhältnissen auch nur 14 Tage regieren könnte, wenn sie nicht vorher ein Wegprogramm in der äußeren und inneren Politik zur Grundlage ihrer Arbeit vereinbart hätte? Bei uns hat sich die Regierung ein derartiges Programm nicht zurechtgelegt, trotzdem ihre Bildung viele Wochen gebraucht hat. Wir vermissen das Regierungsprogramm bei jedem Schritt der Arbeit in diesem Hause. Es sei nur auf die Gegensätze verwiesen, die hier in der Zollfrage aufgetaucht sind und die Arbeit, wie wir alle wissen, doch schon wochenlang hemmen. Ja, war denn die landwirtschaftliche Krise für jeden Menschen, der Augen im Kopfe hat, um zu sehen, nicht schon ganz offenkundig, als die alte Regierung abzog und sich die neue bildete? Sie war den Agrariern ebenso bekannt, wie den Sozialdemokraten und es erscheint doch für jeden eine Selbstverständlichkeit, wenn sich zwei Parteien mit so entgegengesetzten Interessen in einer Regierung vereinigen, daß man vorher über diese zur Lösung stehenden Fragen irgend eine Vereinbarung trifft. Indessen war man kaum vier Wochen beisammen und mitten in die schön
sten Flitterwochen der neuen Regierung platzte von agrarischer Seite der bekannte Zollantrag herein, der geradezu nach Sprengpulver riecht und die Arbeit der neuen Regierung schon wochenlang in Anspruch nimmt. Dasselbe ist mit dem Mieterschutz der Fall. Wir wußten doch alle, daß in der Frage des Mieterschutzes sich die Auffassungen so stark gegenü berstehen, daß es ungemein schwer erscheint, eine Vereinbarung zu treffen. Wie können sich nun zwei große Gruppen in der Regierung zusammensetzen, von denen die eine auf dem Standpunkt der absoluten Aufhebung des Mieterschutzes steht und die andere auf dem Mieterschutz beharrt? Das Problem ist brennend, aber man muß sich in den Ministerkommissionen, die eingesetzt sind, erst noch Monate darüber auseinandersetzen, was in dieser Frage überhaupt ernstlich unternommen werden soll. Um der Lösung dieses schwerwiegenden Problems einstweilen aus dem Wege zu gehen, greift man zu dem alten Auskunftsmittel und schafft ein Provisorium. Das Provisorium soll über die Verlegenheit hinweghelfen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.)
Ebenso wie es mit diesen wirtschaftlichen und sozialen Problemen gewesen ist, ist es auch mit dem nationalen Problem, dem grundlegenden Problem in diesem Staate. Auch da scheint eine klare Vereinbarung zwischen den deutschen und èechischen Regierungsparteien nicht vorzuliegen. Wir haben ganz rückhaltlos ausgesprochen, daß wir nicht erwarten, daß etwa das große nationale Problem schon in den nächsten zwei oder drei Jahren in seiner vollen Tiefe und Breite wirklich gelöst sein wird. Wir haben Verständnis genug dafür, um die Schwierigkeiten zu ermessen und nichts Unmögliches zu verlangen. Aber wir durften doch von dieser Regierung, in welcher zwei große sozialdemokratische Parteien sitzen, wenigstens ein klares Bekenntnis der grundsätzlichen Anerkennung der nationalen Gleichberechtigung erwarten, einen ersten Schritt, wie ich unterstreiche, der uns der Lösung des nationalen Problemes entgegenführt, und wir durften von dieser Regierung erwarten, daß nichts geschieht, was die beiderseitige Atmosphäre noch mehr vergiftet und die nationalen Gegensätze versch ärft . . . (Posl. Simm: Offiziell halten wir viel schlechter als im Jahre 1926. Im Jahre 1926 hat Hodža wenigstens von der Schulautonomie gesprochen!) Ich komme darauf sofort zu sprechen.
Wir durften von dieser Regierung erwarten, daß nichts geschieht, was in entgegengesetzter Richtung zur nationalen Gleichberechtigung läuft. Da müssen wir zu unserem tiefsten Bedauern feststellen, daß wir in dieser Hinsicht schon in den ersten Monaten schwer enttäuscht sind, und die allergröß te Enttäuschung in dieser Hinsicht hat uns der sozialdemokratische Unterrichtsminister, den ich die Ehre habe, zu meinem Auditorium zu zählen, mit seinen Ausführungen über die Schulautonomie gebracht. Die Schulautonomie wurde uns von den Vorgängern des verehrten gegenwärtigen Herrn Ministers schon so oft zugesagt. (Posl. inž. Jung: Bestimmt mit 1. Juli 1927! In Esthland haben sie 30.000 Deutsche, nicht 3% der Bevölkerung, wir sind fast 25% der Bevölkerung und haben nichts dergleichen!) Wir glaubten uns schon oft der Erfüllung nahe. Ich will nicht zurückblättern in den stenographischen Protokollen und mit Zitaten aufwarten. Aber für uns ist gerade die Durchführung der Schulautonomie der erste Schritt zur nationalen Gleichberechtigung, sie ist für uns der Prüfstein für den ernsten Willen dieser Regierung, mit dem bisherigen System zu brechen, mit dem System der nationalen Demütigung, Unterdrückung und Entnationalisierung aufzuräumen. Wenn eine sozialdemokratisch-bürgerliche Regierung, eine Regierung, in welcher die sozialdemokratischen Parteien immerhin einen bedeutenden Einfluß haben, sogar in der Frage der Schulautonomie enttäuschen sollte, dann sagen wir: Es muß ein Ende gemacht werden mit einem deutsch-èechischen Regierungskurs, der keinen anderen Erfolg hat, als die tatsächlichen Zustände und Verhältnisse in diesem Staate zu verschleiern und unsere deutsche Bevölkerung immer mehr in Pessimismus und Abgestumpftheit gegenüber dem politischen Leben hineinzutreiben, um auf diese Weise dann leichter und besser den Zielen zustreben zu können, von denen viele der Herren èechischen Kollegen immer noch erfüllt zu sein scheinen.
Wir stehen vor der Lösung großer sozialer Probleme. Nach unserer Auffassung und Überzeugung können wir in diesem Nationalitätenstaate die großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme nur in der Zusammenarbeit aller Nationen lösen. Es ist unmöglich, in einem Zustande, in dem die Ehre und das Lebensinteresse der Nationen Tag für Tag bedroht sind, wirklich ernst und erfolgreich soziale und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Wir haben nicht allzuviel Zeit, denn die Wirtschaftskrise schreitet fort und die Lösung der wichtigsten sozialen Probleme tut dringend Not. Ich greife nur heraus das Arbeitslosenproblem, das immer brennender wird. Die Massen werden nicht geduldig zusehen, wie sich das hohe Haus und die Regierung vielleicht Monate hindurch in Diskussionen über dieses Problem ergehen, sondern es wird bald der ganze Ernst dieser durch die Wirtschaftskatastrophe heraufbeschworenen Verhältnisse an uns herantreten. Das Genter System hat vollständig versagt. Es wird auch eine Novellierung dieses Systems an den Dingen nicht viel ändern. Wir müssen vielmehr eine Arbeitslosenunterstützung in dem Sinne durchführen, daß die unverschuldet arbeitslos Gewordenen ein volles Recht haben, von dem Staate, der über alle ihre Lebensäußerungen mit Gesetzen wacht, der die Wirtschaft und die Produktion entscheidend beeinflußt und sich in alles hinei nmengt, zu verlangen, daß er im Falle unverschuldeter Arbeitslosigkeit ein Mindestmaß von Lebenshaltung ermöglicht, daß ihm gesichert wird ein Existenzminimum für sich und seine unversorgten Familienangehörigen. Dieser Pflicht kann und wird sich der Staat nicht entziehen dürfen. Der Staat, der sich dieser sozialen Verpflichtung entzieht, darf von den Massen nicht verlangen, daß seine gesetzlichen Grundlagen, seine bestehende Ordnung als rechtlich anerkannt und geachtet wird. Im Gegenteil, die Arbeitslosen werden mit allen Mitteln, die ihnen gegeben sind, trachten, diese Ordnung zu untergraben und zu beseitigen und werden sich sehr wenig kümmern um legitime Mittel und gesetzliche Paragraphen.
Dieses Problem tritt an uns heran, und ich sagte schon, daß seine Lösung nicht möglich ist, wenn wir nicht in diesem Staate Verhältnisse schaffen, die eine wirklich rückhaltlose ehrliche Zusammenarbeit der Nationen ermöglichen.
Wir betrachten diese Dinge nicht
nur vom Standpunkt dieses Staates allein. Wir wissen, daß sie
im Zusammenhang stehen mit der ganzen europäischen Frage, wir
wissen, daß wir hier nicht allein sind, sondern eine Insel im
europäischen Wirtschaftsmeer bilden und daß selbstverständlich
manche Lösung davon abhängen wird, wie das nationale und wirtschaftliche
Problem in Europa sich gestalten wird. Wir lehnen aus wirtschaftlichen,
aus sozialen, aus nationalen Gründen den Voranschlag ab. Wir erwarten,
daß der kommende Staatsvoranschlag ein anderes Gesicht aufweisen
wird, wie dieser, und darnach werden wir dann die Arbeit der Regierung
bemessen und unsere Einstellung zu ihr einrichten. (Potlesk.)