Was das Postwesen anbelangt, so sei nur kurz darauf verwiesen, daß es noch immer zahlreiche Orte gibt, in welchen die Postämter nicht entsprechend untergebracht sind, wodurch der Parteienverkehr erschwert und die Abfertigung verzögert wird. Die Anzahl der Postzustellungen genügt in zahlreichen Orten nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung und erfolgt in anderen Orten wieder derart spät, daß die einlangende Post am selben Tage nicht mehr aufgearbeitet und beantwortet werden kann. Die Postzustellungen müssen nicht nur in den Industrieorten, sondern insbesondere auch in den Weltkurorten schon mit Rücksicht auf die vielen Ausländer vermehrt werden. Beim Packetpostverkehr werden in zahlreichen Orten immer noch Ortszuschläge eingehoben, welche vielleicht in der unmittelbaren Nachkriegszeit gerechtfertigt waren, aber bei den heute eingetretenen stabilen Verhältnissen ganz ungerechtfertigt sind. Was das Telephonwesen anbetrifft, muß auf die unbedingte Notwendigkeit der Einbeziehung der Weltkurorte in das europäische Telephonkabelnetz hingewiesen werden. Daß der jetzige Zustand unhaltbar ist, beweist, daß z. B. allein in Marienbad während der Saison täglich 130 und mehr Gespräche nach Berlin gestrichen werden müssen, weil die bestehende Verbindung vollständig unzulänglich ist. Bei diesem Kapitel ist auch zu bemängeln, daß Ansuchen um Errichtung neuer Telephonzentralen stets sehr schleppend behandelt werden, trotzdem seitens der Interessenten rechtzeitig alle Bedingungen erfüllt werden. Ebenso dauert auch die Errichtung von Teilnehmerstationen viel zu lange Zeit. In deutschen Gegenden wird für die Bedienung des Telephons oft ungenügend geschultes und sprachlich nicht hinreichend qualifiziertes Personal verwendet, was zu häufigen Fehlverbindungen führt. Zum Telephonwesen selber muß gefordert werden, daß endlich einmal eine Herabsetzung der Gebühren für die Einrichtung sowie auch für die Verwendung eintrete. Die Postverwaltung hat einen bedeutenden Reingewinn, der nicht dazu dienen sollte, die Einnahmen der Staatskasse im allgemeinen zu erhöhen, sondern den besonderen Zwecken des Postwesens zugeführt werden sollte. Die möglichste Verbreitung des Telephonverkehres ist ja auch ein Maßstab für den Fortschritt des Staates. Im allgemeinen muß aber auch gefordert werden, daß sich die staatlichen Unternehmungen, was den Verkehr mit den Parteien anlangt, auch nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmannes richten.
Wenn ich nun die Wirtschaftsressorts etwas ausführlicher, aber keineswegs erschöpfend besprochen habe, so muß ich zum Schlusse aber auch auf die nationalen und kulturellen Bedürfnisse der 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen hinweisen. Ich glaube, daß in diesen Belangen wohl alle deutschen Parteien ohne Unterschied bestrebt sind, diese lebenswichtigen Postulate den èechischen Führern begreiflich zu machen, damit endlich auf dieser Seite die Vernunft gegen den chauvinistischen Starrsinn den Sieg davonträgt. Lassen Sie auch den nichtèechischen Bürgern dieses Staates Recht und Gerechtigkeit zuteil werden, damit allen Nationen im Staate der Wahlspruch des nun Bojährigen Präsidenten Masaryk, "Die Wahrheit siegt" auch zum Wahlspruch werde.
In formaler Beziehung erkläre
ich namens meiner Partei, daß wir für diesen Staatsvoranschlag
nicht stimmen können. (Potlesk.)
Meine verehrten Damen und Herren! Nach mehr als Jahresfrist stehen wir wieder mitten in der Generaldebatte über den vorliegenden Staatsvoranschlag für das Jahr 1930. Die lange Regierungsbildung, beziehungsweise die vorzeitige Auflösung des Hauses hat es an und für sich notwendig gemacht, daß über ein Budgetprovisorium verhandelt wurde und es stand daher zu erwarten, daß mit Rücksicht auf die nunmehr gewonnene Zeit endlich die alten Versprechungen eingelöst werden und daß in Zukunft für die Beratung des Voranschlages sowohl im Ausschuß als auch im Plenum des Hauses eine entsprechend ausreichende Zeit zur Verfügung gestellt werden wird. Wir mußten aber trotzdem auch heuer wieder feststellen, daß das Präsidium des Hauses und mit ihm die Mehrheit dieses Hauses gar nicht die Absicht hat, die Möglichkeit zu schaffen, eine gründliche Durchberatung des Budgets zu ermöglichen.
Auch unsere heutigen Bestrebungen, in der Obmännerkonferenz die Erweiterung der Redezeit durchzusetzen, blieben erfolglos, da sich das Präsidium, gedeckt durch die Mehrheit des Hauses, auf den Standpunkt stellte, daß die Zubilligung einer Redezeit von 12, bzw. 14 Minuten für den Abgeordneten vollständig genüge. Die selbstverständliche Folge dieser Einschränkung der Redezeit ist, daß von vornherein eine wirkliche, gründliche Durchbesprechung des Staatsvoranschlages im Plenum des Hauses überhaupt ausgeschlossen erscheint, die Folge davon ist, daß auch ich mich daher mit Rücksicht auf die beschränkte, mir zur Verfügung stehenden Redezeit nicht auf eine ausführliche Besprechung der politischen Lage sowie des Voranschlages einlassen kann, da z. B. auf unseren Klub mit Rücksicht auf seine Mitgliederzahl insgesamt eine Redezeit von nur 98 Minuten entfällt und davon auf mich 30 Minuten. Trotzdem wird es mir zum Teil dadurch erleichtert, das Wort hier zu ergreifen, daß seit der Abhaltung der Debatten über die Regierungserklärung und über das Beneš-Exposé über Haag nicht allzuviel Zeit verflossen ist und wir sowohl bei der Regierungserklärung Gelegenheit hatten, die Stellungnahme unserer Partei zum Staate und zur neuen Regierung zu kennzeichnen, wie wir auch in der letzten Beneš-Debatte die Möglichkeit hatten, bzw. ausnützten, gründlich zu den innen- und außenpolitischen Problemen Stellung zu nehmen. Unser Klubobmann Dr. Schollich hat in seiner Stellungnahme zur Regierungserklärung unter Berufung auf die staatsrechtliche Erklärung vom Jahre 1920 grundsätzlich unseren Standpunkt zum Staate und zur Regierung festgelegt, so daß ich es in dieser Richtung vorläufig für überflüssig erachte, irgendein Wort hinzuzufügen. In der Debatte über den Abschluß der Haager Verhandlungen habe ich ebenfalls Gelegenheit genommen, ausführlich zur außenpolitischen Lage und zu den ungeheueren Auswirkungen der von unserem Standpunkt aus als vollständig verfehlt zu bezeichnenden Bestrebungen der Außenpolitik unsere Stellung zu kennzeichnen. Infolgedessen werde ich mich in den weiteren Ausführungen nur kurz mit dem Staatsvoranschlage selbst beschäftigen, u. zw. in erster Linie in formaler Beziehung.
Der nunmehr vorgelegte Voranschlag ist der vierte Voranschlag, der von deutschen Parteien mit zu verantworten ist. Er ist laut Ankündigung in der Regierungspresse der sechste sogenannte aktive Staatsvoranschlag. Als im Jahre 1926 der erste Voranschlag für das Jahr 1927 unter deutscher Regierungsverantwortung zur Beratung stand, erklärten die damaligen deutschen Regierungsparteien, daß sie für diesen Voranschlag zwar stimmen müssen, daß sie aber nicht die Möglichkeit hatten, auf die Aufstellung des Voranschlages irgendeinen Einfluß zu nehmen, und daß sie daher nicht verantwortlich zu halten seien für einzelne Posten in diesem Voranschlag. Denn man müsse zugeben, daß dieser Voranschlag für das Jahr 1927 auf der alten deutschfeindlichen Grundlage aufgebaut war. Die deutschen Sozialdemokraten haben damals diese Stellungnahme der damaligen deutschen Regierungsparteien mit Spott und Hohn verfolgt und haben sich auf den Standpunkt gestellt, daß das mehr oder weniger eine billige Ausrede sei, denn es nütze nichts, einerseits kritisch zu den einzelnen Posten des Staatsvoranschlages Stellung zu nehmen und andererseits dem Voranschlage zuzustimmen. Der damalige Redner der deutschen Sozialdemokraten Kaufmann erklärte wörtlich, "daß das, was das Plenum nun noch zu tun habe, nichts anderes sei, als eine demokratische Dekoration. Es sitzen zwar auf der Ministerbank auch zwei deutsche Minister, und trotz alledem haben wir bei den Verhandlungen im Budgetausschuß feststellen müssen, daß sich die Staats- und Machtinteressen nicht geändert haben und die Parteien die Machtinteressen ihrer Parteigruppen den Volksinteressen voranstellen. Wir sind begierig und können wohl jetzt schon feststellen, daß die neuen Regierungsparteien für dieses Budget stimmen werden und alles das, was sie als Opposition in den letzten Jahren grundsätzlich bekämpft haben, diesmal mit beschließen und dadurch dokumentieren werden, daß auch für sie entgegen ihren Behauptungen das Klasseninteresse vor den Volksinteressen steht." Meine verehrten Damen und Herren! Das war nicht nur so bei der Beratung des ersten Staatsvoranschlages, sondern auch bei der Beratung des dritten Voranschlages für das Jahr 1929, als am 19. Oktober 1928 bei der Beratung des Voranschlages für das Jahr 1929 der Vertreter der deutschen Sozialdemokraten, diesmal Abg. Hackenberg, ausdrücklich erklärte: "Der Vertreter einer deutschen Regierungspartei hatte als Proredner nur herbe Kritik am Staatsvoranschlag gefunden. Wir haben bei allen Beratungen des Staatsvoranschlages darauf hingewiesen, daß die Quelle, wo gespart werden kann und soll, der Militarismus ist. Die Regierungsparteiler - die damaligen Regierungsparteiler - haben auch gegen den hohen Aufwand, der von Seite des Außenministeriums getrieben wird, gesprochen und sich über die hohen Repräsentationskosten gewendet, die das Außenministerium verursacht, Worte, die von ihnen zu hören wir gewohnt waren, solange sie in der Opposition standen, die von ihnen jetzt zu hören, wir überrascht sein müssen, wenn sie in der Regierung sitzen und für alle ausgewiesenen Posten stimmen werden." Ich habe mit voller Absicht diese Ausführungen der beiden sozialdemokratischen Redner zum ersten Voranschlag für das Jahr 1927 und zum letzten Voranschlag für das Jahr 1929, die von der Mitverantwortlichkeit der damaligen deutschen Regierungsparteien sprechen, zitiert, weil es außerordentlich lehrreich ist, nunmehr die Stellungnahme der deutschen Sozialdemokraten zum Voranschlag für das Jahr 1930 gegenüberzustellen. Dabei möchte ich noch darauf hinweisen, daß Koll. Hackenberg vor mehr als Jahresfrist in besonders scharfen Worten die ungeheuerliche Stellungnahme der Mehrheit im Budgetausschuß gegenüber den vorgelegten hunderten Resolutionsanträgen und im offenen Hause gekennzeichnet hat. Es ist bekanntlich zur größten Überraschung der Opposition der Modus gewählt worden, die vorgelegten Resolutionsanträge nicht zur Abstimmung zu bringen, d. h. nicht im gedachten Sinne, also nicht die Mehrheit zu zwingen, für oder gegen sie zu stimmen, sondern sämtliche Resohutionsanträge wurden in Bausch und Bogen der Regierung überwiesen. Koll. Hackenberg hat damals wörtlich erklärt: "Ich frage, ist es nicht einer parlamentarischen Körperschaft unwürdig, sich des ihr zustehenden Rechtes zu begeben, und steht es nicht mit allen demokratischen Grundsätzen und mit jedem parlamentarischen Usus in Widerspruch, wenn man es der Regierung überläßt, nach freier Willkür über die Wünsche der Abgeordneten und Parteien zu urteilen und zu handeln?" Koll. Hackenberg hat dann noch folgende Bemerkung daran geknüpft: "Es ist selbstverständlich, daß wir uns eine solche Behandlung in Zukunft und insbesondere im Plenum des Hauses bei den Resolutionen zum Voranschlag unter keinen Umständen mehr gefallen lassen werden." Ich bin nun auf Grund dieser Erklärung der deutschen sozialdemokratischen Partei außerordentlich gespannt auf das Verhalten der Sozialdemokraten bei der diesjährigen Abstimmung über die eingebrachten Resolutionsanträge zum Staatsvoranschlag. Dabei möchte ich vorausschicken, daß wir den vom Koll. Hackenberg seinerzeit vertretenen Standpunkt grundsätzlich teilen und es geradezu als eine Verhöhnung des Parlamentarismus betrachten, wenn sich eine Mehrheit im Parlament soweit herabwürdigt, sich selbst auszuschalten und von vornherein die Regierung an Stelle der Parlamentsmehrheit zu setzen.
Nach diesen allgemein einleitenden Worten möchte ich mich dem Staatsvoranschlage selbst zuwenden. Der Generalberichterstatter Koll. Hnídek hat auch heuer wieder erklärt, daß Abänderungen einzelner Posten des Budgets nicht zugelassen werden können und er war so gnädig, uns hoffnungsvolle Worte zu widmen in der Richtung, daß auch er auf dem Standpunkte stehe, daß bei einer praktischen Beratung des Voranschlags die Möglichkeit bestehen müsse, Abänderungen am Voranschlag herbeizuführen, daß aber solche Abänderungen insolange nicht platzgreifen können, als damit eine Störung des Gleichgewichtes im Staatshaushalt befürchtet werden müsse. Wenn wir auf die Erfüllung dieser verheißungsvollen Worte warten sollen, dann werden wir es erleben müssen, daß sich vielleicht die ganze Staatenkarte in Europa geändert haben wird, ohne daß es zur Erfüllung dieses Versprechens gekommen ist. Ich wollte den Generalberichterstatter und die Regierung sehen, die bei der Vorlage eines jeden Voranschlags nicht erklären wird, daß mit Rücksicht darauf, daß im Laufe des Jahres möglicherweise eine Wirtschaftskrise ausbrechen könnte, das Gleichgewicht im Staatshaushalte nicht gegeben ist und infolgedessen auch diesmal keine Änderungen platzgreifen können, d. h. mit anderen Worten, diese Verheißung Hnídeks bedeutet nichts anderes, als ein Kompliment gegenüber den sozialdemokratischen Parteien, denen es erleichtert werden soll, nunmehr als Regierungsparteien für den Voranschlag zu stimmen, ohne daß unbeschadet des von ihnen bisher vertretenen Standpunktes die Änderung auch nur eines einzigen Postens des Voranschlages platzgreifen darf.
Die Preisgabe des Koll. Hackenberg wäre aber geradezu unverständlich und ich begreife nicht, daß die sozialdemokratische Partei überhaupt entgegen ihrer bisherigen Haltung im Parlament einem solchen Standpunkt beipflichten kann. Ich will zum Beweise nur Folgendes anführen: Die deutschen Sozialdemokraten haben z. B. Jahr für Jahr bei der Beratung der einzelnen Kapitel des Staatsvoranschlags eine Reihe von Anträgen gestellt, deren Annahme durchaus nicht das Gleichgewicht im Staatshaushalte irgendwie hätte beeinflussen können. Ich verweise z. B. nur auf den Antrag der deutschen sozialdemokratischen Partei in den letzten drei Jahren bezüglich der Auflegung deutscher Drucke im Parlament. Es handelt sich hier um den lächerlich kleinen Betrag von 300.000 Kè. Die deutschen Sozialdemokraten haben diesen ihren Antrag immer damit begründet, daß es geradezu unsinnig sei, auch nur von einer Mitarbeit bzw. Einflußnahme deutscher Parteien in diesem Parlament sprechen zu wollen, ohne auch den arbeitswilligen und loyalen Mitgliedern deutscher Parteien die Möglichkeit zu bieten, sachlich an den Beratungen teilzunehmen. Es ist kein Geheimnis, daß der größte Teil der deutschen Kollegen der verschiedenen Parteien die èechische Sprache nicht beherrscht und daß infolgedessen der größte Teil der Abgeordneten der deutschen Regierungsparteien überhaupt davon ausgeschlossen ist, sachlich und fachlich an den Beratungen teilzunehmen, weil die Unterlagen, die geliefert werden, den meisten der Kollegen unverständlich sind. Ich stehe daher auf dem Standpunkt, daß die allgemeine Bemerkung Dr. Hnídeks, daß erst dann, wenn das Gleichgewicht im Staatshaushalt nicht mehr gefährdet ist, Änderungen platzgreifen können, zumindest bei der jetzigen Beratung des Staatsvoranschlages nicht stichhältig sein kann, u. zw. in der Richtung des angeführten Antrages, weil doch nicht behauptet werden kann, daß seine Ablehnung deshalb erfolgen müßte, weil das Gleichgewicht im Staatshaushalt dadurch beeinflußt werden könnte. Seine Annahme ist doch nur von dem guten Willen bzw. von der Erbringung des Beweises abhängig, daß die neuen deutschen Regierungsparteien in der neuen Regierungsmehrheit etwas mitzureden haben. Hier handelt es sich nicht einmal um irgend eine nationalpolitische Forderung, sondern es handelt sich bei der Forderung nach Auflegung deutscher Parlamentsdrucke um die vernünftige Regelung eines Regierungsund Arbeitsmodus innerhalb der èechischdeutschen Regierungsmehrheit. Ich behaupte, daß es von der Einstellung der èechischdeutschen Regierungsmehrheit zu diesen eben vor mir bezeichneten Anträgen erkennbar sein wird, ob diese neue deutsch-èechische Mehrheit wirklich gewillt ist, den deutschen Mitarbeitern im und am Staate die praktische Möglichkeit der Mitarbeit zu bieten oder nicht, beziehungsweise, ob die neuen deutschen Regierungsparteien auch wieder nur Anhängsel einer èechischen Nationalstaatsregierung sind.
Der Generalberichterstatter Dr. Hnídek hat darauf hingewiesen, daß der vorliegende Staatsvoranschlag, bezw. die Konstruktion dieses Voranschlages, nach dem Muster, das sich in den Vorjahren außerordentlich bewährt hat, aufgebaut ist. Er hat darauf hingewiesen, daß die Èechoslovakei nicht auf einer Insel sich befindet, sondern mitten in einem großen Kontinent umgeben von vielen Staaten, und es uns daher allen nicht gleichgültig sein kann, welche öffentliche Lasten auf unserer Produktion liegen. Er hat weiter darauf hingewiesen, daß von der Summe der öffentlichen Lasten auch die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft abhängig und daß es daher notwendig ist, daß die Parlamentarier, die über den Staatsvoranschlag abstimmen, auch einen gewissen Überblick über die Zusammensetzung der öffentlichen Lasten in diesem, wie auch in anderen Staaten haben. Zu diesem Behufe hat er in dem Bericht des Budgetausschusses eine ganze Reihe sehr schönen statistischen Materials mit veröffentlichen lassen, und auf Grund dieses Materials ist er zu dem Schlusse gekommen, daß man von einer übermäßigen Anspannung der öffentlichen Lasten in diesem Staate nicht sprechen könne. Ich muß dieser Auffassung widersprechen, u. zw. schon deshalb, weil die uns zur Verfügung gestellten Ziffern nicht den wahren Sachverhalt aufzeigen. Wenn wir die uns zur Verfügung gestellten statistischen Tabellen zur Hand nehmen, so sehen wir z. B. in einzelnen Staaten bezüglich des Ursprunges der Einnahmen die direkten und indirekten Steuern angeführt, dann die Erträgnisse aus den verschiedenen staatlichen Unternehmungen, Zölle usw., auf der anderen Seite aber die Ausgaben. Bei letzteren figuriert als größte Post bei den Sieger- und Auch-Siegerstaaten der Aufwand für den Militarismus. Für die Èechoslovakei wird für die Außenvertretung und die Landesverteidigung, die als eine gemeinsame Ausgabenpost zu betrachten sind, ein Prozentsatz von 20ÿ2% des gesamten Staatsaufwandes ausgewiesen. Nun ist es kein Geheimnis, daß diese offizielle Ziffer den Tatsachen widerspricht, weil wohl mit voller Absicht auf die in den anderen Ressorts und die unter "staatliche Kassenverwaltung" ausgewiesenen Beträge nicht Bezug genommen wird, z. B. 315 Millionen für den Militärrüstungsfonds, 180 Millionen für militärische Pensionen im Kapitel für soziale Fürsorge, 30 Millionen im Kapitel für öffentliche Arbeiten und dgl. Wenn wir alle diese Beträge, die zur Landesverteidigung und Auslandsvertretung gehören, zusammenzählen, so kommen wir zu einer Summe, die in Prozenten ausgedrückt 23ÿ8% der gesamten Staatsausgaben ausmacht. Wir sehen also, daß die Èechoslovakei mit diesem hohen Prozentsatz unmittelbar hinter Frankreich mit 24ÿ6% marschiert, wobei ich selbstverständlich nicht beurteilen kann, ob diese von Frankreich ausgewiesenen Prozente den Tatsachen entsprechen, oder ebenfalls nur eine fingierte Zahl darstellt, wie die der Èechoslovakei. Wir sehen dann weiter Südslavien mit 20ÿ82%, Ungarn mit 11ÿ38% und Deutschland mit 7ÿ24%. Diese Aufstellung allein läßt erkennen, daß die Èechoslovakische Republik einen übermäßigen Aufwand für den Militarismus treibt und die Ursache der kolossalen öffentlichen Staatsausgaben in nichts anderem zu suchen ist, als eben in diesen hohen Ausgaben für den èechoslovakischen Militarismus. Der Herr Finanzminister Engliš hat in seinem einleitenden Referat darauf hingewiesen, daß wir zufrieden sein können, daß es gelungen ist, in den letzten Jahren den Staatsvoranschlag, die Einnahmen- und Ausgabenhöhe zu stabilisieren, aber daß trotzdem seiner Ansicht nach von den staatlichen und öffentlichen Verbänden zusammen noch um eine Milliarde zu viel verausgabt wird. Es ist bezeichnend, daß er, eingeengt durch die Staatsraison, nicht zu sagen wagt, bei welchem Kapitel wirklich Ersparungen größeren Stils gemacht werden könnten, und daß er eigentlich die Öffentlichkeit irregeführt hat, indem er darauf verwies, daß die Selbstverwaltungskörper einen übermäßigen Aufwand treiben und angeblich die Quellen des Übels bei diesen liegen. Wer halbwegs mit den schweren Nöten der Selbstverwaltungskörper vertraut ist, wird mir beipflichten müssen, daß diese Ansicht unter gar keinen Umständen gerechtfertigt ist, sondern im Gegenteil seit der Einführung der Finanz- und Verwaltungsreform unsere Selbstverwaltungskörper in jeder Richtung so geknebelt werden, daß sie nicht einmal mehr imstande sind, den dringlichsten Erfordernissen der Bevölkerung Rechnung zu tragen, gar nicht zu reden von den berechtigten sozialen Forderungen. Wir sehen also, daß zwar ein übermäßiger Militäraufwand getrieben wird, aber wir müssen leider feststellen, daß die verantwortlichen Staatsmänner nicht bereit sind, den Hebel dort anzusetzen, wo er anzusetzen wäre, bei den ungeheueren Ausgaben für die Außenvertretung des Staates und für den Militarismus.
Ich möchte nunmehr zur Besprechung einzelner Teile des Voranschlages selbst übergehen und mich noch mit der Stellungnahme des Generalberichterstatters Dr. Hnídek in der Richtung beschäftigen, wo er unter Bezugnahme auf meine Ausführungen im Budgetausschuß behaupten zu müssen glaubt, daß meine Einwendungen bezüglich einer Post und zwar der Überweisung von 45 % der Verkehrssteuer bzw. der Unterbringung dieser Post innerhalb des Staatsvoranschlages nicht berechtigt seien. Ich habe bereits im Budgetausschuß darauf hingewiesen, daß die diesmalige Konstruktion des Voranschlages in ganz bestimmter Absicht in der Richtung abgeändert wurde, daß die Einnahmen aus den Verkehrssteuern nicht mit ihrem vollen Wert als Einnahmepost eingetragen wurden. Im Vorjahre belief sich diese Einnahmepost auf 716,400.000 Kè und sie wurde auch in ihrem vollen Werte ausgewiesen. Im heurigen Jahre sehen wir als Einnahme nur den Betrag von 422,500.000 Kè erscheinen. Während im Vorjahre die 25% ige Überweisung an die Staatsbahnen für Investitionszwecke ausdrücklich auch als Ausgabe der Staatsverwaltung im Kap. 22 ausgewiesen war, hat man heuer durch eine ganz eigenartige Buchungsmethode sich damit beholfen, daß man einfach die Einnahme aus der Verkehrssteuer von vornherein nur mit dem Teilbetrag des 55%igen Ergebnisses, also mit 422,500.000 Kè einstellte, während man auf der Ausgabenseite überhaupt keinen Betrag aufscheinen sieht. Ich habe in dieser Methode eine Verschleierung des Voranschlages erblickt und sie auch als solche bezeichnet. Generalberichterstatter Dr. Hnídek hat sich bemüßigt gesehen, im vorliegenden Bericht des Budgetausschusses diesen meinen Standpunkt zu bekämpfen und erklärt er, daß es nicht richtig sei, zu sagen, daß diese Änderung durchgeführt worden sei, um nach au ßen hin den Eindruck zu erwecken, daß der Voranschlag keine Erhöhung erfahren habe. In Wirklichkeit wird aber von ihm festgestellt, daß der Staatsvoranschlag auf der Ausgabenseite für das Jahr 1930 sich auf 9367 Millionen Kè beläuft, gegenüber 9534 Millionen Kè im Vorjahre, also um 167 Millionen Kè niedriger sei; er verschweigt aber hiebei die 45% ige Überweisung an die Staatsbahnen, also einen Betrag von 337,500.000 Kè. Man verschweigt diesen Betrag auch auf der Einnahmenseite und warum? Doch nur deshalb, um mit der gleichbleibenden Höhe des Staatsvoranschlages in den letzten Jahren zu operieren. Wäre man bei der früheren Konstruktion geblieben und hätte man alle Einnahmen und Ausgaben eingestellt, dann erst würde sich eine brauchbare Vergleichsunterlage ergeben. Bei Einhaltung dieser Bedingungen hätte man aber heuer unbedingt von einer bedeutenden Erhöhung des Staats voranschlages sprechen müssen und auch von einer Erhöhung der Ausgaben. Um das zu vermeiden, hat man den - sagen wir - Umweg gewählt, auf der Einnahmenseite 337 Millionen Kè überhaupt unter den Tisch fallen zu lassen und auf der Ausgabenseite diesen Betrag auch nicht eingesetzt, sondern nur beim Kapitel "Staatsbahnen" als Erträgnis die 45% ige Überweisung der Verkehrssteuern im Betrage von 337 Millionen also außerhalb des eingentlichen Budget ausgewiesen. Ich stehe auf dem Standpunkte, daß daher meine geübte Kritik vollberechtigt ist und daß es irreführend ist, sich darauf zu berufen, wie es im Einleitungsbericht des Drucks 210 der Fall ist, daß meine Ansicht angeblich nicht zurecht besteht.
In diesem Zusammenhange muß ich auch darauf hinweisen, daß das Aktivsaldo der staatlichen Unternehmungen, das mit 1204 Millionen ausgewiesen wird, eigentlich auch nur ein fiktiver Betrag ist. Wir wissen, wir haben hier eine ganze Reihe großer und mächtiger Staatsbetriebe, und die Staatsverwaltung ist außerordentlich besorgt, der Öffentlichkeit nicht eingestehen zu müssen, daß die staatliche Verwaltung dieser sogenannten staatlichen Privatbetriebe vollständig versagt hat. Deshalb bemüht sie sich mit einer großen Reingewinnsumme zu operieren und zu brillieren, und zwar im Betrage von 1·2 Milliarden, was aber ebenfalls irreführend ist. Denn unter diesen 1·2 Milliarden ist die sogenannte Rauchersteuer, das Reinerträgnis der Besteuerung der Rauchleidenschaft mit 1.138 Millionen mit inbegriffen, und es verbleibt mithin als Reingewinn von allen anderen Staatsbetrieben, der Post, der Eisenbahn, der staatlichen Bergwerke, der Staatswälder, der Münze, der Staatslotterie, der Staatsgüter und Forste u. dgl., insgesamt 66 Millionen Kè und auch dieser lächerlich geringe Reingewinn ist nur ein rechnungsmäßiger. Denn es wird übersehen, daß auf Grund der früheren Finanzgesetze die Staatsbetriebe, Post und Eisenbahnen, eigentlich verpflichtet wären, die Investitionen aus den erzielten Reingewinnen zu bestreiten, und durch die vorhin bereits erwähnte Überweisung von 45% der Verkehrssteuer im Betrage von 337 Millionen an die Staatsbahnen ersehen wir, daß aus den gesamten Staatsbetrieben, ausgenommen die Tabakregie, in Wirklichkeit nicht ein Betrag von 66 Millionen als Reingewinn zur Abfuhr gelangt, sondern, wenn wir die Zuweisung von 337 Millionen aus Staatsmitteln an die Staatsbahnen in Abzug bringen, eine bedeutende Fehlpost in Erscheinung tritt. Aus diesen Gründen ist die Forderung nur zu berechtigt, daß die Staatsbetriebe endlich zur Aufstellung einer wirklich kaufmännischen Bilanz genötigt werden sollten. Denn erst diese würde den Parlamentariern einen Einblick in die Wirtschaft, oder besser gesagt, Mißwirtschaft der einzelnen Staatsbetriebe gewähren.
Aber wir sehen - und es liegt gewissermaßen im Zuge der sogenannten nachkriegsdemokratischen Zeitentwicklung - daß man viel von Demokratie, von der Volksherrschaft spricht, aber auf der anderen Seite die Einflußnahme der Parlamente, also der Volksvertretungen, möglichst einschränkt. Bei dem Kapitel Staatsbetriebe habe ich ungefähr aufgewiesen, welche Auswirkungen diese Bewirtschaftung, diese unkontrollierbare Mißwirtschaft bereits gezeitigt hat, auf der anderen Seite sehen wir, daß den Parlamentariern der Einblick in die Verwendung der öffentlichen Mittel systematisch unmöglich gemacht wird, u. zw. durch die sich immer mehr und mehr ausbreitende Fondswirtschaft. Sie alle wissen, daß wir schon eine ganze Reihe von Fonds besitzen und daß immer neue Pläne auftauchen, solche Fonds neu zu schaffen. Sie haben praktisch keinen anderen Zweck, als Geldmittel beiseite zu schaffen und sie der Kontrolle des Parlaments zu entziehen, das heißt, sie rein èechischen Einflüssen in Zukunft dienstbar zu machen. Dagegen müssten meines Erachtens vor allem die sozialdemokratischen Parteien Sturm laufen. Denn sie, die die ganzen Jahre immer wieder auf die Volksherrschaft so viel Gewicht gelegt und auf die Verantwortung der Parlamentsmehrheit immer hingewiesen haben, wären verpflichtet, endlich einmal mit dieser Fondsmißwirtschaft zu brechen und jene Vorkehrungen zu treffen, die notwendig sind, daß auch die Parlamentsmehrheit, bzw. das gesamte Parlament die Möglichkeit hat, wenigstes die Verwaltung der bereits bestehenden Fonds in den Einzelheiten eingehend überprüfen und die Verwendung dieser Geldmittel auch beeinflussen zu können. Bis heute ist nur bekannt, daß die Mitglieder der Regierungsparteien, befragt, ob sie mit gutem Gewissen auch die Verwaltung dieser Fonds decken können, antworten müssen, auch für sie die Verwaltung dieser Fonds ein Geheimnis ist, in das wir nicht eindringen können. Das sind auf die Dauer unhaltbare Zustände, und es muß daher Sorge getragen werden, hier mit aller Raschheit Wandel zu schaffen. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.)