Eine Kommission eines Steuerbeamten und eines Forstbeamten, selbst wenn der Besichtigungsort zwei Stunden von der Steueradministration entfernt liegt, kann und darf nicht Tausende Kronen kosten. Bei Eintreibung der Steuern aller Art und Gebühren ist der gegenwärtige Notstand der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Ansuchen von Land- und Forstwirten um Nachsicht rechtskräftig vorgeschriebener Steuern im Sinne des § 276 und Ansuchen um zinsenfreie Stundung im Sinne des § 288 des Gesetzes über die direkten Steuern sind in wohlwollender Weise und rasch zu erledigen. Der Verzugszinsensatz von 7%, welcher mit der Regierungsverordnung vom 24. Juli 1927, Slg. d. G. u. V. Nr. 89, festgelegt wurde, ist allgemein auf 5% herabzusetzen. Bei der Bestimmung der Sätze für die Pauschalierung der Umsatzsteuer muß der bedrohlichen Krise in der Landwirtschaft Rechnung getragen werden, desgleichen bei der Einkommensteuerpauschalierung. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert auch dringend eine Herabsetzung der Weinsteuer, der Fleischsteuer, insbesondere aber auch der Bereicherungssteuer und Immobiliargebühren. Das bäuerliche Ausgedinge muß für alle Zukunft rentensteuerfrei sein. Wenn wir vorgestern bei den Verhandlungen des Gesetzes über die Verlängerung der Umsatz- und Luxussteuer das Wort nicht ergriffen haben, so deshalb, weil heute Gelegenheit gegeben ist, bei der Besprechung der Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft auch bezüglich der Novellierung der Umsatzsteuer unsere Wünsche vorzubringen. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß ein allmählicher Abbau der Umsatzsteuer notwendig ist und der Ausfall der Einnahmen aus den Ersparnissen von unproduktiven Ausgaben ersetzt werden kann. Weiters verlangen wir, daß die Steuer nicht zu entrichten ist vom Eigenverbrauch. Die Steuer ist weiter zu erlassen beim Naturallohne unserer landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter und Dienstpersonen, dann bei Lieferungen von in der eigenen Unternehmung erzeugten oder zum Verkaufe gelangenden Lebensmittel und anderen Verbrauchsgegenständen, die von den Unternehmern auf Grund des Dienst- oder Arbeitsvertrages ihren Arbeitnehmern geliefert werden. Bei der Novellierung des Gesetzes über die Umsatzsteuer sind zu befreien:
1. Lieferungen und Leistungen von Genossenschaftsverbänden an die angeschlossenen Genossenschaften und umgekehrt,
2. Lieferungen und Leistungen von Genossenschaften an die angeschlossenen Mitglieder und umgekehrt.
Das diesbezügliche ausführliche
Gutachten wurde von der Geschäftsstelle der deutschen Land- und
Forstwirtschaft dem Finanz- und Landwirtschaftsministerium bereits
am 25. Oktober 1929 vorgelegt. Die Notlage der Landwirtschaft
erheischt auch besondere Maßnahmen zu ergreifen. Durch die Frostschäden
des Winters 1928/29 wurde den Obstbauern nicht nur der Ertrag
eines oder einiger Jahre genommen, der Obstbau hat einen Teil
seines Grundkapitals, seiner Vermögenssubstanz verloren. Ausgiebige
Geldmittel sind zur Unterstützung der Erneuerung von vernichteten
Obst- und Rebkulturen unseren Obstbauern zur Verfügung zu stellen
und im Wege der bei den Landeskulturräten bestehenden Elementarkatastrophenfonds
an die Geschädigten zu verteilen. Die Unterstüzung des landwirtschaftlichen
Genossenschaftswesens zum Zwecke der Ausschaltung des teuern Zwischenhandels
aus öffentlichen Mitteln ist dringend geboten; die genossenschaftliche
Verwertung der landwirtschaftlichen Produkte muß den Weg vom Erzeuger
bis zum Verbraucher im Interesse von Konsument und Produzent kürzen.
Die Regelung der landwirtschaftlichen Arbeiterfrage durch gesetzliche
Bestimmungen ist eine dringende Aufgabe des neuen Parlamentes
und der Regierung. Was nützt uns alle Erkenntnis, wie das oder
jenes in der Landwirtschaft besser zu machen wäre, wenn die werktätigen,
erprobten Arme fehlen, um all das auch praktisch durchzuführen.
Die Gefahren einer weiteren, starken Entvölkerung des flachen
Landes, der Abkehr vom landwirtschaftlichen Berufe ist in bedrohlicher
Nähe und erfordert einen Umschwung der Gesinnung und Einstellung
zur Landwirtschaft und ihrer Arbeiter. Der Landwirt, der Kleinbauer
und sein Arbeiter müssen für ihre Arbeit den Lohn erhalten, den
sie sich in redlicher Mühe und Plage ehrlich verdient haben. Ein
besonderes Augenmerk muß auch unserer Kleinlandwirtschaft zugewendet
werden und alle gesetzlichen Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet
sind, dem Kleinbauer und Häusler seine Existenz zu erhalten. Das
neue Parlament, die Regierung - wir alle zusammen haben die Pflicht,
die kürzesten Wege zu gehen, um im Interesse des Staates und seiner
Völker die Notlage der Landwirtschaft zu beheben. In letzter Stunde
rufe ich deshalb von dieser Stelle aus dem Parlamente und der
Regierung zu: Rettet die Landwirtschaft durch Taten, bevor es
zu spät ist. Meine Partei ist bereit, zum Wohle aller Bevölkerungsschichten
mitzuarbeiten. (Potlesk.)
Hohes Haus! Neuwahlen in die gesetzgebenden Körperschaften haben bisher immer dem Ausgange derselben entsprechend, eine Umbildung der Regierung mit sich gebracht und so ist dies auch nach den letzten Wahlen im Oktober der Fall gewesen. Nach wochenlangen Beratungen ist es dem derzeitigen Regierungschef endlich gelungen, diese Regierung auf einer breiten Grundlage zustande zu bringen und hat derselbe in der vergangenen Woche die neue Regierung dem Hause vorgestellt und das Regierungsprogramm der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht. Dieses Programm, das den meisten brennenden Problemen im Staate - vielleicht mit einer gewissen Absicht -, ja sogar nur mit wenig sagenden Worten, - ängstlich ausweicht, kann nicht jenen freudigen Widerhall bei allen Nationen dieses Staates finden, der eigentlich einer solchen Erklärung folgen sollte. Vor allem fehlt der Regierung ein klares und fest umschriebenes Programm in der gegenwärtigen schweren Wirtschaftskrise. In der Erklärung wird nicht angedeutet, welchen Weg die Regierung gehen will, um die drohende allgemeine Wirtschaftskrise zu beheben. Auf Grund der innerhalb der letzten 3 Jahre gemachten Erfahrungen könnte man sich eventuell mit dieser Erklärung auch zufrieden geben, wenn man die feste Überzeugung hätte, daß die in der Erklärung allgemein gemachten Versprechungen verwirklicht würden. Es wäre hoch an der Zeit, daß man endlich einmal die mündlichen und schriftlichen Versprechungen der Minister, insbesondere jene des Ministerpräsidenten, in die Tat umsetzen würde, soll nicht in Hinkunft das Vertrauen aller Bürger zu jeder Regierung vollständig schwinden. Ich bin mir dessen bewußt, daß es sicherlich nicht leicht gewesen sein wird, die in der Regierungskoalition vereinigten Parteien bei ihrer Manigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit auf ein gemeinsames Programm zu einigen. Eben mit Rücksicht auf diese Gegensätze innerhalb der jetzigen Mehrheit ist die Erklärung ein recht schwaches Produkt geworden. Umso schwerer dürfte es werden, das Programm, bezw. die Ausführungen der Regierungserklärung zu verwirklichen. Der Weg, den der Herr Ministerpräsident bei der Regierungsbildung beschritten hat, ist sicher nicht der rich tige gewesen. Er hätte erst ein Regierungsprogramm zusammenstellen müssen und sich auf Grund dieses Programmes jene Parteien für die Mehrheit suchen müssen, die geneigt gewesen wären, dasselbe anzuerkennen. Dadurch wäre der leider hier zu Lande so stark ausgeprägte Parteiegoismus zu Gunsten aller Bürger ohne Unterschied des Standes und Berufes zurückgedrängt worden. Warum dies nicht geschehen, ist nicht Aufgabe meiner Erörterungen, sind doch dem außerhalb der Regierung stehenden Parlamentarier die Vorgänge hinter den Kulissen nicht bekannt. Unsere Partei hat 3 Jahre die Verantwortung als sogenannte Regierungspartei mitgetragen, ihre Tätigkeit auf parlamentarischem Boden jederzeit vor ihrer Wählerschaft gerechtfertigt, in dem vollen Bewußtsein, als deutsche Partei ihre Pflicht gegenüber dem deutschen Volke auch in der Parlamentsmehrheit erfüllt zu haben. Wenn auch auf nationalem Gebiete für unser Volk keine besonders großen Erfolge zu verzeichnen waren, so hat der Eintritt deutscher Parteien doch eine gewisse und merkliche Entspannung der scharfen nationalen Gegensätze im privaten und öffentlichen Leben herbeiführen können. Wir haben damit den Weg für die weitere Betätigung in nationalpolitischen Fragen den heutigen deutschen Regierungsparteien geebnet. Der von uns mitgemachte Versuch der Zusammenarbeit deutscher und èechischer Parteien erleichtert daher in hohem Maße die Aufgabe der heutigen deutschen Mehrheitsparteien, insbesonders den deutschen Sozialdemokraten, die das erste Mal der Mehrheit angehören, nationale Forderungen für das Deutschtum durchzusetzen. Wir wollen hoffen, daß es diesen Parteien gelingen möge, die von ihnen früher aufgestellten Forderungen in nationaler und kultureller Beziehung durchzusetzen, worüber wir uns gleich ihnen nur freuen könnten. In nationalpolitischer Hinsicht bedeutet jedoch die diesmalige Regierungserklärung keine Verbesserung gegenüber der Regierungserklärung Švehlas im Jahre 1926. Die Verpflichtungen, die der Staat gegenüber dem deutschen Volke hat, werden viel zu wenig betont und hervorgehoben. Altmeister Švehla drückte sich in seiner Erklärung gegenüber den Deutschen viel klarer aus, indem er damals sagte: "Heute können wir dank dem Sieg des Gedankens der Demokratie in unserem Staate a!s gleiche, freie Bürger verhandeln, direkt, offen, als Gleiche mit Gleichen." Auf diesem Gebiete ist von den früheren deutschen Mehrheitsparteien ein gutes Stück Arbeit geleistet worden. Es liegt nun an den derzeitigen deutschen Regierungsparteien, welche die früheren deutschen Regierungsparteien immer als zu wenig national angesehen haben, zu beweisen, daß sie imstande sind, in der jetzigen Regierung bedeutende nationale Forderungen durchzusetzen. Ob sie mit bindenden Zusagen in nationalpolitischer Beziehung in die derzeitige Regierung eingetreten sind oder nicht, erscheint mir belanglos - die Hauptsache ist, daß für das Deutschtum etwas erreicht wird!
Der Ministerpräsident hat insbesondere auf die schwere landwirtschaftliche Krise, die nicht nur hierzulande, sondern in vielen Staaten das Wirtschaftsleben bedroht, hingewiesen und dabei nur andeutungsweise betont, daß diese Krise auch eine solche in der Industrie, im Handel und Gewerbe nach sich zieht. Die Erfahrung lehrt, daß eine derartige wirtschaftliche Krise, wenn sie bei einer Berufsgruppe in einer solchen Ausdehnung, wie wir sie heute sehen, Platz greift, die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft ziehen muß. (Sehr richtig!) Es wird deshalb Aufgabe der neuen Regierung sein müssen, nicht allein die Landwirtschaftskrise, sondern auch ihre Auswirkungen auf Handel. Gewerbe und Industrie zu beseitigen. Bringt dieses Kabinett die Kraft auf, die schweren Folgen einer solchen Krise zu verhüten, so hat sie der gesamten Volkswirtschaft einen großen Dienst erwiesen und alle Bürger ohne Unterschied der Partei und Nationalität werden diese Tat auch anerkennen. In der Regierungserklärung wird aber nur von einem Bekämpfen der Wirtschaftskrise, insbesondere der Landwirtschaftskrise gesprochen, jedoch werden nicht gleichzeitig die Wege aufgezeigt, die die Regierung gehen will, um die Krise auch tatsächlich zu beheben. Nicht nur diese Frage wird die neue Regierung beschäftigen müssen, sondern es harren ihrer noch andere schwere Arbeiten in sozialer und wirtschaftspolitischer Hinsicht. So wird auf die bei Wirtschaftskrisen in Erscheinung tretende Arbeitslosigkeit ein besonderes Augenmerk gerichtet werden müssen, um dieses Gespenst rechtzeitig zu bannen.
Ebenso harren kulturelle Fragen sehnsûchtig einer entsprechenden Lösung. Wir, fordern, wie schon früher wiederholt geschehen, die kulturelle Selbstverwaltung. Nicht Versprechungen und Vertröstungen auf spätere Zeit können uns befriedigen, sondern wir wollen endlich die vom früheren Schulminister Hodža versprochene Schulautonomie ehestens in die Tat umgesetzt sehen.
Auf finanzpolitischem Gebiete wird es Aufgabe der neuen Regierung sein müssen, die praktische Handhabung der Steuergesetze im Geiste derselben durchzuführen. An Stelle bürokratischer Willkürherrschaft einzelner Finanzbeamter muß eine gerechte Steuerbemessung Platz greifen. In dieser Hinsicht werden wir als Vertreter des steuerzahlenden Handels- und Gewerbestandes unsere vollste Aufmerksamkeit darauf lenken, daß an Stelle von Besteuerungswillkür endlich eine gerechte Besteuerung ein-tritt. Soll die Steuermoral gehoben werden, wird in erster Linie der Finanzminister seine unterstellten Ämter anweisen müssen, ein freundschaftlicheres Verhältnis zwischen Staatsbürgern und Staatsorganen herzustellen. Sollte unseren Forderungen auf diesem Gebiete nicht entsprochen werden, dann kündigen wir schon heute den schärfsten Kampf im Parlamente gegen die Zurücksetzung unserer gewiß berechtigten Interessen an, wir werden aber auch den Kampf in diesem Falle in der Öffentlichkeit führen. Wie ich schon eingangs erwähnt habe, werden die heutigen Regierungsparteien, unter denen sich auch deutsche Parteien mit 2 Ministern befinden, alles daran setzen müssen, daß die Annäherung der im Staate befindlichen Nationen fortschreite und die nationalen Fragen im Sinne des Leitspruches Švehlas gelöst werd en. Es wäre daher die Sprachenverordnung, die Verfügungen bei den einzelnen staatlichen Unternehmungen hinsichtlich des Sprachengebrauches einer gründlichen und ehesten Revision zu unterziehen. Geschieht dies nicht, dann wird an Stelle der von uns bisher bewiesenen aktiven und positiven Mitarbeit im Interesse des Staates eine Haltung eingenommen werden, die sich wesentlich von der bisherigen unterscheiden würde. Dies bliebe nicht ohne Einwirkung auf die deutschen Regierungsparteien, die infolge der Nichterfüllung der vor den Wahlen ihren Wählern gegebenen Versprechungen moralisch verpflichtet wären, in diesem Falle der Mehrheit den Rücken zu kehren. Man kann aber in diesem Staate mit seinen verschiedenen Völkern eine Mehrheit oh ne Mitarbeit der Deutschen, die ein Viertel der Bevölkerung betragen, schon deshalb nicht vermissen, weil die Konsolidierung der innen- und außenpolitischen Verhältnisse sehr gefährdet würde. Ich erwarte deshalb, daß der Wunsch des Präsidenten Masaryk sowie auch die in Wählerversammlungen gesprochenen Worte des Außenministers Dr. Beneš über den Ausgleich mit den Deutschen nicht nur Versprechungen bleiben, sondern verwirklicht werden.
Die Deutsche Gewerbepartei wird noch des öfteren Gelegenheit nehmen, bei der Behandlung der verschiedenen Gesetzesvorlagen zu wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Fragen ihre Stellungnahme zu präzisieren, wobei sie auch die gerechten Forderungen und Wünsche des heute so bedrängten Gewerbe- und Handelsstandes vorbringen wird, weshalb ich es unterlasse, in die Details dieser derzeit einzugehen. Wir werden je nach dem Verhalten und dem Entgegenkommen der derzeitigen Regierungsmehrheit alle ihre Handlungen auf parlamentarischem Boden einer sachlichen, im Bedarfsfalle aber auch einer scharfen Kritik unterziehen.
Die Deutsche Gewerbepartei steht nicht auf einem Klassenstandpunkt, sondern betrachtet das allgemeine Volkswohlergehen auch als ihr Ziel.
Die uns vom derzeitigen Ministerpräsidenten
vorgetragene Erklärung werden und können wir nicht zur Kenntnis
nehmen, weil uns nach den gemachten Erfahrungen der Glaube fehlt,
daß diesen Worten auch die Tat folgen wird. Trotz der Wünsche
einiger früherer Mehrheitsparteien sind wir aus eigenem Antriebe,
in dem Bewußtsein, unseren Wählern bei den derzeitigen politischen
Verhältnissen einen besseren Dienst zu erweisen, nicht in die
neue Mehrheit eingetreten; ihr weiteres Verhalten gegenüber unseren
Wünschen und Forderungen wird für unsere Einstellung zur Regierung
bestimmend sein. Wir behalten uns derzeitig die Politik der "Freien
Hand" vor. (Potlesk.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war von jeher eine Gewohnheit der Diplomaten, viel zu reden und nichts zu sagen. Unser Erstminister scheint aus dem Lager der Politiker in das Lager der Diplomaten übergegangen zu sein, denn auch er hat in seiner Regierungserklärung zwar nicht allzuwenig gesprochen, gesagt hat er uns aber eigentlich gar nichts. Die Regierungserklärung ist ein so verschwommenes unklares Erzeugnis, daß man sich darüber wundern muß, daß ein Politiker, daß ein Erstminister den Mut findet, das einem geehrten Hohen Hause vorzusetzen, und daß er es wagt, das nunmehr als das Programm einer Regierungsmajorität von über 200 Abgeordneten auszugeben. Wir hätten geglaubt, daß, nachdem eine so starke Mehrheit diesmal dieses Haus ziert, daß auch ein entschiedenes, klar umrissenes Programm der Öffentlichkeit und dem Hohen Hause vorgelegt wird. Die Opposition dieses Hauses ist doch so verschwindend klein, man hat außerdem ein gutes Fünftel der Opposition noch an die Luft gesetzt, und die Mehrheit ist beinahe unter sich. Wenn man sich aber die Regierungserklärung näher ansieht, kommt man doch zur Überzeugung, daß dieses Hohe Haus und diese Koalition eine verhältnismäßig sehr starke Opposition hat und zwar in sich selbst. Die Mehrheit ist innerlich so unausgeglichen, sie ist innerlich so wenig konsolidiert, daß wir wohl hoffen können, daß sie an ihren eigenen inneren Differenzen und Gegensätzen zugrundegehen muß.
Wenn wir also schon aus der Regierungserklärung nichts erfahren, müssen wir uns wohl selbst Gedanken machen, uns selbst darüber Rechenschaft geben, was denn eigentlich diese neue Mehrheit will. Und da kommen wir letzten Endes zur Überzeugung, daß der Fingerzeig, was diese Mehrheit schaffen soll, doch schon gegeben ist aus den Gründen, warum das alte Haus aufgelöst wurde und warum Neuwahlen ausgeschrieben worden sind. Es ist vollkommen unrichtig, was von agrarischer Seite behauptet wird, daß die alte Mehrheit zugrunde ging, weil die èechischen Klerikalen angeblich für landwirtschaftliche Forderungen nicht zu haben waren. Beide agrarischen Parteien, sowohl die èechische, wie die deutsche, haben drei Jahre hindurch vergessen, für die Bauern eigentlich etwas zu unternehmen. Und wenn schon eine Differenz zwischen den Agrariern und Šrámek vorhanden war, so war dies wegen der staatlichen Vieh- und Hagelversicherung, und da kann ich als Landwirt dem Pater Šrámek und seiner Partei nur danken, daß sie diesen Plan zunichte gemacht haben, denn diese staatliche Vieh- und Hagelversicherung ist eine neue Steuer, sie wäre eine neue Belastung für uns, ein neuer Fond, eine neue Krippe, eine neue Versorgungsquelle für die agrarische Partei, niemals aber eine wirkliche Wohltat für die Landwirtschaft. An der Frage ist also das alte Haus gar nicht gescheitert und andere agrarische Forderungen wurden nicht vorgebracht. Wir wissen aber ganz genau, welchen bedeutenden Einfluß bei uns letzten Endes die Burg auf die Entwicklung der Politik nimmt, wir wissen ganz genau, daß man vorausgesetzt hat, daß die Kommunisten bei diesen Wahlen verlieren, man wollte infolgedessen den Sozialdemokraten und den Nationalsozialisten die Möglichkeit geben, sich von der Schlappe des Jahres 1925 zu erholen, dies öffentlich zu zeigen, man wollte die Herren nicht zu lange in der Opposition lassen, weil man befürchtet hat, daß sie sich an die Opposition gewöhnen könnten, man wollte also die allnationale Koalition neuerdings auferstehen lassen. Das war der Zweck der Auflösung des Parlamentes, das war der Zweck für die Neuwahlen und trotz aller langwierigen Verhandlungen nach den Wahlen ist das eine klar, daß auch diese Mehrheit nichts anderes bedeutet, als die allnationale Koalition mit deutscher Verbrämung. Sowohl die deutschen Agrarier, als auch die deutschen Sozialdemokraten sind jener Aufputz, den Minister Beneš im Auslande braucht, um sagen zu können, das Nationalitätenproblem in diesem Staate sei gelöst und um behaupten zu können, daß der Staat auch in dieser wichtig en Frage konsolidiert ist. In Wirklichkeit wird hier nach reinèechoslovakischen Maximen weiterregiert und die deutschen Parteien werden es gewiß zu verantworten haben, sie werden diese Täuschung der Öffentlichkeit rechtfertigen müssen. Ich bin auf eines neugierig: Die deutschen Agrarier haben im Jahre 1926, als sie in die Regierung eintraten, erklärt, daß sie das Abkommen mit ihrer èechischen Bruderpartei, mit der Agrarpartei schwarz auf weiß haben. Es hat solche Abmachungen gegeben, ich erinnere mich daran, daß es Stanìk, Beran und andere von der èechischen Agrarpartei unterschrieben hatten, diese Vereinbarungen wurden die ganzen Jahre hindurch nicht gehalten. Ich wundere mich, daß jetzt die deutschen Sozialdemokraten auf ihre èechische Bruderpartei so fest bauen. (Posl. dr Stránský: Jaký byl obsah té úmluvy?) Das möchte Sie sehr interessieren, Herr Doktor, das glaube ich. Vielleicht werde ich Sie bei gelegener Zeit einmal Einblick nehmen lassen; ich glaube Ihnen gern, daß Sie das sehr interessieren würde, weil sie auch einer derjenigen sind, die unter Umständen Opposition in der Koalition machen möchten. Ich bin sehr im Zweifel, ob die deutschen Sozialdemokraten ein Abkommen schwarz auf weiß mit ihrer Bruderpartei haben, aber le tzten Endes kommt es darauf nicht an. Wir werden sehen, ob da die Bundesbrüderlichkeit mehr halten wird als bei den Agrariern, und auch sie werden noch erleben müssen, daß man auf alle diese Versprechungen nicht bauen und nicht trauen kann und es kann ihnen noch so gehen, wie es unseren deutschen Christlichsozialen gegangen ist, daß sie wieder außerhalb stehen. Nur haben die Christlichsozialen das Pech, daß Sie um ihren Ministersessel noch immer mit dem einen Auge weinen; das eine Auge tränt noch, und das zweite blinzelt schon hinüber, ob nicht in Zukunft doch wieder ein Ministersessel bereit ist; und das ist das traurigste am Ganzen: daß die einmalige Einnahme eines Ministersessels die ständige Bereitschaft bedeutet und mit sich bringt, sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wieder auf einen solchen Ministersessel zu setzen. Nun, der Bund der Landwirte ist also glücklich wieder in der Regierung drin. Es hat einer seiner südmährischen Parlamentarier während des Wahlkampfes erklärt, daß sie fest entschlossen sind, unter allen Bedingungen wieder in die neue Koalition hineinzugehen. "Und wenn das Loch auch noch so klein sein wird, werden wir durchschlüpfen und in die Koalition hineinkommen." Ich weiß nicht, wie groß dieses Loch war, aber sie sind hineingekommen, das ist sicher und evident, wir sehen es ja. Nur wundert es mich, daß damals, im Jahre 1926, die Begründung für den Eintritt folgende war: "Wir müssen gegen die Sozialisten regieren, wir müssen ein bürgerliches Regime aufrichten, wir müssen die Sozialisten von den bürgerlichen Èechen absprengen, denn dadurch werden wir Deutschen im Staat etwas erreichen." Jetzt ist es anders gekommen. Jetzt ist es anders gekommen, jetzt sind die Èechen wieder einig, sie sind wieder zusammengesprengt und nicht auseinandergesprengt, sie halten fest und treu zusammen, der Bund der Landwirte ist auch wieder dabei und sein Führer, der Herr Windirsch findet wieder eine rosige Seite an dieser neuen Situation. Wir haben ja in der "Landpost" und in der "Reichenberger Zeitung" Artikel gelesen, daß es sehr gut so sei, daß auch andere Parteien und Bevölkerungsschichten in der Regierung vertreten sind, es sei sehr gut für die Bauern, daß die Sozialisten in dieser neuen Regierung sind, denn dadurch werde es uns erst möglich, die Agrarkrise zu bannen. Das vorigemal war ihnen schon der Herr Šrámek zu viel, er hat ihnen immer die Sache gestört, jetzt haben sie den Herrn Šrámek, dann den Herrn Koll. Tomášek mit seiner Partei, den Minister Franke, und jetzt ist es besser geworden. Es gibt nichts über die Regierungskunst beim Bunde der Landwirte, es gibt nichts darüber, wenn man der Öffentlichkeit klarmachen will und der Öffentlichkeit die wahren Beweggründe für die Politik verscheiern will. Der Ministersessel, das war die Hauptsache, um den gruppiert sich ihre Politik herum und ist es nicht der Arbeitsminister, so kann es auch der Gesundhei tsminister sein, wahrscheinlich weil sie die Landwirtschaft gesund machen wollen. Deshalb sind sie ins Gesundheitsministerium hereingegangen. Und schließlich: Windirsch weiß ja das eine: Zum Ministersessel kommen noch so gewisse andere Annehmlichkeiten, Pfründen und Würden, da wird man Vizepräsident im Landeskulturrat, da wird man Präsident der Deutschen Sektion im Landeskulturrat und so wird man nach und nach vom biederen Schulmeister avancieren, wird ein großer Mann und ist der Führer der Agrarpartei. Das ist nur zu machen, wenn man treu und fest an einem Grundsatz festhält und der heißt: "An der Macht, bei der Macht, gleichgültig, nur dabei sein", das ist die Parole. Draußen in der Öffentlichkeit soll aber der Bauer glauben, die Landwirtschaft wird gerettet. In Wirklichkeit haben sie nie die Absicht gehaht, die Landwirtschaft zu retten, nicht jetzt und auch früher nicht. Das persönliche Ich ist das Um und Auf ihrer Politik, niemals aber die Sachlichkeit, niemals die Absicht zu arbeiten. Und es ist eine Tatsache, daß derselbe Herr Windirsch selbst die Arbeit, die sein Minister hat leisten wollen, ständig konterkarriert hat, daß derselbe Klubobmann Windirsch seinen Minister ständig unterboten hat, daß eine Lizitation nach unten eingetreten ist und daß derselbe Herr Klubobmann den Minister am liebsten in einem Glas Wasser ertränkt hätte, bloß um selbst auf seinen Posten hinaufzusteigen.
Nun, wir haben die Regierungserklärung gehört. Wir können das eine sagen, daß die Regierungserklärung nichts enthält; und gestern hat sich, scheinbar auch zur Regierungserklärung, der Herr Abg. Hodina gemeldet, und sich offenbar auch in das Lager der Diplomaten geschlagen. Auch er hat gesprochen, doch wissen wir nicht recht, was er gesagt hat. Wir waren gewohnt, daß der Vertreter einer deutschen Partei, wenn er zu Beginn einer neuen Session das Wort ergreift, auch etwas über die staatsrechtliche Verwahrung des Sudetendeutschtums in dem Hause hier vorbringt. Das hat der Herr Abg. Hodina gestern übersehen zu tun. Scheinbar paßt es nicht mehr in die Linie des Bundes der Landwirte hinein. Es ist selbstverständlich, daß auch er gestern ein bloßes Gestammel losgelassen hat, er hat sich wie die Katze um den heißen Brei herumgeschlängelt, für ihn war die Landwirtschaftskrise nebensächlich. Er hat sich in allgemeinen Ausdrücken bewegt und es scheinbar der jüngeren Kraft, dem Abg. Böhm überlassen, über die Landwirtschaft zu sprechen. Das ist heute in ziemlich ausgiebiger Weise besorgt worden, aber ich muß doch die Frage aufwerfen: Wo ist heute das Programm des Bundes der Landwirte, wo ist das Programm der deutschen Agrarpartei, was hat sie uns und der Öffentlichkeit zu sagen, worin soll ihre Arbeit bestehen? Das ist das, was wir vermissen, das ist das, was auch die Öffentlichkeit vermissen wird und das ist es, worauf wir hinweisen werden, auf jenes Manko, jenen breiten Raum, jenes Blatt Papier, das unbeschrieben ist, das die Forderungen der Landwirtschaft enthalten müßte und die Sanierungsmaßnahmen aufzeigen sollte. Aber weil der Ministerpräsident sich mit Rücksicht auf die heterogene Zusammensetzung seiner Mehrheit darüber nicht klar ausdrückte, glaubte auch der Herr Regierungsabgeordnete Hodina, nicht den Mut haben zu dürfen, darüber Klarheit zu verschaffen. Ich wundere mich darüber, daß gerade die deutschen Parteien sich nicht getrauen, ihren Standpunkt vollkommen klarzulegen, wo es doch hier im Hause allgemein üblich ist, daß die schärfsten Oppositionsreden immer aus dem Regierungslager kommen. Das ist hier Mode geworden, kein andere Partei läßt sich das nehmen, aber der Bund der Landwirte verzichtet glatt darauf, und man weiß nicht, aus welchem Grunde. Ich will heute nicht mehr über nationale Forderungen sprechen, denn ich weiß: bei den Herren vom Bund der Landwirte ist es zwecklos, ihnen einen Spiegel vorzuhalten und zu sagen, was sie eigentlich vom Staate zu fordern hätten, daß das nationale Problem in erster Linie gelöst sein müßte, wenn wir zur Wirtschaft kommen wollen. Ich gehe also bloß auf die Frage der Landwirtschaft ein und da möchte ich die Frage aufwerfen: Geht es der Landwirtschaft so gut, daß der Abg. Hodina darauf nicht zu sprechen zu kommen braucht? Ich kann nur das eine sagen: So schlecht, wie es der Landwirtschaft heute geht, ist es ihr seit Jahren nicht gegangen. Die Landwirtschaft hat im vergangenen Jahre für den Weizen über 200 Kè eingenommen, heuer ist der Weizenpreis 150 Kè. Ich habe im vorigen Jahre meine Gerste mit 200 Kè den Meterzentner verkauft und heuer steht der Meterzentner auf 120 bis 130 Kè. Sie können sich vorstellen, welch ein Ausfall in den Einnahmen da entsteht, daß der Durchschnittsbauer mindestens um 10, 20, ja 30.000 Kè weniger einnimmt, als im Jahre vorher, und daß die Lasten trotzdem gleichgeblieben sind. Der Rübenpreis ist so schlecht, daß sich die Produktion kaum mehr auszahlt, und das ist bei einem Produktionszweig der Fall, der viele andere passive Produktionszweige mitreißen sollte. Da werden nun die Herren kommen und sagen: "Das konnten wir nicht wissen, die Landwirtschaftskrise ist jetzt plötzlich hereingebrochen und jetzt müssen wir Sanierungsmaßnahmen ergreifen." Es ist vollkommen falsch, wenn man glaubt, daß die Landwirtschaftskrise erst jetzt eingetreten ist. Die Landwirtschaftskrise hat sich schon im Frühsommer gezeigt und ihre Gründe und Ursachen und ihr Anfang gehen noch viel weiter zurück. Ich möchte sagen, die agrarischen Parteien müssen sich an die Brust schlagen und sagen, während der drei Jah re, die sie regiert haben, und trotz und wegen ihrer Regiererei ist diese Krise hereingebrochen. Der Bund der Landwirte hat drei Jahre mitregiert, ist drei Jahre an der Macht gewesen und hat trotz dieser drei Jahre bei der Macht die ganze Zeit hindurch keine Macht gehabt. Er hat drei Jahre verschlafen, er hat drei Jahre Staatspolitik gemacht und drei Jahre die Bauern vergessen. Tatsache ist, daß im Jahre 1926 die Zollgesetze gemacht worden sind. Der Bund der Landwirte tut sich immer so viel zugute auf die großen Erfolge der Zölle. Tatsache ist, daß diese Zölle vor der bürgerlichen Koalition gemacht worden sind. Mein Koll. Mayer - Eger, hat damals das Zo³lgesetz eingebracht und Koll. Zadina war so freundlich, den Antrag in das Èechische zu übersetzen. (Výkriky posl. dr Zadiny.) Er war abgeschri eben, er hat ganz denselben Wortlaut gehabt. Das ist Tatsache. Es fällt Ihnen kein Stein aus Ihrer Krone. Es bleibt Tatsache, daß der Antrag von Ihnen abgeschrieben wurde. Selbstverständlich ist nun, daß die Zollgesetze, die damals beschlossen wurden, die Landwirtschaft nicht retten konnten. Die Zollgesetze mußten natürlich ausgebaut werden, der Zolltarif mußte sich mit den Verhältnissen mitentwickeln, er mußte verbessert werden, wenn er nicht mehr langte, er mußte erhöht, den Umständen angepaßt werden. Daran haben natürlich die Herren vergessen. Es ist klar, daß heute die Herren es so darstellen wollen, als ob Ministerpräsident Švehla derjenige gewesen wäre, der damals die ganze Zollkampagne eingeleitet hat; in Wirklichkeit war bekanntermaßen damals Ministerpräsident Švehla im Auslande, und zwar Monate lang im Auslande, und es ist daher Hodinas Behauptung vollkommen unrichtig - obwohl ich es selbstverständlich mit Hodina tief bedauere, daß jener bedeutende Politiker heute schwer krank ist. Aber das Märchen, daß Švehla derjenige war, der die deutschèechische Zusammenarbeit gemacht hat, muß ich hier zerstören. Es war dies durchaus nicht Švehla, sondern Hodža. Es ist Tatsache, daß damals der agrarische Flügel in der èechischen Agrarpartei die Zusammenarbeit mit den Deutschen gewünscht hat, und es ist Tatsache, daß die Zusammenarbeit, die im Sommer 1926 so hoffnungsvoll begonnen hat, in demselben Momente eigentlich innerlich zerstört war, als Švehla vom Urlaube zurückkehrte. Das ist die Wahrheit. Es ist weiter Tatsache, daß derselbe Bund der Landwirte und dieselbe "Landpost", die zuerst Hodža in den Himmel gehoben, als den zukünftigen Mann bezeichnet hatte, sofort über ihn herfielen, als er ein toter Mann war und ihm wie der Esel den toten Löwen noch einen Tritt gaben. In der "Landpost" war es deutlich zu lesen. Es ist weiter Tatsache, daß deutsche Parteien niemals verhandlungsfähig sein werden, wenn man sich auf sie nicht verlassen kann, wenn sie einen Dienst nicht mit einem Gegendienst belohnen, sondern sich sofort immer auf die Seite jener Parteien oder Parteiengruppierungen stellen, die zufälligerweise an der Macht sind, weil sie so kein seriöser Verhandlungsfaktor sind, weil man sich auf sie nicht verlassen kann.