Ètvrtek 28. února 1929

9. Øeè posl. Simma (viz str. 63 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Als wir vor wenig langer Zeit die Regierungsvorlage, Druck Nr. 1897, bezüglich einer staatlichen Altersunterstützung der sogenannten Überalterten in die Hand bekamen, mußten wir mit Bedauern feststellen, daß durch diese Vorlage eines der dringendsten sozialen Probleme des Staates eine Bagatellisierung erfuhr. Ich leite meine Rede so ein, weil mein unmittelbarer Vorredner Koll. Zajièek davor gewarnt hat, dieses Gesetz als Bagatelle an dem sozialen Problem der Überalterten zu bezeichnen, und es immerhin als eine wertvolle legislative Errungenschaft charakterisiert hat. Die Versorgung der sogenannten Überalterten - es ist das schon von mehreren Vorrednern festgestellt worden - ist seit Jahren eine Notwendigkeit und besonders, seitdem das Gesetz über die Sozialversicherung gerade diese Personen ihre Notlage ungleichmäßig schwerer empfinden ließ, als früher. Hatte das Gesetz über die Sozialversicherung eine Altergrenze geschaffen, so mußten die von dieser Bestimmung über die Altersgrenze Betroffenen seit der Wirksamkeit derselben den Mangel doppelt schwer empfinden. Durch Jahre also schon war die Sozialversicherung der Überalterten fällig. Auch ich stelle das namens meiner Partei hier fest. Nunmehr hat sich aber die Regierung zu einer Handlung entschlossen in Form der Vorlage, die heute zur Behandlung steht, die wir, sozialpolitisch gewertet als ein Unglück für Tausende und Abertausende von Menschen bezeichnen müssen. Wir haben schon im sozialpolitischen Ausschuß betont und fast unwidersprochen von der Regierungsmehrheit behauptet, daß diese Versorgung der Überalterten geradezu eine Lästerung des Gedankens einer Sozialversieherung dieser Gruppe von Menschen darstellt. Das wird schon aus der von verschiedenen Rednern angezogenen Bestimmung klar, nach der für die Person eine jährliche Altersunterstützung von 500 Kè bemessen wird und für eine zweite mit dieser in gemeinsamem Haushalt lebende Person 300 Kè. Diese Bestimmung von der Versorgung der zweiten Person ist im sozialpolitischen Ausschuß nur unwesentlich korrigiert worden dadurch, daß in einzelnen Fällen diese Versorgung der zweiten Person auch auf 500 Kè erhöht werden kann. Diese Versorgungssätze entsprechen selbstverständlich durchaus nicht im mindesten den Bedürfnissen des Tages, wenn auch im § 4 dann die im § 3 durch den Staat an den einzelnen Rentner zu bewilligenden Renten doch eine Erhöhung durch Zuschüsse der Gemeinden erfahren. Diese Zuschüsse sind sehr gering, bestenfalls 20% der staatlichen Altersversicherung nach diesem Gesetz. Bei der Behandlung jedes sozialen Gesetzes muß die Kritik auf den materiellen Inhalt eingestellt werden. So haben auch wir die Kritik gegen die §§ 3 und 4 zu richten, welche im wesentlichen den materiellen Inhalt dieses Gesetzes darstellen. Wie die praktische Auswirkung dieser Paragraphe für die einzelnen Überalterten sein wird, ist hier schon zur Genüge mitgeteilt worden. Bestenfalls wird die jährliche Unterstützung 500 K plus 20% Zuschuß, also jährlich 600 K ausmachen. Wenn wir diesen Betrag aufteilen, so entfallen auf den Monat 50 K, auf den einzelnen Tag 1.66 K. Man könnte auch noch andere Fälle außer diesem besten Grenzfall anschließen, die die Unmöglichkeit eines dauernden Bestandes dieses Gesetzes beweisen. Es ist unmöglich, daß wir uns auf den Boden der Meinung begeben können, daß durch dieses Gesetz das soziale Problem der Überalterten eine Lösung erfahren hätte und wir fordern in der Stunde, in der dieses Gesetz durch das Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll, seine Korrektur im Sinne unserer Anträge. Unsere Anträge, die in der Hauptsache eine Erhöhung der staatlichen Unterstützung bezwecken, sind unserer Meinung nach durchaus realisierbar, ja wir dürfen sogar behaupten, wenn der Staat die Mittel in der Hand hätte, die er nach seiner Behauptung zur Durchführung des Gesetzes notwendig hat, wie sie in der Tabelle I des Motivenberichtes angeführt sind, er imstande wäre, die Renten anders zu gestalten, ohne daß er mehr finanzielle Mittel brauchte als ihm jetzt zur Verfügung stehen. Die für 35 Jahre aufgeteilten staatlichen Mittel zur Überaltertenversorgung können - ich wage das ohne Statistik zu behaupten - auf 25 Jahre sicherlich zusammengedrängt werden, wenn nicht auf 20 oder 15 Jahre, in welchem Zeitraum das soziale Problem der Überalterten gelöst sein wird. Wenn wir aber diese Mittel so zusammendrängen, dann ist eine wesentliche Erhöhung der Renten möglich. (Posl. Geyer: 15 Jahre ist der technische Scheitelpunkt!) Ja. Zu mindestens in dem Ausmaß unserer Anträge könnte vorgegangen werden. Wenn dann der Staat hiezu auch noch ein kleines weiteres Opfer bringt, so könnten sich die Renten in einem erträglichen Ausmaß bewegen. Wenn die verantwortliche Leitung des Staates, in diesem Falle die Vertretung des Finanzministeriums, eine solche Meinung von vornherein etwa mit dem Hinweis darauf ablehnt, daß die staatsfinanzielle Lage das nicht gestattet, dann sei mir erlaubt zu bemerken, daß einzig und allein aus der Novellierung der Sozialversicherung dadurch, daß die Heilfürsorge in der Novelle gestrichen worden ist, 100 Millionen Kè erspart wurden, die sehr wohl zur Verbesserung der Sätze nach diesem Gesetz verwendet werden können. Mag dem sein wie immer und mag die verantwortliche Regierung sich im letzten Augenblick entscheiden, wie sie wolle: wir fühlen dennoch die Notwendigkeit, unsere Gedanken hier im Plenum des Hauses vorzubringen, obwohl wir schon im sozialpolitischen und im Budgetausschuß unsere Meinung darüber ausführlich genug dargelegt haben. Bei Betrachtung dieses Gesetzes kommen uns auch Bedenken bezüglich der administrativen Durchführung. Ich sage es ganz offen, daß wir die Befürchtung hegen, daß das Administrativ verfahren außerordentlich langsam sein und damit für den Rentner geradezu unerträglich werden wird. Nach dem Gesetz hat die Wohnortsgemeinde das Gesuch des Rentners entgegenzunehmen, mit den Personaldaten an die Bezirsksbehörde abzuliefern, auch die Wohläußerung der Heimatsgemeinde des Antragstellers einzuholen. Es wird ungeheuer viel Zeit brauchen, bis der Rentner zur Befriedigung seines Rentenanspruches kommen wird. Wenn wir nur einigermassen einen Blick in die Tätigkeit der Ämter und Behörden der letzten Zeit werfen, sehen wir, daß dieselben nicht mehr in einem so lebhaften Tempo wie einst arbeiten. Das Tempo ist nicht mehr das eines langsamen Schimmels, sondern einer Schnecke. Überall sind durch die Aktenrücklagen die Kanäle verstopft, durch welche die amtliche Erledigung gehen soll. Jahrelang auch für dieses Gesetz. Die Opposition hat sich die redlichste Mühe gegeben, das Gesetz, wie es von der Regierung vorgelegt wurde, abzuändern. Herr Koll. Zajièek hat festgestellt, daß die Regierungsseite sich um eine Verbesserung des Gesetzes bemüht hat. Aber die Opposition hat sich zumindest ebenso bemüht, ja ich darf behaupten, daß vielleicht die Opposition die Anregungen zur Verbesserung des Gesetzes gegeben hat, die dann von den Regierungsparteien vorgenommen wurden. Aber es sind die Korrekturen des sozialpolitischen Ausschusses sehr gering gegenüber dem, was wir durch unsere Anträge durchzusetzen versuchten. Es ist ein kleines bißchen gebessert und geändert worden. Es ist die große Kompetenz der Behörden bei der Durchführung des Gesetzes noch eingeengt worden, aber auch nur sehr wenig, und etwas ist im § 3, Abs. 3 korrigiert worden. Diese Bestimmung war sehr originell, wenn ich mich so ausdrücken darf, in ihrer möglichen Auswirkung für die Rentenempfänger, der § 3, Abs. 3 sah vor, daß jede Versorgung irgendwelcher Art des Gesuchstellers an Geld oder Naturalleistungen in die staatliche Altersversorgung einzurechnen sei. Bei strenger Auslegung dieses Abs. 3 wäre es sehr leicht möglich gewesen, daß jede kleine Weihnachtsgabe, die dem Rentenempfänger zuteil geworden wäre, in die staatlichen Unterstützung eingerechnet worden wäre. Das ist einigermaßen durch den Zusatz korrigiert, daß nur die auf einem Rechtstitel beruhenden, dem Gesuchssteller zukommenden Versorgungen welcher Art immer in die staatliche Versorgung einzurechnen sind. Auch diese nunmehr korrigierte Fassung des Abs. 3 des § 3 ist unter Umständen noch gefährlich und äußerst hart für die Gesuchssteller. Es kann vorkommen, daß auch aus dieser Fassung für den Rentenempfänger Schwierigkeiten entstehen. Ich nehme nur einen einzigen praktischen Fall. Der Rentner ist z. B. ein Ausgedinger, der nichts anderes an besonderer Gnadengabe als eine kleine Zuweisung aus der Ernte erhält. Diese Zuweisung mag praktisch den geringsten materiellen Wert haben, aber sie beruht auf einem Rechtstitel und muß nun in die staatliche Altersunterstützung eingerechnet werden. Ich will nur an diesem einzigen Beispiele die Möglichkeit von Gefahren für den Gesuchsteller und den Rentenempfänger auch auf Grund der korrigierten Bestimmung aufzeigen.

Noch schlimmer sind die Bestimmungen über die Regreßverpflichtungen der Rentenempfänger. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß aus diesen Bestimmungen über die Regreßverpflichtungen sich ein Kapitel entwickeln wird, das dem traurigen Kapitel der Kriegsverletzten ähneln wird. Tausende Kriegsverletzte werden bekanntlich jetzt mit exekutiven Maßnahmen bedroht, wenn sie auch nur einige Kronen über die ihnen zustehende Rente im Laufe der Jahre erhalten haben. Die Regreßbestimmungen in der staatlichen Altersversicherung tragen in sich die Möglichkeit, daß eine Parallele zwischen diesen Maßnahmen der staatlichen Behörden und denen gegenüber den Kriegsverletzten entstehen wird. Diese Bestimmungen sind so streng, daß aus einem Übergenusse nicht nur die Altersrentner selbst regreßpflichtig werden, sondern daß auch Personen, die mit ihnen in einem Familienverhältnis stehen, ersatzpflichtig werden könnten. Wir haben im Ausschusse auf die Schwierigkeiten, die aus diesen Bestimmungen kommen können, verwiesen, wir sind aber nicht gehört worden und von der Mehrheit sind auch diese Bestimmungen unverändert angenommen worden.

Wir können nicht die Meinung teilen, die vor wenigen Augenblicken Koll. Zajièek geäußert hat, daß dieses Gesetz immerhin einen Fortschritt in der sozialen Behandlung dieser Kategorie von Personen darstelle. Ein Gesetz, das sich derart als eine Lästerung des Gedankens der sozialen Versicherung ausdrückt, ist unter keinen Umständen als Fortschritt zu bezeichnen. Eine solche Verlästerung des sozialen Gedankens ist ein Beweis, wie stark man sich in sozialreaktionärer Beziehung fühlt, um die Sozialpolitik abzubauen, anstatt sie aufzubauen und wirklich heilsam zu wirken. Der staatsfinanzielle kategorische Imperativ ist auch für die letzte Fassung des Gesetzes maßgebend gewesen. Wir geben zu bedenken, ob der staatsfinanzielle kategorische Imperativ bei sozialen Gesetzen immer so schneidig angewandt werden soll, ob es nicht wertvoller und auch vernünftiger wäre, das strenge Gebot der Sparsamkeit bei anderen Angelegenheiten walten zu lassen als bei Angelegenheiten, mit denen das Schicksal von Abertausenden, sozialschwachen Menschen verbunden ist. Wir können das Gesetz nicht als annehmbar betrachten und müssen es in dieser Form ablehnen, zumal auch unsere Abänderungsanträge abgelehnt worden sind.

Noch eines. Auch wir müssen, wie Koll. Zajièek es getan hat, die verantwortungsvollen Faktoren ermahnen, den großen weiteren sozialen Aufgaben die gegenwärtig drängen, ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Nur haben wir eine bessere Möglichkeit an die Staatsverwaltung zu appellieren, als Koll. Zajièek. Koll. Zajièek, der hier diesen Appell an die staatliche Verwaltung gerichtet hat, will in einer Rede nicht eingestanden haben, daß er selbst ein Teil dieser Staatsverantwortung ist wodurch er mitschuldig wird. Das darf er nicht übel vermerken, wenn wir das feststellen, denn es ist unsere Aufgabe, die Staatsverwaltung anzurufen, in die Dinge hineinzuleuchten. Wir müssen das feststellen, wenn wir die sich gegenüber den drängenden sozialen Problemen mit Aufmerksamkeit und Bereitwilligkeit einzustellen Unser Appell ist etwas anderes als der Appell des Koll. Zajièek, der die Öffentlichkeit nur täuschen will über die Mängel an praktischer und faktischer Verantwortung auf seiner Seite und auf Seite seiner Partei, jene Verantwortung, aus der unserer bescheidenen Meinung nach die Lösung der gegenwärtigen sozialen Fragen kommen müßte. Zu diesen sozialen Fragen gehören auch die von Koll. Zajièek genannten Fragen. Vor allem die Fragen der Kriegsinvaliden und besonders der Schwerstinvaliden. Diese Probleme löst man nicht durch irgendwelche Versicherung der Bereitwilligkeit, sondern indem man die Möglichkeit in die Tat umsetzt. Koll. Zajièek hat diese oder eine ähnliche Versicherung bestem Willens gegenüber dem Problem der Kriegsverletzten vor Jahr und Tag abgegeben, als wir die Novelle zum Kriegsbeschädigtengesetz vorgelegt haben, wonach wiederum eine neue Einkommensgrenze festgelegt werden sollte. Damals war Koll. Zajièek und seine Partei nicht imstande, eine bescheidene Erhöhung der Einkommensgrenze oder die Angleichung der Einkommensgrenze fü jene Kriegsverletzten, die selbständig tätig sind, durchzusetzen. Wir können also dem Herrn Koll. Zajièek und den anderen Herren seiner Partei und der Regierungsparteien überhaupt gleichgültig ob deutsche oder èechische, nicht ersparen, sie verantwortlich zu machen für das Ausbleiben der Lösung dieser Probleme, des Kriegsbeschädigtenproblems ebenso gut wie des nunmehr immer dringender werdenden Problems der Existenzsicherung der Staatsbeamten, der Lehrer, der Festbesoldeten überhaupt. Als im Jahre 1926 das letzte Besoldungsgesetz beschlossen wurde, waren die geistigen Schöpfer dieses Gesetzes der Meinung, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse konsolidieren würden. Nur in dieser Annahme waren auch sie der Meinung, daß das Gesetz genügen würde. Nun ist die Entwicklung des Staates seit 1926 eine andere geworden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich verdichtet, die Verhältnisse für die Staatsbeamten und Lehrer sind aus diesem Grunde unerträglich geworden und wer nur einigermassen sich bemüht, hinter die Kulisse trügerischen Scheins zu schauen, die diese ständig in falscher Scham noch vor ihre Existenz gerückt halten, dem werden Menschenschicksale klar und deutlich, wie solche Menschenschicksale seit Jahr und Tag in diesen Ständen nicht vorhanden gewesen waren. Wir sind verpflichtet, hierauf aufmerksam zu machen und die Lösung der Gehaltsfragen der Staatsangestellten und Lehrer als eine dringliche zu bezeichnen und von der Regierung zu fordern.

Gewiß gehören hieher auch die anderen Fragen wie Koll. Zajièek des weiteren erwähnt hat, sie gehören mit zu jenen, hinter denen wir mit warmen Interesse stehen, u. a. auch die Frage der Rechts- und materiellen Verhältnisse der Ruheständler. Wir brauchen nicht zu wiederholen, wie sehr wir die letzten Jahre wirksam gewesen sind, um auch diese Frage einer Lösung zuzuführen. Die bescheidene Lösung, wie sie im Altpensionistengesetz gegeben wurde, ist keine Lösung. Die Lösung der Frage der Ruheständler wird ein Erfolg nur in dem Augenblick sein, wo es zur vollständigen Vereinheitlichung ihrer Bezüge gekommen sein wird. Staatsangestellte, Lehrer, Ruheständler und Kriegsverletzte stehen vor dem Tor des Staates, sie pochen an dieses Staatstor, um die Leiter des Staates, die hinter diesem Tor stehen, aufmerksam auf ihre Verpflichtungen zu machen. Wir sind hier Dolmetsche ihrer Interessen, auch wir machen die Staatsverantwortung auf die Dringlichkeit der Lösung der Probleme aufmerksam und ich verweise auf die Notwendigkeit, noch in diesem Jahre dieses Problem zu lösen.

Ich habe also zunächst Stellung genommen zum Gesetzesantrage der Regierung betreffend die Altersunterstützung der Überalterten. Ich wiederhole, daß wir diesem Gesetzesantrag unser Votum versagen, weil wir die materiellen Bestimmungen als ungenügend betrachten und weil die Behandlung dieses Gesetzes im Fachausschusse nicht einmal die bescheidenen Anregungen auf Verbesserung, die von uns ausgegangen sind, behandelt oder angenommen wurden. Die übrigen sozialen Fragen, die ich in meine Rede eingefügt habe, werden in der nächsten Zeit Gegenstand unserer energischesten Arbeit werden. (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)

10. Øeè posl. dr Schollicha (viz str. 67 tìsnopisecké zprávy):

Meine verehrten Damen und Herren! Sie haben die Ausführungen des Berichterstatters gehört. Meine Auslieferung wird für meine Ausführungen in einer Versammlung am 11. Juni 1927 in Mähr. Ostrau beantragt, weil ich, wie es im Berichte heißt, solche Ausdrücke gebrauchte, daß damit die Immunität verletzt wurde. Ich habe mich zum Worte gemeldet, nicht um mich vielleicht an die Brust zu schlagen und zu rufen: "Pater peccavi, mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa!" sondern um einmal ganz kritisch den Tatbestand zu untersuchen und klarzulegen, warum die Auslieferung beantragt wurde. Nicht vielleicht wegen der Delikte in der Versammlung, sondern aus der tieferen Ursache heraus, um durch ein derartiges Vorgehen die Opposition mundtot zu machen. Es heißt in dem Berichte, ich hätte die Taten der Legionäre in Sibirien kritisiert und mich schmähend über èechoslovakisehe Minister geäußert.

Wir wollen die Sache einmal kurz untersuchen. Allerdings ist es richtig, daß ich mich auf den genauen Wortlaut heute nicht mehr erinnern kann, weil ja seit der Tat ein und dreiviertel Jahre verstrichen sind. Es müssen also zweierlei Gründe vorhanden sein, daß ein so langer Zeitraum verstreichen müßte, bevor der Immunitätsausschuß hier Bericht erstatten konnte, einmal vielleicht der Grund, daß der Immunitätsausschuß keine wirkliche effektive Arbeit leistet. Das ist aber bestimmt nicht richtig, denn wir alle wissen, daß er sehr intensiv und produktiv tätig ist, daß er vielleicht jener Ausschuß ist, der die meiste Arbeit im èechoslovakischen Parlament leistet, wenn wir seine Tätigkeit mit der Tätigkeit jener Ausschüsse vergleichen, wo produktive Gesetze für die Èechoslovakei geschaffen werden und besonders mit dem Schulausschusse, der in allen heiligen Zeiten einmal zusammentritt, so müssen wir sagen, daß er in intensivster Tätigkeit begriffen ist. Dieser Grund fällt also weg. Der Ausschußarbeit. Die Tagesordnung zeigt uns das zur Genüge. Ich habe mir die Mühe genommen, alle Tagesordnungen der letzten Jahre durchzusehen und habe gefunden, daß fast keine Sitzung vorübergeht, wo nicht eine ganze Reihe von Immunitätsangelegenheiten behandelt wird. Manchmal sind nur ein bis zwei Punkte auf der Tagesordnung, dafür aber zehn bis fünfzehn Immunitätsfälle. Also muß ein zweiter Grund für die lange Verzögerung vorhanden sein, der darin besteht, daß der Immunitätsausschuß seine Arbeit infolge der Fülle des Materials nicht leisten kann. Und das ist tatsächlich so. Ich glaube, daß in keinem Parlamente so viel Immunitätsfälle anhängig gemacht werden, wie im èechoslovakischen Parlamente. Hat das nun seinen Grund darin, daß vielleicht hier in diesem Staate eine schärfere Kritik geübt wird, als anderswo? Bestimmt nicht. Ich habe die Äußerungen und Reden von Abgeordneten in anderen Staaten verfolgt und mußte feststellen, daß deren Kritik bestimmt nicht weniger scharf war, als sie oftmals in der Èechoslovakei geübt wird. Woher kommt es nunmehr, daß so viele Fälle bei uns anhängig gemacht werden? Doch lediglich nur deshalb, weil die Auffassung von der Stellung des Abgeordneten und von seiner Tätigkeit hier eine andere ist als anderswo, d. h. mit anderen Worten, daß wir uns hier in dem angeblich demokratischen Staate noch nicht zu jener hohen Auffassung aufgeschwungen haben, wie in anderen Staaten, wo man die Kritik des Abgeordneten begrüßt, weil dadurch verschiedene Mißstände und Übel beseitigt werden, bzw. der Öffentlichkeit bekanntgegeben und dadurch abgestellt werden. Bei uns zu Lande wünscht man keine Kritik. (Posl. dr Koberg: Einen Maulkorb möchte man uns umhängen!) Jawohl, man hört es nicht gerne, wenn da und dort vielleicht Kritik an den Zuständen geübt wird. Wir dürfen darüber nicht erstaunt sein, wenn wir nichteinmal mehr hier im Hause eine Tribüne haben, wo der Abgeordnete frei reden darf. Wenn selbst die Reden im Parlamente der Zensur durch den Hauspräsidenten unterzogen werden, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn draußen jeder untergeordnete Beamte, jeder Aktuar, der vielleicht nicht einmal die deutsche Sprache vollständig beherrscht, sich bei den Versammlungen anmaßt, über Abgeordnete zu Gericht zu sitzen und einen Bericht vorzulegen, der oftmals den Tatsachen direkt widerspricht. Wenn das Haus seine Würde nicht zu wahren versteht, dann läßt sich zum Gegenstand selbst nicht viel sagen, aber ich habe nicht die Aufgabe, die Würde dieses Hauses irgendwie vor der Bevölkerung zu retten.

Nun zum Tatbestand selbst. Es heißt also, daß ich an den Taten der Legionäre Kritik geübt habe. Ich will grundsätzlich feststellen, daß ich zu den Taten der Legionäre, die darin bestanden, daß sie während des Kriegs fahnenflüchtig wurden, daß sie überliefen und dgl. mehr, nichts zu sagen habe. Sie haben den Kampf in ihrer Weise geführt, sie sind zum Feind übergegangen, sie haben sich vielfach in die Reihen des Feindes als Legionäre einreihen lassen und den Kampf gegen Österreich geführt, das ist eine Sache, für die ich vollkommenes Verständnis und sogar Bewunderung aufbringe, deshalb, weil es immerhin eine Großtat ist, dem sicheren Tod im Falle der Gefangenennahme entgegenzusehen, weil die Opferwilligkeit bewundernswürdig ist, bei Einsatz der ganzen Persönlichkeit. Einer ihrer großen Männer Sís hat in seiner Rede am 6. Mai 1921 in Paris diese ihre Stellungnahme erklären und deutlich zum Ausdruck bringen wollen, indem er sagte: "Was ist höher, die Interessen des Staates oder die Interessen des Volkes? Nicht einen Augenblick haben wir daran gezweifelt, daß wir nur Verpflichtungen haben gegen unser Volk und nie und nimmer gegen den Staat und daß wir diese Verpflichtungen erfüllen müssen, ohne Rücksicht darauf, ob wir uns damit eines Verbrechens gegen die geschriebenen österreichischen Gesetze schuldig gemacht haben. Wenn wir diese Gesetze erfüllen, so hätten wir die Sache unseres Volkes geschädigt und uns damit des schwersten Verbrechens schuldig gemacht, des Verrates am eigenem Volke." Eine hohe, ich möchte sagen richtunggebende Auffassung, die darin gipfelt: "Die Interessen des Volkes gehen über die Interessen des Staates". (Souhlas poslancù nìm. strany národní.) Eine Auffassung, die Sie restlos vertreten haben. Sie haben den österreichischen Staat nicht gewollt, Sie haben ihn bekämpft. Wir wollen über Ihre Arbeitsmethoden wie sie es gemacht haben, heute nicht richten. Ich finde es von Ihrem Standpunkt aus durchaus verständlich, daß Sie den Kampf bis zur Vernichtung des österreichischen Staates geführt haben. Dann aber dürfen Sie heute nicht den Richter spielen, wenn dieselbe Auffassung auf der anderen Seite zu finden ist. Denn müssen Sie auch Verständnis für diese Geistesrichtung, für diese geistige Einstellung haben. Sie sind sogar noch viel weiter gegangen. Sie haben erklärt, daß die dem österreichischen Staat geschworenen Eide nicht gelten, u. zw. schon zu der Zeit, als dieser Staat noch bestand und seine volle Autorität besaß. Ich erinnere an ein Beispiel. Der ehemalige Major der österreichisch-ungarischen Armee, der èechoslovakische Staatsbürger Josef Rozum hat später beim Ministerium für nationale Verteidigung angesucht, ihm die Kriegsgefangenenjahre, u. zw. 4, in die Pension einzurechnen. Das Ministerium wies sein Ansuchen mit der Begründung ab, es stehe ihm auf Grund des § 96, Abs. 6 des Versorgungsgesetzes vom Jahre 1922 ein Anspruch auf Einrechnung der in Gefangenschaft verbrachten Jahre nicht zu, weil er der Bedingungen dieses Gesetzes, nämlich freiwilligen Eintritt in die èechoslovakische Legion nicht entsprochen hat. Der Gesuchssteller hat sich nämlich erst nach dem Umsturz zur èechoslovakischen Armee gemeldet. Der Major brachte eine Klage beim Obersten Verwaltungsgericht wegen Anerkennung seiner Ansprüche ein und erklärte darin, daß er ja gar nicht vor dem 28. Oktober 1918 die Möglichkeit hatte, in die Legion einzutreten, weil er sich durch seinen dem österreichischen Heere und dem österreichischen Kaiser gecchworenen Eid gebunden fühlte. Als dieser Eid aufgelöst wurde, sei er sofort in die Legion eingetreten. Der Vertreter des Ministeriums für nationale Verteidigung führte demgegenüber damals beim Obersten Verwaltungsgericht aus, daß der seinerzeitige österreichische geschworene Eid für einen Èechen nicht bindend war und daß es Pflicht des Beschwerdeführers gewesen wäre, noch vor dem Umsturz in Rußland in die Legion einzutreten. Dadurch habe er den Anspruch verwirkt, d. h. also, die früher Österreich geleisteten Eide waren immer als ungültig anzusehen.

Ihre Mentalität mit Ihren Ansichten über Eide u. s. w. greift also selbst in die Zeit des Bestandes des österreichischen Staates noch weit zurück und zeigt mit anderen Worten, daß alle Eide, wem immer sie geschworen worden waren, wenn sie den Interessen des Volkes zuwiderlaufen, niemals verpflichtend sind.

Das habe ich bestimmt in meinen Ausführungen nicht kritisiert, weil dies meinen Ansichten durchaus widerspräche. Ich erkläre noch einmal, daß ich für diese Taten der Legionäre volles Verständnis jederzeit aufgebracht habe. Wenn ich eine Kritik übte, so nur in jenen Fällen, die sich vielfach ereignet haben, als die èechoslovakischen Legionen in Rußland und in Sibirien tätig waren und eine Reihe von Taten vollbrachten, für die sie wahrscheinlich, soweit sie wahr sind ich gebe zu, daß vieles übertrieben ist - bestimmt niemals die Verantwortung werden tragen wollen. Jeder anständige Èeche wird von derartigen Dingen abrücken. Ich werde es mir ersparen, auf diese Dinge hier ausführlich einzugehen. Es sind darüber bereits Bücher geschrieben worden und es wird auch in Zukunft noch viel darüber geschrieben werden. Ich verweise in diesem Zusammenhange auf die Verbrechen, die in einer Interpellation des Koll. Brunar in der ersten Wahlperiode, Druck 3808, dargestellt worden sind und die einem gewissen Miloslav Julinek, der ehemals èechoslovakischer Legionär in Wladivostok war, zugeschrieben werden, dem man die Erschießung von 16 Musikern zur Last legt, ferner die Ermordung von zwei schwedischen Staatsbürgern, die Ermordung eines Estländers namens Korf, eines Gefreiten Geibel und einer ganzen Reihe anderer Personen. Außenminister Beneš hat damals auf diese Interpellation geantwortet und hat die Verantwortung von sich geschoben. Es ist später aber noch eine ganze Menge von Material zu diesem Gegenstande bekannt geworden und hat den Beweis erbracht, daß die Darstellungen über die Schandtaten dieses Menschen vollauf richtig und berechtigt waren. Auf der Hauptversammlung der Reichsorganisation zur Heimbeförderung von Kriegsgefangenen am 7. Mai 1922 in Leitmeritz trat ein Kriegsgefangener namens Kuß aus Teplitz auf, der durchaus die Richtigkeit des Tatbestandes bestätigte. Sie wissen weiter, ohne daß ich auf Einzelnheiten eingehe, daß im Deutschen Verlag für Politik und Geschichte in Berlin ein Buch erschienen ist, u. zw. von der schwedischen Philanthropin und Delegierten des schwedischen Roten Kreuzes Elen Brentström, u. zw. unter dem Titel: "Kriegsgefangene in Rußland und Sibirien 1914 bis 1920". In diesem Buche ist ein Kapitel enthalten: "Die Kriegsgefangenen in Sibirien 1916 bis 1919", wo gleichfalls die Taten der èechoslovakischen Legionäre im Einzelnen besonders scharf kritisiert werden. Ich erinnere weiters in diesem Zusammenhang an einen Artikel der "Rovnost" vom 5. Feber 1922, ohne auf die Einzelheiten dieses Artikels einzugehen, wo aus einer èechisch-amerikanischen Veröffentlichung eine Menge schrecklicher Details erzählt werden, und zwar über Samara, wo geradezu blutige Orgien gefeiert wurden, und wo von Massenmetzeleien, von unerhörten Grausamkeiten, von Raub und Plünderungen die Rede ist. Ich will das alles heute hier nicht untersuchen, aber ich bin überzeugt, daß Sie selbst und jeder anständige Legionär von diesen Dingen vollständig abrücken muß. Ich will weiters die Interpellation erwähnen, die der Abg. Dr Lodgman seinerzeit im früheren Abschnitt der Parlamentssession unter Druck 5211 eingebracht hat und die sich auf eine Nachricht in der Osteuropäischen Korrespondenz Nr. 11 vom 4. Mai 1925 bezog, betreffend das Schicksal des damaligen russischen Goldschatzes, wobei die Anfrage gestellt wurde, ob es richtig sei, daß dieser ehemalige russische Goldschatz von 32  1/2 Mill. Dollars soviel war zum Schluß noch vorhanden - tatsächlich von den Legionären mit nach Hause gebracht wurde und nunmehr die Grundlage der Legionärbank bildet. Leider ist diese Interpellation von Dr Beneš nicht beantwortet worden. Ich verweise in diesem Zusammenhange auch auf eine Darstellung in er russischen Zeitung "Dìlo Rossiji", die sich ausführlich mit den verschiedenen Taten der Legionäre in Rußland beschäftigt und behauptet vieles, was in Rußland bei den verschiedenen Kreuz- und Querzügen im Lande durch die Legionäre mitgenommen wurde, dann in Eisenbahnzügen heimbefördert wurde. Das Gleiche ist ja bekanntlich auch im Prozeß Gajda zutage gefördert worden.

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