Hohes Haus! Uns liegt der dritte Entwurf eines
Gesetzes vor, nach welchem alle Personen, die am 1. Juli 1926
das 60. Lebensjahr erreicht oder überschritten hatten, mit
dem 65. Lebensjahre, falls sie nach ihrem Berufe dem Arbeitersozialversicherungsgesetze
vom 9. Oktober 1924 oder dem Sozialversicherungsgesetz für
die selbständig Erwerbenden vom 10. Juni 1925 unterliegen
würden und falls sie arbeitslos und mittellos sind, eine
Rente erhalten. Das Gesetz wird sich deshalb nicht nur auf Überalterte
aus Arbeiterkreisen, sondern auch auf selbständig Erwerbende
beziehen. Dies ist ein Vorzug des Gesetzes, es wird allen Ständen,
auch unseren bürgerlichen Ständen gerecht. Das neue
Gesetz wird, wenn es in Wirksamkeit tritt, nicht so tief und schwer
in das Wirtschaftsleben eingreifen, da teilweise Geldfonde hiefür
bereits aus der Vergangenheit vorliegen und da es sozusagen ein
mit den Jahren absterbendes, erlöschendes, endendes Gesetz
ist, das nicht wie andere Gesetze die Belastungen von Jahr zu
Jahr ins Unermeßliche steigert, sondern zum Abbau derselben
führt, da der Tod unter diesen überalterten Menschen,
seine rasche, unerbittliche schwere Ernte hält. Mit 1. Jänner
1929 würde die Zahl der zu Unterstützenden 160.000 betragen.
Der Aufwand des Staates wird in zehn Jahren von 42 Millionen auf
jährlich 16 Millionen fallen und wie auch jede Staats- und
Gemeindegiebigkeit endlich vollständig erlöschen, da
ja die nachkommenden Generationen bereits von der Sozialversicherung
restlos erfaßt sind. Böhmen, Mähren, die Slovakei
und Karpathorußland zeigen nach den Erhebungen so überaus
verschiedene Verhältnisse, die tatsächlich ganz eigenartig
anmuten und so recht zeigen, wie wir auch in sozialer und kultureller
Beziehung ebenso rückständige Gebiete besitzen, wie
sie das alte Österreich in seinen bosnischen und anderen
Gebieten besaß. Unter 1000 Einwohnern hat bislang Böhmen
17 arme unterstützte Personen, Mähren 15, die Slovakei
4 und Karpathorußland 1. In Böhmen schlägt leider
der Gau Karlsbad den Rekord mit 21.3
Personen auf 1000 Einwohner, der Gau Pilsen mit 20.4
Personen steht an dritter, Budweis an vierter Stelle, also Gaue,
die, was die Landbevölkerung betrifft, mit den reichen Gebieten
des Innenlandes keinen Vergleich aushalten. Die staatliche Unterstützung
wird den Unterstützten und den Gemeinden dieser und aller
Gaue wohl tun, wenn sie selbst in den Gemeindestuben die Anträge
charaktervoll und human, aber auch streng nach den Tatasachen
erstatten, denn diese Unterstützungen, die die Gemeinden
bisher meist mutterseelenallein leisten mußten, sind nunmehr
auch auf den Staat teilweise übertragen. Die Gemeindegiebigkeiten
sind im ganzen Staat auf 5.5
Millionen berechnet und steht dem gegenüber ein Staatszuschuß
von 42,300.000 Kè im ersten Jahre, so daß der Staat,
der bisher den Gemeinden keinen Groschen gab, zum erstenmale denselben
mit dieser 42 Millionenbeihilfe beispringt. Es ist kein immenser
Betrag, aber es ist doch etwas, das sich als
erste Lieferung, wenn ich so sagen darf, sehen lassen kann. Alles
in allem wird der Staat bis zum Erlöschen des Gesetzes gegen
400 Mill. den Gemeinden beisteuern. Überdies betragen die
Gemeindegiebigkeiten, wenn man die anderthalb Millionen, die die
Großkommunen über 50.000 Einwohner leisten, abzieht,
im ganzen Reiche bloß kleine 4 Millionen. Den von mancher
bürgerlicher Seite geäußerten Wunsche, die Gemeinden
zu einer vermehrten Beitragsleistung heranzuziehen, haben wir
mit Rücksicht auf die tristen Gemeindefinanzen von vornherein
strikt und unbedingt abgelehnt. Die Gemeindezuschüsse sind
nach der Einwohnerzahl gestaffelt und ist dies gerecht, denn in
den Großstädten hat die Mehrzahl der vom flachen Lande
abflutenden ihre junge Arbeitskraft verbraucht und dort Werte
geschaffen und daher hat diese Großstadt auch vor allem
die Pflicht, dieses ernste Moment ins Kalkül zu ziehen (Souhlas.)
und dies um so mehr, als alle Gelder des Staates in erster
Linie für die Großstadt mobilisiert werden.
Die alten Entwürfe erhielten auch darin eine Verbesserung,
daß Bewerber im gemeinsamen Haushalt, falls sie hilflos
sind, beide mit 500 Kè Staatsbeitrag bedacht werden, während
die alte Koalition hiefür nur 300 Kè vorsah. Die geringste
Jahresrente für eine Person wird
in Gemeinden unter 2000 Einwohnern, falls nicht ein auf einem
Rechtstitel basierender Betrag in Abzug kommt, einschließlich
des Gemeindezuschlages 550 Kè betragen, bei zwei nicht
hilflosen Personen 660 Kè und bei zwei fremder Hilfe bedürftigen
Personen 1100 Kè. Daß eigene Entscheidungskommissionen
über die Auszahlung der Unterstützungsbeiträge
nicht geschaffen wurden, begrüssen wir, denn dadurch wäre
der Apparat nur unnütz verteuert worden. Die Bezirksbehörde
und der Bezirksausschuß genügen
zur Ausübung des Kontrollrechtes über die Gemeinden
vollkommen. Schon durch das Gesetz vom 22. Dezember 1920, Nr.
683 Slg. d. G. u. Vdg., welches Gesetz die Errichtung eines Fonds
beim Ministerium für Landwirtschaft zur Beschaffung künstlicher
Düngemittel im Jahre 1921 vorsah, wurde diesem Fond im §
11 auch das Recht eingeräumt, aus dem Nonnenkatastrophenholz,
aus außerordentlichen Wäldererträgnissen der Periode
1920/21, ausschließlich des Rechtes des Ankaufes, eine weitere
Einnahme zu erzielen, aus welcher speziellen Einnahme, die aber
nicht auf Gau-, Bezirks-, Gemeinde- und Urbarialwälder und
Waldbesitzer bis 30 ha sich bezog, 30 Millionen für die Überalterten
reserviert und an das Ministerium für soziale Fürsorge
abgeführt wurden, welches Ministerium seither diesen Betrag
verwaltet. In Anlehnung daran ging das Gesetz vom 21. Dezember
1921, Nr. 483, noch weiter. Es bestimmte für die Zwecke der
in Vorbereitung befindlichen Alters- und Invalidenversicherung
der Überalterten einstweilen einen Betrag von 130
Mill. Kè. In diesem Betrag sind die 30 Mill. des Kunstdüngerfonds
enthalten und die anderen verbleibenden 100 Millionen waren aus
dem Ertrag der allgemeinen Steuer vom Umsatz und von Arbeitsleistungen
und teilweise von der Luxussteuer, Gesetz vom 12. August
1921, Nr. 321 Slg. d. G. u. V., vorgesehen oder sollten eventuell
teilweise auch durch Kreditoperationen des Finanzministeriums
beschafft werden. Diese Geldquellen haben aber nach dieser Richtung
hin versagt und es müssen diese Summen aus den Ersparungen
im Voranschlag und aus anderen staatlichen Einkünften nunmehr
besorgt werden. Das vorliegende Gesetz ist die Auswirkung eines
Resolutionsantrages, der am 4. Juli 1925 eingebracht wurde. Es
liegt also hier einer jener Fälle vor, wo einem Resolutionsantrag
entsprochen wurde, dies jedoch mit der Einengung, daß eine
weitergehende Fürsorge nicht ohne Erschütterung und
nicht ohne Störung des budgetären Gleichgewichts möglich
sei. Da vornehmlich der Staatsschatz die überwiegenden Leistungen
auf sich nimmt, so stimmen wir im Interesse der Gemeinden, der
Bedürftigen und der Steuerträger dafür, und wie
gesagt, liegt es in der Hand der Gemeinde selbst - das wurde erreicht
- und in der Hand des Bezirksamtes, hier vollkommen gerecht zu
handeln. Die Männer, die in der Gemeindestube sitzen, haben
das erste maßgebende Wort und dies ist gewiß eine
gute charaktervolle Bestimmung, da die Gemeindevertreter ja die
Verhältnisse genau kennen. Es ist auch ein Stück von
Selbstverwaltung, ein Erfolg, trotzdem man alle unsere Erfolge
von anderen Seiten hier negiert.
Ich konstatiere ferner, daß aus diesem
neuen Entwurfe wenigstens jene unhaltbare, früher geplante
Bestimmung eliminiert ist, nach welcher die alimentationspflichtigen
Anverwandten für den Schaden bis zur Höhe der widerrechtlich
empfangenen Altersunterstützung haften mußten, ebenso
für die Sünden und Versäumnisse eines anderen hätten
ungerechterweise büßen müssen. Ich buche dies
als einen Erfolg des Landeskulturrates, welche Behörde in
ihrem zu den alten Entwürfen ausgearbeiteten Gutachten
sich gegen eine solche drakonische Maßregel entschieden
wandte. Angenehm berührt auch die Bestimmung, daß diese
staatlichen Altersunterstützungen auch èechoslovakischen
Staatsbürgern gewährt werden können, die im Auslande
wohnen. Ebenso können bei uns Ausländer
den Staatsbeitrag erhalten, falls ihr Staat in gleichem Sinne
handelt. Auch damit ist einer Forderung, die wir gleichfalls stellten,
Raum gegeben worden.
Notwendig ist jedoch nach jeder Richtung hin,
daß einmal die Steuerbehörden dringlich beauftragt
werden, die Umlagen den Gemeinden rechtzeitig zu überweisen
und Vorschüsse zu geben. Daß alle rechtlichen Verhandlungen,
amtlichen Verrichtungen und Urkunden, die zum Verfahren über
die staatlichen Altersunterstützungen, einschließlich
des Gemeindeausschusses, nötig sind, stempel- und gebührenfrei
sind, ist eine wesentliche Erleichterung für die Bedürftigen
und für die Gemeinde. Hier haben mit Recht fiskalische Interessen
in den Hintergrund zu treten.
Die Herren der Opposition haben, soferne sie
der früheren Koalition angehörten, kein Recht und keinen
sachlichen Grund, uns Vorstellungen und Vorwürfe zu machen,
sie haben nicht die geringste Ursache, an dieser Vorlage zu mäkeln.
Denn die Vorlagen, die sie uns seinerzeit unterbreiteten, standen
in weitem Abstande gegen diese neue Vorlage zurück, und ich
habe die einzelnen Umstände, durch die sich die neue Vorlage
von den alten Vorlagen unterscheidet, bereits hervorgehoben. Die
alte Koalition hat es verabsäumt, das Wenige zu geben, das
sie verheißen hatte, und ließ ihre Vorlagen in den
Schränken überhaupt schlummern. Sie hatte nach dieser
Richtung hin vollkommen versagt, und sie hat daher kein Recht,
sich jetzt in einen Überschwang von Behauptungen und Anwürfen
zu ergehen. Die neue bürgerliche Koalition hat das und noch
mehr gebracht, was die alte Koalition durch Jahre versprochen,
aber nicht gehalten hat. Nicht Ihnen daher, sondern uns müssen
diese Veteranen der Not und mit ihnen auch die Gemeinden verbunden
sein. Wir geben wenig, Sie aber gaben nichts. Wir werden daher,
bewußt der übernommenen Verantwortung, für dieses
Gesetz stimmen. (Potlesk poslancù klubu "Bund
der Landwirte".)
Hohes Haus! Alle èechoslovakischen Regierungen haben versprochen,
den Überalten zu helfen. Im Jahre 1920 wurden 30 Millionen
Kè, im nächsten Jahre unter gewissen Bedingungen,
die allerdings nicht eingetroffen sind, 130 Millionen Kè
für diesen Zweck in Aussicht genommen. Endlich wurde im Mai
1926 unter dem Minister Dr Schieszl ein
Regierungsantrag unter Drucknummer 279 vorgelegt. Der sozialpolitische
Ausschuß lehnte die Vorlage einmütig ab, und zwar nicht
nur aus materiellen Gründen, sondern auch deshalb, weil diese
Altersunterstützung als Anhängsel der Armenversorgung
gedacht war. Die Vorlage wurde von der Regierung zurückgezogen
und im Dezember 1928 wurde ein neuer Gesetzentwurf (Druck Nr.
1897) vorgelegt.
Wer erhält die Rente? Èechoslovakische Staatsbürger,
die älter sind als 65 Jahre, sofern sie mittellos und arbeitsunfähig
sind. Ferner wird gefordert, daß sie, wären sie jünger
als 60 Jahre, unter das Gesetz Nr. 221 vom Jahre 1924 über
die Versicherung der Unselbständigen oder unter das bisher
nicht in Kraft getreten Gesetz Nr. 148 v. J. 1925 über die
Versicherung der wirtschaftlich Selbständigen fielen. Dieses
Gesetz kommt also nicht nur ehemaligen Arbeitern, sondern auch
ehemaligen Kleinlandwirten und Kleingewerbetreibenden zugute.
Niemand hat auf die Rente Anspruch. Vergebens
hatten wir gefordert, daß dieser Ausdruck gestrichen, bzw.
daß er in das Gesetz nicht aufgenommen werde. Diese Bestimmung
wurde vor allem deswegen in das Gesetz hineingegeben, um Berufungen
bis an die oberste Instanz zu erschweren. Interessant ist übrigens
auch, daß der Initiativantrag Druck Nr. 478 des èechischen
Nationalsozialisten Tuèný diese
Bestimmung enthält. Der Regierungsentwurf trennt die Rente
der Überalten von der Armenversorgung, er erhöht die
Rente gegenüber dem Entwurf Schieszl. Auch
èechoslovakische Staatsbürger, die im Auslande
leben, ferner Ausländer, die in diesem Staate wohnen, können
diese Rente erhalten. Das sind Verbesserungen gegenüber dem
Regierungsantrag Schieszl.
Wer bekommt keine Rente? Trunkenbolde, Vagabunden,
Arbeitsscheue und Personen, die das Wahlrecht verloren haben.
Die Befürchtung, es könnten z. B. Angehörige einer
bestimmten politischen Partei grundlos als Arbeitsscheue bezeichnet
werden, um sie um die Rente zu bringen, diese Befürchtung
scheint unbegründet zu sein.
Wieviel erhalten die Rentner? Jeder erhält 500 Kè.
Wird die Unterstützung zwei Personen gewährt, die im
gemeinsamen Haushalt leben, erhält jeder nur 300 Kè.
Über unseren Antrag wird dieser Betrag dann mit 500 Kè
belassen, wenn beide so hilfsbedürftig sind,
daß sie fremde Hilfe benötigen. Diese 500 Kè
zahlt analog dem Staatsbeitrag des Sozialversicherungsgesetzes
der Staat. Dazu kommen noch Zuschläge der Wohngemeinden:
In Orten mit mehr als 50.000 Einwohnern beträgt der Zuschuß
20%, bei Orten mit 2000 bis 50.000 Einwohnern
15%, bei kleineren Orten, nämlich unter 2000 Einwohnern 10%.
Nach den früheren Gesetzen ist weder der Staat, noch auch
die Wohngemeinde verpflichtet, die Armen zu unterstützen.
Das war bisher, wenn wir von den diesbezüglichen Bestimmungen
des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzesbuches absehen, einzig
und allein Sache der Heimatsgemeinde, die natürlich nach
wie vor von ihrer Verpflichtung nicht entbunden wird.
Es ist zu begrüßen, daß durch
das vorliegende Gesetz auch der Staat eine ähnliche soziale
Verpflichtung erhält. Die Zuschüsse der Gemeinden dürften
im ersten Jahre 5 1/2
Millionen Kronen betragen, der Staatsbeitrag wird mit über
40 Millionen Kronen beziffert. Im ersten Jahre dürften gegen
100.000 Personen unter dieses Gesetz fallen. Diese Ziffern vermindern
sich natürlich von Jahr zu Jahr, weil die nachrückenden
Jahrgänge der Arbeiter bereits nach dem Sozialversicherungsgesetz
gesichert sind. Jede Versorgung in Geld oder Naturalien wird von
dieser Rente abgezogen, sofern es sich um Beträge handelt,
die auf einem Rechtstitel beruhen. Personen, die bisher von ihrer
Heimatsgemeinde mehr erhielten, z. B. 100 Kè monatlich,
werden entweder keinen Staatsbeitrag erhalten oder es wird ihnen
die Heimatsgemeinde die bisherigen Beträge unter einem anderen
Titel weitergeben, damit sie den vollen oder fast den vollen Staatsbeitrag
erhalten können. Personen, die von der Heimatsgemeinde z.
B. nur 20 Kè monatlich erhielten, erhalten zumindest außer
diesem bisherigen Betrag auch noch die Differenz zwischen dem
Staatsbeitrage und dem bisherigen Betrage. Die Anmeldung erfolgt
schriftlich auf einem Formular oder mündlich in der Wohngemeinde.
Diese holt ein Gutachten der Heimatsgemeinde ein. Über die
Rente selbst entscheidet die Bezirksbehörde. Wir hatten versucht,
den Antrag durchzudrücken, daß nicht die Bezirksbehörde,
also der Bezirkshauptmann darüber zu entscheiden hat, sondern
eine von der Bezirksvertretung einzusetzende Kommission. Man hat
uns jedoch entgegengehalten, daß es sich hier um Staatsgelder
handelt, die wieder von einem Staatsamt ausgegebenen werden sollen.
Selbstverständlich hat der Gesuchsteller, wenn er abgewiesen
werden sollte, das Recht, bis zur Landesbehörde zu rekurrieren.
Das Gesetz tritt am 1. Jänner dieses Jahres
in Kraft. Wichtig ist die Bestimmung, die im Laufe der Verhandlungen
in das Gesetz hineingenommen wurde, daß der Gesuchsteller
3 Monate nach der Kundmachung dieses Gesetzes das Recht hat, sich
zu melden und ferner das Recht hat auf eine Nachzahlung vom 1.
Jänner d. J. angefangen.
In der Presse und dann auch bei den Verhandlungen
wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß im armen Österreich
diese alten Leute weit besser gezahlt werden, als nach dem uns
vorliegenden Gesetz. Dieses Lob freut uns schon deswegen, weil
in Österreich einer der Unsrigen Minister für soziale
Fürsorge ist. In Österreich erhält die sogenannte
Altersfürsorgerente derjenige, der am 1. Juli 1927 das 60.
Lebensjahr überschritten hat und arbeitslos ist. Nach der
letzten, etwa 3 Monate alten Statistik fielen 33.000 Personen
unter dieses Gesetz. Interessant ist, daß in Österreich
die monatliche Mindesrente 18 Schilling, d. s. ungefähr 86
Kè ausmacht. Das ist sicherlich weit mehr, als die Rente,
die bei uns die Überalten erhalten, aber wir müssen
doch, wenn wir das österreichische Gesetz
mit dem uns vorliegenden Vergleichen, ins Auge fassen, erstens
daß in Österreich in dieser Altersfürsorgerente
in vielen Fällen auch die Alterunterstützung enthalten
ist; zweitens, daß in Österreich das Sozialversicherungsgesetz
bis auf dieses eine Kapitel noch gar nicht in Kraft getreten ist,
und drittens und das halte ich für besonders wichtig daß
in Österreich der Bund am allerwenigsten für diese Altersfürsorgerente
zahlt. 50% dieser Altersfürsorgerente werden in Österreich
gemeinsam von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt,
33% zahlt das Land und nur 17% zahlt der Bund. Wenn wir also diese
17% mit den 500 Kè vergleichen, die bei uns gegeben werden,
so beträgt bei uns der Staatsbeitrag wesentlich mehr, als
in Österreich.
Man hat auch dieses Gesetz dazu benützt
um uns zu verdächtigen. Es sei eine freche Provokation, sagte
man, den armen Teufeln täglich 1.37
Kè zu geben. 1.37 Kè
sind sehr wenig und wir wissen ganz gut, daß von diesen
1.37 Kè (dazu kommen kleine
Zuschläge der Gemeinden) kein Mensch leben
kann. Wir müssen aber feststellen, daß der Staat bisher
auch nicht eine Krone, auch nicht 50 Heller, auch nicht 10 Heller
für diese Armen gegeben hat, so daß das jetzige Gesetz,
mag es noch so bescheiden sein, doch immerhin ein Fortschritt
ist. Wenn Sie bedenken, daß im ersten Jahre gegen 100.000
Personen, sagen wir über 40 Millionen Kronen vom Staate bekommen,
daß das in 6 Jahren 221 Millionen Kronen ausmacht, sehen
wir aus diesen Zahlen, daß man dieses Gesetz doch nicht
so bagatellisieren kann, und Sie sehen auch aus dieser Ziffer,
warum es uns so schwer geworden ist, mit unserem Antrag diesen
Staatsbeitrag zu erhöhen und warum wir mit diesem Antrag
nicht durchdringen konnten. Zum Vergleich führe ich an, daß
der Staat den Arbeitern, die nach dem Sozialversicherungsgesetz
versichert sind, in den ersten 6 Jahren - dabei rechne ich 2 bis
3 Jahre Karenz weg - nicht 220 Millionen Kronen gibt, sondern
204 Millionen Kronen. Gewiß ist dieses Gesetz vom Ideal
ungeheuer weit entfernt. Wir sehen aber, daß es ein Fortschritt
ist und daß uns nicht nur diese armen Leute, die jetzt eine
kleine Rente bekommen werden, sondern auch alle Wohngemeinden
dankbar sein werden. Wenn man uns vorwirft, daß dieses Gesetz
viel zu spät erscheint, so sagen wir, daß dieser Vorwurf
vollkommen ungerechtfertigt ist. Der Vorwurf ist ungerecht, weil
man von der jetzigen Regierung, die 2 1/2
Jahre im Amt ist, alle möglichen Gesetze verlangt, die in
früheren Jahren, wo 7 sozialistische Minister in der Regierung
waren, leicht hätten gemacht werden können.
Mit diesem Gesetz darf die soziale Gesetzgebung
selbstverständlich nicht abgeschlossen sein. Wir haben wiederholt
verlangt, daß endlich einmal die Regierung die Wünsche
der Kriegsinvaliden befriedige. Wir haben verlangt, daß
besonders die Renten der Schwerstinvaliden aufgebessert werden.
Es gibt wohl wenig Staaten, die die Schwerstinvaliden so schlecht
zahlen, wie gerade dieser Staat und wir stellen mit Vergnügen
fest, daß in den letzten Tagen der Fürsorgeminister
ganz einfach im Verordnungswege angeordnet hat, daß den
Schwerstinvaliden eine bescheidene Aufbesserung ihrer Bezüge
zugestanden wird. Wir haben weiters wiederholt verlangt, daß
armen Leuten die Überzahlungen gestrichen werden, daß
gleiche Einkommensgrenzen eingeführt werden und daß
ein neuer Anmeldetermin eingeführt wird. Wenn man uns in
der Öffentlichkeit gerne vorwirft, daß wir von diesen
Forderungen noch nicht eine einzige durchgesetzt haben, so will
ich darauf verweisen, was heute ein Redner der Opposition schon
gesagt hat, daß im Jahre 1926 von dieser Stelle aus der
Finanzminister gefordert hat, daß einem großen Teil
der Invaliden die Renten überhaupt weggenommen werden. Wenn
das bisher nicht geschehen ist, ist das ein Erfolg, den die Invaliden
uns zu verdanken haben.
Die Bruderladen müssen baldigst saniert
werden. Nach wie vor beharren wir auf der Novellierung des Gesetzes
über die Arbeitslosenunterstützung. Die Errichtung von
Schlichtungsämtern zum Schutze der Kollektivverträge
wäre sehr nötig. Wir urgieren auch aufs neue die Novellierung
des Feiertagsgesetzes, und wenn in manchen Zeitungen die Nachricht
verbreitet war, unsere Partei sei gegen die Novellierung, so muß
ich feststellen, daß unsere Partei immer und immer wieder
die baldigste Novellierung dieses Gesetzes gefordert hat und weiter
fordert.
Im Vorjahr wurde durch das Gesetz Nr. 80 den
Altpensionisten eine kleine Aufbesserung gewährt. Damals
bei der Beratung des Gesetzes wurde in der Öffentlichkeit
erklärt, daß eigentlich nur ein ganz kleiner Teil dieser
Ältestpensionisten etwas bekommen wird. Nun, da dieses Gesetz
fast durchgeführt ist, werden alle einsehen, daß diese
Behauptung grundfalsch war. Selbstverständlich ist für
uns mit diesem Gesetze über die Ältestpensionisten die
Pensionsfrage noch lange nicht gelöst. Wir stehen auf dem
Standpunkt, daß zumindest etappenweise die Pensionen der
Altpensionisten denen der Neupensionisten angeglichen werden müssen.
Die Regierung wird sich auch dazu äußern müssen,
wie sie sich zu den Wünschen der aktiven Staatsangestellten
stellt. Wir sind uns dessen bewußt, daß eine großzügige
Sozialpolitik nur dort möglich ist, wo die Staatsfinanzen
geordnet sind und wo Landwirtschaft, Gewerbe, Industrie und Handel
blühen. Der Staatshaushalt ist aktiv, der Industrie geht
es im allgemein sicherlich nicht schlecht. Wir sind davon überzeugt,
daß die Industrie die Ausgaben spielend leicht tragen wird,
die durch das neue Privatbeamtengesetz fixiert worden sind und
wir haben auch die Überzeugung, daß es der Industrie
möglich wäre, jenen zahlreichen Arbeitern, die außerordentlich
schlecht gezahlt sind, die Löhne zu erhöhen. Es muß
unsere fortgesetzte Aufgabe sein, auch die Lage der Landwirtschaft
und des Gewerbes zu verbessern, nicht nur im Interesse dieser
beiden Stände, sondern im Interesse der gesamten Sozialgesetzgebung.
Hie und da hört man, wir betrieben zu viel Sozialpolitik.
Es wurde sogar ein Abbau der Sozialgesetzgebung gefordert. Wer
so spricht, ist ein Schrittmacher des Bolschewismus.
Wir freuen uns, daß das vorliegende Gesetz
endlich zustande kam, wir freuen uns, daß es unserer Partei
gelungen ist, die eine oder andere kleine Verbesserung zu erzielen
und ich erkläre im Namen meiner Partei, daß wir für
diese Vorlage stimmen werden. (Potlesk poslancù
nìm. strany køes.-sociální.)