65 Jahre alt muß man werden, um in den
Genuß dieser Versorgung - was sich Versorgung nennt! - zu
kommen, mittellos muß man sein und arbeitsunfähig muß
man sein. Nach dem Sozialversicherungsgesetz in der ursprünglichen
Form war die Voraussetzung für die Altersrente, daß
man zwei Drittel der Erwerbsmöglichkeit eingebüßt
hat, nach dem Sozialversicherungsgesetz in der durch die Novelle
geänderten Form besteht der Anspruch auf Altersrente, auch
wenn man nur die Hälfte des Verdienstes zu erzielen vermag,
den ein Arbeiter unter den gleichen Verhältnissen ansonsten
erzielt, d. h. die um die Hälfte verminderte Arbeitsfähigkeit
bringt ein Anrecht auf Gewährung der Altersrente bei erreichtem
65. Lebensjahr. Nach der Fassung dieser Vorlage aber ist das anders,
man muß nicht nur mittellos sein, sondern auch erwerbsunfähig
sein. Den Grad der Erwerbsunfähigkeit zu bestimmen, das wird
wieder dem freien Ermessen der Bezirksärzte überlassen.
Und wenn nun der Bürokrat beim Bezirksamt sagt: "Du
bist zwar in Deiner Arbeitsfähigkeit geschwächt, Du
kannst aber noch einem Erwerb nachgehen und bist in der Lage,
mindestens 500 Kè jährlich ins Verdienen zu bringen",
so hat der Bürokrat der Bezirksverwaltung
auch die Möglichkeit, den Anwärter abzuweisen, zu erklären,
daß die Vorbedingungen für den Anspruch nicht gegeben
sind.
§ 2 der Vorlage enthält noch eine
ganze Reihe Bestimmungen darüber, welche Personen von den
Wohltaten dieser Gesetzesvorlage ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen
sind alle Personen, welche dem Trunke ergeben sind, Vagabunden,
arbeitsscheue Personen oder solche, welche bestraft worden sind,
wobei anläßlich der Strafverfügung der Verlust
des Gemeindewahlrechtes oder die Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte ausgesprochen wurde. Während der Zeit, während
welcher ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden
sind oder während der die betreffende Person nicht befugt
ist, das Gemeindewahlrecht auszuüben, darf sie diesen
Bettel, diese Versorgung nicht bekommen, eben weil sie §
2 davon ausschließt. Wir haben aus dem alten Österreich
in die Èechoslovakei u. a. auch das alte Vagabundengesetz
übernommen und wir wissen, wieviele Personen, die nicht als
Vagabunden oder Arbeitsscheue bezeichnet werden
können, auf Grund der Bestimmungen des Vagabundengesetzes
verfolgt und mitunter auch bestraft werden Wenn man es dem Bürokraten
bei der Bezirksbehörde überläßt zu beurteilen,
wer arbeitsscheu und als Vagabund anzusehen ist, dann wird es
schon dazu kommen, daß viele vom Bezug der Unterstützung
ausgeschlossen werden, wo diese Absicht nicht einmal bei den Mitgliedern
der Mehrheit des sozialpolitischen Ausschusses bestanden hat,
und man wird diese Personen weiter dazu treiben, an den Straßenecken
zu stehen, dem Bettel nachzugehen. Sie wissen ja, daß man
auf der einen Seite auffordert, dem Bettelunwesen zu steuern,
den Bettlern keine Gaben zu verabfolgen, sondern an Fürsorgeinstitutionen
Beiträge zu leisten, damit dem Bettlerunwesen ein Ende bereitet
werde, und hier treiben sie diese Personen, wenn Sie ihnen diese
so ärmliche und kärgliche Unterstützung vorenthalten,
direkt dazu, betteln zu gehen. Es müssen ja nicht nur die
betteln gehen, die keine Unterstützung bekommen, sondern
es werden bei diesem Unterstützungsbeitrag bei den heutigen
Verhältnissen auch jene Personen der öffentlichen Mildtätigkeit
noch weiter anheimfallen, die im Genusse der Unterstützung
stehen werden, weil sie mit dem Betrage unmöglich das Auslangen
finden können. Man schafft Körperschaften und Vereine
zur Unterstützung Abgestrafter, um diese abgestraften Personen,
auch Schwerverbrecher, der bürgerlichen Gesellschaft und
dem Erwerbe wieder zuzuführen und um zu verhindern, daß
sie rückfällig werden. Solche Institutionen werden ins
Leben gerufen und die Allgemeinheit wird aufgefordert, sie zu
unterstützen, und hier kommen Sie mit einer Gesetzesvorlage,
die besagt, daß solche Personen, welche zum Verluste der
bürgerlichen Ehrenrechte oder zum Verluste des Gemeindewahlrechtes
verurteilt wurden, nicht einmal dieses Bettels teilhaftig werden
sollen, sie sollen also weiter stehlen oder betteln müssen,
wenn sie nicht verhungern wollen.
Eine weitere Bestimmung betrifft die Frage
der im Auslande lebenden Staatsbürger der Èechoslovakischen
Republik. Man hat sich nicht einmal dazu entschlossen, die im
Auslande lebenden Bürger der Èechoslovakischen Republik
mit den im Inlande lebenden gleich zu behandeln, sondern den im
Auslande lebenden Bürgern der Èechoslovakischen Republik
soll dieser Bettel an Unterstützung nur gewährt werden
können über Entscheidung des Ministers für soziale
Fürsorge im Einvernehmen mit dem Finanzminister. In jedem
einzelnen Falle muß vom Minister für soziale Fürsorge
das Einvernehmen mit dem Finanzminister gesucht werden, um diesen
Personen im Auslande eine Unterstützung geben zu können.
Und nun die Höhe der Unterstützung! 500 Kè jährlich
ist der Betrag, der aus den Mitteln des Staates für die alten
Personen gegeben werden soll. Sie haben kein Anrecht, ist
der Grundsatz, der im § 1 zum Ausdruck kommt, und sie haben
kein Anrecht, sagen die Herren der Mehrheit zur Motivierung der
Festsetzung des niedrigen Betrages, es ist keine Bedeckung vorhanden,
sie haben nichts gezahlt und es bestehe daher keine Verpflichtung,
ihnen mehr zu geben; sie sollen froh sein, daß sie das bekommen!
Als ob nicht die Gesellschaft verpflichtet wäre, für
die Versorgung jener Personen zu sorgen, die sich oft ein Menschenalter
hindurch im Dienste der Gesellschaft geplagt haben, ihre Kräfte
im Dienste der Gesellschaft zur Verfügung gestellt haben
und alt geworden sind und nicht imstande waren, während der
Zeit, wo sie zu arbeiten vermochten, solche Rücklagen zu
machen, daß sie für das Alter geschützt sind.
Die Gesellschaft ist verpflichtet, für diese Personen zu
sorgen, und es ist keine Gnade, die man diesen Personen erweist,
sondern sie haben das als gutes Recht zu beanspruchen. Man vorenthält
ihnen aber dieses Recht und erklärt, daß sie keinen
rechtlichen Anspruch haben und speist sie mit dem Bettel
von 500 Kè jährlich als Gnadengabe ab.
In der Vorlage des Ministers für soziale
Fürsorge war vorgesehen, daß zwei Personen in der Familie
- Mann und Weib - die Anspruch auf die Unterstützung erheben
und bei denen die Voraussetzungen für die Gewährung
gegeben sind, nicht das Anrecht auf den vollen Betrag haben sollen,
sondern daß in diesem Falle die Unterstützung auf je
300 Kè zu erniedrigen sei und beide zusammen höchstens
600 Kè beziehen dürfen. Nun bilden sich die Vertreter
der Mehrheitsparteien ungeheuer viel
darauf ein, daß sie diese so arge Bestimmung der Vorlage
des Ministeriums für soziale Fürsorge geändert
haben. Sie haben nämlich in die Vorlage eine Bestimmung aufgenommen
- die Kürzung auf 300 Kè haben sie gelassen - in der
gesagt wird, daß der gekürzte
Betrag wieder auf 500 Kè erhöht werden kann, wenn
die beiden Personen, welche die Unterstützung beziehen, so
hilflos sind, daß sie fremder Hilfe bedürfen. Diese
beiden Personen können also bestenfalls 1000 Kè pro
Jahr beziehen, und dies nur dann, wenn beide
Personen fremder Hilfe bedürftig sind - es heißt ausdrücklich
in der Bestimmung der Vorlage, daß beide Personen der fremden
Hilfe bedürftig sein müssen. Wenn der Mann oder die
Frau der fremden Hilfe bedürftig ist, dann bekommen sie nicht
mehr die erhöhte Gabe, sondern sie beziehen nach dem Wortlaut
der Vorlage nur die erniedrigte Gabe. Wenn ein Teil auch vollkommen
hilfsbedürftig und auf fremde Hilfe angewiesen ist, bekommen
trotzdem beide Teile zusammen nur 600 Kè, und das nennt
man eine kolossale Verbesserung der Vorlage,
welche mit einer Mehrbelastung verbunden sein wird. Der Herr Berichterstatter
hat uns schon ausgerechnet - er hat es eigentlich nicht ausgerechnet,
sondern nur aus dem Motivenberichte der Regierungsvorlage übernommen
daß im ersten Jahr 48 Millionen Kè aus Mitteln des
Staates für diese Leistungen werden verausgabt werden. Sie
werden sehen, daß auch diese Berechnung des Ministeriums
ziemlich übertrieben ist. Zu diesen Beträgen, die der
Staat aus eigenen Mitteln zu leisten hat, haben
die Gemeinden Zuschüsse zu leisten, und zwar Gemeinden über
50.000 Einwohner 20%, Gemeinden über 2000 bis 50.000 Einwohner
15% und Gemeinden mit höchstens 2000 Einwohnern 10%, wobei
ich gleich bei der Gelegenheit feststellen und zur Begründung
auch eines unserer Anträge sagen will, daß die Selbstverwaltungskörper
überhaupt in ihrer Leistungsfähigkeit durch das Finanzgesetz
arg beschnitten worden sind. Wie ich vorhin bereits sagte, haben
über die Leistungen nach dem Gesetz über diese Staatshilfe,
über die Versorgung, die Bezirksbehörden zu entscheiden,
keineswegs eingesetzte Kommissionen, keineswegs mit der Bevölkerung
in engerer Fühlung stehende Personen. Es ist im Gesetz bestimmt,
daß die alten Personen kein Anrecht haben, daß es
ganz dem freien Ermessen dieser Behörden unterliegt, die
Unterstützungen zu geben.
Sie werden also zugeben, daß wir aus
all den Gründen keine Ursache haben, dem Gesetz zuzustimmen,
sondern daß wir uns, sollten unsere Abänderungsanträge
abgelehnt werden, nicht dazu entschließen können, für
dieses Gesetz, das die Bevölkerung mit einem Bettel abspeist,
die Hand zu erheben. (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Meine Damen und Herren! Ehe ich mich in meinen
Ausführungen mit der Regierungsvorlage, Druck 1897, beschäftige,
habe ich die Ehre, im Namen und im Auftrag des parlamentarischen
Klubs der deutschen Nationalpartei nachfolgende Erklärung
abzugeben:
Am 4. März jährt sich zum zehntenmale
für uns Sudetendeutsche ein Tag des Entsetzens und der Trauer.
Für den 4. März 1919 war nach Wien die konstituierende
Nationalversammlung der Republik Deutsch-Österreich einberufen.
Zu dieser Zeit war die Grenze [Další slova
Byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy. Viz str. 76 této tìsnopisecké
zprávy.] noch
durch keinen Frieden oder einen anderen völkerrechtlichen
Akt festgelegt. Trotzdem am 29. Oktober 1918 die auf Grund des
allgemeinen Wahlrechtes gewählten deutschböhmischen
und sudetenländischen Reichsratsabgeordneten die ein geschlossenes
Sprachgebiet bildenden Grenzgebiete von Böhmen, Mähren
und Schlesien aus freiem Volkswillen als einen Bestandteil der
neugeschaffenen Republik Deutsch-Österreich erklärten,
verhinderten die Èechen [Další slova byla
usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze
dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] die
Wahl in die konstituierende Nationalversammlung in Wien. Zum Protest
[Další slova byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] wollten
die Sudetendeutschen n och einmal feierlich vor der ganzen Welt
ihre Zugehörigkeit zum deutschösterreichischen Staat
und damit zum deutschen Gesamtvaterlande eindrucksvoll bekunden
und veranstalteten in allen Städten der sudetendeutschen
Länder am 4. März 1919 große Kundgebungen für
das Selbstbestimmungsrecht des Sudetendeutschtums. Der Prager
Regierung waren diese angekündigten Volkstage höchst
zuwider, weil um diese Zeit Dr Beneš und Dr Kramáø
mit einem Stab von Beamten in den Westländern
und in den Pariser Vororten mit Hilfe [Další
slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] eines Mémoire
III wichtige Vorarbeit für die Friedenskonferenz zu leisten
hatten. Aus diesem Grunde erging von Prag der Befehl an die èechischen
Besatzungen der deutschen Städte, solche Versammlungen zu
verbieten und mit allen Mitteln zu verhindern, zu welchem Zwecke
die sogenannten èechischen Truppen reichlich mit Munition
[Další slova byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] ausgestattet wurden.
Und als sich trotz der èechischen Drohungen die deutsche
Bevölkerung nicht einschüchtern ließ und ungeheure
Volksmassen. Angehörige aller Parteien und Klassen, unbewaffnetes
Volk am 4. März 1919 zu den Versammlungen
strömte, da begann [Další slova byla
usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze
dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] aus
Maschinengewehren auf die Deutschen zu schießen. 57 Tote,
darunter 16 Minderjährige und Kinder, blieben auf dem Platze.
Das Ringen der Rechtlosen um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit
hat furchtbare Opfer gefordert. Arnau, Aussig, Eger, Kaaden, Mies,
Karlsbad und Sternberg in Mähren trauerten um ihre besten
Volksgenossen. Bei dieser Gelegenheit gedenken wir auch der deutschen
Blutzeugen, die vor und nach dem 4. März 1919 gewaltsam ihr
Leben lassen mußten. In Wiesa-Oberleutensdorf, in Gastorf
bei Leitmeritz, in Brüx, in Mährisch-Trübau, in
Kaplitz, bei der Besetzung durch eindringende èechische
Truppen, in Znaim bei Auflösung einer deutschen Versammlung,
in Preßburg beim Sprengen einer sozialdemokratischen Versammlung
durch èechische Legionäre, in Freudenthal beim Auflösen
eines allgemeinen deutschen Volkstages, in Oblas bei Znaim durch
Angriff einer Militärpatrouille, in Pilsen beim Einzug des
Präsidenten Masaryk, in Pohrlitz (Südmähren)
[Další slova byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] auf
eine deutsche Bauernversammlung, in Leitmeritz und Iglau [Další
slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] auf
eine deutsche Sonnwendfeier, in Zuckmantel bei der zwangsweisen
Einziehung deutscher Rekruten, in Asch bei der Zerstörung
des Kaiser Josef-Denkmals, [Další slova
byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.],
in Aussig bei der Auflösung einer deutschen Protesttagung
gegen die Übergriffe der èechischen Legionäre,
in Graslitz beim Widerstand der deutschen Bevölkerung gegen
die Mobilisierung und in Freudenthal beim Sturz des Kaiser Josef-Denkmals.
[Další slova byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] 117
deutsche Todesopfer stehen an der Wiege dieses Staates. Die Zahl
der Schwerverwundeten, der Krüppel, Witwen und Waisen, der
ihrer Stütze beraubten Eltern und Geschwister geht in die
Hunderte. Die schuldbewußte Prager Regierung hat zwar versprochen,
das Elend der lebenden Opfer wenigstens durch materielle Unterstützung
zu lindern, hat aber bis zum heutigen Tage ihr Wort nicht eingelöst.
[Další slova byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] Nicht
ewig kann das natürliche und lebendige Recht eines Volksstammes
auf Selbstbestimmung und auf Freiheit [Další
slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] verschüttet
bleiben. Wir Sudetendeutsche glauben mit unserem ganzen Volke
in Europa an der Sieg unseres Rechtes. [Další
slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn.
øádu vylouèena z tìsnopisecké
zprávy.] (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)
Nun will ich mich mit dem zur Verhandlung stehenden
Regierungsantrag Druck 1897 über staatliche Altersunterstützung
kurz befassen.
Seitdem die Èechoslovakische Republik ein Sozialversicherungsgesetz
besitzt, haben sich alle Regierungen für verpflichtet gefühlt,
in ihre Programme auch die Altersunterstützung jener Personen
aus staatlichen Mitteln aufzunehmen, die der Alters- und Invaliditätsversicherung
wegen ihres von mehr als 60 Jahren am 1. Juli 1926 nicht teilhaftig
werden können. Diese Versprechungen sollten ihre Erfüllung
durch den Regierungsantrag Druck 279 vom Mai 1926 finden. Als
aber die Regierung erkannte, daß ihr Antrag als ein Versuch
mit untauglichen Mitteln allgemein verurteilt wird, zog sie ihren
Antrag wieder zurück und machte in dieser Frage gar nichts
mehr. Mit souveräner Verachtung ging sie über die Initiativanträge
Druck 300 und 478 zur Tagesordnung über, bis endlich der
Fürsorgeminister und stellvertretende Ministerpräsident
Šrámek im November 1929 sich gnädig herbeiließ,
den vorliegenden Regierungsantrag dem Abgeordnetenhaus zur Beratung
zu übergeben.
Die Enttäuschung hätte natürlich
nicht größer sein können. Die Art und Weise, wie
die Veteranen der Arbeit in diesem Gesetz behandelt werden, ist
eine offensichtliche Verspottung eines jeden arbeitenden Menschen
in diesem Staate. Mit vollem Recht wird man diese Gesetz wegen
seiner Auswirkung einmal als Bettlergesetz bezeichnen. Gleich
im § 1 wird den Veteranen der Arbeit eröffnet, daß
sie erst nach Erlangung des 65. Lebensjahres eine Altersunterstützung
bekommen können, daß aber ein rechtlicher Anspruch
auf eine solche staatliche Unterstützung überhaupt nicht
besteht. Überdies schließt aber auch noch der §
2 neben Trunkenbolden und Vagabunden auch noch die sogenannten
Arbeitsscheuen von der Möglichkeit einer solchen Gnadenpension
aus. Ist es schon ein bedenkliches Unterfangen, in einem Gesetz
den Begriff der Arbeitsscheu erscheinen zu lassen, ohne den Umfang
und den Inhalt dieses Begriffes genau zu umschreiben, so ist es
geradezu lächerlich, bei Menschen, die bis zu ihrem 65. Lebensjahr
gearbeitet haben, von einer Arbeitsscheu überhaupt zu sprechen.
(Výkøiky na levici.) Doch man kann
felsenfest überzeugt sein, daß es in der Èechoslovakischen
Republik es einem von der Gendarmerie entsprechend unterstützten
Bezirkshauptmann schon gelingen wird, Arbeitsscheu auch bei Menschen
amtlich zu konstatieren, die sich durch ihrer Hände Arbeit
ihr tägliches Brot bis zum 65. Lebensjahr verdient haben.
Denn seitdem Gott der Herr mit Hilfe der hiesigen Regierungsmehrheit
uns das Gesetz über die Verwaltungsreform beschert hat, kann
eben ein Bezirkshauptmann alles und bringt jedes Kunststück
fertig.
Die §§ 3 und 4 geben dann Aufschluß
über die Höhe der Altersunterstützung, die
Staat und Wohngemeinde zusammen einem zur Arbeit unfähigen
Menschen im Alter von 65. Jahren gnädig gewähren. So
ein Arbeitsveteran wird in Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern
täglich 1 67 Kè, in Gemeinden mit 2000 bis 50.000
Einwohnern 1.59 Kè täglich
und in Gemeinden mit weniger als 2000 einwohnern 1 53 Kè
täglich alle in allem bekommen. Man stelle diese Geldbeträge
gegenüber den jährlichen. Durchschnittspreisen der wichtigsten
Lebensmittel: 1 kg Kochmehl kostet 2.90
Kè, 1 kg Backmehl 3.30
Kè, 1 kg Kartoffeln 60 Heller, 1 kg Salz 2 Kè,
ein Ei 70 Heller bis 1.20 Kè,
1 kg Kaffee 36 Kè, 1 l Milch 1.80
Kè. Die Preise für Kleider und Schuhe darf man in
diesem Zusammenhang gar nicht erwähnen. Man soll überhaupt
kein Wort der Kritik hinzufügen, denn jede Kritik schwächt
nur die furchtbare Sprache der Zahlen ab. Der Staat gibt einem
solchen Arbeitsveteranen jährlich höchstens 500 Kè
und glaubt, daß ein Mensch damit sein Auskommen finden kann.
Derselbe Staat berechnet aber in den Staatsvoranschlägen
und in den Staatsrechnungsabschlüssen
die Erhaltungskosten eines Militär- oder Gendarmeriehundes
mit 1200 Kè jährlich. (Výkøiky.)
Nicht genug daran, meine Herren! Wenn zwei
Personen, die eine solche Altersunterstützung beziehen, in
gemeinsamem Haushalt leben, dann kürzt ihnen der Staat
auch noch durch das Gesetz die Altersunterstützung, dann
erhält jede Person in Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern
nur 1 Kè täglich, in Gemeinden mit 2000 bis 50.000
Einwohnern nur 95 Heller täglich und in Gemeinden mit weniger
als 2000 Einwohnern nur 91 Heller täglich. Solche Beträge
wagt man unter den heutigen Teuerungsverhältnissen arbeitenden
Menschen anzubieten. Ja noch mehr. Um eine solche Gnadengabe zu
erhalten, darf der Betreffende überhaupt nichts besitzen,
darf von keiner Seite irgendwelche Altersunterstützung erfahren.
Wenn er irgendeine Unterstützung in Geld oder Naturalien
auf Grund eines Rechtstitels von irgendeiner Seite erhält,
so wird ihm der entsprechende Gegenwert von der staatlichen Unterstützung
abgezogen. Das Gesetz erklärt also ausdrücklich, daß
die oben genannten Beträge von durchschnittlich 1.50
Kè bzw. 95 Heller täglich auch noch gekürzt werden
können. Es ist direkt zum wundern, daß die Überalterten
nicht auch noch Steuern zahlen müssen.
Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes
enthalten nur noch Schikanen für die Bezieher solcher Altersunterstützungen,
ja sogar die lächerliche Bestimmung, daß jemand, der
die Altersunterstützung zu unrecht bezogen hat, dieselbe
auch noch zurückzahlen muß. Und dieses Gesetz
wurde von der Regierung des konsolidierten Èechenstaates
vier Jahre lang den Bürgern versprochen. Ein altes Sprichwort
sagt: "bis dat qui cito dat". Doppelt gibt, wer schnell
gibt. Auf unsere Verhältnisse angewendet hat dieses Sprichwort
den entgegengesetzten Sinn: Die èechische
Regierung gibt sehr, sehr langsam, dafür aber immer weniger
und weniger.
Wie muß man aber staunen, wenn man gleich
am Anfang des Motivenberichtes liest, daß die Regierung
durch diese Altersunterstützung das Höchstausmaß
von gerade noch erträglichen Geldlasten auf sich nimmt; mehr
zu leisten sei sie nicht imstande, weil sonst das Gleichgewicht
des Staatsbudgets gefährdet wäre. Diese Ausrede scheint
jetzt zum ständigen Bestandteil des Phrasenarsenals der Regierung
zu werden. Minister Engliš hat entdeckt, daß
die Kriegsbeschädigtenfürsorge das Gleichgewicht des
Staatshaushaltes bedroht und daher abgebaut werden müsse.
Die Gehälter der Staatsangestellten und Lehrer können
nicht den gegenwärtigen Teuerungsverhältnissen angepaßt,
die Vereinheitlichung aller Ruheständler nicht durchgeführt
werden, weil die Bedeckung das Gleichgewicht des Staatshaushaltes
bedrohen würde. Und nun legt man ein Gesetz auf Altersunterstützung
vor, das durch seine lächerlich niedrigen Beträge eine
direkte Verhöhnung der Sozialpolitik ist und motiviert diese
Versuche mit untauglichen Mitteln auch wieder mit der Rücksichtnahme
auf das Gleichgewicht des Budgets. Es muß wirklich sehr
traurig mit den finanziellen Grundlagen des Staates bestellt sein,
wenn jede Ausgabe den Staatshaushalt gefährdet und ins Wanken
bringt.
Und bei all dem kann man den Berechnungen der
Regierung über die voraussichtliche finanzielle Belastung
durch die Altersunterstützung auch nicht volle Glaubwürdigkeit
zuschreiben. Die Regierung glaubt doch selbst nicht, daß
die Belastung durch die Altersunterstützung der 65 Jahre
alten Arbeiter auf Grund des vorliegenden Gesetzesantrages wirklich
35 Jahre lang dauern wird. Die natürliche Sterblichkeit,
unterstützt durch die vom Gesetz vorgesehene elende Versorgung,
muß zur Folge haben, daß in 10 oder 12 Jahren kein
einziger von den jetzt Unterstützungsbedürftigen und
-berechtigten am Leben sein wird. Es ist daher ganz ausgeschlossen,
daß der für 35 Jahre vorgesehene Betrag wirklich die
Höhe von 380 Millionen Kè erreichen könnte.
Aber selbst wenn die Summe von 380 Millionen Kè für
35 Jahre richtig wäre, was kann das schon in einem Budget
bedeuten, in welchem man mehr als 5 Millionen Kè täglich
für einen zwecklosen Militarismus hinauswirft, in welchem
man die Auslandspropaganda mit Millionen subventioniert
und den Ministern und Auslandsvertretungen Millionen zu Repräsentationszwecken
bewilligt?
Mit dieser Art sozialer Fürsorgetätigkeit
kann sich wohl niemand in diesem Parlament einverstanden erklären.
Weil alle Abänderungsanträge wie gewöhnlich von
der Regierungsmehrheit abgelehnt werden, weil jeder Versuch in
diesem Parlamente vergeblich ist, auch nur die kleinste Verbesserung
in einem Gesetzesantrag anzubringen, wird die deutsche Nationalpartei
gegen diese Gesetzesvorlage stimmen. (Potlesk poslancù
nìm. strany národní.)