Ètvrtek 28. února 1929

65 Jahre alt muß man werden, um in den Genuß dieser Versorgung - was sich Versorgung nennt! - zu kommen, mittellos muß man sein und arbeitsunfähig muß man sein. Nach dem Sozialversicherungsgesetz in der ursprünglichen Form war die Voraussetzung für die Altersrente, daß man zwei Drittel der Erwerbsmöglichkeit eingebüßt hat, nach dem Sozialversicherungsgesetz in der durch die Novelle geänderten Form besteht der Anspruch auf Altersrente, auch wenn man nur die Hälfte des Verdienstes zu erzielen vermag, den ein Arbeiter unter den gleichen Verhältnissen ansonsten erzielt, d. h. die um die Hälfte verminderte Arbeitsfähigkeit bringt ein Anrecht auf Gewährung der Altersrente bei erreichtem 65. Lebensjahr. Nach der Fassung dieser Vorlage aber ist das anders, man muß nicht nur mittellos sein, sondern auch erwerbsunfähig sein. Den Grad der Erwerbsunfähigkeit zu bestimmen, das wird wieder dem freien Ermessen der Bezirksärzte überlassen. Und wenn nun der Bürokrat beim Bezirksamt sagt: "Du bist zwar in Deiner Arbeitsfähigkeit geschwächt, Du kannst aber noch einem Erwerb nachgehen und bist in der Lage, mindestens 500 Kè jährlich ins Verdienen zu bringen", so hat der Bürokrat der Bezirksverwaltung auch die Möglichkeit, den Anwärter abzuweisen, zu erklären, daß die Vorbedingungen für den Anspruch nicht gegeben sind.

§ 2 der Vorlage enthält noch eine ganze Reihe Bestimmungen darüber, welche Personen von den Wohltaten dieser Gesetzesvorlage ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen sind alle Personen, welche dem Trunke ergeben sind, Vagabunden, arbeitsscheue Personen oder solche, welche bestraft worden sind, wobei anläßlich der Strafverfügung der Verlust des Gemeindewahlrechtes oder die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen wurde. Während der Zeit, während welcher ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden sind oder während der die betreffende Person nicht befugt ist, das Gemeindewahlrecht auszuüben, darf sie diesen Bettel, diese Versorgung nicht bekommen, eben weil sie § 2 davon ausschließt. Wir haben aus dem alten Österreich in die Èechoslovakei u. a. auch das alte Vagabundengesetz übernommen und wir wissen, wieviele Personen, die nicht als Vagabunden oder Arbeitsscheue bezeichnet werden können, auf Grund der Bestimmungen des Vagabundengesetzes verfolgt und mitunter auch bestraft werden Wenn man es dem Bürokraten bei der Bezirksbehörde überläßt zu beurteilen, wer arbeitsscheu und als Vagabund anzusehen ist, dann wird es schon dazu kommen, daß viele vom Bezug der Unterstützung ausgeschlossen werden, wo diese Absicht nicht einmal bei den Mitgliedern der Mehrheit des sozialpolitischen Ausschusses bestanden hat, und man wird diese Personen weiter dazu treiben, an den Straßenecken zu stehen, dem Bettel nachzugehen. Sie wissen ja, daß man auf der einen Seite auffordert, dem Bettelunwesen zu steuern, den Bettlern keine Gaben zu verabfolgen, sondern an Fürsorgeinstitutionen Beiträge zu leisten, damit dem Bettlerunwesen ein Ende bereitet werde, und hier treiben sie diese Personen, wenn Sie ihnen diese so ärmliche und kärgliche Unterstützung vorenthalten, direkt dazu, betteln zu gehen. Es müssen ja nicht nur die betteln gehen, die keine Unterstützung bekommen, sondern es werden bei diesem Unterstützungsbeitrag bei den heutigen Verhältnissen auch jene Personen der öffentlichen Mildtätigkeit noch weiter anheimfallen, die im Genusse der Unterstützung stehen werden, weil sie mit dem Betrage unmöglich das Auslangen finden können. Man schafft Körperschaften und Vereine zur Unterstützung Abgestrafter, um diese abgestraften Personen, auch Schwerverbrecher, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Erwerbe wieder zuzuführen und um zu verhindern, daß sie rückfällig werden. Solche Institutionen werden ins Leben gerufen und die Allgemeinheit wird aufgefordert, sie zu unterstützen, und hier kommen Sie mit einer Gesetzesvorlage, die besagt, daß solche Personen, welche zum Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte oder zum Verluste des Gemeindewahlrechtes verurteilt wurden, nicht einmal dieses Bettels teilhaftig werden sollen, sie sollen also weiter stehlen oder betteln müssen, wenn sie nicht verhungern wollen.

Eine weitere Bestimmung betrifft die Frage der im Auslande lebenden Staatsbürger der Èechoslovakischen Republik. Man hat sich nicht einmal dazu entschlossen, die im Auslande lebenden Bürger der Èechoslovakischen Republik mit den im Inlande lebenden gleich zu behandeln, sondern den im Auslande lebenden Bürgern der Èechoslovakischen Republik soll dieser Bettel an Unterstützung nur gewährt werden können über Entscheidung des Ministers für soziale Fürsorge im Einvernehmen mit dem Finanzminister. In jedem einzelnen Falle muß vom Minister für soziale Fürsorge das Einvernehmen mit dem Finanzminister gesucht werden, um diesen Personen im Auslande eine Unterstützung geben zu können.

Und nun die Höhe der Unterstützung! 500 Kè jährlich ist der Betrag, der aus den Mitteln des Staates für die alten Personen gegeben werden soll. Sie haben kein Anrecht, ist der Grundsatz, der im § 1 zum Ausdruck kommt, und sie haben kein Anrecht, sagen die Herren der Mehrheit zur Motivierung der Festsetzung des niedrigen Betrages, es ist keine Bedeckung vorhanden, sie haben nichts gezahlt und es bestehe daher keine Verpflichtung, ihnen mehr zu geben; sie sollen froh sein, daß sie das bekommen! Als ob nicht die Gesellschaft verpflichtet wäre, für die Versorgung jener Personen zu sorgen, die sich oft ein Menschenalter hindurch im Dienste der Gesellschaft geplagt haben, ihre Kräfte im Dienste der Gesellschaft zur Verfügung gestellt haben und alt geworden sind und nicht imstande waren, während der Zeit, wo sie zu arbeiten vermochten, solche Rücklagen zu machen, daß sie für das Alter geschützt sind. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für diese Personen zu sorgen, und es ist keine Gnade, die man diesen Personen erweist, sondern sie haben das als gutes Recht zu beanspruchen. Man vorenthält ihnen aber dieses Recht und erklärt, daß sie keinen rechtlichen Anspruch haben und speist sie mit dem Bettel von 500 Kè jährlich als Gnadengabe ab.

In der Vorlage des Ministers für soziale Fürsorge war vorgesehen, daß zwei Personen in der Familie - Mann und Weib - die Anspruch auf die Unterstützung erheben und bei denen die Voraussetzungen für die Gewährung gegeben sind, nicht das Anrecht auf den vollen Betrag haben sollen, sondern daß in diesem Falle die Unterstützung auf je 300 Kè zu erniedrigen sei und beide zusammen höchstens 600 Kè beziehen dürfen. Nun bilden sich die Vertreter der Mehrheitsparteien ungeheuer viel darauf ein, daß sie diese so arge Bestimmung der Vorlage des Ministeriums für soziale Fürsorge geändert haben. Sie haben nämlich in die Vorlage eine Bestimmung aufgenommen - die Kürzung auf 300 Kè haben sie gelassen - in der gesagt wird, daß der gekürzte Betrag wieder auf 500 Kè erhöht werden kann, wenn die beiden Personen, welche die Unterstützung beziehen, so hilflos sind, daß sie fremder Hilfe bedürfen. Diese beiden Personen können also bestenfalls 1000 Kè pro Jahr beziehen, und dies nur dann, wenn beide Personen fremder Hilfe bedürftig sind - es heißt ausdrücklich in der Bestimmung der Vorlage, daß beide Personen der fremden Hilfe bedürftig sein müssen. Wenn der Mann oder die Frau der fremden Hilfe bedürftig ist, dann bekommen sie nicht mehr die erhöhte Gabe, sondern sie beziehen nach dem Wortlaut der Vorlage nur die erniedrigte Gabe. Wenn ein Teil auch vollkommen hilfsbedürftig und auf fremde Hilfe angewiesen ist, bekommen trotzdem beide Teile zusammen nur 600 Kè, und das nennt man eine kolossale Verbesserung der Vorlage, welche mit einer Mehrbelastung verbunden sein wird. Der Herr Berichterstatter hat uns schon ausgerechnet - er hat es eigentlich nicht ausgerechnet, sondern nur aus dem Motivenberichte der Regierungsvorlage übernommen daß im ersten Jahr 48 Millionen Kè aus Mitteln des Staates für diese Leistungen werden verausgabt werden. Sie werden sehen, daß auch diese Berechnung des Ministeriums ziemlich übertrieben ist. Zu diesen Beträgen, die der Staat aus eigenen Mitteln zu leisten hat, haben die Gemeinden Zuschüsse zu leisten, und zwar Gemeinden über 50.000 Einwohner 20%, Gemeinden über 2000 bis 50.000 Einwohner 15% und Gemeinden mit höchstens 2000 Einwohnern 10%, wobei ich gleich bei der Gelegenheit feststellen und zur Begründung auch eines unserer Anträge sagen will, daß die Selbstverwaltungskörper überhaupt in ihrer Leistungsfähigkeit durch das Finanzgesetz arg beschnitten worden sind. Wie ich vorhin bereits sagte, haben über die Leistungen nach dem Gesetz über diese Staatshilfe, über die Versorgung, die Bezirksbehörden zu entscheiden, keineswegs eingesetzte Kommissionen, keineswegs mit der Bevölkerung in engerer Fühlung stehende Personen. Es ist im Gesetz bestimmt, daß die alten Personen kein Anrecht haben, daß es ganz dem freien Ermessen dieser Behörden unterliegt, die Unterstützungen zu geben.

Sie werden also zugeben, daß wir aus all den Gründen keine Ursache haben, dem Gesetz zuzustimmen, sondern daß wir uns, sollten unsere Abänderungsanträge abgelehnt werden, nicht dazu entschließen können, für dieses Gesetz, das die Bevölkerung mit einem Bettel abspeist, die Hand zu erheben. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

6. Øeè posl. Horpynky (viz str. 45 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Ehe ich mich in meinen Ausführungen mit der Regierungsvorlage, Druck 1897, beschäftige, habe ich die Ehre, im Namen und im Auftrag des parlamentarischen Klubs der deutschen Nationalpartei nachfolgende Erklärung abzugeben:

Am 4. März jährt sich zum zehntenmale für uns Sudetendeutsche ein Tag des Entsetzens und der Trauer. Für den 4. März 1919 war nach Wien die konstituierende Nationalversammlung der Republik Deutsch-Österreich einberufen. Zu dieser Zeit war die Grenze [Další slova Byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 76 této tìsnopisecké zprávy.] noch durch keinen Frieden oder einen anderen völkerrechtlichen Akt festgelegt. Trotzdem am 29. Oktober 1918 die auf Grund des allgemeinen Wahlrechtes gewählten deutschböhmischen und sudetenländischen Reichsratsabgeordneten die ein geschlossenes Sprachgebiet bildenden Grenzgebiete von Böhmen, Mähren und Schlesien aus freiem Volkswillen als einen Bestandteil der neugeschaffenen Republik Deutsch-Österreich erklärten, verhinderten die Èechen [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] die Wahl in die konstituierende Nationalversammlung in Wien. Zum Protest [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] wollten die Sudetendeutschen n och einmal feierlich vor der ganzen Welt ihre Zugehörigkeit zum deutschösterreichischen Staat und damit zum deutschen Gesamtvaterlande eindrucksvoll bekunden und veranstalteten in allen Städten der sudetendeutschen Länder am 4. März 1919 große Kundgebungen für das Selbstbestimmungsrecht des Sudetendeutschtums. Der Prager Regierung waren diese angekündigten Volkstage höchst zuwider, weil um diese Zeit Dr Beneš und Dr Kramáø mit einem Stab von Beamten in den Westländern und in den Pariser Vororten mit Hilfe [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] eines Mémoire III wichtige Vorarbeit für die Friedenskonferenz zu leisten hatten. Aus diesem Grunde erging von Prag der Befehl an die èechischen Besatzungen der deutschen Städte, solche Versammlungen zu verbieten und mit allen Mitteln zu verhindern, zu welchem Zwecke die sogenannten èechischen Truppen reichlich mit Munition [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] ausgestattet wurden. Und als sich trotz der èechischen Drohungen die deutsche Bevölkerung nicht einschüchtern ließ und ungeheure Volksmassen. Angehörige aller Parteien und Klassen, unbewaffnetes Volk am 4. März 1919 zu den Versammlungen strömte, da begann [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] aus Maschinengewehren auf die Deutschen zu schießen. 57 Tote, darunter 16 Minderjährige und Kinder, blieben auf dem Platze. Das Ringen der Rechtlosen um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hat furchtbare Opfer gefordert. Arnau, Aussig, Eger, Kaaden, Mies, Karlsbad und Sternberg in Mähren trauerten um ihre besten Volksgenossen. Bei dieser Gelegenheit gedenken wir auch der deutschen Blutzeugen, die vor und nach dem 4. März 1919 gewaltsam ihr Leben lassen mußten. In Wiesa-Oberleutensdorf, in Gastorf bei Leitmeritz, in Brüx, in Mährisch-Trübau, in Kaplitz, bei der Besetzung durch eindringende èechische Truppen, in Znaim bei Auflösung einer deutschen Versammlung, in Preßburg beim Sprengen einer sozialdemokratischen Versammlung durch èechische Legionäre, in Freudenthal beim Auflösen eines allgemeinen deutschen Volkstages, in Oblas bei Znaim durch Angriff einer Militärpatrouille, in Pilsen beim Einzug des Präsidenten Masaryk, in Pohrlitz (Südmähren) [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] auf eine deutsche Bauernversammlung, in Leitmeritz und Iglau [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] auf eine deutsche Sonnwendfeier, in Zuckmantel bei der zwangsweisen Einziehung deutscher Rekruten, in Asch bei der Zerstörung des Kaiser Josef-Denkmals, [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.], in Aussig bei der Auflösung einer deutschen Protesttagung gegen die Übergriffe der èechischen Legionäre, in Graslitz beim Widerstand der deutschen Bevölkerung gegen die Mobilisierung und in Freudenthal beim Sturz des Kaiser Josef-Denkmals. [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] 117 deutsche Todesopfer stehen an der Wiege dieses Staates. Die Zahl der Schwerverwundeten, der Krüppel, Witwen und Waisen, der ihrer Stütze beraubten Eltern und Geschwister geht in die Hunderte. Die schuldbewußte Prager Regierung hat zwar versprochen, das Elend der lebenden Opfer wenigstens durch materielle Unterstützung zu lindern, hat aber bis zum heutigen Tage ihr Wort nicht eingelöst. [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] Nicht ewig kann das natürliche und lebendige Recht eines Volksstammes auf Selbstbestimmung und auf Freiheit [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] verschüttet bleiben. Wir Sudetendeutsche glauben mit unserem ganzen Volke in Europa an der Sieg unseres Rechtes. [Další slova byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 28. února 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy.] (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)

Nun will ich mich mit dem zur Verhandlung stehenden Regierungsantrag Druck 1897 über staatliche Altersunterstützung kurz befassen.

Seitdem die Èechoslovakische Republik ein Sozialversicherungsgesetz besitzt, haben sich alle Regierungen für verpflichtet gefühlt, in ihre Programme auch die Altersunterstützung jener Personen aus staatlichen Mitteln aufzunehmen, die der Alters- und Invaliditätsversicherung wegen ihres von mehr als 60 Jahren am 1. Juli 1926 nicht teilhaftig werden können. Diese Versprechungen sollten ihre Erfüllung durch den Regierungsantrag Druck 279 vom Mai 1926 finden. Als aber die Regierung erkannte, daß ihr Antrag als ein Versuch mit untauglichen Mitteln allgemein verurteilt wird, zog sie ihren Antrag wieder zurück und machte in dieser Frage gar nichts mehr. Mit souveräner Verachtung ging sie über die Initiativanträge Druck 300 und 478 zur Tagesordnung über, bis endlich der Fürsorgeminister und stellvertretende Ministerpräsident Šrámek im November 1929 sich gnädig herbeiließ, den vorliegenden Regierungsantrag dem Abgeordnetenhaus zur Beratung zu übergeben.

Die Enttäuschung hätte natürlich nicht größer sein können. Die Art und Weise, wie die Veteranen der Arbeit in diesem Gesetz behandelt werden, ist eine offensichtliche Verspottung eines jeden arbeitenden Menschen in diesem Staate. Mit vollem Recht wird man diese Gesetz wegen seiner Auswirkung einmal als Bettlergesetz bezeichnen. Gleich im § 1 wird den Veteranen der Arbeit eröffnet, daß sie erst nach Erlangung des 65. Lebensjahres eine Altersunterstützung bekommen können, daß aber ein rechtlicher Anspruch auf eine solche staatliche Unterstützung überhaupt nicht besteht. Überdies schließt aber auch noch der § 2 neben Trunkenbolden und Vagabunden auch noch die sogenannten Arbeitsscheuen von der Möglichkeit einer solchen Gnadenpension aus. Ist es schon ein bedenkliches Unterfangen, in einem Gesetz den Begriff der Arbeitsscheu erscheinen zu lassen, ohne den Umfang und den Inhalt dieses Begriffes genau zu umschreiben, so ist es geradezu lächerlich, bei Menschen, die bis zu ihrem 65. Lebensjahr gearbeitet haben, von einer Arbeitsscheu überhaupt zu sprechen. (Výkøiky na levici.) Doch man kann felsenfest überzeugt sein, daß es in der Èechoslovakischen Republik es einem von der Gendarmerie entsprechend unterstützten Bezirkshauptmann schon gelingen wird, Arbeitsscheu auch bei Menschen amtlich zu konstatieren, die sich durch ihrer Hände Arbeit ihr tägliches Brot bis zum 65. Lebensjahr verdient haben. Denn seitdem Gott der Herr mit Hilfe der hiesigen Regierungsmehrheit uns das Gesetz über die Verwaltungsreform beschert hat, kann eben ein Bezirkshauptmann alles und bringt jedes Kunststück fertig.

Die §§ 3 und 4 geben dann Aufschluß über die Höhe der Altersunterstützung, die Staat und Wohngemeinde zusammen einem zur Arbeit unfähigen Menschen im Alter von 65. Jahren gnädig gewähren. So ein Arbeitsveteran wird in Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern täglich 1 67 Kè, in Gemeinden mit 2000 bis 50.000 Einwohnern 1.59 Kè täglich und in Gemeinden mit weniger als 2000 einwohnern 1 53 Kè täglich alle in allem bekommen. Man stelle diese Geldbeträge gegenüber den jährlichen. Durchschnittspreisen der wichtigsten Lebensmittel: 1 kg Kochmehl kostet 2.90 Kè, 1 kg Backmehl 3.30 Kè, 1 kg Kartoffeln 60 Heller, 1 kg Salz 2 Kè, ein Ei 70 Heller bis 1.20 Kè, 1 kg Kaffee 36 Kè, 1 l Milch 1.80 Kè. Die Preise für Kleider und Schuhe darf man in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnen. Man soll überhaupt kein Wort der Kritik hinzufügen, denn jede Kritik schwächt nur die furchtbare Sprache der Zahlen ab. Der Staat gibt einem solchen Arbeitsveteranen jährlich höchstens 500 Kè und glaubt, daß ein Mensch damit sein Auskommen finden kann. Derselbe Staat berechnet aber in den Staatsvoranschlägen und in den Staatsrechnungsabschlüssen die Erhaltungskosten eines Militär- oder Gendarmeriehundes mit 1200 Kè jährlich. (Výkøiky.)

Nicht genug daran, meine Herren! Wenn zwei Personen, die eine solche Altersunterstützung beziehen, in gemeinsamem Haushalt leben, dann kürzt ihnen der Staat auch noch durch das Gesetz die Altersunterstützung, dann erhält jede Person in Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern nur 1 Kè täglich, in Gemeinden mit 2000 bis 50.000 Einwohnern nur 95 Heller täglich und in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern nur 91 Heller täglich. Solche Beträge wagt man unter den heutigen Teuerungsverhältnissen arbeitenden Menschen anzubieten. Ja noch mehr. Um eine solche Gnadengabe zu erhalten, darf der Betreffende überhaupt nichts besitzen, darf von keiner Seite irgendwelche Altersunterstützung erfahren. Wenn er irgendeine Unterstützung in Geld oder Naturalien auf Grund eines Rechtstitels von irgendeiner Seite erhält, so wird ihm der entsprechende Gegenwert von der staatlichen Unterstützung abgezogen. Das Gesetz erklärt also ausdrücklich, daß die oben genannten Beträge von durchschnittlich 1.50 Kè bzw. 95 Heller täglich auch noch gekürzt werden können. Es ist direkt zum wundern, daß die Überalterten nicht auch noch Steuern zahlen müssen.

Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes enthalten nur noch Schikanen für die Bezieher solcher Altersunterstützungen, ja sogar die lächerliche Bestimmung, daß jemand, der die Altersunterstützung zu unrecht bezogen hat, dieselbe auch noch zurückzahlen muß. Und dieses Gesetz wurde von der Regierung des konsolidierten Èechenstaates vier Jahre lang den Bürgern versprochen. Ein altes Sprichwort sagt: "bis dat qui cito dat". Doppelt gibt, wer schnell gibt. Auf unsere Verhältnisse angewendet hat dieses Sprichwort den entgegengesetzten Sinn: Die èechische Regierung gibt sehr, sehr langsam, dafür aber immer weniger und weniger.

Wie muß man aber staunen, wenn man gleich am Anfang des Motivenberichtes liest, daß die Regierung durch diese Altersunterstützung das Höchstausmaß von gerade noch erträglichen Geldlasten auf sich nimmt; mehr zu leisten sei sie nicht imstande, weil sonst das Gleichgewicht des Staatsbudgets gefährdet wäre. Diese Ausrede scheint jetzt zum ständigen Bestandteil des Phrasenarsenals der Regierung zu werden. Minister Engliš hat entdeckt, daß die Kriegsbeschädigtenfürsorge das Gleichgewicht des Staatshaushaltes bedroht und daher abgebaut werden müsse. Die Gehälter der Staatsangestellten und Lehrer können nicht den gegenwärtigen Teuerungsverhältnissen angepaßt, die Vereinheitlichung aller Ruheständler nicht durchgeführt werden, weil die Bedeckung das Gleichgewicht des Staatshaushaltes bedrohen würde. Und nun legt man ein Gesetz auf Altersunterstützung vor, das durch seine lächerlich niedrigen Beträge eine direkte Verhöhnung der Sozialpolitik ist und motiviert diese Versuche mit untauglichen Mitteln auch wieder mit der Rücksichtnahme auf das Gleichgewicht des Budgets. Es muß wirklich sehr traurig mit den finanziellen Grundlagen des Staates bestellt sein, wenn jede Ausgabe den Staatshaushalt gefährdet und ins Wanken bringt.

Und bei all dem kann man den Berechnungen der Regierung über die voraussichtliche finanzielle Belastung durch die Altersunterstützung auch nicht volle Glaubwürdigkeit zuschreiben. Die Regierung glaubt doch selbst nicht, daß die Belastung durch die Altersunterstützung der 65 Jahre alten Arbeiter auf Grund des vorliegenden Gesetzesantrages wirklich 35 Jahre lang dauern wird. Die natürliche Sterblichkeit, unterstützt durch die vom Gesetz vorgesehene elende Versorgung, muß zur Folge haben, daß in 10 oder 12 Jahren kein einziger von den jetzt Unterstützungsbedürftigen und -berechtigten am Leben sein wird. Es ist daher ganz ausgeschlossen, daß der für 35 Jahre vorgesehene Betrag wirklich die Höhe von 380 Millionen Kè erreichen könnte. Aber selbst wenn die Summe von 380 Millionen Kè für 35 Jahre richtig wäre, was kann das schon in einem Budget bedeuten, in welchem man mehr als 5 Millionen Kè täglich für einen zwecklosen Militarismus hinauswirft, in welchem man die Auslandspropaganda mit Millionen subventioniert und den Ministern und Auslandsvertretungen Millionen zu Repräsentationszwecken bewilligt?

Mit dieser Art sozialer Fürsorgetätigkeit kann sich wohl niemand in diesem Parlament einverstanden erklären. Weil alle Abänderungsanträge wie gewöhnlich von der Regierungsmehrheit abgelehnt werden, weil jeder Versuch in diesem Parlamente vergeblich ist, auch nur die kleinste Verbesserung in einem Gesetzesantrag anzubringen, wird die deutsche Nationalpartei gegen diese Gesetzesvorlage stimmen. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)


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