Man wartet, man wartet; man muß beisammen
bleiben, sagt ein anderes Blatt, weil man die Konsolidierung des
Staates zu Ende führen will. Sehr schön; alles
haben die Herrn in der Koalition, die deutschen und die èechischen,
getan, die wirtschaftliche Konjunktur ist da, eine Blüteperiode,
das goldene Zeitalter, die Arbeitslosigkeit ist gebannt, sie ist
auf eine kleine Ziffer reduziert, die Handelsbilanz
wird angerufen, das Budget ist im Gleichgewicht, kurzum, wie es
im christlichsozialen Aufruf heißt: "Auf der ganzen
Linie gedeiht die Wirtschaft." Wem haben wir das zu danken?
Selbstverständlich dem Bürgerblock, nur seiner Wirksamkeit,
und da das Werk nun begonnen wurde, muß es fortgesetzt und
beendet werden.
In Wirklichkeit ist aber die Geschichte mit
der Konjunktur eine ganz kuriose Sache. Eine ganz kuriose Sache
ist das mit der Handelsbilanz, von der jeder weiß, daß
sie in diesen wirtschaftlichen Zusammenhang überhaupt nicht
hineingehört, von der jeder weiß, daß die Novemberhandelsbilanz
einen Rückgang von 114 Mill. aufweist, daß die Bilanz
vom 1. Jänner bis November einen Rückgang von 444 Mill.,
also fast eine halbe Milliarde aufweist. Es weiß jeder von
Ihnen - Sie können es in den Zeitungen lesen daß die
Produktion von Kohle, Briquetts und Koks in Mähr. Ostrau
in der letzten Zeit um nahezu 16% zurückgegangen ist, daß
die Arbeitslosigkeit wohl kleiner geworden ist, daß aber
Hunderte von Menschen an den Toren und Türen der Arbeitsvermittlungsämter
und Gewerkschaften pochen und Arbeit verlangen.
Man spricht von der Herabsetzung des Index,
man beruft sich auf den sinkenden Großhandelsindex, wo die
Milch effektiv um 20 Heller teuerer wurde und kaum, daß
die Wahlen vorüber waren, sich der Wucher wieder an
die Oberfläche gewagt hat, um den Haushalt der Arbeitenden
zu verteuern. Die Butter ist in letzter Zeit um 10 bis 12 Kè,
die Kartoffeln, der Zucker, sind teuerer geworden, die Lebenshaltung
wird immer teuerer, am 1. Jänner ist eine
neue Zinserhöhung zu gewärtigen. Mit jedem Tage wachsen
die Lohnkämpfe, weil die Arbeiter ganz außerstande
sind, der Teuerung nachzukommen in ihrem ungeheueren Tempo. Einzelne
Industrien kommen immer mehr und mehr in Schwierigkeiten, so die
Textilindustrie, die Zuckerindustrie. Wir erleben es beispielsweise,
daß Zucker in Deutschland nahezu die Hälfte dessen
kostet, was er hier, im typischen Lande der Zuckerindustrie, kostet.
Der Goldregen ist nur ein Goldregen für eine kleine Schicht
von Menschen geworden, aber an dem Proletariat, an der Arbeiterschaft,
ist er vorübergegangen. Und der Ausblick in die Zukunft!
Im heutigen Blatt der Agrarier wird ein Komunique der Handelskammerzentrale
vom 13. Dezember veröffentlicht, das besagt, daß auf
handelspolitischem Gebiete - das ist der Ausblick in die Zukunft
- eine Stagnation zu verzeichnen ist, welche mit der von den Handelskammern
nicht gebilligten Regelung der landwirtschaftlichen Zölle
zusammenhängt. Und noch eines! In einem Teile des "Venkov",
den nicht alle zu lesen pflegen - aber ich bin schon so ein Feinschmecker
- in einem Teile des "Venkov" vom 14. Dezember, also
zu einer Zeit, wo er triumphiert und den sozialistischen Parteien
entgegenruft: "Was wollt Ihr haben, wir haben die kleinste
Arbeitslosenziffer, leset die Verlautbarung in den "Lidové
Noviny" über die Arbeitslosigkeit" - in einer solchen
Zeit ist im "Venkov" zu lesen, nach einer kurzen Betrachtung,
daß es überall um die Èechoslovakei herum -
in Deutschland über eine Million, in den
Nachbarländern Hunderttausende - Arbeitslose gibt, daß
das unmöglich ohne Einfluß auf unsere Produktion bleiben
kann: "Soll es nicht - sagt der "Venkov" - zu unangenehmen
Enttäuschungen und zu einem Sinken der Beschäftigung
kommen, wenn einmal die in unseren heutigen wirtschaftlichen
Verhältnissen nicht begründete und darum ungesunde Baubewegung
aufhört, dann brauchen wir eine neue wirtschaftliche Orientierung."
Eine neue, also nicht die des Bürgerblocks, der èechoslovakischen
Koalition, nicht die heute als sieghaft bezeichnete.
(Pøcdsednictví se ujal pøedseda
Malypetr.) Wir müssen, sagt der "Venkov"
vier Tage zurück, also jüngsten Datums, alles daran
setzen, um unsere Ausfuhr aufrechtzuerhalten., sie noch zu erhöhen,
aber wir müssen uns, solange es noch Zeit ist, um die Stärkung
der Kaufkraft des heimischen Marktes bemühen. (Hört!
Hört!) Das ist das entscheidende an den Fragen.
Wir können leicht exportieren, so lange die Inder unsere
Baa-Schuhe abnehmen, Polen unser Papier abkauft und Ungarn
unsere Textilwaren. Wenn das vorüber ist
und der innere Markt nicht aufnahmsfähig ist, muß die
Katastrophe kommen. Volkswirtschaftler von Rang sagen - ich rede
gar nicht von Minister Engliš, der drüben in
seiner Reputation arg zugeputzt wurde daß das große
Geheimnis der èechoslovakischen Wirtschaftspolitik
die Stärkung des inneren Marktes ist, und daß gerade
nach dieser Richtung der Bürgerblock vollkommen versagt hat.
Die Berufung auf die Arbeitslosigkeit hat nichts zu bedeuten.
Es gibt kein konservativer regiertes Land als
England, und schauen Sie die Arbeitslosigkeit in diesem Lande!
Weit über eine Million Menschen! Was hat die Arbeitslosigkeit
mit dem Bürgerblock zu tun? Was hat die Handels bilanz mit
dem Bürgerblock zu tun? Wir haben eine Aktivität der
Handelsbilanz von 21/2 Milliarden. Unter
Beneš war die Aktivität sogar über 5 Milliarden.
Es müßten also die Herren von drüben sagen, daß
damals gut regiert worden ist. Unter Tusar betrug die Aktivität
4 Milliarden, in der Ära Beneš 5.3
Milliarden. Was haben diese Dinge mit einander zu tun? Nichts
als Bluff, als Täuschung, als Wahlköder, der aber nicht
verfangen hat, wie wir bei den Wahlen gesehen haben; überall,
wo wir draußen in den Versammlungen erzählt haben,
was die Herren vom Bürgerblock alles für sich in Anrechnung
bringen wollen, hat es nur schallende Heiterkeit ausgelöst.
Die Herren vom Bürgerblock wollen im Amte
bleiben. Sie bedienen sich dazu als Rechtfertigung aller möglichen
Tricks. Sie wollen mit einer sechsköpfigen Mehrheit weiter
regieren. Ich kann nur eines sagen! Nach den Grundsätzen
der Demokratie ist vor den Augen der ganzen Öffentlichkeit
der deutsch-èechische Bürgerblock gerichtet. Je offener
sich die Herren drüben als Usurpatoren aufspielen, je klarer
sie die Fahne der bürgerlichen Diktatur aufrollen,
je zynischer sie sich über das Volksvotum hinwegsetzen, desto
vernichtender wird die Wahlentscheidung sein, der sie ja schließlich
doch nicht ausweichen werden. Der Tag der Abrechnung wird ja kommen,
ob die Herren wollen oder nicht. Hohes Haus! Ich möchte zum
Schluße eilen und möchte Folgendes sagen: Jeder Tag,
um den dieses Regime sein Leben verlängert, bedeutet für
das Regime nur ein neues Opfer von Wahlstimmen, jeder Tag, um
den die Herrschaften sich ihr Leben prolongieren, wird den sozialistischen
Parteien neue arbeitende Schichten zuführen. Wen die Götter
verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit, das kann mit
voller Sicherheit den deutschen Parteien gesagt werden, das gilt
auch für die èechischen Parteien. Der Cäsarenwahnsinn
der èechischen Agrarpartei scheint
keine Grenzen zu haben, mit einem Aushungerungsplan tritt uns
die èechische agrarische Partei entgegen und sie weiß
sich hier auf gleicher Linie mit der deutschen Agrarpartei, welche
als erste Viehzölle gefordert hat. Die deutsche Arbeiterklasse
- das gilt auch von der Arbeiterklasse der anderen Nationen wird
den Fehdehandschuh, der ihr hingeworfen wird, aufheben und stellt
sich beruhigt und beherzt zum Kampfe. Die Antwort auf die agrarische
Herausforderung kann nur sein, daß nun auch die Lohnfrage
der arbeitenden Menschen auf der ganzen Linie aufgerollt werden
wird. Wer das bessere Recht hat, wird in diesem Kampfe siegen.
Bisher war es nur die Arbeiterklasse, die, mochte es sich um gute
oder böse Zeiten handeln, mochte es sich handeln um Zeiten
der Konjunktur oder um Zeiten der wirtschaftlichen Depression,
im Wirtschaftsprozeß immer in die Hinterhand geraten ist.
Es geht in dieser Stunde, wie der "Venkov" richtig auseinandergesetzt
hat, nicht um Verwaltungsfragen, nicht um eine Verwaltungsordnung,
sondern es geht um das Schicksal der arbeitenden Klassen: Hier
der Kapitalismus, drüben der Sozialismus als letzte Zuflucht,
als die große Hoffnung der arbeitenden Menschen, der werktätigen
Bevölkerung in Stadt und Land, als die große Hoffnung
der geistigen und manuellen Arbeiter. Der Kampf ist übrigens
längst schon im Gange. Er soll nach den Wünschen der
Herren vom Bürgerblock, der Herren Kramáø,
der Herren Agrarier mit aller Härte geführt werden und
die schärfsten Formen annehmen. Auch dazu sind die Arbeiter
voll gerüstet. Der Perserkönig Darius hat einmal nach
einer Niederlage, die ihm die Athener und Jonier beigebracht haben,
nach der Einäscherung von Sardes einem Sklaven aufgetragen,
daß er ihm bei jeder Mahlzeit zurufe: "O Herr, gedenke
der Athener!" Hohes Haus, so sollen die arbeitenden Menschen
dieses Landes bei allen Gelegenheiten rufen: Gedenket des internationalen
kapitalistischen Blockes, zahlt ihnen das zynische Attentat, zahlt
ihnen den zynischen Übermut heim, werft sie aus ihren Positionen,
werft sie aus ihrem Machtbereich, werft sie nieder! (Souhlas
a potlesk èsl. a nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Meine Damen und Herren! Die im Abgeordnetenhaus
gegenwärtig abzuführende Wechselrede im Anschluß
an den Ausgang der Wahlen in die Bezirks- und Landesvertretungen
gibt auch mir als dem Vertreter des parlamentarischen Klubs der
deutschen Nationalpartei Gelegenheit, über die parlamentarische
Linie und Taktik der deutschen Nationalpartei eine Erklärung
abzugeben.
Lange vor der Ausschreibung der Wahlen in die
Landesvertretungen ist die deutsche Nationalpartei für eine
gemeinsame Liste sämtlicher deutschen Parteien eingetreten.
Sie ist sogar soweit gegangen, den Vorschlag zu machen, daß
die Kandidatenlisten nicht von den einzelnen parlamentarischen
Parteien aufgestellt und die Wahlen nicht von diesen durchgeführt
werden sollen, sondern daß eine außerhalb der politischen
Parteien stehende Stelle, wie z. B. der Verband der deutschen
Selbstverwaltungskörper oder eine ähnliche Institution,
die Wahlwerberliste aufstelle, wodurch die Wahlen in die Landesvertretungen
auf deutscher Seite vollständig entpolitisiert worden wären.
Das hätte nicht nur den Erfolg gehabt, daß die Gewählten
als ein geschloßener Klub in den Landesvertretungen hätten
auftreten können und ein einheitliches Vorgehen derselben
auf deutscher Seite sichergestellt worden wäre, sondern daß
sich auch die von der Regierung ernannten deutschen Vertreter
diesem einheitlichen deutschen Block nolens volens hätten
anschließen müssen. Dadurch wäre der politischen
Korruption, die darin liegt, daß die Regierung bei der Ernennung
sich nicht von sachlichen sondern von politischen Gründen
leiten läßt, ein Riegel vorgeschoben worden - der Regierung
wäre es nie gelungen, das zu Ungunsten der Regierungsparteien
ausgefallene Wahlergebnis wenigstens auf deutscher Seite durch
ein jeder Demokratie hohnsprechendes System der Ernennung von
Landesvertretern gegen den klar ausgesprochenen Willen der Wählerschaft
zugunsten der Regierungsparteien zu korrigieren. In Böhmen
z. B. hätten wir dann einen deutschen Klub von mindestens
34 deutschen Landesvertretern, bei Nichtmithalten der deutschen
Sozialdemokraten von mindestens 24 deutschen Mitgliedern erhalten,
also den stärksten Klub in der Landesvertretung überhaupt,
der dann, aber auch nur dann, vielleicht wirklich trotz des würgenden
Statuts der Landesvertretungen hätte einen Einfluß
ausüben können. Nur dadurch wäre erreicht worden,
was die deutschen Regierungsparteien zur Entschuldigung der Änderung
der Gauverfassung in diese Form der Landesverfassung angeführt
haben, daß nämlich bei der letzteren das geschlossene
Deutschtum besser zum Ausdruck kommen.
So hat die deutsche Nationalpartei wiederum
gezeigt, daß es sich ihr nicht um die eigene Partei sondern
nur um allgemeine deutsche Interessen handelt. Der Vorschlag scheiterte
an dem Parteiegoismus der anderen deutschen Parteien, die von
einer Preisgabe ihres parteipolitischen Einflußes auf die
Landesvertretungen nichts wissen wollten.
Aus den gleichen Gründen wurde auch der
weitere von der deutschen Nationalpartei gemachte Vorschlag abgelehnt,
eine gemeinsame Liste aller deutsche Parteien, wenn auch ohne
die deutschen Sozialdemokraten, falls diese nicht mittun wollten,
für die Wahlen in die Landesvertretungen aufzustellen, allerdings
mit der weiteren Bestimmung, daß die auf diese gemeinsamen
Listen gewählten Landesvertreter nicht den einzelnen politischen
Parteien für ihr Tun und Lassen verantwortlich sein sollten,
sondern auf Grund des Mehrheitsprinzipes ihre Beschlüsse
zu fassen hätten.
Nachdem dieses von der deutschen Nationalpartei
verlangte gemeinsame Vorgehen gescheitert ist, sowohl das vollständige
Entpolitisieren der Wahlen in die Landesvertretungen als auch
die Vorlage gemeinsamer Wahlwerberlisten mit nachfolgendem gemeinsamen
Klub der deutschen Landesvertreter, ist die deutsche Nationalpartei
in die Wahlen eingetreten und hat versucht, diese Wahlen in die
an und für sich auf Grund der Bestimmungen des Verwaltungsreformgesetzes
sehr bedeutungslosen Landesvertretungen zu politischen Wahlen
zu machen. Auf diese Weise sollte eine Art Volksabstimmung über
die Frage herbeigeführt werden, wie sich die Sudetendeutschen
zu der Form und zu den Erfolgen der deutschen Regierungspolitik
stellen. Die deutsche Nationalpartei hat dabei von vornherein
den Standpunkt vertreten und diesem sowohl in der Presse als auch
in den Versammlungen Ausdruck gegeben, daß es nicht darauf
ankommt, ob die eine oder andere Einzelpartei mehr oder weniger
Mandate und Stimmen erzielt, sondern lediglich darauf, ob vom
deutschen Standpunkte aus betrachtet die deutschen Regierungsparteien
einen Stimmenverlust erleiden, ob also ihre Regierungspolitik
von ihren eigenen Wählern gebilligt wird oder nicht. Das
Ergebnis der Wahlen hat in dieser Richtung eine klare Entscheidung
gebracht. Die deutschen Regierungsparteien haben einen merklichen
Wählerabfall zu verzeichnen und nun können, wie es der
Vorsitzende der deutschen Nationalpartei sen. Dr. Brunar schon
am 25. November dieses Jahres im "Teplitz-Schönauer
Anzeiger" als zu erhoffende Folge des Wahlkampfes ausgeführt
hat, die èechischen Parteien von den deutschen Regierungsparteien
vor die entscheidende Frage gestellt werden, ob sie es mit der
von den Èechen vorgegebenen Versöhnungspolitik, der
Politik der Gleichen unter Gleichen, wirklich ernst meinen. Es
ist so gekommen, wie Sen. Dr. Brunar in
seinem Artikel damals ausführte: Wenn die Èechen tatsächlich
Wert darauf legen, die deutschen Regierungsparteien
in der Regierung zu erhalten, so müssen sie ihnen, wenn die
deutschen Regierungsparteien es nur entsprechend verlangen, mehr
als bisher entgegenkommen, weil nur so der durch eine zweijährige
nachgiebige Politik hervorgerufenen Abfallsbewegung von den deutschen
Regierungsparteien ein Ende gemacht werden könnte. Logischerweise
müßten nun die deutschen Regierungsparteien aus ihrer
grundsätzlichen Unterwerfungspolitik zu einer Postulatenpolitik
übergehen, darin liegt der nationalpolitische Vorteil einer
für die nationale Opposition siegreichen Wahlschlacht.
Es handelte sich also der deutschen Nationalpartei
nicht darum, die deutschen Regierungsparteien aus der Regierung
herauszumanövrieren, im Gegenteil, es besteht jetzt besser
als früher die Möglichkeit, die deutschen Regierungsparteien
zur Führung einer erfolgreichen Politik anzuspornen. Es wäre
auch vom Standpunkte des deutschen Aktivismus ein Fehler, wenn
die deutschen Regierungsparteien jetzt aus der Regierung hinausgingen,
weil dann das aktivistische Experiment, in das sie vor
zwei Jahren hineingegangen sind, nicht bis zum Ende durchgeführt
wäre. Denn die deutschen Regierungsparteien haben bisher
noch in keinem einzigen Falle von für die Sudetendeutschen
grundsätzlicher Bedeutung die èechischen
Regierungsparteien vor die Alternative gestellt, deutsche Forderungen
zu bewilligen oder damit rechnen zu müssen, die deutschen
Regierungsparteien sonst aus der Regierung ausscheiden zu sehen.
Heute ist die Sachlage so, daß die deutschen
Regierungsparteien in der Regierungsmehrheit stärker
sind als früher, weil die Èechen ein Ausscheiden der
deutschen Regierungsparteien nicht zulassen können. Denn
mit der Möglichkeit des Eintrittes sozialistischer Parteien
in die Regierungsmehrheit ist derzeit nicht zu
rechnen und damit entfällt die Möglichkeit, eine neue
Regierungsmehrheit zu bilden. Auf eine Staatskrise können
es die èechisch en Regierungsparteien auch nicht ankommen
lassein. Dr. Kramáø hat selbst einmal gesagt,
daß keine èechische bürgerliche Partei unter
den obwaltenden Verhältnissen ein Interesse daran hat, sich
abermals dem unerträglichen Terror der Sozialisten in einer
neuen Regierungsmehrheit auszulifern. Solcher Art sind also gerade
durch den Wahlverlust die taktischen Positionen der deutschen
Regierungsparteien gestärkt worden, weil die Regiering heute
auf ihre Stimmen mehr als je angewiesen ist. So ist jeder Stimmenverlust
der deutschen Regierungsparteien eine Verbesserung ihrer Lage
gegenüber der Regierung, weil sie immer wieder darauf hinweisen
können, daß sie mit Rücksicht auf ihre Parteien
und ihre Wähler die zwei Jahre lang betriebene Politik der
absoluten Nachgiebigkeit gegenüber den Èechen nicht
weiter fortführen können. In dieser Auffassung liegt
die positive Seite der Opposition, die durch
ihre Kritik und durch ihre oppostionelle Taktik auf die deutschen
Regierungsparteien einen Druck ausübt oder wenigstens auszuüben
versucht, um sie zu einer anderen Politik als bisher, zu einer
stärkeren Betonung der deutschen Forderungen zu veranlassen.
Bei dem herrschenden parlamentarischen System,
wie es hier in diesem Staate geübt wird, ist es jedem Mensch
en klar, daß die von der Opposition gestellten Anträge
zu den verschiedenen Gesetzen oder auch die von ihr eingebrachten
Initiativanträge unberücksichsichtigt bleiben. Die deutsche
Nationalpartei hat hunderte von solchen Anträgen gestellt,
de von den Regierunugsparteilern, auch von den deutschen, immer
und immer wieder niedergestimmt wurden, auch wenn sie sich vollständig
mit dem früher von diesen selben deutschen Parteien gestellten
Anträgen aus der Zeit ihrer oppositionellen Stellung gedeckt
haben. Die positive Arbeit in dieser Form, also die Verbesserung
von Gesetzesanträgen und die Abänderungen von Gesetzen
zu erzielen, ist schon deshalb der Opposition unmöglich gemacht.
Wenn die deutsche Nationalpartei trotzdem solche Anträge
stellt und so scheinbar eine Sisyphusarbeit leistet, so tut sie
dies in der Erwägung, dadurch den deutschen Regierungsparteien
Gelegenheit zu geben, diese Anregungen auf eine ihnen geeignet
erscheinende Weise aufzunehmen und ihrerseits durchzudrücken,
oder wenigstens den Versuch dazu zu machen. Aber der Hauptwert
der Opposition liegt darin, daß sie die deutschen Regierungsparteien
zwingt, den ganzen Kurs ihrer Politik zu ändern und von sich
selbst heraus, wenn sie nicht durch den fortdauernden Wählerverlust
eingehen wollen, in eine nationale Politik einzuschwenken. Als
Beispiel können wir darauf hinweisen, daß die Sozialdemokraten,
solange es keine Kommunisten im Parlamente gab, viel leichter
in der Regierungskoalition mitarbeiten konnten, in der sie ihr
Programm nicht vollständig durchzusetzen in der Lage waren,
während sie später unter dem Drucke der Kommunisten
gezwungen wurden, in der Koalition immer wieder ihre programmatischen
Forderungen zu stellen und Erfolge nach Hause zu bringen, damit
sie nicht die Wähler an diese sozialistisch radikaleren Gruppen
verlieren. Insoferne bilden solche Gruppen für verwandte
Parteien einen ständigen Antrieb, zumindest eine scharfe
Kontrolle ihrer Tätigkeit.
Genau so liegen die Verhältnisse auf deutscher
Seite. Schon durch ihre Existenz treiben die radikalen Gruppen
die deutschen Regierungsparteien vorwärts und sie können
dies natürlich um so besser tun, je mehr sie diese positive
Seite ihrer Aufgabe erkennen. Das Beste wäre freilich, wenn
diese Einsicht auch auf Seite der deutschen Regierungsparteien
vorhanden wäre. Leider sind wir davon heute noch sehr weit
entfernt, sonst würden die deutschen Regierungsparteien das
deutsche Gesamtinteresse im Auge behalten, diese Tätigkeit
der Opposition ausnützen, anstatt bei jeder Kritik die Beleidigten
und Gekränkten zu spielen. Bei einem durch und durch politisch
geschulten und in seiner Grundstimmung national gerichteten Volke
wie es etwa das èechische ist,
käme das nicht vor. Es würde sich im Gegenteil aus der
Bereitwilligkeit einer Opposition in dieser Art mitzuarbeiten,
selbstverständlich ein Zusammenspiel der Kräfte soziologisch
ergeben, das von beiden Seiten bewußt durchgeführt
wird. Bei den Èechen im alten
Österreich ist es auch so gewesen. Die Èechen, die
im Regierungslager oder gar in der Regierung saßen, wurden
durch die Radikalen vorwärts getrieben und Dr. Kramáø
hat es in seiner berühmten Nimburger
Rede im Jahre 1911 ausdrücklich gesagt, daß
eine Opposition notwendig ist und daß eine Nation, die in
einem Staate in der Minderheit ist, ohne eine solche Opposition
gar nicht leben kann. Und doch sind die Angriffe der èechisch-radikalen
auf die èechischen Regierungsleute viel persönlicher
und schärfer gewesen, als es heute
bei uns Deutschen der Fall gewesen ist. Bei den Èechen
aber war niemand gekränkt, sondern im Gegenteil, die èechischen
Minister haben diese Angriffe dazu benützt, um ihrer Nation,
ja ganz besonders ihren radikalen Elementen, so viel
Erfolge zuzuschanzen, als nur möglich war. Kein èechischer
Minister hat jemals eine Verwendung für irgendeinen Volksgenossen
im gewesenen Kaiserstaat Österreich von dessen Parteizugehörigkeit
abhängig gemacht. Bei uns ist keine Spur eines derartigen
Verständnisses im deutschen Regierungslager
zu finden, bei uns ist eben im Gegensatz zum nationalen Gegner
das Volksbewußtsein und die politische Begabung durchaus
nicht in das Blut übergegangen. Und bei uns gibt es leider
nur einen Teil der wirkenden Kräfte in der Politik, der dieses
Zusammenwirken in der Politik bewußt in Angriff nimmt und
durchführt, nämlich die Opposition. Die Opposition allein
führt planmäßig und mit voller Überzeugung,
aber konzessionslos, ihren Teil der Arbeit durch, während
der andere Partner, nämlich die deutschen Regierungsparteien,
leider das notwendige Verständnis vermissen lassen und daher
lediglich erzwungenermaßen, durchaus nicht freiwillig, auf
die notwendigen taktischen Vorstöße der Opposition
reagieren und vorwärts getrieben werden. Daraus ergibt sich
klar, daß die positive deutsche Politik in diesem Staate
nur auf Seiten der deutschen Opposition liegt, weil eben nur sie
als, der eine Faktor der bewegenden Kräfte in der Politik
zielbewußt vorgeht. Auf solche Weise kann die Sicherung
der Rechte der Deutschen in diesem Staate, geschweige denn die
Zurückgewinnung des Verlorenen, bei der Passivität,
ja bei dem grundsätzlichen Entgegenhandeln der deutschen
Regierungsparteien nur äußerst langsam vorsichgehen.
Was nützt es, wenn auch alle deutschen
Parteien theoretisch und programmgemäß die Selbstverwaltung
als Ziel anstreben, wenn die deutschen Regierungsparteien, die
jetzt wieder in der Frage der deutschen Landesstellen der Pensionsversicherungsanstalt
Schritt für Schritt von der Linie der Selbstverwaltung abweichen
und Gesetzen zustimmen, die die kärglichen Reste der Selbstverwaltung,
die noch aufrecht blieben, fortwährend dem weiteren Verbleiben
in der Regierungsmehrheit opfern? Was nützt es, wenn auch
die Regierungsparteien nach außenhin auf dem Standpunkt
der Selbstverwaltung stehen, wenn sie nicht einmal das zu verteidigen
wissen, was sie bisher hatten, während doch sogar Dr. Kramáø
sagte, es sei unmöglich, den Deutschen
Dinge zu nehmen, die sie in den letzten 10 Jahren der Republik
besessen hatten, also die deutschen Landesstellen der Pensionsversicherungsanstalt?
Es genügt nicht, ein gemeinsames Ziel
aufzustellen. Dieses Ziel muß auch verfolgt werden. Die
Handlungen beider Teile, der Opposition und der Mehrheit, müssen
positiv darauf hinauslaufen, sonst haben die schönste Theorie
und die schönste Zielsetzung keinen Zweck. Es ist also ganz
falsch, daß die deutsche Opposition grundsätzlich oder
taktisch eine negative ist. Wir können es auch ganz ruhig
aussprechen! Wenn auf solchem Wege durch die deutschen Regierungsparteien
Erfolge erzielt werden, wollen wir sie den deutschen Regierungsparteien
sehr gerne gutbuchen, ohne natürlich daran zu vergessen,
daß sich die deutschen Regierungsparteien nur unter dem
Drucke der Opposition aufgerafft haben, ihrerseits endlich
auf die èechischen Parteien einen Druck auszuüben,
anstatt wie bisher ständig nachzugeben, so daß die
Èechen doch in Zukunft veranlaßt werden, den deutschen
Regierungsparteien auf diesem oder jenem Gebiete etwas mehr entgegenzukommen.
Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn zwei allerdings nicht
sehr bedeutende Erfolge deutscher Parteien in diesem Staate schon
auf dieses Zusammenspiel der Kräfte zurückgeführt
werden können. Ich erinnere da an die beabsichtigte Änderung
zweier Paragraphe der Gewerbeordnung, die gefährliche Sprachverfügungen
den deutschen Gewerbetreibenden hätten bringen können,
und an die Zurücknahme der berüchtigten Broschüre
für die deutschen Schulkinder anläßlich des Staatsjubiläums.
In beiden Fällen hat die Opposition ihre Stimmen erhoben
und die deutschen Regierungsparteien mußten unter diesem
Drucke Abhilfe schaffen. Darin besteht eben das Zusammenspiel
zwischen der deutschen Opposition und den deutschen Regierungsparteien
und darin der Wert des Ausfalles der Wahlen, daß die deutschen
Regierungsparteien vielleicht jetzt dafür geneigter sein
müssen als früher.
Es ist klar, daß diese Zusammenarbeit
sich viel reibungsloser vollziehen würde, wenn sie auf Grund
eines Einverständnisses erfolgte. Es ist aber kein Paradoxon,
daß diese Zusammenarbeit, wenn ein solches Einvernehmen
auf Grund des geringen Verständnisses der deutschen Regierungsparteien
für eine solche Taktik fehlt, die Form eines scharfen Kampfes
gegen die deutschen Regierungsparteien annehmen muß. Nur
ein politisches Kind kann der Auffassung huldigen, daß die
deutschen Regierungsparteien dann größere Erfolge erzielen
würden, wenn die Opposition ihre Politik fortwährend
billigt, bezw. sie mit Glacéhandschuhen behandelt, ihnen
den guten Willen zubilligt, sie immer und immer wieder mit ihrer
Schwäche in der Regierungsmehrheit vor der Bevölkerung
entschuldigt, weil es doch ein jeder Mensch, der nur eine blasse
Ahnung von der Politik hat, klar einsehen muß, daß
durch eine solche lendenlahme Opposition die deutschen Regierungsparteien
nur zu einem dolce far niente verleitet werden das vom Standpunkte
der sudetendeutschen Politik jedenfalls als das größte
Übel zu bezeichnen wäre, auf alle Fälle aber als
ein größeres Übel, als der sogenannte "Kampf
von Deutschen gegen Deutsche" ist, der unter politisch klugen
und gereiften Personen dann, wenn dieser Kampf sachlich geführt
wird - wobei gleichzeitig zu bemerken ist, daß auch ein
Angriff auf bestimmte Personen ein sachlicher Kampf sein kann,
wenn eben diese Personen eine unrichtige und vom nationalen Standpunkt
aus gefährliche Politik machen - niemals auf das rein persönliche
oder rein gesellschaftliche Gebiet übertragen werden, zu
persönlicher Feindschaft führen und dadurch gemeinsames
politisches Handeln und einverständliches Vorgehen in solchen
Fragen, wo dies eben möglich ist, verhindern muß.