Úterý 18. prosince 1928

Man wartet, man wartet; man muß beisammen bleiben, sagt ein anderes Blatt, weil man die Konsolidierung des Staates zu Ende führen will. Sehr schön; alles haben die Herrn in der Koalition, die deutschen und die èechischen, getan, die wirtschaftliche Konjunktur ist da, eine Blüteperiode, das goldene Zeitalter, die Arbeitslosigkeit ist gebannt, sie ist auf eine kleine Ziffer reduziert, die Handelsbilanz wird angerufen, das Budget ist im Gleichgewicht, kurzum, wie es im christlichsozialen Aufruf heißt: "Auf der ganzen Linie gedeiht die Wirtschaft." Wem haben wir das zu danken? Selbstverständlich dem Bürgerblock, nur seiner Wirksamkeit, und da das Werk nun begonnen wurde, muß es fortgesetzt und beendet werden.

In Wirklichkeit ist aber die Geschichte mit der Konjunktur eine ganz kuriose Sache. Eine ganz kuriose Sache ist das mit der Handelsbilanz, von der jeder weiß, daß sie in diesen wirtschaftlichen Zusammenhang überhaupt nicht hineingehört, von der jeder weiß, daß die Novemberhandelsbilanz einen Rückgang von 114 Mill. aufweist, daß die Bilanz vom 1. Jänner bis November einen Rückgang von 444 Mill., also fast eine halbe Milliarde aufweist. Es weiß jeder von Ihnen - Sie können es in den Zeitungen lesen daß die Produktion von Kohle, Briquetts und Koks in Mähr. Ostrau in der letzten Zeit um nahezu 16% zurückgegangen ist, daß die Arbeitslosigkeit wohl kleiner geworden ist, daß aber Hunderte von Menschen an den Toren und Türen der Arbeitsvermittlungsämter und Gewerkschaften pochen und Arbeit verlangen.

Man spricht von der Herabsetzung des Index, man beruft sich auf den sinkenden Großhandelsindex, wo die Milch effektiv um 20 Heller teuerer wurde und kaum, daß die Wahlen vorüber waren, sich der Wucher wieder an die Oberfläche gewagt hat, um den Haushalt der Arbeitenden zu verteuern. Die Butter ist in letzter Zeit um 10 bis 12 Kè, die Kartoffeln, der Zucker, sind teuerer geworden, die Lebenshaltung wird immer teuerer, am 1. Jänner ist eine neue Zinserhöhung zu gewärtigen. Mit jedem Tage wachsen die Lohnkämpfe, weil die Arbeiter ganz außerstande sind, der Teuerung nachzukommen in ihrem ungeheueren Tempo. Einzelne Industrien kommen immer mehr und mehr in Schwierigkeiten, so die Textilindustrie, die Zuckerindustrie. Wir erleben es beispielsweise, daß Zucker in Deutschland nahezu die Hälfte dessen kostet, was er hier, im typischen Lande der Zuckerindustrie, kostet. Der Goldregen ist nur ein Goldregen für eine kleine Schicht von Menschen geworden, aber an dem Proletariat, an der Arbeiterschaft, ist er vorübergegangen. Und der Ausblick in die Zukunft! Im heutigen Blatt der Agrarier wird ein Komunique der Handelskammerzentrale vom 13. Dezember veröffentlicht, das besagt, daß auf handelspolitischem Gebiete - das ist der Ausblick in die Zukunft - eine Stagnation zu verzeichnen ist, welche mit der von den Handelskammern nicht gebilligten Regelung der landwirtschaftlichen Zölle zusammenhängt. Und noch eines! In einem Teile des "Venkov", den nicht alle zu lesen pflegen - aber ich bin schon so ein Feinschmecker - in einem Teile des "Venkov" vom 14. Dezember, also zu einer Zeit, wo er triumphiert und den sozialistischen Parteien entgegenruft: "Was wollt Ihr haben, wir haben die kleinste Arbeitslosenziffer, leset die Verlautbarung in den "Lidové Noviny" über die Arbeitslosigkeit" - in einer solchen Zeit ist im "Venkov" zu lesen, nach einer kurzen Betrachtung, daß es überall um die Èechoslovakei herum - in Deutschland über eine Million, in den Nachbarländern Hunderttausende - Arbeitslose gibt, daß das unmöglich ohne Einfluß auf unsere Produktion bleiben kann: "Soll es nicht - sagt der "Venkov" - zu unangenehmen Enttäuschungen und zu einem Sinken der Beschäftigung kommen, wenn einmal die in unseren heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht begründete und darum ungesunde Baubewegung aufhört, dann brauchen wir eine neue wirtschaftliche Orientierung." Eine neue, also nicht die des Bürgerblocks, der èechoslovakischen Koalition, nicht die heute als sieghaft bezeichnete. (Pøcdsednictví se ujal pøedseda Malypetr.) Wir müssen, sagt der "Venkov" vier Tage zurück, also jüngsten Datums, alles daran setzen, um unsere Ausfuhr aufrechtzuerhalten., sie noch zu erhöhen, aber wir müssen uns, solange es noch Zeit ist, um die Stärkung der Kaufkraft des heimischen Marktes bemühen. (Hört! Hört!) Das ist das entscheidende an den Fragen. Wir können leicht exportieren, so lange die Inder unsere Baa-Schuhe abnehmen, Polen unser Papier abkauft und Ungarn unsere Textilwaren. Wenn das vorüber ist und der innere Markt nicht aufnahmsfähig ist, muß die Katastrophe kommen. Volkswirtschaftler von Rang sagen - ich rede gar nicht von Minister Engliš, der drüben in seiner Reputation arg zugeputzt wurde daß das große Geheimnis der èechoslovakischen Wirtschaftspolitik die Stärkung des inneren Marktes ist, und daß gerade nach dieser Richtung der Bürgerblock vollkommen versagt hat. Die Berufung auf die Arbeitslosigkeit hat nichts zu bedeuten. Es gibt kein konservativer regiertes Land als England, und schauen Sie die Arbeitslosigkeit in diesem Lande! Weit über eine Million Menschen! Was hat die Arbeitslosigkeit mit dem Bürgerblock zu tun? Was hat die Handels bilanz mit dem Bürgerblock zu tun? Wir haben eine Aktivität der Handelsbilanz von 21/2 Milliarden. Unter Beneš war die Aktivität sogar über 5 Milliarden. Es müßten also die Herren von drüben sagen, daß damals gut regiert worden ist. Unter Tusar betrug die Aktivität 4 Milliarden, in der Ära Beneš 5.3 Milliarden. Was haben diese Dinge mit einander zu tun? Nichts als Bluff, als Täuschung, als Wahlköder, der aber nicht verfangen hat, wie wir bei den Wahlen gesehen haben; überall, wo wir draußen in den Versammlungen erzählt haben, was die Herren vom Bürgerblock alles für sich in Anrechnung bringen wollen, hat es nur schallende Heiterkeit ausgelöst.

Die Herren vom Bürgerblock wollen im Amte bleiben. Sie bedienen sich dazu als Rechtfertigung aller möglichen Tricks. Sie wollen mit einer sechsköpfigen Mehrheit weiter regieren. Ich kann nur eines sagen! Nach den Grundsätzen der Demokratie ist vor den Augen der ganzen Öffentlichkeit der deutsch-èechische Bürgerblock gerichtet. Je offener sich die Herren drüben als Usurpatoren aufspielen, je klarer sie die Fahne der bürgerlichen Diktatur aufrollen, je zynischer sie sich über das Volksvotum hinwegsetzen, desto vernichtender wird die Wahlentscheidung sein, der sie ja schließlich doch nicht ausweichen werden. Der Tag der Abrechnung wird ja kommen, ob die Herren wollen oder nicht. Hohes Haus! Ich möchte zum Schluße eilen und möchte Folgendes sagen: Jeder Tag, um den dieses Regime sein Leben verlängert, bedeutet für das Regime nur ein neues Opfer von Wahlstimmen, jeder Tag, um den die Herrschaften sich ihr Leben prolongieren, wird den sozialistischen Parteien neue arbeitende Schichten zuführen. Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit, das kann mit voller Sicherheit den deutschen Parteien gesagt werden, das gilt auch für die èechischen Parteien. Der Cäsarenwahnsinn der èechischen Agrarpartei scheint keine Grenzen zu haben, mit einem Aushungerungsplan tritt uns die èechische agrarische Partei entgegen und sie weiß sich hier auf gleicher Linie mit der deutschen Agrarpartei, welche als erste Viehzölle gefordert hat. Die deutsche Arbeiterklasse - das gilt auch von der Arbeiterklasse der anderen Nationen wird den Fehdehandschuh, der ihr hingeworfen wird, aufheben und stellt sich beruhigt und beherzt zum Kampfe. Die Antwort auf die agrarische Herausforderung kann nur sein, daß nun auch die Lohnfrage der arbeitenden Menschen auf der ganzen Linie aufgerollt werden wird. Wer das bessere Recht hat, wird in diesem Kampfe siegen. Bisher war es nur die Arbeiterklasse, die, mochte es sich um gute oder böse Zeiten handeln, mochte es sich handeln um Zeiten der Konjunktur oder um Zeiten der wirtschaftlichen Depression, im Wirtschaftsprozeß immer in die Hinterhand geraten ist. Es geht in dieser Stunde, wie der "Venkov" richtig auseinandergesetzt hat, nicht um Verwaltungsfragen, nicht um eine Verwaltungsordnung, sondern es geht um das Schicksal der arbeitenden Klassen: Hier der Kapitalismus, drüben der Sozialismus als letzte Zuflucht, als die große Hoffnung der arbeitenden Menschen, der werktätigen Bevölkerung in Stadt und Land, als die große Hoffnung der geistigen und manuellen Arbeiter. Der Kampf ist übrigens längst schon im Gange. Er soll nach den Wünschen der Herren vom Bürgerblock, der Herren Kramáø, der Herren Agrarier mit aller Härte geführt werden und die schärfsten Formen annehmen. Auch dazu sind die Arbeiter voll gerüstet. Der Perserkönig Darius hat einmal nach einer Niederlage, die ihm die Athener und Jonier beigebracht haben, nach der Einäscherung von Sardes einem Sklaven aufgetragen, daß er ihm bei jeder Mahlzeit zurufe: "O Herr, gedenke der Athener!" Hohes Haus, so sollen die arbeitenden Menschen dieses Landes bei allen Gelegenheiten rufen: Gedenket des internationalen kapitalistischen Blockes, zahlt ihnen das zynische Attentat, zahlt ihnen den zynischen Übermut heim, werft sie aus ihren Positionen, werft sie aus ihrem Machtbereich, werft sie nieder! (Souhlas a potlesk èsl. a nìm. soc. demokratických poslancù.)

2. Øeè posl. Horpynky (viz str. 32 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die im Abgeordnetenhaus gegenwärtig abzuführende Wechselrede im Anschluß an den Ausgang der Wahlen in die Bezirks- und Landesvertretungen gibt auch mir als dem Vertreter des parlamentarischen Klubs der deutschen Nationalpartei Gelegenheit, über die parlamentarische Linie und Taktik der deutschen Nationalpartei eine Erklärung abzugeben.

Lange vor der Ausschreibung der Wahlen in die Landesvertretungen ist die deutsche Nationalpartei für eine gemeinsame Liste sämtlicher deutschen Parteien eingetreten. Sie ist sogar soweit gegangen, den Vorschlag zu machen, daß die Kandidatenlisten nicht von den einzelnen parlamentarischen Parteien aufgestellt und die Wahlen nicht von diesen durchgeführt werden sollen, sondern daß eine außerhalb der politischen Parteien stehende Stelle, wie z. B. der Verband der deutschen Selbstverwaltungskörper oder eine ähnliche Institution, die Wahlwerberliste aufstelle, wodurch die Wahlen in die Landesvertretungen auf deutscher Seite vollständig entpolitisiert worden wären. Das hätte nicht nur den Erfolg gehabt, daß die Gewählten als ein geschloßener Klub in den Landesvertretungen hätten auftreten können und ein einheitliches Vorgehen derselben auf deutscher Seite sichergestellt worden wäre, sondern daß sich auch die von der Regierung ernannten deutschen Vertreter diesem einheitlichen deutschen Block nolens volens hätten anschließen müssen. Dadurch wäre der politischen Korruption, die darin liegt, daß die Regierung bei der Ernennung sich nicht von sachlichen sondern von politischen Gründen leiten läßt, ein Riegel vorgeschoben worden - der Regierung wäre es nie gelungen, das zu Ungunsten der Regierungsparteien ausgefallene Wahlergebnis wenigstens auf deutscher Seite durch ein jeder Demokratie hohnsprechendes System der Ernennung von Landesvertretern gegen den klar ausgesprochenen Willen der Wählerschaft zugunsten der Regierungsparteien zu korrigieren. In Böhmen z. B. hätten wir dann einen deutschen Klub von mindestens 34 deutschen Landesvertretern, bei Nichtmithalten der deutschen Sozialdemokraten von mindestens 24 deutschen Mitgliedern erhalten, also den stärksten Klub in der Landesvertretung überhaupt, der dann, aber auch nur dann, vielleicht wirklich trotz des würgenden Statuts der Landesvertretungen hätte einen Einfluß ausüben können. Nur dadurch wäre erreicht worden, was die deutschen Regierungsparteien zur Entschuldigung der Änderung der Gauverfassung in diese Form der Landesverfassung angeführt haben, daß nämlich bei der letzteren das geschlossene Deutschtum besser zum Ausdruck kommen.

So hat die deutsche Nationalpartei wiederum gezeigt, daß es sich ihr nicht um die eigene Partei sondern nur um allgemeine deutsche Interessen handelt. Der Vorschlag scheiterte an dem Parteiegoismus der anderen deutschen Parteien, die von einer Preisgabe ihres parteipolitischen Einflußes auf die Landesvertretungen nichts wissen wollten.

Aus den gleichen Gründen wurde auch der weitere von der deutschen Nationalpartei gemachte Vorschlag abgelehnt, eine gemeinsame Liste aller deutsche Parteien, wenn auch ohne die deutschen Sozialdemokraten, falls diese nicht mittun wollten, für die Wahlen in die Landesvertretungen aufzustellen, allerdings mit der weiteren Bestimmung, daß die auf diese gemeinsamen Listen gewählten Landesvertreter nicht den einzelnen politischen Parteien für ihr Tun und Lassen verantwortlich sein sollten, sondern auf Grund des Mehrheitsprinzipes ihre Beschlüsse zu fassen hätten.

Nachdem dieses von der deutschen Nationalpartei verlangte gemeinsame Vorgehen gescheitert ist, sowohl das vollständige Entpolitisieren der Wahlen in die Landesvertretungen als auch die Vorlage gemeinsamer Wahlwerberlisten mit nachfolgendem gemeinsamen Klub der deutschen Landesvertreter, ist die deutsche Nationalpartei in die Wahlen eingetreten und hat versucht, diese Wahlen in die an und für sich auf Grund der Bestimmungen des Verwaltungsreformgesetzes sehr bedeutungslosen Landesvertretungen zu politischen Wahlen zu machen. Auf diese Weise sollte eine Art Volksabstimmung über die Frage herbeigeführt werden, wie sich die Sudetendeutschen zu der Form und zu den Erfolgen der deutschen Regierungspolitik stellen. Die deutsche Nationalpartei hat dabei von vornherein den Standpunkt vertreten und diesem sowohl in der Presse als auch in den Versammlungen Ausdruck gegeben, daß es nicht darauf ankommt, ob die eine oder andere Einzelpartei mehr oder weniger Mandate und Stimmen erzielt, sondern lediglich darauf, ob vom deutschen Standpunkte aus betrachtet die deutschen Regierungsparteien einen Stimmenverlust erleiden, ob also ihre Regierungspolitik von ihren eigenen Wählern gebilligt wird oder nicht. Das Ergebnis der Wahlen hat in dieser Richtung eine klare Entscheidung gebracht. Die deutschen Regierungsparteien haben einen merklichen Wählerabfall zu verzeichnen und nun können, wie es der Vorsitzende der deutschen Nationalpartei sen. Dr. Brunar schon am 25. November dieses Jahres im "Teplitz-Schönauer Anzeiger" als zu erhoffende Folge des Wahlkampfes ausgeführt hat, die èechischen Parteien von den deutschen Regierungsparteien vor die entscheidende Frage gestellt werden, ob sie es mit der von den Èechen vorgegebenen Versöhnungspolitik, der Politik der Gleichen unter Gleichen, wirklich ernst meinen. Es ist so gekommen, wie Sen. Dr. Brunar in seinem Artikel damals ausführte: Wenn die Èechen tatsächlich Wert darauf legen, die deutschen Regierungsparteien in der Regierung zu erhalten, so müssen sie ihnen, wenn die deutschen Regierungsparteien es nur entsprechend verlangen, mehr als bisher entgegenkommen, weil nur so der durch eine zweijährige nachgiebige Politik hervorgerufenen Abfallsbewegung von den deutschen Regierungsparteien ein Ende gemacht werden könnte. Logischerweise müßten nun die deutschen Regierungsparteien aus ihrer grundsätzlichen Unterwerfungspolitik zu einer Postulatenpolitik übergehen, darin liegt der nationalpolitische Vorteil einer für die nationale Opposition siegreichen Wahlschlacht.

Es handelte sich also der deutschen Nationalpartei nicht darum, die deutschen Regierungsparteien aus der Regierung herauszumanövrieren, im Gegenteil, es besteht jetzt besser als früher die Möglichkeit, die deutschen Regierungsparteien zur Führung einer erfolgreichen Politik anzuspornen. Es wäre auch vom Standpunkte des deutschen Aktivismus ein Fehler, wenn die deutschen Regierungsparteien jetzt aus der Regierung hinausgingen, weil dann das aktivistische Experiment, in das sie vor zwei Jahren hineingegangen sind, nicht bis zum Ende durchgeführt wäre. Denn die deutschen Regierungsparteien haben bisher noch in keinem einzigen Falle von für die Sudetendeutschen grundsätzlicher Bedeutung die èechischen Regierungsparteien vor die Alternative gestellt, deutsche Forderungen zu bewilligen oder damit rechnen zu müssen, die deutschen Regierungsparteien sonst aus der Regierung ausscheiden zu sehen.

Heute ist die Sachlage so, daß die deutschen Regierungsparteien in der Regierungsmehrheit stärker sind als früher, weil die Èechen ein Ausscheiden der deutschen Regierungsparteien nicht zulassen können. Denn mit der Möglichkeit des Eintrittes sozialistischer Parteien in die Regierungsmehrheit ist derzeit nicht zu rechnen und damit entfällt die Möglichkeit, eine neue Regierungsmehrheit zu bilden. Auf eine Staatskrise können es die èechisch en Regierungsparteien auch nicht ankommen lassein. Dr. Kramáø hat selbst einmal gesagt, daß keine èechische bürgerliche Partei unter den obwaltenden Verhältnissen ein Interesse daran hat, sich abermals dem unerträglichen Terror der Sozialisten in einer neuen Regierungsmehrheit auszulifern. Solcher Art sind also gerade durch den Wahlverlust die taktischen Positionen der deutschen Regierungsparteien gestärkt worden, weil die Regiering heute auf ihre Stimmen mehr als je angewiesen ist. So ist jeder Stimmenverlust der deutschen Regierungsparteien eine Verbesserung ihrer Lage gegenüber der Regierung, weil sie immer wieder darauf hinweisen können, daß sie mit Rücksicht auf ihre Parteien und ihre Wähler die zwei Jahre lang betriebene Politik der absoluten Nachgiebigkeit gegenüber den Èechen nicht weiter fortführen können. In dieser Auffassung liegt die positive Seite der Opposition, die durch ihre Kritik und durch ihre oppostionelle Taktik auf die deutschen Regierungsparteien einen Druck ausübt oder wenigstens auszuüben versucht, um sie zu einer anderen Politik als bisher, zu einer stärkeren Betonung der deutschen Forderungen zu veranlassen.

Bei dem herrschenden parlamentarischen System, wie es hier in diesem Staate geübt wird, ist es jedem Mensch en klar, daß die von der Opposition gestellten Anträge zu den verschiedenen Gesetzen oder auch die von ihr eingebrachten Initiativanträge unberücksichsichtigt bleiben. Die deutsche Nationalpartei hat hunderte von solchen Anträgen gestellt, de von den Regierunugsparteilern, auch von den deutschen, immer und immer wieder niedergestimmt wurden, auch wenn sie sich vollständig mit dem früher von diesen selben deutschen Parteien gestellten Anträgen aus der Zeit ihrer oppositionellen Stellung gedeckt haben. Die positive Arbeit in dieser Form, also die Verbesserung von Gesetzesanträgen und die Abänderungen von Gesetzen zu erzielen, ist schon deshalb der Opposition unmöglich gemacht. Wenn die deutsche Nationalpartei trotzdem solche Anträge stellt und so scheinbar eine Sisyphusarbeit leistet, so tut sie dies in der Erwägung, dadurch den deutschen Regierungsparteien Gelegenheit zu geben, diese Anregungen auf eine ihnen geeignet erscheinende Weise aufzunehmen und ihrerseits durchzudrücken, oder wenigstens den Versuch dazu zu machen. Aber der Hauptwert der Opposition liegt darin, daß sie die deutschen Regierungsparteien zwingt, den ganzen Kurs ihrer Politik zu ändern und von sich selbst heraus, wenn sie nicht durch den fortdauernden Wählerverlust eingehen wollen, in eine nationale Politik einzuschwenken. Als Beispiel können wir darauf hinweisen, daß die Sozialdemokraten, solange es keine Kommunisten im Parlamente gab, viel leichter in der Regierungskoalition mitarbeiten konnten, in der sie ihr Programm nicht vollständig durchzusetzen in der Lage waren, während sie später unter dem Drucke der Kommunisten gezwungen wurden, in der Koalition immer wieder ihre programmatischen Forderungen zu stellen und Erfolge nach Hause zu bringen, damit sie nicht die Wähler an diese sozialistisch radikaleren Gruppen verlieren. Insoferne bilden solche Gruppen für verwandte Parteien einen ständigen Antrieb, zumindest eine scharfe Kontrolle ihrer Tätigkeit.

Genau so liegen die Verhältnisse auf deutscher Seite. Schon durch ihre Existenz treiben die radikalen Gruppen die deutschen Regierungsparteien vorwärts und sie können dies natürlich um so besser tun, je mehr sie diese positive Seite ihrer Aufgabe erkennen. Das Beste wäre freilich, wenn diese Einsicht auch auf Seite der deutschen Regierungsparteien vorhanden wäre. Leider sind wir davon heute noch sehr weit entfernt, sonst würden die deutschen Regierungsparteien das deutsche Gesamtinteresse im Auge behalten, diese Tätigkeit der Opposition ausnützen, anstatt bei jeder Kritik die Beleidigten und Gekränkten zu spielen. Bei einem durch und durch politisch geschulten und in seiner Grundstimmung national gerichteten Volke wie es etwa das èechische ist, käme das nicht vor. Es würde sich im Gegenteil aus der Bereitwilligkeit einer Opposition in dieser Art mitzuarbeiten, selbstverständlich ein Zusammenspiel der Kräfte soziologisch ergeben, das von beiden Seiten bewußt durchgeführt wird. Bei den Èechen im alten Österreich ist es auch so gewesen. Die Èechen, die im Regierungslager oder gar in der Regierung saßen, wurden durch die Radikalen vorwärts getrieben und Dr. Kramáø hat es in seiner berühmten Nimburger Rede im Jahre 1911 ausdrücklich gesagt, daß eine Opposition notwendig ist und daß eine Nation, die in einem Staate in der Minderheit ist, ohne eine solche Opposition gar nicht leben kann. Und doch sind die Angriffe der èechisch-radikalen auf die èechischen Regierungsleute viel persönlicher und schärfer gewesen, als es heute bei uns Deutschen der Fall gewesen ist. Bei den Èechen aber war niemand gekränkt, sondern im Gegenteil, die èechischen Minister haben diese Angriffe dazu benützt, um ihrer Nation, ja ganz besonders ihren radikalen Elementen, so viel Erfolge zuzuschanzen, als nur möglich war. Kein èechischer Minister hat jemals eine Verwendung für irgendeinen Volksgenossen im gewesenen Kaiserstaat Österreich von dessen Parteizugehörigkeit abhängig gemacht. Bei uns ist keine Spur eines derartigen Verständnisses im deutschen Regierungslager zu finden, bei uns ist eben im Gegensatz zum nationalen Gegner das Volksbewußtsein und die politische Begabung durchaus nicht in das Blut übergegangen. Und bei uns gibt es leider nur einen Teil der wirkenden Kräfte in der Politik, der dieses Zusammenwirken in der Politik bewußt in Angriff nimmt und durchführt, nämlich die Opposition. Die Opposition allein führt planmäßig und mit voller Überzeugung, aber konzessionslos, ihren Teil der Arbeit durch, während der andere Partner, nämlich die deutschen Regierungsparteien, leider das notwendige Verständnis vermissen lassen und daher lediglich erzwungenermaßen, durchaus nicht freiwillig, auf die notwendigen taktischen Vorstöße der Opposition reagieren und vorwärts getrieben werden. Daraus ergibt sich klar, daß die positive deutsche Politik in diesem Staate nur auf Seiten der deutschen Opposition liegt, weil eben nur sie als, der eine Faktor der bewegenden Kräfte in der Politik zielbewußt vorgeht. Auf solche Weise kann die Sicherung der Rechte der Deutschen in diesem Staate, geschweige denn die Zurückgewinnung des Verlorenen, bei der Passivität, ja bei dem grundsätzlichen Entgegenhandeln der deutschen Regierungsparteien nur äußerst langsam vorsichgehen.

Was nützt es, wenn auch alle deutschen Parteien theoretisch und programmgemäß die Selbstverwaltung als Ziel anstreben, wenn die deutschen Regierungsparteien, die jetzt wieder in der Frage der deutschen Landesstellen der Pensionsversicherungsanstalt Schritt für Schritt von der Linie der Selbstverwaltung abweichen und Gesetzen zustimmen, die die kärglichen Reste der Selbstverwaltung, die noch aufrecht blieben, fortwährend dem weiteren Verbleiben in der Regierungsmehrheit opfern? Was nützt es, wenn auch die Regierungsparteien nach außenhin auf dem Standpunkt der Selbstverwaltung stehen, wenn sie nicht einmal das zu verteidigen wissen, was sie bisher hatten, während doch sogar Dr. Kramáø sagte, es sei unmöglich, den Deutschen Dinge zu nehmen, die sie in den letzten 10 Jahren der Republik besessen hatten, also die deutschen Landesstellen der Pensionsversicherungsanstalt?

Es genügt nicht, ein gemeinsames Ziel aufzustellen. Dieses Ziel muß auch verfolgt werden. Die Handlungen beider Teile, der Opposition und der Mehrheit, müssen positiv darauf hinauslaufen, sonst haben die schönste Theorie und die schönste Zielsetzung keinen Zweck. Es ist also ganz falsch, daß die deutsche Opposition grundsätzlich oder taktisch eine negative ist. Wir können es auch ganz ruhig aussprechen! Wenn auf solchem Wege durch die deutschen Regierungsparteien Erfolge erzielt werden, wollen wir sie den deutschen Regierungsparteien sehr gerne gutbuchen, ohne natürlich daran zu vergessen, daß sich die deutschen Regierungsparteien nur unter dem Drucke der Opposition aufgerafft haben, ihrerseits endlich auf die èechischen Parteien einen Druck auszuüben, anstatt wie bisher ständig nachzugeben, so daß die Èechen doch in Zukunft veranlaßt werden, den deutschen Regierungsparteien auf diesem oder jenem Gebiete etwas mehr entgegenzukommen. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn zwei allerdings nicht sehr bedeutende Erfolge deutscher Parteien in diesem Staate schon auf dieses Zusammenspiel der Kräfte zurückgeführt werden können. Ich erinnere da an die beabsichtigte Änderung zweier Paragraphe der Gewerbeordnung, die gefährliche Sprachverfügungen den deutschen Gewerbetreibenden hätten bringen können, und an die Zurücknahme der berüchtigten Broschüre für die deutschen Schulkinder anläßlich des Staatsjubiläums. In beiden Fällen hat die Opposition ihre Stimmen erhoben und die deutschen Regierungsparteien mußten unter diesem Drucke Abhilfe schaffen. Darin besteht eben das Zusammenspiel zwischen der deutschen Opposition und den deutschen Regierungsparteien und darin der Wert des Ausfalles der Wahlen, daß die deutschen Regierungsparteien vielleicht jetzt dafür geneigter sein müssen als früher.

Es ist klar, daß diese Zusammenarbeit sich viel reibungsloser vollziehen würde, wenn sie auf Grund eines Einverständnisses erfolgte. Es ist aber kein Paradoxon, daß diese Zusammenarbeit, wenn ein solches Einvernehmen auf Grund des geringen Verständnisses der deutschen Regierungsparteien für eine solche Taktik fehlt, die Form eines scharfen Kampfes gegen die deutschen Regierungsparteien annehmen muß. Nur ein politisches Kind kann der Auffassung huldigen, daß die deutschen Regierungsparteien dann größere Erfolge erzielen würden, wenn die Opposition ihre Politik fortwährend billigt, bezw. sie mit Glacéhandschuhen behandelt, ihnen den guten Willen zubilligt, sie immer und immer wieder mit ihrer Schwäche in der Regierungsmehrheit vor der Bevölkerung entschuldigt, weil es doch ein jeder Mensch, der nur eine blasse Ahnung von der Politik hat, klar einsehen muß, daß durch eine solche lendenlahme Opposition die deutschen Regierungsparteien nur zu einem dolce far niente verleitet werden das vom Standpunkte der sudetendeutschen Politik jedenfalls als das größte Übel zu bezeichnen wäre, auf alle Fälle aber als ein größeres Übel, als der sogenannte "Kampf von Deutschen gegen Deutsche" ist, der unter politisch klugen und gereiften Personen dann, wenn dieser Kampf sachlich geführt wird - wobei gleichzeitig zu bemerken ist, daß auch ein Angriff auf bestimmte Personen ein sachlicher Kampf sein kann, wenn eben diese Personen eine unrichtige und vom nationalen Standpunkt aus gefährliche Politik machen - niemals auf das rein persönliche oder rein gesellschaftliche Gebiet übertragen werden, zu persönlicher Feindschaft führen und dadurch gemeinsames politisches Handeln und einverständliches Vorgehen in solchen Fragen, wo dies eben möglich ist, verhindern muß.


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