Ich möchte nun einiges darüber sagen,
wie die deutschen aktivistischen Parteien, wie die "Deutsche
Landpost" ihren Schritt zu rechtfertigen sucht. Ja, sagt
sie, wir würden mit uns reden lassen, aber bei diesen Wahlen
hat eine ganz andere Wahlgruppe entschieden und es läßt
sich schwer ein arithmetisches Mittel ziehen zwischen dem 21.,
24. und 26. Jahrgang. Meine Herren, wenn Ihnen die Sache so schwer
fällt, wenn die Arithmetik die Herren im Stiche läßt,
fragen wir Adam Riese, fragen wir Prof. Schönbaum, holen
wir ein Fakultätsgutachten ein., damit diese entscheiden,
damit diese vielleicht das arithmetische Mittel ziehen zwischen
den Jahren 21, 24 und 26, damit sie den armen Landbündlern
helfen, den großen Rebus zu lösen und die Herren vor
allem von den mathematischen Gewissensqualen befreien. Aber die
Feststellung, daß andere Wählergruppen gewählt
haben, die ist für uns von außerordentlichen Wichtigkeit.
Es haben im heurigen Jahre 1928 eigentlich dieselben Wähler
gewählt, bis auf die ältesten Wahljahrgänge, die
im Jahre 1925 votiert haben, denn die Wähler, die 1925 21
Jahre alt gewesen sind, sind heuer 24 Jahre alt und konnten daher
bei den letzten Wahlen ihre Stimme abgeben. Aber noch ein anderes
Argument! Die Herren beschweren sich so fürchterlich, darüber,
daß eine Wählerschicht nicht dabei gewesen ist, nämlich
die jüngeren. Ja, welche Wählerschicht hat denn gefehlt?
Doch jene die Sie selbst ausgeschaltet haben, Sie selbst haben
es für notwendig gehalten, daß nur die sogenannten
reifen Schichten bei den Wahlen zu Worte kommen sollen, Sie selbst
waren es gewesen, welche die drei Jahrgänge von 21 bis 23
ausgeschieden haben, und wenn Sie heute gerade an diese Wählerschicht
appellieren, wenn Sie sich auf die Wählerschicht, welche
Sie selbst als die radikalste bezeichnen, berufen, so ist das
wohl die vernichtendste Selbstanklage gegen den Wahlrechtsraub,
der im Jahre 1927 an den jüngeren Jahrgängen begangen
wurde. Oder die Sorge: Sie würden schon wählen - heißt
es wörtlich in der "Landpost" - wenn die Wahlen
nur nicht so viel Geld kosten würden! Die 50 Mill. Kronen
könnten doch viel nützlicher, wie die Herren sagen,
für gemeinnützige Zwecke aus gegeben werden, anstatt
daß sie für die Papierindustrie verwendet werden. Ich
glaube, daß wenn man etwas von den repräsentativen,
von den Militärausgaben streichen würde, sich für
die braven Agrarier die 50 Mill. Kronen, die für gemeinnützige
Zwecke aufgewendet werden sollen, noch immer aufstöbern ließen.
Oder hören Sie ein weiteres Argument, wörtlich der "Landpost"
entnommen, daß die Parteien nach den jetzigen Wahlen ihre
Kassen völlig erschöpft haben und kaum das Verlangen
tragen dürften, sich in neue und große Ausgaben zu
stürzen, die mit Wahlen verbunden sind; und die Agrarier
vergessen nicht hinzuzufügen, daß das ein wichtiges,
bedeutsames Argument ist. Wenn die armen Agrarier nicht zu den
Wahlen gehen können, werden wir wohl für sie sammeln
müssen, deshalb werden wir nicht auf die Wahlen verzichten,
oder wir werden für die Christlichsozialen den Klingelbeutel
in Bewegung setzen müssen, damit wir wählen können.
Sie würden es nicht für möglich halten, daß
die "Landpost" dieses Argument mit den Worten einbegleitet:
"Deshalb ist das Verlangen nach einer Kursänderung weder
meritorisch in verfassungsmäßigen Sinne, noch aus finanziellen"
- ich bitte das sind die finanziellen Gründe - "noch
aus opportunistischen Gründen als beachtenswert zu betrachten."
Aber ein Detail dürfen wir uns nicht entgehen
lassen, ein Argument von solcher Schlagkräftigkeit, das wir
der "Deutschen Landpost" vom 4. Dezember entnehmen,
und das ist einfach das, daß die Durchführung der Wahlen
in diesem Augenblick mit Rücksicht auf die herrschenden meteorologischen
Verhältnisse ganz ausgeschlossen erscheint. (Veselost
na levici.) Sie werden glauben, daß ich mir etwas ersonnen
habe, aber es steht wörtlich in der Nummer vom 4. Dezember,
daß der kleine Stimmenrückgang der Landbündler
zum größten Teil dem argen Winterwetter am Sonntag
zuzuschreiben ist, weil es vielfach den zahlreichen Landbündleranhängern
im Gebirge, die oft stundenweit zum Wahlorte haben, nicht möglich
war, an der Wahl teilzunehmen. Schlechtes Wetter war, aber es
war, glaube ich, mehr schlechtes Wahlwetter, und atmosphärische
Winde hat es gegeben, aber die politischen Winde waren auch ziemlich
ausgiebig und besonders in vielen Teilen des Teutoburger Waldes
gab es ziemlich kalte Winde; alles zugegeben, aber mit dem Gebirge
hat es nichts zu tun. Eine sehr schmerzliche Niederlage haben
die Landbündler im Erzgebirge erlitten. Die Arbeiter dort
haben die Mühe nicht gescheut, sie sind zu den Wahlen gegangen
und haben ihre Aufgabe gut erfüllt. Aber das wichtigste und
noch schmerzlichere ist, daß die Landbündler Niederlagen
in Südmähren erlitten haben, im Nikolsburger und Znaimer
Bezirk, in ihren Auseinandersetzungen mit Hanreich. Im
Znaimer Bezirk erhielt Hanreich 4337, der Landbund 2748
Stimmen, oder, um einzelne Orte zu nennen, in Alt-Schallersdorf
erhielt der deutsche völkische Landbund 232 Stimmen, der
Landbund nur 4, in Neu-Schallersdorf ersterer 292 Stimmen und
der Landbund nur 5 Stimmen usw. Mir ist von einem Znaimer Gebirge
nichts bekannt, ich glaube nicht, daß man dort auf besondere
Schwierigkeiten gestossen wäre; es gibt dort eben verläßliche
Znaimer Gurken, aber sehr unverläßliche Landbündler.
Ich bitte, in der Anbauzeit soll nicht gewählt werden, in
der Erntezeit und bei rauhem Wetter soll nicht gewählt werden!
Wann soll also gewählt werden? Wann wird also nach der Auffassung
der Herren des deutschen Landbundes gewählt? Vielleicht machen
sich die Herren vom Landbund das in einer frohen Laune vom Herrn
Ministerpräsidenten Švehla geprägte, ganz
gute Wort zunutze: "Wozu wahlen, wir sind ja gewählt!"
Noch ein Moment, das ich in diesem Zusammenhang
erwähnen muß, ist die Behauptung der Landbündler,
die sie in dem Kommuniqué nach der Sitzung des Reichsparteivorstandes
nach den Wahlen ausgesprochen haben, daß der Landbund fest
und unerschüttert dasteht, daß sich der Bund fest behauptet
habe und daß die breiten Massen der Landbevölkerung
seine Politik billigen. Dann heißt es, die Fortsetzung der
bisherigen Politik, die nun auch in ausschlaggebenden städtischen
Kreisen Eingang gefunden habe, wurde einmütig gutgeheißen.
Die Behauptung von der Anerkennung der Politik der Landbündler
durch ausschlaggebende städtische Kreise ist nicht ganz nachgewiesen,
nicht ganz stichhältig, vielleicht, wenn ich ein starkes
Wort brauche, falsch, sie bedarf der Korrektur. Keiner der Führer
des Arbeitsgemeinschaftsaktivismus, weder Dr Rosche, noch
Dr Kafka haben die Politik des deutschen Landbundes gut
geheißen, im Gegenteil beide haben, als sie zu Worte kamen,
diese Politik mit aller Entschiedenheit abgelehnt und erklärt,
daß sie die aktivistische Politik der deutschen Regierungsparteien
ersetzt wissen wollen durch eine andere Politik. Der Herr Prof.
Kafka hat ausdrücklich mehreremale gesagt, daß
die Arbeitsgemeinschaft jede Identifizierung ihres Aktivismus
mit dem der deutschen Regierungsparteien ablehnt. Wie können
sich die deutschen Regierungsparteien auf die 122.000 Stimmen,
die ihre Politik bestätigt haben sollen, berufen? Kafka
hat gesagt, daß der einzige aktive Schritt, den die
deutschen Regierungsparteien gemacht haben, der Schritt in die
Regierung war. Und nachdem dieser Schritt getan war, hat sich
die Aktivität in Passivität verwandelt; alles, was seither
geschehen ist, war passiv. Die Bilanz der deutschen Regierungsparteien
ist nicht nur in vollem Maße passiv, sagt Herr Dr Kafka,
sie ist sogar rückläufig, und weist nach, daß
die deutschen Regierungsparteien durch ihre Methoden die Arbeit
der anderen deutschen Parteien für die Zukunft schwerer gemacht
haben, jeden weiteren Versuch um eine Besserstellung der Verhältnisse
der deutschen Bevölkerung erschwert haben und Herr Dr Kafka
schließt seine Ausführungen damit, daß er
erklärt, daß jede Stimme für die Arbeitsgemeinschaft
zugleich eine Stimme gegen die deutschen Regierungsparteien sei.
Wie unter solchen Verhältnissen das Kommuniqué des
Landbundes sich auf die zugunsten der Arbeitsgemeinschaft abgegebenen
Stimmen beruft, wie sich insbesondere Herr Dr Spina, wie
er es in seiner vorgestern in Brünn gehaltenen Rede getan
hat, auf das Votum der Arbeitsgemeinschaft berufen kann, ist ganz
unverständlich und darum ist wohl die Behauptung richtig,
daß diese Berufung nur irreführend ist, nur auf ein
schlechtes Gedächtnis berechnet ist und nur auf Täuschung
bedacht ist. Es ist ein Versuch mit ganz untauglichen Mitteln,
die erlittene Schlappe in einen Sieg umzuwandeln, es ist ein Versuch
mit untauglichen Mitteln, die landbündlerische Wählerschaft
durch die Berufung auf das sog. aktivistische Votum zu trösten,
es ist ein Versuch, der übrigen deutschen Öffentlichkeit
die Augen auszuwischen und was vielleicht das schlimmste ist,
der übrigen Öffentlichkeit zu suggerieren, daß
es sich nur um eine vorüber gehende Entscheidung handelt
und daß, wie Herr Dr Spina in Brünn erzählt
hat, der Aktivismus marschiert, daß der Aktivismus seine
Feuerprobe bestanden hat oder, wie Dr Viškovský
in dem Artikel gesagt hat, daß der Aktivismus nunmehr
über größere Reserven verfügt, mit denen
er in der Zukunft wird rechnen können. Demgegenüber
stellen wir fest, daß selten mit einem Wort soviel Mißbrauch
getrieben wurde, wie mit dem Wort Aktivismus, höchstens noch
mit dem Wort Demokratie. Aber sicherlich hat in der letzten Zeit
der Siegeszug des Wortes Aktivismus den des Wortes Demokratie
übertrumpft. Es ist interessant, was Sen. Dr Hilgenreiner
in seinen Betrachtungen über die vielen Spielarten des
Aktivismus berichtet. Es gibt, sagte er, nach der Meinung der
Gegner verschiedene Arten von Aktivismus: Er nennt einen würdelosen,
einen erfolglosen, einen kriecherischen Aktivismus, indem er Worte,
die in den Versammlungen gefallen waren, aufgreift und demgegenüber
den hoffnungsvolleren Regierungsaktivismus stellt. Es gibt - sagt
er weiter - einen Aktivismus der Koalitionsparteien und eine Extrasorte,
von Aktivismus der oppositionellen Parteien. Es gibt ferner, wie
er sagte, einen Gegenwarts-Aktivismus und einen Zukunfts-Aktivismus.
Herr Minister Spina hat eine neue Sorte von Aktivismus
geprägt, indem er sagte, Aktivismus ist eigentlich die edelste
Form des verantwortungsvollen Nationalismus. Er hat in einer anderen
Version das Wort geprägt: "Aktivismus ist eigentlich
der Schutz gegen die Behandlung der Deutschen als notleidendes
Objekt". Er sagte weiters, daß der Aktivismus - also
die Betätigung einer einzelnen Gruppe - die große historische
Sendung der Deutschen in diesem Lande sei. Dabei machte Hilgenreiner
die für die deutsche Sozialdemokratie wichtige Feststellung
- die ich wörtlich zitiere - daß der Negativismus noch
zur Zeit des Eintrittes der deutschen Parteien ins Parlament im
Jahre 1920 bei allen deutschen Parteien, die deutschen Sozialdemokraten
vielleicht ausgenommen, vorherrschend gewesen sei und daß
erst die Wahlen des Jahres 1925 eine teilweise Wandlung zum Aktivismus
gebracht haben. Das heißt also, Negativismus aller deutschen
Parteien - nach Feststellung des Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen
Partei mit Ausnahme der deutschen Sozialdemokraten! Er hat also
zugegeben, daß wir schon vom Jahre 1920 einen anderen Weg
gegangen sind, den er am liebsten in die Linie des Aktivismus
bringen wollte, so daß nach seiner Darstellung der Aktivismus
schon im Jahre 1920 mit den deutschen Sozialdemokraten begonnen
hat. Diese Feststellungen sind bis zu einem gewissen Grade, besonders,
was den Kern anlangt, zutreffend. Sie charakterisieren die deutsch-bürgerliche
Politik des Landes, die sich heute - bis auf einzelne wenige Gruppen
- in Kotaus vor dem aktivistischen Gedanken ergeht, während
sie bis zum Jahre 1925, bis zu dieser großen Wandlung, von
der Hilgenreiner in seinem Artikel spricht, sich in Treuschwüren,
Eidesschwüren und staatsrechtlichen Erklärungen ausgelebt
hat, die Herr Minister Spina abgab, und die heute nachzulesen
die größte Köstlichkeit darstellt, die man sich
leisten kann, die zum Teil in blutrünstigen Reden: "bis
zum letzten Kampf, bis zum letzten Blutstropfen" sich gefiel.
Die einzige Partei, die sich von der ersten Stunde an an ihr Programm
treu gehalten hat, was übrigens, umschrieben, in anderer
Form, vom Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen Partei
zugegeben worden ist, ist unsere Partei. In keiner Stunde des
Kampfes, in keiner Stunde schwerer Arbeit, hat unsere Partei den
realen Boden verlassen. Sie hat immer alle illusionistischen Träumereien,
alle illusionistischen Experimente abgelehnt. Sie war, da sie
durch die Geschichte auf diesen Boden gestellt worden war, immer
zu positiver Arbeit bereit, hat positive Arbeit im Parlament,
in der Gemeinde, in den Bezirken geleistet und wir können
ganz ruhig und mit Stolz sagen, daß wir dieser positiven
Arbeit unserer Vertrauensmänner in all diesen Korporationen
für unsere Partei, für die Arbeiterklasse, die unvergänglichsten
Werke und Leistungen verdanken. Aber, wenn diese Arbeit, die wir
geleistet haben, als Positivismus gerühmt werden soll, oder
wie Sie das nennen wollen, dann sagen wir, daß unser Positivismus,
unser Aktivismus mit jener Serie von Aktivismus, von dem uns die
deutschen aktivistischen Parteien in den zurückliegenden
zweieinhalb Jahren ein so anschauliches Bild geliefert haben,
absolut nichts gemein und nichts zu tun hat; unser Aktivismus
oder Positivismus hat nichts mit jenem Aktivismus zu tun, der
um des Ministersessels willen, um Koalitionsvorteile willen die
Grundideen der Partei, die ganze Vergangenheit einfach niedertrampelt,
nichts zu tun mit jenem Aktivismus, der sich dem Machtrausch bedenkenlos
hingegeben hat, frivol an alle Pflichten vergißt, unser
Positivismus hat nichts zu tun mit einem Aktivismus, der dem Verständigungsgedanken
zu dienen glaubt, in Wirklichkeit aber Futterkrippen und Brosamenpolitik
kommunster Art getrieben hat und der, was die große Schuld
und Anklage ist, den Verständigungsgedanken durch eine sozial
reaktionäre, durch eine rückständige, arbeiterfeindliche,
antisoziale Politik kompromittiert (Výkøiky
posl. Bechynì.) und auf das schwerste
geschädigt hat. (Potlesk èsl. a nìm.-
soc. demokratických poslancù.) Von einem solchen
Aktivismus wollen wir nichts wissen, der in nationalpolitischer,
in nationalkultureller Richtung selbst der Kritik èechischer
Parteien nicht stand hält.
Es ist ein ganz schönes Wort, welches
das Blatt "Národní Osvobození"
in seiner Nummer vom 29. Dezember 1925 ausgesprochen hat: "Nur
auf der Grundlage eines ausgearbeiteten Nationalitätenprogramms
läßt sich mit den deutschen Aktivisten verhandeln.
Ohne dieses Programm ließe sich vielleicht noch eine Partei
für die Regierung gewinnen, das wäre aber nichts anderes,
als ein zeitliches Parteiarrangement, das keinen ernstlichen Einfluß
auf die Verhältnisse der Minoritäten und die Verhältnisse
in diesem Lande überhaupt hätte." Man vergleiche
mit diesen seriösen Worten des "Národní
Osvobození" das, was unsere aktivistischen Parteien
sagen, ihren unvermittelten, satzförmigen Sprung in die Ministerfauteuilles,
der bedingungslose Eintritt in die Koalition, vergleiche damit
die Wirksamkeit des zweieinhalbjährigen Bestandes des internationalen
Bürgerblocks, die systematische Preisgabe aller programmatischen
Forderungen, vergleiche damit die vollständige Auslöschung
der ganzen Vergangenheit der beiden aktivistischen Parteien, um
zu verstehen, warum wir erklären müssen, daß wir
mit diesen aktivistischen Parteien absolut nicht in einen Topf
geworfen werden wollen, daß wir mit diesem sogenannten aktivistischen
Misch-Masch nichts zu tun haben. Wir wünschen nicht in dieselbe
Lage zu kommen, in die jetzt die deutsche christlichsoziale Partei
gekommen ist, in die Lage: "Pater peccavi" sagen zu
müssen. Die "Deutsche Presse" sagt in ihrer Nummer
vom 8. Dezember nämlich: "Wir stehen nicht an, zu behaupten"
sie wird sentimental - "daß die Unterordnung des Weltanschaulichen
unter das rein Politische, wie es" - sagt das Blatt
vorsichtigerweise - "besonders auf èechischer Seite
zu bemerken ist, die Hauptursache des Rückganges der christlichsozialen
Partei ist. Nur in der Wiederherstellung der Integrität und
des Einklanges der Weltanschauung", sagt das deutsche
christlichsoziale Zentralorgan, "liegt die notwendige Voraussetzung
des Vertrauens."
Hoffentlich prägen sich die deutschen
Christlichsozialen das ein, hoffentlich ziehen sie daraus die
letzten Konsequenzen. Es genügt nicht allein, hohes Haus,
zur Beichte zu gehen, wenn man das sündhafte Leben weiter
fortführt. (Veselost na levici.) Und wir müssen
feststellen, daß die Sünden gegen den sogenannten heiligen
Geist des christlichsozialen Programms, die begangen wurden und
die sich an den Herren rächen werden, ganz gewaltige sind:
die restlose Teilnahme an dem unchristlichen, antisozialen, allreaktionären
Kurs, die Mitschuld an den zoll- und steuerpolitischen Beschlüssen,
an allen Maßnahmen, welche die Aushungerung der arbeitenden
Bevölkerung aller Nationen und aller Bevölkerungsschichten
im Gefolge hatten, die Teilnahme an allen Angriffen auf die revolutionären
Errungenschaften der Arbeiterklassen, die Teilnahme an dem Attentat
auf die Sozialversicherung, die Teilnahme an der Vernichtung der
Selbstverwaltung der Bevölkerung aller Nationen, vor allem
der deutschen Selbstverwaltung, die Mitschulden an der Verleugnung
des nationalen und kulturpolitischen Programmes, all das mußte
sich naturgemäß rächen, und darum ist es durchaus
zutreffend, wenn die deutsche christlichsoziale Partei am Schlusse
als Bilanz konstatiert, daß eigentlich die hauptsächlichste
Schuld an ihrem Mißerfolg ihre Belastung durch die Regierungsteilnahme
gewesen ist. Wie hätte es auch anders kommen können?
Als die deutschen Aktivisten in die Regierung gingen, erklärte
Prof. Spina, die nationale Frage werde aufgerollt werden.
So hieß es in seiner ersten Wahlrede, die er unmittelbar
nach dem Zollbeschluß im Hause gehalten hat. Im Juni 1926
wurde dann geschrieben, "daß die Politik, die wir verfolgen,
auf viel Größeres geht". Sie lasse sich auf keine
so einfache Formel bringen, sie bezwecke nicht mehr und nicht
weniger, als die Unterlage für den nationalen Frieden der
Völker zu schaffen. Und was ist daraus geworden? Hohes Haus,
nach zweieinhalbjähriger Wirksamkeit der Koalitionsregierung
bekamen wir jetzt die Verwaltungsreform, die man heute im Lager
der deutschen aktivistischen Parteien als einen großen Erfolg
der deutschen Bevölkerung anzupreisen versucht. Prof. Feierfeil,
einer der leitenden Herren der deutschen christlichsozialen Partei
und der aktivistischen Gruppen, hat in einer Darlegung über
die Verwaltungsreform gesagt, daß eigentlich die Verwaltungsreform,
verglichen mit dem Gaugesetz, eine Besserstellung nicht nur an
sich, sondern auch im Bezug auf die nationale Selbstverwaltung
bedeutet. Er sagte: Wir haben wohl eine Million Deutscher in diesen
zwei Gauen schlechter gestellt, aber dafür haben wir zweieinhalb
Millionen deutscher Seelen gerettet und aus einer ohnmächtigen
Minorität in erträgliche nationale Verhältnisse
gebracht. Meine Herren! Mit dieser Unwahrheit müssen wir
einmal aufräumen. Wir müssen diese Dinge ein wenig nachprüfen
und wir können dies am besten, indem wir einige Feststellungen
machen.
Nach der Verwaltungsreform bilden die Deutschen
im Lande Böhmen 33%, im Lande Mähren 24% der Bevölkerung.
Sehen wir uns nun die Ziffern an: die deutsche Bevölkerung
im Karlsbader und Böhm.-Leipaer Gau mit 97% und 89% wird
auf 33% reduziert. Es handelt sich da um nicht weniger als fast
eine Million Menschen. Nun meint Prof. Feierfeil, daß
jetzt die Verwaltungsreform sich dafür für die anderen
Deutschen günstig auswirken werde. Hören Sie, wie es
damit steht: Die deutsche Bevölkerung im Launer und Pilsner
Gebiet mit 39% und 33% ist jetzt auf 33% reduziert. Die deutsche
Bevölkerung in Olmütz, Ostrau und Iglau mit 37%, 34%
und 29 % ist auf 24% reduziert. Was heißt das? Das bedeutet
in der Gesamtauswirkung, daß die Lage von 994.000 Deutschen
in Karlsbad und Böhm.-Leipa, daß die Lage von 557.000
Deutschen in Laun und Pilsen, die Lage von 636.000 Deutschenin
den Gauen von Olmütz, Ostrau und Iglau, also daß die
Lage von zusammen 2,189.000 Deutschen verschlechtert wird. Dazu
kommt noch, daß die Deutschen in Jungbunzlau, Königgrätz
und Budweis, 520.000 an der Zahl, mit einem Prozentsatz von 38%
und 28%, eine Verschiebung gegen das Landesverhältnis überhaupt
nicht zu verzeichnen haben, so daß die Lage von 2,700.000
Deutschen durch die Verwaltungsreform verschlechtert wird, während
nur bei 263.000 Deutschen, nämlich in den Gauen Pardubitz,
Prag Land und Stadt, ferner im Gau Brünn, Teschen und Hradisch,
von einer Verbesserung im Prozentsatz die Rede sein kann. Und
wenn man den Brünner ausschließt mit seinen 18% gegenüber
24%, bleiben 99.000 Deutsche. Sicher sind auch diese 99.000 Deutschen
und ihre Besserstellung wichtig, aber in Wirklichkeit steht ja
die Sache so, daß nur dann eine Besserstellung vorhanden
wäre, wenn die Verwaltungsreform tatsächlich eine nationale
Selbstverwaltung bringen würde, wenn sie eine demokratische
Verwaltung bringen würde und wenn der Preis, den man für
die Verwaltungsreform bezahlt, nicht darin liegen würde,
das Schicksal von weit über 23/4 Millionen
Deutschen zu verschlechtern. Es ist also grundfalsch, durchaus
ersonnen, aus der Luft gegriffen, irreführend, für wahlagitatorische
Zwecke berechnet, wenn man gegen das Gaugesetz Sturm läuft,
nur zu dem Zwecke, um den Nachweis zu erbringen, daß man
es durch die Verwaltungsreform besser gemacht habe. Man sagt beispielsweise,
die Lage der deutschen Bevölkerung sei verbessert worden,
in einem Augenblick, da 16 Gerichtsbezirke mit einer Mehrheit
von 51 bis 99% in anderssprachige Gerichtsbezirke einverleibt
wurden. Was bedeutet demgegenüber die gegenteilige Entwicklung
in 5 anderen Gerichtsbezirken! Man sieht, wie man die Dinge einfach
auf den Kopf stellt und was man alles sich erkühnen kann
der Wählerschaft zu suggerieren, einzureden, plausibel zu
machen, ohne dafür gezüchtigt zu werden, wenn man von
der Züchtigung im Wahlgange selbst absieht.
Oder es sagt Herr Prof. Feierfeil an
anderer Stelle, daß man in der Schule einen sicheren Erfolg
zu verzeichnen habe, indem die Verwaltungsreform gleichzeitig
die deutsche Schulverwaltung geschaffen habe. Nicht mit einem
Worte kann davon die Rede sein. Von einer Schulorganisation ist
nichts vorhanden, alles aus der Luft gegriffen, nur um der Wählerschaft
die Augen auszuwischen, genau so wie der Obmannstellvertretter
des Klubs der Landbündler es getan hat, der in einer Rede
auseinandergesetzt hat: "Unsere Gegner scheinen gar nicht
zu wissen, daß schon durch das Gesetz über die Verwaltungsreform
die Autonomie unseres Schulwesens entwickelt wird." All das
ist aus den Fingern gesogen, ebenso wie beispielsweise die Behauptung
des Abg. Schubert, der in einer Wählerversammlung
in Bischofteinitz erzählt hat, daß unter der Aera das
deutsch-èechischen Bürgerblocks 1000 deutsche Schulen
wieder eröffnet wurden. Dabei wissen Sie doch ganz gut, daß
in den letzten Wochen und Monaten wieder einige Schulen gesperrt
wurden und daß man einen ungeheueren
Apparat aufbieten mußte, um die Wiedereröffnung dieser
Schulen zu erwirken, wobei in manchen Klassen 96 Kinder vereinigt
wurden, wie in Seestadtl, oder 94 Kinder, wie in Komotau. Ich
habe mit einem alten Schulleiter gesprochen, der mir sagte: "Als
ich im alten Österreich begonnen habe zu unterrichten, habe
ich mit 93 Schulkindern angefangen; und heute sind wir glücklich
schon bei 96 angelangt." Das sollen alles Erfolge sein! Oder
wenn ich ein weiteres Moment nehme, das Pensionsversicherungsgesetz
und die deutschen Landesstellen: In einem Artikel hat der Herr
Vorsitzende der deutschen christlichsozialen Partei gesagt, daß
das Attentat abgewehrt wird, daß es eine Zumutung an die
deutschen Parteien gewesen ist, das letzte Stück nationaler
Selbstbestimmung zu nehmen, und er sagte wörtlich: "Ist
es ein gesunder Zustand, daß ein Minister einer fertigen
Vorlage gegenüber erst mit der Abdankung drohen muß?"
Damit ist man in die Wahlen gegangen und hat das als großen
Erfolg ausgegeben, und heute sehen Sie, daß die beiden Landesstellen
in Mähren und Schlesien eigentlich schon erledigt sind, die
schlesische, weil sie aufgelassen wird, die mährische, weil
sie bei dem Territorialprinzip verdorren muß. Man hat gesagt,
daß der Sieg des Nationalitätenprinzips bei der Pensionsversicherung
ein Erfolg der aktivistischen Parteien gewesen ist. Wo ist jetzt
die Abdankung des Herrn Ministers Mayr-Harting, die damals
angekündigt wurde, mit der man damals aufgetrumpft hat, wo
ist sie jetzt, da sich herausgestellt hat, daß von den damaligen
Zusagen nichts übriggeblieben ist und daß wieder eines
der Leidenskapitel der Minoritäten an die Oberfläche
tritt? Oder glaubt der Herr Minister Spina, glaubt der
Herr Minister Mayr-Harting, daß ihm jemals die Vor
lage für die Altersrentner vergessen werden wird, daß
ihm vergessen wird, daß diese Vorlage 1.37
Kè für den abgearbeiteten Menschen, 1.63
Kè für 2 Eheleute gibt, also 81 Heller pro Tag und
Person, mit einen lächerlich geringen Zuschuß? Glauben
diese Herren, daß man derartiges vergessen
wird und daß insbesondere vergessen wird, was in der Begründung
zur Vorlage niedergelegt ist, die Worte, daß es auch Arbeitsscheue
gibt und daß man als arbeitsscheu denjenigen 65jährigen
Menschen anzusehen berechtigt ist, der sich nicht zu Wegherstellungsarbeiten,
also zu einer schweren Dienstleistung, hergibt? (Unerhört!)
Diese Schmach wird so sicher getilgt werden, wie alle andern
Verbrechen bei diesem Wahlgang prompt heimgezahlt wurden. Dessen
mögen die Herren von der Koalition und vor allem die deutschen
aktivistischen Gruppen versichert sein. Diese deutschen Parteien
stellen jetzt wehmütige Betrachtungen darüber an, wie
es zu diesem schwarzen Tage kommen konnte. Reicht nicht alles,
was hier kurz skizziert wurde, vollkommen hin, um dieses Wahlergebnis
zu erklären? Leichtsinnig, hemmungslos haben die deutschen
aktivistischen Parteien den im Jahre 1925 gewährten Kredit
verwirtschaftet. Sie waren mit Blindheit geschlagen, sie ergaben
sich dem Koalitionsgedanken förmlich besinnungslos, mit der
von Švehla im Regierungsprogramm geprägten Phrase
von den Gleichen zu Gleichen glaubten sie, schon alles herausgeholt
zu haben. Nach diesen Verheißungen hätten die beiden
Völker zusammenkommen sollen, und es sind nicht einmal die
zwei Minister zusammengekommen, nicht einmal die haben es zuwege
gebracht. (Veselost na levici.) Als sich dann schließlich
alle auf deutscher und èechischer Seite mit dem Opium dieser
Gleichheitsphrase berauschten, sind sie ins Land gezogen, um die
Leute zu betäuben und in einen Rauschzustand zu versetzen,
und haben sich dabei selbst einen ganz ausgiebigen Schwips geholt,
der sie niedergerissen hat und mit ihnen auch die èechischen
Koalitionsparteien, wie in einem packenden Verslein von Grillparzer:
"Sie saßen und sannen und sannen
am Tisch und tranken Bruderschaft frei und frisch, da zog der
Wein sie beide nieder, sie lagen unterm Tisch als gleiche Brüder."
(Veselost na levici.)
Nun frage ich, was weiter zu geschehen hat.
Es unterliegt keinem Zweifel, auch wenn es hundertfältig
abgeleugnet wird, daß die Regierung sich im Zustand der
Krise befindet. Der Herr Stellvertreter des Ministerpräsidenten
hat es zwar heute kaltblütig in Abrede gestellt. Nehmen Sie
demgegenüber den heutigen Leitartikel der "Lidové
Listy" zur Hand! Dort heißt es, daß eine "Vládní
krise" besteht. Das Blatt des Herrn Ministers Šrámek
sagt: "Über die Verwaltungswahlen würden wir
schon hinüberkommen, wenn nur die Verhältnisse in der
Koalition, das Parteiverhältnis innerhalb der Koalition,
normal wären." Es wird dort erzählt, daß
in der Agrarpartei zwei verschiedene Strömungen seien, die
eine Strömung wolle sich noch ein Jahr häuslich niederlassen,
während die andere an die Wähler appellieren wolle.
Es heißt noch weiter: "Wenn das Parlament unter den
heutigen Verhältnissen gegen das Diktat der Agrarier taub
ist, so würde die agrarische Partei lieber die Entscheidung
der Wählerschaft wünschen, da mit sie dann über
ihr weiteres Vorgehen einen Entschluß fassen kann"
und es nennt das Blatt des Herrn Pater Šrámek die
Erklärung der Agrarier ein Ultimatum, das beinahe dem im
Jahre 1914 an die Serben gerichteten Ultimatum gleich kommt. So
schaut es in der Koalition aus, ganz zerfahren, und da wagen es
die "Národní Listy" zu sagen: Die Koalition
bleibt, sie ist fest, sie wird ihr Programm konsequent, ohne Zögern,
hart durchführen. Nun, das ist ein Säbelgerassel, vor
dem niemand zu erschrecken braucht, und für die Erklärungen
des Herrn Dr. Kramáø,
nach allem, was man in letzter Zeit erlebt hat, kann man das Wort
gebrauchen, das er seinerzeit im außenpolitischen Sinne
verwendet hat: "Es ist ein abgespieltes Klavier." Vor
diesem Säbelgerassel und diesen Erklärungen wird niemand
erschrecken. Aber ein Programm will die Regierung durchführen;
ein Programm haben die Herren! Was für ein Programm? Wer
weiß von einem Programm? Die deutschen aktivistischen Parteien
haben doch gesagt, daß sie um himmelswillen kein Programm
gemacht haben. Woher also plötzlich das Wort "Programm"?
Weil ich ein gewissenhafter Mensch bin - obwohl sich ein Roman
besser liest als eine Regierungserklärung aus dem Jahre 1926
- habe ich mich der Mühe unterzoger und diese Regierungserklärung
durchgelesen. Nichts steht von einem Programm drinnen. Was will
Herr Dr. Kramáø durchführen,
konsequent, hart, dùraznì? Herr
Dr. Spina hat gestern die Erklärung abgegeben, die
Regierung müsse bleiben. Ja, warum denn? Sie müsse solche
Aufgaben durchführen, die eine auch von Sozialisten beschickte
Regierung nicht lösen kann, und sie bereite auf diese Weise
eine neue Koalition vor. Da können wir uns schon auf allerlei
gefaßt machen Kaviar ist nichts dagegen. Es soll nach dem
Wunsch des Herrn Ministers Spina, den er auf dem Parteitag
ausgesprochen hat, ein Programm durchgeführt werden, bei
welchem man die Sozialisten nicht brauchen kann, dann, nachher
will man den Sozialisten die Wege ebnen. Was ist das? Der Mieterschutz
und wie alle diese schönen Dinge heißen, die man noch
im letzten Augenblick ins Trockene bringen will, und man erwartet,
daß dann, wenn das alles glatt geregelt worden ist, die
Wege für die sozialistischen Parteien geebnet werden. Wir
werden uns diese Erklärung des Herrn Ministers Spina merken
und werden dafür sorgen, daß sie möglichste Verbreitung
erfährt, wir werden sie in alle Teile des deutschen Landes
bringen, und auch die èechischen sozialistischen
Parteien werden sie hinaustragen und der Bevölkerung sagen,
wessen sie gewärtig zu sein hat, wenn wirklich das Wort des
Herrn Dr. Kramáø von der
harten Durchführung des Programmes und das Wort des Herrn
Minister Spina von der Durchführung eines Programms,
bei dem man die Sozialisten nicht brauchen kann, wahr sein sollten.