Úterý 18. prosince 1928

Ich möchte nun einiges darüber sagen, wie die deutschen aktivistischen Parteien, wie die "Deutsche Landpost" ihren Schritt zu rechtfertigen sucht. Ja, sagt sie, wir würden mit uns reden lassen, aber bei diesen Wahlen hat eine ganz andere Wahlgruppe entschieden und es läßt sich schwer ein arithmetisches Mittel ziehen zwischen dem 21., 24. und 26. Jahrgang. Meine Herren, wenn Ihnen die Sache so schwer fällt, wenn die Arithmetik die Herren im Stiche läßt, fragen wir Adam Riese, fragen wir Prof. Schönbaum, holen wir ein Fakultätsgutachten ein., damit diese entscheiden, damit diese vielleicht das arithmetische Mittel ziehen zwischen den Jahren 21, 24 und 26, damit sie den armen Landbündlern helfen, den großen Rebus zu lösen und die Herren vor allem von den mathematischen Gewissensqualen befreien. Aber die Feststellung, daß andere Wählergruppen gewählt haben, die ist für uns von außerordentlichen Wichtigkeit. Es haben im heurigen Jahre 1928 eigentlich dieselben Wähler gewählt, bis auf die ältesten Wahljahrgänge, die im Jahre 1925 votiert haben, denn die Wähler, die 1925 21 Jahre alt gewesen sind, sind heuer 24 Jahre alt und konnten daher bei den letzten Wahlen ihre Stimme abgeben. Aber noch ein anderes Argument! Die Herren beschweren sich so fürchterlich, darüber, daß eine Wählerschicht nicht dabei gewesen ist, nämlich die jüngeren. Ja, welche Wählerschicht hat denn gefehlt? Doch jene die Sie selbst ausgeschaltet haben, Sie selbst haben es für notwendig gehalten, daß nur die sogenannten reifen Schichten bei den Wahlen zu Worte kommen sollen, Sie selbst waren es gewesen, welche die drei Jahrgänge von 21 bis 23 ausgeschieden haben, und wenn Sie heute gerade an diese Wählerschicht appellieren, wenn Sie sich auf die Wählerschicht, welche Sie selbst als die radikalste bezeichnen, berufen, so ist das wohl die vernichtendste Selbstanklage gegen den Wahlrechtsraub, der im Jahre 1927 an den jüngeren Jahrgängen begangen wurde. Oder die Sorge: Sie würden schon wählen - heißt es wörtlich in der "Landpost" - wenn die Wahlen nur nicht so viel Geld kosten würden! Die 50 Mill. Kronen könnten doch viel nützlicher, wie die Herren sagen, für gemeinnützige Zwecke aus gegeben werden, anstatt daß sie für die Papierindustrie verwendet werden. Ich glaube, daß wenn man etwas von den repräsentativen, von den Militärausgaben streichen würde, sich für die braven Agrarier die 50 Mill. Kronen, die für gemeinnützige Zwecke aufgewendet werden sollen, noch immer aufstöbern ließen. Oder hören Sie ein weiteres Argument, wörtlich der "Landpost" entnommen, daß die Parteien nach den jetzigen Wahlen ihre Kassen völlig erschöpft haben und kaum das Verlangen tragen dürften, sich in neue und große Ausgaben zu stürzen, die mit Wahlen verbunden sind; und die Agrarier vergessen nicht hinzuzufügen, daß das ein wichtiges, bedeutsames Argument ist. Wenn die armen Agrarier nicht zu den Wahlen gehen können, werden wir wohl für sie sammeln müssen, deshalb werden wir nicht auf die Wahlen verzichten, oder wir werden für die Christlichsozialen den Klingelbeutel in Bewegung setzen müssen, damit wir wählen können. Sie würden es nicht für möglich halten, daß die "Landpost" dieses Argument mit den Worten einbegleitet: "Deshalb ist das Verlangen nach einer Kursänderung weder meritorisch in verfassungsmäßigen Sinne, noch aus finanziellen" - ich bitte das sind die finanziellen Gründe - "noch aus opportunistischen Gründen als beachtenswert zu betrachten."

Aber ein Detail dürfen wir uns nicht entgehen lassen, ein Argument von solcher Schlagkräftigkeit, das wir der "Deutschen Landpost" vom 4. Dezember entnehmen, und das ist einfach das, daß die Durchführung der Wahlen in diesem Augenblick mit Rücksicht auf die herrschenden meteorologischen Verhältnisse ganz ausgeschlossen erscheint. (Veselost na levici.) Sie werden glauben, daß ich mir etwas ersonnen habe, aber es steht wörtlich in der Nummer vom 4. Dezember, daß der kleine Stimmenrückgang der Landbündler zum größten Teil dem argen Winterwetter am Sonntag zuzuschreiben ist, weil es vielfach den zahlreichen Landbündleranhängern im Gebirge, die oft stundenweit zum Wahlorte haben, nicht möglich war, an der Wahl teilzunehmen. Schlechtes Wetter war, aber es war, glaube ich, mehr schlechtes Wahlwetter, und atmosphärische Winde hat es gegeben, aber die politischen Winde waren auch ziemlich ausgiebig und besonders in vielen Teilen des Teutoburger Waldes gab es ziemlich kalte Winde; alles zugegeben, aber mit dem Gebirge hat es nichts zu tun. Eine sehr schmerzliche Niederlage haben die Landbündler im Erzgebirge erlitten. Die Arbeiter dort haben die Mühe nicht gescheut, sie sind zu den Wahlen gegangen und haben ihre Aufgabe gut erfüllt. Aber das wichtigste und noch schmerzlichere ist, daß die Landbündler Niederlagen in Südmähren erlitten haben, im Nikolsburger und Znaimer Bezirk, in ihren Auseinandersetzungen mit Hanreich. Im Znaimer Bezirk erhielt Hanreich 4337, der Landbund 2748 Stimmen, oder, um einzelne Orte zu nennen, in Alt-Schallersdorf erhielt der deutsche völkische Landbund 232 Stimmen, der Landbund nur 4, in Neu-Schallersdorf ersterer 292 Stimmen und der Landbund nur 5 Stimmen usw. Mir ist von einem Znaimer Gebirge nichts bekannt, ich glaube nicht, daß man dort auf besondere Schwierigkeiten gestossen wäre; es gibt dort eben verläßliche Znaimer Gurken, aber sehr unverläßliche Landbündler. Ich bitte, in der Anbauzeit soll nicht gewählt werden, in der Erntezeit und bei rauhem Wetter soll nicht gewählt werden! Wann soll also gewählt werden? Wann wird also nach der Auffassung der Herren des deutschen Landbundes gewählt? Vielleicht machen sich die Herren vom Landbund das in einer frohen Laune vom Herrn Ministerpräsidenten Švehla geprägte, ganz gute Wort zunutze: "Wozu wahlen, wir sind ja gewählt!"

Noch ein Moment, das ich in diesem Zusammenhang erwähnen muß, ist die Behauptung der Landbündler, die sie in dem Kommuniqué nach der Sitzung des Reichsparteivorstandes nach den Wahlen ausgesprochen haben, daß der Landbund fest und unerschüttert dasteht, daß sich der Bund fest behauptet habe und daß die breiten Massen der Landbevölkerung seine Politik billigen. Dann heißt es, die Fortsetzung der bisherigen Politik, die nun auch in ausschlaggebenden städtischen Kreisen Eingang gefunden habe, wurde einmütig gutgeheißen. Die Behauptung von der Anerkennung der Politik der Landbündler durch ausschlaggebende städtische Kreise ist nicht ganz nachgewiesen, nicht ganz stichhältig, vielleicht, wenn ich ein starkes Wort brauche, falsch, sie bedarf der Korrektur. Keiner der Führer des Arbeitsgemeinschaftsaktivismus, weder Dr Rosche, noch Dr Kafka haben die Politik des deutschen Landbundes gut geheißen, im Gegenteil beide haben, als sie zu Worte kamen, diese Politik mit aller Entschiedenheit abgelehnt und erklärt, daß sie die aktivistische Politik der deutschen Regierungsparteien ersetzt wissen wollen durch eine andere Politik. Der Herr Prof. Kafka hat ausdrücklich mehreremale gesagt, daß die Arbeitsgemeinschaft jede Identifizierung ihres Aktivismus mit dem der deutschen Regierungsparteien ablehnt. Wie können sich die deutschen Regierungsparteien auf die 122.000 Stimmen, die ihre Politik bestätigt haben sollen, berufen? Kafka hat gesagt, daß der einzige aktive Schritt, den die deutschen Regierungsparteien gemacht haben, der Schritt in die Regierung war. Und nachdem dieser Schritt getan war, hat sich die Aktivität in Passivität verwandelt; alles, was seither geschehen ist, war passiv. Die Bilanz der deutschen Regierungsparteien ist nicht nur in vollem Maße passiv, sagt Herr Dr Kafka, sie ist sogar rückläufig, und weist nach, daß die deutschen Regierungsparteien durch ihre Methoden die Arbeit der anderen deutschen Parteien für die Zukunft schwerer gemacht haben, jeden weiteren Versuch um eine Besserstellung der Verhältnisse der deutschen Bevölkerung erschwert haben und Herr Dr Kafka schließt seine Ausführungen damit, daß er erklärt, daß jede Stimme für die Arbeitsgemeinschaft zugleich eine Stimme gegen die deutschen Regierungsparteien sei. Wie unter solchen Verhältnissen das Kommuniqué des Landbundes sich auf die zugunsten der Arbeitsgemeinschaft abgegebenen Stimmen beruft, wie sich insbesondere Herr Dr Spina, wie er es in seiner vorgestern in Brünn gehaltenen Rede getan hat, auf das Votum der Arbeitsgemeinschaft berufen kann, ist ganz unverständlich und darum ist wohl die Behauptung richtig, daß diese Berufung nur irreführend ist, nur auf ein schlechtes Gedächtnis berechnet ist und nur auf Täuschung bedacht ist. Es ist ein Versuch mit ganz untauglichen Mitteln, die erlittene Schlappe in einen Sieg umzuwandeln, es ist ein Versuch mit untauglichen Mitteln, die landbündlerische Wählerschaft durch die Berufung auf das sog. aktivistische Votum zu trösten, es ist ein Versuch, der übrigen deutschen Öffentlichkeit die Augen auszuwischen und was vielleicht das schlimmste ist, der übrigen Öffentlichkeit zu suggerieren, daß es sich nur um eine vorüber gehende Entscheidung handelt und daß, wie Herr Dr Spina in Brünn erzählt hat, der Aktivismus marschiert, daß der Aktivismus seine Feuerprobe bestanden hat oder, wie Dr Viškovský in dem Artikel gesagt hat, daß der Aktivismus nunmehr über größere Reserven verfügt, mit denen er in der Zukunft wird rechnen können. Demgegenüber stellen wir fest, daß selten mit einem Wort soviel Mißbrauch getrieben wurde, wie mit dem Wort Aktivismus, höchstens noch mit dem Wort Demokratie. Aber sicherlich hat in der letzten Zeit der Siegeszug des Wortes Aktivismus den des Wortes Demokratie übertrumpft. Es ist interessant, was Sen. Dr Hilgenreiner in seinen Betrachtungen über die vielen Spielarten des Aktivismus berichtet. Es gibt, sagte er, nach der Meinung der Gegner verschiedene Arten von Aktivismus: Er nennt einen würdelosen, einen erfolglosen, einen kriecherischen Aktivismus, indem er Worte, die in den Versammlungen gefallen waren, aufgreift und demgegenüber den hoffnungsvolleren Regierungsaktivismus stellt. Es gibt - sagt er weiter - einen Aktivismus der Koalitionsparteien und eine Extrasorte, von Aktivismus der oppositionellen Parteien. Es gibt ferner, wie er sagte, einen Gegenwarts-Aktivismus und einen Zukunfts-Aktivismus. Herr Minister Spina hat eine neue Sorte von Aktivismus geprägt, indem er sagte, Aktivismus ist eigentlich die edelste Form des verantwortungsvollen Nationalismus. Er hat in einer anderen Version das Wort geprägt: "Aktivismus ist eigentlich der Schutz gegen die Behandlung der Deutschen als notleidendes Objekt". Er sagte weiters, daß der Aktivismus - also die Betätigung einer einzelnen Gruppe - die große historische Sendung der Deutschen in diesem Lande sei. Dabei machte Hilgenreiner die für die deutsche Sozialdemokratie wichtige Feststellung - die ich wörtlich zitiere - daß der Negativismus noch zur Zeit des Eintrittes der deutschen Parteien ins Parlament im Jahre 1920 bei allen deutschen Parteien, die deutschen Sozialdemokraten vielleicht ausgenommen, vorherrschend gewesen sei und daß erst die Wahlen des Jahres 1925 eine teilweise Wandlung zum Aktivismus gebracht haben. Das heißt also, Negativismus aller deutschen Parteien - nach Feststellung des Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen Partei mit Ausnahme der deutschen Sozialdemokraten! Er hat also zugegeben, daß wir schon vom Jahre 1920 einen anderen Weg gegangen sind, den er am liebsten in die Linie des Aktivismus bringen wollte, so daß nach seiner Darstellung der Aktivismus schon im Jahre 1920 mit den deutschen Sozialdemokraten begonnen hat. Diese Feststellungen sind bis zu einem gewissen Grade, besonders, was den Kern anlangt, zutreffend. Sie charakterisieren die deutsch-bürgerliche Politik des Landes, die sich heute - bis auf einzelne wenige Gruppen - in Kotaus vor dem aktivistischen Gedanken ergeht, während sie bis zum Jahre 1925, bis zu dieser großen Wandlung, von der Hilgenreiner in seinem Artikel spricht, sich in Treuschwüren, Eidesschwüren und staatsrechtlichen Erklärungen ausgelebt hat, die Herr Minister Spina abgab, und die heute nachzulesen die größte Köstlichkeit darstellt, die man sich leisten kann, die zum Teil in blutrünstigen Reden: "bis zum letzten Kampf, bis zum letzten Blutstropfen" sich gefiel. Die einzige Partei, die sich von der ersten Stunde an an ihr Programm treu gehalten hat, was übrigens, umschrieben, in anderer Form, vom Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen Partei zugegeben worden ist, ist unsere Partei. In keiner Stunde des Kampfes, in keiner Stunde schwerer Arbeit, hat unsere Partei den realen Boden verlassen. Sie hat immer alle illusionistischen Träumereien, alle illusionistischen Experimente abgelehnt. Sie war, da sie durch die Geschichte auf diesen Boden gestellt worden war, immer zu positiver Arbeit bereit, hat positive Arbeit im Parlament, in der Gemeinde, in den Bezirken geleistet und wir können ganz ruhig und mit Stolz sagen, daß wir dieser positiven Arbeit unserer Vertrauensmänner in all diesen Korporationen für unsere Partei, für die Arbeiterklasse, die unvergänglichsten Werke und Leistungen verdanken. Aber, wenn diese Arbeit, die wir geleistet haben, als Positivismus gerühmt werden soll, oder wie Sie das nennen wollen, dann sagen wir, daß unser Positivismus, unser Aktivismus mit jener Serie von Aktivismus, von dem uns die deutschen aktivistischen Parteien in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren ein so anschauliches Bild geliefert haben, absolut nichts gemein und nichts zu tun hat; unser Aktivismus oder Positivismus hat nichts mit jenem Aktivismus zu tun, der um des Ministersessels willen, um Koalitionsvorteile willen die Grundideen der Partei, die ganze Vergangenheit einfach niedertrampelt, nichts zu tun mit jenem Aktivismus, der sich dem Machtrausch bedenkenlos hingegeben hat, frivol an alle Pflichten vergißt, unser Positivismus hat nichts zu tun mit einem Aktivismus, der dem Verständigungsgedanken zu dienen glaubt, in Wirklichkeit aber Futterkrippen und Brosamenpolitik kommunster Art getrieben hat und der, was die große Schuld und Anklage ist, den Verständigungsgedanken durch eine sozial reaktionäre, durch eine rückständige, arbeiterfeindliche, antisoziale Politik kompromittiert (Výkøiky posl. Bechynì.) und auf das schwerste geschädigt hat. (Potlesk èsl. a nìm.- soc. demokratických poslancù.) Von einem solchen Aktivismus wollen wir nichts wissen, der in nationalpolitischer, in nationalkultureller Richtung selbst der Kritik èechischer Parteien nicht stand hält.

Es ist ein ganz schönes Wort, welches das Blatt "Národní Osvobození" in seiner Nummer vom 29. Dezember 1925 ausgesprochen hat: "Nur auf der Grundlage eines ausgearbeiteten Nationalitätenprogramms läßt sich mit den deutschen Aktivisten verhandeln. Ohne dieses Programm ließe sich vielleicht noch eine Partei für die Regierung gewinnen, das wäre aber nichts anderes, als ein zeitliches Parteiarrangement, das keinen ernstlichen Einfluß auf die Verhältnisse der Minoritäten und die Verhältnisse in diesem Lande überhaupt hätte." Man vergleiche mit diesen seriösen Worten des "Národní Osvobození" das, was unsere aktivistischen Parteien sagen, ihren unvermittelten, satzförmigen Sprung in die Ministerfauteuilles, der bedingungslose Eintritt in die Koalition, vergleiche damit die Wirksamkeit des zweieinhalbjährigen Bestandes des internationalen Bürgerblocks, die systematische Preisgabe aller programmatischen Forderungen, vergleiche damit die vollständige Auslöschung der ganzen Vergangenheit der beiden aktivistischen Parteien, um zu verstehen, warum wir erklären müssen, daß wir mit diesen aktivistischen Parteien absolut nicht in einen Topf geworfen werden wollen, daß wir mit diesem sogenannten aktivistischen Misch-Masch nichts zu tun haben. Wir wünschen nicht in dieselbe Lage zu kommen, in die jetzt die deutsche christlichsoziale Partei gekommen ist, in die Lage: "Pater peccavi" sagen zu müssen. Die "Deutsche Presse" sagt in ihrer Nummer vom 8. Dezember nämlich: "Wir stehen nicht an, zu behaupten" sie wird sentimental - "daß die Unterordnung des Weltanschaulichen unter das rein Politische, wie es" - sagt das Blatt vorsichtigerweise - "besonders auf èechischer Seite zu bemerken ist, die Hauptursache des Rückganges der christlichsozialen Partei ist. Nur in der Wiederherstellung der Integrität und des Einklanges der Weltanschauung", sagt das deutsche christlichsoziale Zentralorgan, "liegt die notwendige Voraussetzung des Vertrauens."

Hoffentlich prägen sich die deutschen Christlichsozialen das ein, hoffentlich ziehen sie daraus die letzten Konsequenzen. Es genügt nicht allein, hohes Haus, zur Beichte zu gehen, wenn man das sündhafte Leben weiter fortführt. (Veselost na levici.) Und wir müssen feststellen, daß die Sünden gegen den sogenannten heiligen Geist des christlichsozialen Programms, die begangen wurden und die sich an den Herren rächen werden, ganz gewaltige sind: die restlose Teilnahme an dem unchristlichen, antisozialen, allreaktionären Kurs, die Mitschuld an den zoll- und steuerpolitischen Beschlüssen, an allen Maßnahmen, welche die Aushungerung der arbeitenden Bevölkerung aller Nationen und aller Bevölkerungsschichten im Gefolge hatten, die Teilnahme an allen Angriffen auf die revolutionären Errungenschaften der Arbeiterklassen, die Teilnahme an dem Attentat auf die Sozialversicherung, die Teilnahme an der Vernichtung der Selbstverwaltung der Bevölkerung aller Nationen, vor allem der deutschen Selbstverwaltung, die Mitschulden an der Verleugnung des nationalen und kulturpolitischen Programmes, all das mußte sich naturgemäß rächen, und darum ist es durchaus zutreffend, wenn die deutsche christlichsoziale Partei am Schlusse als Bilanz konstatiert, daß eigentlich die hauptsächlichste Schuld an ihrem Mißerfolg ihre Belastung durch die Regierungsteilnahme gewesen ist. Wie hätte es auch anders kommen können? Als die deutschen Aktivisten in die Regierung gingen, erklärte Prof. Spina, die nationale Frage werde aufgerollt werden. So hieß es in seiner ersten Wahlrede, die er unmittelbar nach dem Zollbeschluß im Hause gehalten hat. Im Juni 1926 wurde dann geschrieben, "daß die Politik, die wir verfolgen, auf viel Größeres geht". Sie lasse sich auf keine so einfache Formel bringen, sie bezwecke nicht mehr und nicht weniger, als die Unterlage für den nationalen Frieden der Völker zu schaffen. Und was ist daraus geworden? Hohes Haus, nach zweieinhalbjähriger Wirksamkeit der Koalitionsregierung bekamen wir jetzt die Verwaltungsreform, die man heute im Lager der deutschen aktivistischen Parteien als einen großen Erfolg der deutschen Bevölkerung anzupreisen versucht. Prof. Feierfeil, einer der leitenden Herren der deutschen christlichsozialen Partei und der aktivistischen Gruppen, hat in einer Darlegung über die Verwaltungsreform gesagt, daß eigentlich die Verwaltungsreform, verglichen mit dem Gaugesetz, eine Besserstellung nicht nur an sich, sondern auch im Bezug auf die nationale Selbstverwaltung bedeutet. Er sagte: Wir haben wohl eine Million Deutscher in diesen zwei Gauen schlechter gestellt, aber dafür haben wir zweieinhalb Millionen deutscher Seelen gerettet und aus einer ohnmächtigen Minorität in erträgliche nationale Verhältnisse gebracht. Meine Herren! Mit dieser Unwahrheit müssen wir einmal aufräumen. Wir müssen diese Dinge ein wenig nachprüfen und wir können dies am besten, indem wir einige Feststellungen machen.

Nach der Verwaltungsreform bilden die Deutschen im Lande Böhmen 33%, im Lande Mähren 24% der Bevölkerung. Sehen wir uns nun die Ziffern an: die deutsche Bevölkerung im Karlsbader und Böhm.-Leipaer Gau mit 97% und 89% wird auf 33% reduziert. Es handelt sich da um nicht weniger als fast eine Million Menschen. Nun meint Prof. Feierfeil, daß jetzt die Verwaltungsreform sich dafür für die anderen Deutschen günstig auswirken werde. Hören Sie, wie es damit steht: Die deutsche Bevölkerung im Launer und Pilsner Gebiet mit 39% und 33% ist jetzt auf 33% reduziert. Die deutsche Bevölkerung in Olmütz, Ostrau und Iglau mit 37%, 34% und 29 % ist auf 24% reduziert. Was heißt das? Das bedeutet in der Gesamtauswirkung, daß die Lage von 994.000 Deutschen in Karlsbad und Böhm.-Leipa, daß die Lage von 557.000 Deutschen in Laun und Pilsen, die Lage von 636.000 Deutschenin den Gauen von Olmütz, Ostrau und Iglau, also daß die Lage von zusammen 2,189.000 Deutschen verschlechtert wird. Dazu kommt noch, daß die Deutschen in Jungbunzlau, Königgrätz und Budweis, 520.000 an der Zahl, mit einem Prozentsatz von 38% und 28%, eine Verschiebung gegen das Landesverhältnis überhaupt nicht zu verzeichnen haben, so daß die Lage von 2,700.000 Deutschen durch die Verwaltungsreform verschlechtert wird, während nur bei 263.000 Deutschen, nämlich in den Gauen Pardubitz, Prag Land und Stadt, ferner im Gau Brünn, Teschen und Hradisch, von einer Verbesserung im Prozentsatz die Rede sein kann. Und wenn man den Brünner ausschließt mit seinen 18% gegenüber 24%, bleiben 99.000 Deutsche. Sicher sind auch diese 99.000 Deutschen und ihre Besserstellung wichtig, aber in Wirklichkeit steht ja die Sache so, daß nur dann eine Besserstellung vorhanden wäre, wenn die Verwaltungsreform tatsächlich eine nationale Selbstverwaltung bringen würde, wenn sie eine demokratische Verwaltung bringen würde und wenn der Preis, den man für die Verwaltungsreform bezahlt, nicht darin liegen würde, das Schicksal von weit über 23/4 Millionen Deutschen zu verschlechtern. Es ist also grundfalsch, durchaus ersonnen, aus der Luft gegriffen, irreführend, für wahlagitatorische Zwecke berechnet, wenn man gegen das Gaugesetz Sturm läuft, nur zu dem Zwecke, um den Nachweis zu erbringen, daß man es durch die Verwaltungsreform besser gemacht habe. Man sagt beispielsweise, die Lage der deutschen Bevölkerung sei verbessert worden, in einem Augenblick, da 16 Gerichtsbezirke mit einer Mehrheit von 51 bis 99% in anderssprachige Gerichtsbezirke einverleibt wurden. Was bedeutet demgegenüber die gegenteilige Entwicklung in 5 anderen Gerichtsbezirken! Man sieht, wie man die Dinge einfach auf den Kopf stellt und was man alles sich erkühnen kann der Wählerschaft zu suggerieren, einzureden, plausibel zu machen, ohne dafür gezüchtigt zu werden, wenn man von der Züchtigung im Wahlgange selbst absieht.

Oder es sagt Herr Prof. Feierfeil an anderer Stelle, daß man in der Schule einen sicheren Erfolg zu verzeichnen habe, indem die Verwaltungsreform gleichzeitig die deutsche Schulverwaltung geschaffen habe. Nicht mit einem Worte kann davon die Rede sein. Von einer Schulorganisation ist nichts vorhanden, alles aus der Luft gegriffen, nur um der Wählerschaft die Augen auszuwischen, genau so wie der Obmannstellvertretter des Klubs der Landbündler es getan hat, der in einer Rede auseinandergesetzt hat: "Unsere Gegner scheinen gar nicht zu wissen, daß schon durch das Gesetz über die Verwaltungsreform die Autonomie unseres Schulwesens entwickelt wird." All das ist aus den Fingern gesogen, ebenso wie beispielsweise die Behauptung des Abg. Schubert, der in einer Wählerversammlung in Bischofteinitz erzählt hat, daß unter der Aera das deutsch-èechischen Bürgerblocks 1000 deutsche Schulen wieder eröffnet wurden. Dabei wissen Sie doch ganz gut, daß in den letzten Wochen und Monaten wieder einige Schulen gesperrt wurden und daß man einen ungeheueren Apparat aufbieten mußte, um die Wiedereröffnung dieser Schulen zu erwirken, wobei in manchen Klassen 96 Kinder vereinigt wurden, wie in Seestadtl, oder 94 Kinder, wie in Komotau. Ich habe mit einem alten Schulleiter gesprochen, der mir sagte: "Als ich im alten Österreich begonnen habe zu unterrichten, habe ich mit 93 Schulkindern angefangen; und heute sind wir glücklich schon bei 96 angelangt." Das sollen alles Erfolge sein! Oder wenn ich ein weiteres Moment nehme, das Pensionsversicherungsgesetz und die deutschen Landesstellen: In einem Artikel hat der Herr Vorsitzende der deutschen christlichsozialen Partei gesagt, daß das Attentat abgewehrt wird, daß es eine Zumutung an die deutschen Parteien gewesen ist, das letzte Stück nationaler Selbstbestimmung zu nehmen, und er sagte wörtlich: "Ist es ein gesunder Zustand, daß ein Minister einer fertigen Vorlage gegenüber erst mit der Abdankung drohen muß?" Damit ist man in die Wahlen gegangen und hat das als großen Erfolg ausgegeben, und heute sehen Sie, daß die beiden Landesstellen in Mähren und Schlesien eigentlich schon erledigt sind, die schlesische, weil sie aufgelassen wird, die mährische, weil sie bei dem Territorialprinzip verdorren muß. Man hat gesagt, daß der Sieg des Nationalitätenprinzips bei der Pensionsversicherung ein Erfolg der aktivistischen Parteien gewesen ist. Wo ist jetzt die Abdankung des Herrn Ministers Mayr-Harting, die damals angekündigt wurde, mit der man damals aufgetrumpft hat, wo ist sie jetzt, da sich herausgestellt hat, daß von den damaligen Zusagen nichts übriggeblieben ist und daß wieder eines der Leidenskapitel der Minoritäten an die Oberfläche tritt? Oder glaubt der Herr Minister Spina, glaubt der Herr Minister Mayr-Harting, daß ihm jemals die Vor lage für die Altersrentner vergessen werden wird, daß ihm vergessen wird, daß diese Vorlage 1.37 Kè für den abgearbeiteten Menschen, 1.63 Kè für 2 Eheleute gibt, also 81 Heller pro Tag und Person, mit einen lächerlich geringen Zuschuß? Glauben diese Herren, daß man derartiges vergessen wird und daß insbesondere vergessen wird, was in der Begründung zur Vorlage niedergelegt ist, die Worte, daß es auch Arbeitsscheue gibt und daß man als arbeitsscheu denjenigen 65jährigen Menschen anzusehen berechtigt ist, der sich nicht zu Wegherstellungsarbeiten, also zu einer schweren Dienstleistung, hergibt? (Unerhört!) Diese Schmach wird so sicher getilgt werden, wie alle andern Verbrechen bei diesem Wahlgang prompt heimgezahlt wurden. Dessen mögen die Herren von der Koalition und vor allem die deutschen aktivistischen Gruppen versichert sein. Diese deutschen Parteien stellen jetzt wehmütige Betrachtungen darüber an, wie es zu diesem schwarzen Tage kommen konnte. Reicht nicht alles, was hier kurz skizziert wurde, vollkommen hin, um dieses Wahlergebnis zu erklären? Leichtsinnig, hemmungslos haben die deutschen aktivistischen Parteien den im Jahre 1925 gewährten Kredit verwirtschaftet. Sie waren mit Blindheit geschlagen, sie ergaben sich dem Koalitionsgedanken förmlich besinnungslos, mit der von Švehla im Regierungsprogramm geprägten Phrase von den Gleichen zu Gleichen glaubten sie, schon alles herausgeholt zu haben. Nach diesen Verheißungen hätten die beiden Völker zusammenkommen sollen, und es sind nicht einmal die zwei Minister zusammengekommen, nicht einmal die haben es zuwege gebracht. (Veselost na levici.) Als sich dann schließlich alle auf deutscher und èechischer Seite mit dem Opium dieser Gleichheitsphrase berauschten, sind sie ins Land gezogen, um die Leute zu betäuben und in einen Rauschzustand zu versetzen, und haben sich dabei selbst einen ganz ausgiebigen Schwips geholt, der sie niedergerissen hat und mit ihnen auch die èechischen Koalitionsparteien, wie in einem packenden Verslein von Grillparzer: "Sie saßen und sannen und sannen am Tisch und tranken Bruderschaft frei und frisch, da zog der Wein sie beide nieder, sie lagen unterm Tisch als gleiche Brüder." (Veselost na levici.)

Nun frage ich, was weiter zu geschehen hat. Es unterliegt keinem Zweifel, auch wenn es hundertfältig abgeleugnet wird, daß die Regierung sich im Zustand der Krise befindet. Der Herr Stellvertreter des Ministerpräsidenten hat es zwar heute kaltblütig in Abrede gestellt. Nehmen Sie demgegenüber den heutigen Leitartikel der "Lidové Listy" zur Hand! Dort heißt es, daß eine "Vládní krise" besteht. Das Blatt des Herrn Ministers Šrámek sagt: "Über die Verwaltungswahlen würden wir schon hinüberkommen, wenn nur die Verhältnisse in der Koalition, das Parteiverhältnis innerhalb der Koalition, normal wären." Es wird dort erzählt, daß in der Agrarpartei zwei verschiedene Strömungen seien, die eine Strömung wolle sich noch ein Jahr häuslich niederlassen, während die andere an die Wähler appellieren wolle. Es heißt noch weiter: "Wenn das Parlament unter den heutigen Verhältnissen gegen das Diktat der Agrarier taub ist, so würde die agrarische Partei lieber die Entscheidung der Wählerschaft wünschen, da mit sie dann über ihr weiteres Vorgehen einen Entschluß fassen kann" und es nennt das Blatt des Herrn Pater Šrámek die Erklärung der Agrarier ein Ultimatum, das beinahe dem im Jahre 1914 an die Serben gerichteten Ultimatum gleich kommt. So schaut es in der Koalition aus, ganz zerfahren, und da wagen es die "Národní Listy" zu sagen: Die Koalition bleibt, sie ist fest, sie wird ihr Programm konsequent, ohne Zögern, hart durchführen. Nun, das ist ein Säbelgerassel, vor dem niemand zu erschrecken braucht, und für die Erklärungen des Herrn Dr. Kramáø, nach allem, was man in letzter Zeit erlebt hat, kann man das Wort gebrauchen, das er seinerzeit im außenpolitischen Sinne verwendet hat: "Es ist ein abgespieltes Klavier." Vor diesem Säbelgerassel und diesen Erklärungen wird niemand erschrecken. Aber ein Programm will die Regierung durchführen; ein Programm haben die Herren! Was für ein Programm? Wer weiß von einem Programm? Die deutschen aktivistischen Parteien haben doch gesagt, daß sie um himmelswillen kein Programm gemacht haben. Woher also plötzlich das Wort "Programm"? Weil ich ein gewissenhafter Mensch bin - obwohl sich ein Roman besser liest als eine Regierungserklärung aus dem Jahre 1926 - habe ich mich der Mühe unterzoger und diese Regierungserklärung durchgelesen. Nichts steht von einem Programm drinnen. Was will Herr Dr. Kramáø durchführen, konsequent, hart, dùraznì? Herr Dr. Spina hat gestern die Erklärung abgegeben, die Regierung müsse bleiben. Ja, warum denn? Sie müsse solche Aufgaben durchführen, die eine auch von Sozialisten beschickte Regierung nicht lösen kann, und sie bereite auf diese Weise eine neue Koalition vor. Da können wir uns schon auf allerlei gefaßt machen Kaviar ist nichts dagegen. Es soll nach dem Wunsch des Herrn Ministers Spina, den er auf dem Parteitag ausgesprochen hat, ein Programm durchgeführt werden, bei welchem man die Sozialisten nicht brauchen kann, dann, nachher will man den Sozialisten die Wege ebnen. Was ist das? Der Mieterschutz und wie alle diese schönen Dinge heißen, die man noch im letzten Augenblick ins Trockene bringen will, und man erwartet, daß dann, wenn das alles glatt geregelt worden ist, die Wege für die sozialistischen Parteien geebnet werden. Wir werden uns diese Erklärung des Herrn Ministers Spina merken und werden dafür sorgen, daß sie möglichste Verbreitung erfährt, wir werden sie in alle Teile des deutschen Landes bringen, und auch die èechischen sozialistischen Parteien werden sie hinaustragen und der Bevölkerung sagen, wessen sie gewärtig zu sein hat, wenn wirklich das Wort des Herrn Dr. Kramáø von der harten Durchführung des Programmes und das Wort des Herrn Minister Spina von der Durchführung eines Programms, bei dem man die Sozialisten nicht brauchen kann, wahr sein sollten.

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