Meine Damen und Herren! Die zur Beratung stehende
Regierungsvorlage mit dem schönen Titel "betreffend
die Bewilligung der Rückerstattung der Umsatz- oder
Luxussteuer und der Transportsteuer für Industrieexportunternehmungen"
soll natürlich, wie jedermann weiß, in erster Linie
ein Geschenk an das Zuckerkapital sein. Sie gehört aber außerdem
auch noch in die Reihe jener berüchtigten èechoslovakischen
Ermächtigungsgesetze; denn sie beginnt mit dem Satz: "Der
Finanzminister wird ermächtigt". Wozu wird er ermächtigt?
Industrie-, Exportunternehmungen oder Vereinigungen solcher Unternehmungen
die Umsatzsteuer, die Luxussteuer, Transportsteuer usw. ganz oder
teilweise zurückzuerstatten. Darüber zu entscheiden,
in welchem Maße solche Steuern zurückerstattet werden,
ist der Finanzminister und bei einzelnen Rückersätzen,
soweit es sich um Transportunternehmungen handelt, auch noch der
Eisenbahnminister, der dabei mit befragt werden muß, berufen.
Aber das, was bezweckt wird, das ist ein wirtschaftlicher Protektionismus
allerschlimmster Art. Riesengeschenke werden an Industrieunternehmungen
gemacht und es ist für uns ein außerordentlich magerer
Trost, daß die Durchführung in die Hände
der èechoslovakischen Verwaltung gelegt wird. Aber durch
diesen Regierungsantrag sind vor allem auch noch zwei Tatsachen
ins grellste Licht gerückt worden, nämlich die eine,
daß die wahren Herren der Èechoslovakischen Republik
die Großbanken sind und daneben die andere,
daß wir es hier mit einer Regierung zu tun haben, deren
einzelne Parteien sich zwar ständig als Dienstknechte des
Großkapitals, als Werkzeuge der Wucherer aller Nationen
und Konfessionen betätigen, die aber auch - und ich
werde dies nachher noch eingehender begründen durch eine
geradezu beispiellose Demagogie, durch ebenso freche als plumpe
Fälschungen des wahren Sachverhaltes, die Bevölkerung
dupieren wollen. Es gibt heute wenige Staaten neben der Èechoslovakischen
Republik, in denen das Volk dermaßen
ausgebeutet und nach allen Regeln der Kunst gebrandschatzt wirt
als hier; es dürfte aber auch kaum anderswo von den Dienstmannen
seiner Ausbeuter derart zum Narren gehalten werden, wie es in
der Èechoslovakischen Republik gang
und gäbe ist. Es ist bekannt, daß der Finanzminister
deshalb geht, weil auch er sicherlich ein Anwalt des Kapitalsprofites
wie selten einer - glaubt, für diese durch den gegenwärtigen
Regierungsantrag zum Ausdruck gebrachte Frivolität die Verantwortung
nicht tragen zu können. Es ist weiter bekannt, daß
die Zuckerherren drohten, den Zuckerpreis wieder um 60 Heller
zu verteuern, wenn man ihnen dieses Geschenk nicht bewilligen
würde. Und die Regierungsparteien gehen nicht den selbstverständlichen
Weg, das Zuckerkartell zur Raison zu bringen. Sie ignorieren den
sozial demokratischen Antrag auf Einführung der Zuckerzwangswirtschaft,
unseren Antrag " den Zuckerzoll aufzuheben und damit dem
Wucher und Machtdiktat des Kartells den Boden abzugraben. Die
Regierungsmacht versagt. Die Herren, die gegen die Arbeiter
so stark sind, knicken knieweich vor der Živnobanka zusammen
und sie werden wieder zum Dienstknecht der unverschämtesten
Wuchergelüste, die sich denken lassen. Wie sehr diese Zuckermagnaten
der Regierungshilfe bedürftig gewesen
sind, die ihnen in so ausgiebigem Maße zuteil werden soll,
geht aus den Bilanzveröffentlichungen der Zucker industrie
hervor. So betrug im letzten Jahre der Reingewinn der Zuckerfabrik
Schoeller 8.2 Mill. Kè,
bei 36 Mill. Aktienkapital, es haben die Aktionäre 20% Dividende
erhalten und die Verwaltungsräte extra noch 600.000 Kè.
Die Nestomitzer Zuckerraffinerie verteilte nach Abschreibung von
2,989.327 Kè noch immer 15% Dividende, die Schönpriesener
Zuckerrafinerie hat allerdings nur 12 1/2
% - nur - ausgeschüttet, aber der Reingewinn hätte für
die Verteilung einer Dividende von 27% gereicht. Nicht weniger
als 2.6 Millionen Kè
hat man dort zum Zwecke der Verschleierung des Riesengewinnes
abgeschrieben, hauptsächlich wohl deshalb, damit der Schutz
des Dividendenwuchers durch die Regierung dem Volke nicht klar
zum Bewußtsein gebracht werde. So kann man die Liste fortsetzen.
Es verdienten die Chropiner Zuckerraffinerie, die Launer landwirtschaftliche
Zuckerraffinerie, die Peèeker Zuckerraffinerie,
die Zuckerfabrik Sokolnitz je 10%, die Böhmische Zuckerindustriegesellschaft
17.5%,
die Zuckerfabrik Mähr. Kromau 25%, die Troppauer Zuckerraffinerie
32.5%
und die Zuckerfabrik Schlapanitz gar 40% Dividende. (Výkøiky
posl. Grünznera.) Die Aussiger und
die Nestomitzer würden, noch höhere Gewinne ausweisen,
wären sie nicht so stark verschuldet und müßten
sie nicht außer dem Reingewinn noch jährlich Millionen
verdienen, um die Zinsen der Bankschulden zu bezahlen. Würden
die Fabriken die Schulden abstoßen, wozu notwendig wäre,
daß die Aktionäre das Aktienkapital, für das sie
Dividenden beziehen, voll einzahlen. So würde z. B. bei der
Aussiger Zuckerraffinerie noch ein Mehrgewinn von 8.2
Mill. Kè zu verzeichnen sein. (Posl.
Kaufmann: Es sind doch dieselben Herren, die die Zinsen einstecken!)
Gewiß, sie verdienen zweimal,
einmal die Dividende des Aktienkapitals der Fabrik und außerdem
noch ihre Dividende bei der Bank.
Aber das alles ist allgemein bekannt, und natürlich
auch den Regierungsparteien. Aber diese Patentchristen, die den
Kriegskrüppeln die Rente abbauen und die Kriegswaisen und
Kriegswitwen hungern lassen müssen, weil der Staat kein Geld
hat, ihre berechtigten dringenden Forderungen zu honorieren, die
sind ohne weiters bereit, Millionen, mit denen man das Los der
Kriegsopfer erleichtern könnte, den Dividendenjägern
in den Schoß zu werfen. Ich erinnere daran, daß wir
hier seinerzeit beantragt haben, daß man die Anmeldefrist
für jene Kriegsrentner, die ihre Anmeldung verspätet
eingebracht haben und deshalb mit ihren berechtigten Ansprüchen
abgewiesen wurden, neuerdings auflegen möchte, wir haben
darauf hingewiesen, daß es heute Tausende von Kriegswitwen
gibt, die keine Rente beziehen, weil ihr Gesuch seinerzeit verschmissen
wurde, wir haben darauf hingewiesen, daß Zehntausende von
Kriegerwaisen, deren Vormund versäumte, das Gesuch rechtzeitig
einzubringen, heute hilflos dastehen, und wir haben an die Regierungsmehrheit
appelliert, sie möchte einer Neuauflage der Fristen zustimmen,
sie möchte unseren diesbezüglichen Antrag annehmen,
damit diesen Allerärmsten, denen man den Ernährer weggeschossen
hat, geholfen werden könne; sie haben aber mit der Achsel
gezuckt und erklärt, sie seien dazu leider nicht in der Lage,
es blute ihnen zwar das Herz, aber sie könnten nicht, weil
das notwendige Geld nicht in der Kasse vorhanden sei. Es hat damals
geheißen, daß man, um alle Wünsche befriedigen
zu können, eine Summe von etwas über 100 Mill. Kè
brauchen würde. Ich weiß nicht, ob diese Rechnung nicht
übertrieben ist; aber nehmen wir an, es wären 100 Mill.
Kè gewesen: mit diesen hätte man Zehntausenden von
Menschen, die ein volles Anrecht auf diese
Unterstützung haben, einigermaßen helfen können;
aber man hat erklärt, man habe dazu das Geld nicht. Aber
einen höheren Betrag gibt man ohne weiters diesen Dividendenjägern,
Leuten, die 25 bis 40% auch ohne dieses Geschenk verdienen. Deutlicher
als an dieser Gegenüberstellung läßt sich dieses
Christentum nicht charakterisieren, wie es im Verhalten unserer
Christlichsozialen und Regierungsparteiler zum Ausdruck kommt.
(Výkøiky na levici.)
In diesem Staate, in dem der Reallohn der Arbeiterschaft
nicht einmal die Hälfte des in London gezahlten erreicht,
wo der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung unter der
Hälfte des Lebensstandards des englischen Arbeiters steht,
leistet sich die Regierung noch eine Preistreiberei nach der anderen.
Dieser Bürgerblock, nur von Wuchergelüsten zusammengeschweißt,
hat Mehl, Brot und Fleisch verteuert und zu einem seiner ersten
Werke gehört die Erhöhung der Zuckersteuer. Die Herrschaften
wollen dessen nicht mehr gewahr sein und legen keinen Wert darauf,
daß die Bevölkerung daran erinnert werde. Aber es muß
ihnen heute noch einmal nachgesagt werden, daß das eines
ihrer ersten Werke war; und dabei ist der Zuckerpreis bei uns
schon ein unerhörter. Ich möchte nur folgende Gegenüberstellung
vornehmen, aus der hervorgeht, wie hier die Bevölkerung ihren
Bedarf an Zucker, trotzdem wir in einem der zuckerreichsten Länder
Europas leben, nicht decken kann und wie hier der Zuckerpreis
hoch geschraubt wird. Es kostet èechoslovakischer
Zucker in England 4.30 Kè,
in Österreich 4.75 Kè,
in der Schweiz 3.60 Kè,
in der Èechoslovakischen Republik aber kostet èechoslovakischer
Zucker 6 1/2
Kè pro kg. Selbstverständlich, daß auch die
Konsumziffer in der Èechoslovakei eine
unverhältnismäßig niedrige sein muß. In
England werden 38 kg Zucker pro Jahr und Kopf verbraucht, in Dänemark
44 kg. Das sind Länder, in denen der Fleischkonsum wesentlich
höher ist als bei uns und wo infolgedessen die dringende
Notwendigkeit nicht besteht, Zucker zu dem Zwecke zu genießen,
um den Körper heizen zu können. In der Èechoslovakei
aber kann sich die Bevölkerung im Durchschnitt pro Kopf und
Jahr nur 26 kg leisten, also um 18 kg weniger als in Dänemark
und um 12 kg weniger als in England.
Aus dieser Gegenüberstellung folgt nicht allein, daß
durch die übertriebenen Zuckerpreise der Èechoslovakei
und das niedrige Lohnniveau die Menschen genötigt sind, ihren
Kaffee ohne entsprechende Zuckerquantum zu trinken, sondern auch
noch anderes. Die Zuckerindustrie schreit um Hilfe. Die Zuckerindustrie
schreit deshalb um Hilfe, weil der Zuckerexport nach England voraussichtlich,
wie sie meint, durch den Zoll, den England heute auf èechoslovakischen
Zucker einhebt, zurückgehen würde, aber der Rückgang
dieses Zuckerexports konnte wettgemacht werden im Inland durch
Erhöhung des Inlandskonsums, es könnte das, was durch
den englischen Einfuhrzoll auf èechoslovakischen Zucker
unserer Zuckerindustrie eventuell an Exportausfall entsteht, durch
Hebung des Inlandskonsums wettgemacht werden.
Aber dieser Weg, der mit einer Herabsetzung des Zuckerpreises
verbunden sein müßte, wird nicht gewählt. Es würde
auch wahrhaftig den Tendenzen dieser Regierung nicht entsprechen.
Es würde außerhalb der Wucherlinie liegen, die
unter dem Regime des Bürgerblocks maßgebend sein muß.
Es läge auch nicht im Profitinteresse der Banken, die am
Zucker ungemein verdienen wollen. Der èechische Sozialdemokrat
Dr. Macek hat
unlängst im "Právo Lidu" einen sehr interessante
Aufsatz veröffentlicht, in dem er von den riesigen Gewinnen
erzählt, die die Banken aus dem Zuckergeschäft machen
können. Er weist danach: Wenn eine Bank für eine Raffinerie
Rohzucker einkauft, so hebt sie 15 bis 20 Heller für einen
Zentner speziell für sich ein. Wenn sie Rohzucker für
die Fabrik verkauft, rechnet sie abermals eine Provision. Die
größte Provision hat sie allerdings beim Verkauf des
raffinierten Zuckers, nämlich 5/4 bis 6/4%, das ist
8.20 bis 8.64 Kè für einen Meterzentner Kristallzucker.
Von dem gesamten Umsatz rechnet die Bank ungefähr 2 Promille
Provision und außerdem, was für dieses Hyänentum
besonders bezeichnend ist, versucht die Bank sogar noch Provisionen
an den Staatssteuern zu verdienen. Damit das
alles so bleibt, deshalb müssen wir den überteuerten
Zucker kaufen, müssen unseren Zuckerkonsum ungebührlich
einschränken und noch den Großverdienern ein Steuergeschenk
in einem solchen Ausmaß machen, wie es in dieser Regierungsvorlage
verlangt wird. Ich habe schon gesagt, daß diese gegenwärtige
Regierungsmehrheit sich nicht nur dadurch auszeichnet, daß
sie den Reichsten ununterbrochen Geschenke auf Kosten der Armen
macht. Auch noch durch ein anderes, daß sie nämlich
mit einer Demagogie arbeitet, die heute sonst nirgendsmehr landesüblich
ist. Es ist geradezu grotesk, wie diese Regierungsparteien und
natürlich die Christlichsozialen voran das Volk, das sie
durch ihre Knechtseligkeit gegenüber dem Zuckerkartell so
schwer schädigen, auch noch übertölpeln wollen.
Nun möchte ich mir erlauben, für diese Behauptung auch
sofort den Wahrheitsbeweis zu erbringen. Am 29. April d. J. hat
die christlichsoziale "Deutsche Presse" in einem Artikel
"Neuerliche Zuckerteuerung?" sich bereits entschieden
dagegen ausgesprochen, daß ein eventueller Exportrückgang
der Zuckerindustrie durch eine Erhöhung des Inlandspreises
für Zucker paralysiert wird. Es heißt in dem Artikel
wörtlich: "Es hat den Anschein, als soll durch gewisse
Übertreibungen der letzten Tage die Bevölkerung mürbe
gemacht werden, um sich so leichter eine neue Preiserhöhung
für Inlandszucker gefallen zu lassen. Nur Direktor Hartmann
von der Böhmischen Zuckerindustrie A. G. hat diese Absicht
durchblicken lassen, aber wir wissen, daß solche Absichten
im Zuckerkartell immer auf Verständnis stoßen. Deshalb
ist es am Platze," heißt es im Hauptorgan der deutschen
christlichsozialen Volkspartei, "schon heute auf das Verfehlte
einer solchen Maßnahme hinzuweisen. Erstens könnte
durch eine Inlandspreisverteuerung ein eventueller Entfall im
Export nach England nicht wettgemacht werden, anderseits müßte
man im Gegenteil alles tun, um den inländischen Zuckerkonsum,
der seit der letzten Preiserhöhung erschreckend zurückgegangen
ist, zu heben." Das war schon am 29. April und damit sollte
die Leserschaft der christlichsozialen Presse in den Glauben versezt
werden, daß ihre Partei sich einer neuerlichen Verteuerung
des Zuckers widersetzen würde. (Posl. Kaufmann: Sie spielen
jetzt gern die Oppositionellen!) O, Herr Kollege, es kommt
noch wesentlich ärger, das ist das Erste, was die christlichsoziale
Pressen in dieser Beziehung von sich gegeben hat. Als dann der
September kam, wurde die Sache toll und ich möchte sagen,
von Tag zu Tag immer toller. Am 2. September hat die "Deutsche
Presse", das christlichsoziale Hauptorgan, unter einer großen
Überschrift einen Artikel gebracht: "Hart bleiben."
Wir werden ja sehen, wer da hart geblieben ist. Hart bleiben?
Warum? Der Zucker darf nicht teuerer werden. "Morgen,"
heißt es in dem Artikel, "tritt der Ausschuß
des Zuckerkartells zusammen, um, wie er angekündigt hat,
seine Beschlüsse zur Beseitigung der Krisenerscheinungen
in der Zuckerindustrie zu fassen. Eine der Absichten besteht darin,
den Inlandszuckerpreis zu erhöhen, um dadurch die Konkurrenzfähigkeit
auf den Auslandsmärkten zu bessern. Nun hat die Regierung
und die Parlamentsmehrheit ihren einmütigen Willen kundgetan,
eine Preiserhöhung nicht zuzulassen." So wird die Wählerschaft
dieser Herren zum Narren gehalten und gefoppt. Diese Regierung,
die heute diese Vorlage einbringt, hat einmütig beschlossen,
eine Erhöhung des Zuckerpreises nicht zuzulassen und da sagt
die "Deutsche Presse": "Diese Willenskundgebung
war zeitgemäß und gerechtfertigt." Ja, sie wäre
es gewesen. Wenn sie bestanden hätte, wenn sie nicht nur
auf dem christlichsozialen Papier gestanden hätte, wenn es
nicht Lug und Trug gewesen wäre, Falschmünzerei, was
die christlichsoziale Presse hier vor sich gegeben hat. Weiter
heißt es in dem Artikel.... (Výkøiky
posl. Blatné.) Es ist nicht das
Ärgste, es kommt noch viel dicker.
"In Nr. 165 der "Deutschen Presse"
vom 20. Juli d. J. schrieben wir, als erstmalig Gerüchte
über geplante Preiserhöhungen für Inlandszucker
auftauchten: Wir sind jederzeit für gerechte Forderungen
jeglichen Standes und jedes Produktionszweiges eingetreten und
werden es auch weiter tun." (Posl. Katz: Vor allem für
die Zuckerbarone!) Vor allen Dingen nicht, wenn diese Forderungen
von Arbeitern erhoben werden, dann sind sie eben leider nicht
gerecht, oder man kann beim besten Willen den Forderungen der
Arbeiter nicht entsprechen. "Jederzeit," heißt
es wörtlich weiter, "werden wir uns aber auch gegen
eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung der breiten Schichten
stellen. Bisher haben wir nicht den Eindruck und die Überzeugung
gewinnen können, daß die Forderungen der Zuckerindustrie
genügend begründet wären, bzw. den einzig möglichen
Weg beinhalten, auf dem eine Lösung der Krise herbeigeführt
werden kann." Weiter heißt es in dem Artikel wörtlich:
"Die Hypertrophie der Zuckerfabriken in der Èechoslovakei
hat durch die abenteuerlichen Pläne und Wünsche auf
Sonderbehandlung einen schlagenden Beweis erhalten. Das Problem
wird nicht gelöst werden können und die Volkswirtschaft
keine dauernde Erleichterung erfahren, wenn
man sich nicht früher oder später, hoffentlich nicht
zu spät, zu der notwendigen Operation entschließt."
Das ist also schon die Ankündigung der Christlichsozialen
eine großzügige Handlung gegen die Preistreiberei des
Zuckerkartells zu unternehmen. Sie sprechen von der notwendigen
Operation, zu der man sich entschließen müsse und wie
sie sich dann zu dieser notwendigen Operation gestellt haben,
wird noch weiter zu sagen sein.
"Fürs erste," sagen sie hier
wörtlich, "muß vor allem der Regierung
zugerufen werden: Hart bleiben! Der Zucker darf nicht teurer werden."
Das rufen sie der Regierung zu, in der sie selber sitzen, in der
ihr èechischer Parteifreund stellvertretender Ministerpräsident
augenblicklich ist und das Amt des Vizepremiers ausübt.
Das rufen sie der Regierung zu, in der Herr Mayr-Harting sitzt.
"Hart bleiben! Der Zucker darf nicht teurer werden. Die Regierung
darf sich auch nicht dem Versuche eines Oktrois durch eine mäßige
Preiserhöhung, wozu an und für sich die gegenwärtige
Form der Zuckerbewirtschaftung dem Kartell leider die Möglichkeit
gibt, beugen, weil eine Erhöhung des Zuckerpreises gemessen
an den Produktionskosten gänzlich ungerechtfertigt wäre.
Also kein Oktroi des Zuckerkartells, die Regierung darf sich nicht
beugen, muß hart bleiben, der Zucker darf nich teurer werden
und auch eine mäßige Erhöhung des Zuckerpreises
ist nicht gerechtfertigt und könnte unter keinen Umständen
geduldet werden." So wörtlich in der "Deutschen
Presse", im christlichsozialen Hauptorgan, vom 2. September
1928. Und so geht die Sache fort. Am 9. September erschien ein
Artikel (ukazuje noviny), bitte das anzusehen, diese Riesenlettern:
"Im Ringeltanz der Preisverteuerung." So werden diesen
armen bedauernswerten Menschen, die sich diese Zeitung halten
und aus der sie ihre ganze politische Weisheit beziehen, hier
zum besten gehalten. Es heißt: "Sollte der Ringeltanz
der Preisverteuerung ungehindert weiter gehen, ist damit zu rechnen,
daß die ganze Stabilität des Wirtschaftsleben über
den Haufen geworfen wird. Lohn- und Gehaltsforderungen werden
kommen, weil es ja nicht angeht, daß der arme Lohnempfänger
alles auf seinen Rücken austrommeln läßt, zumal
er an und für sich bereits um die nackte Existenz einen verzweifelten
Kampf führt. Wir erwarten, daß die Regierung die angekündigten
Maßnahmen, die der Preistreiberei ein Ende setzen sollen,
mit aller Beschleunigung und Energie durchführe." Das
erwarten sie von ihrer Regierung.
Und gleich darauf am 12. September, wieder
die große Aufmachung im christlichsozialen Hauptorgan: "Kein
Zurückweichen vor dem Preiswucher! Gegen ein faules Kompromiß.
Heute beginnen die angekündigten Verhandlungen zwischen den
Vertretern der Regierung und des Zuckerkartells wegen Bereinigung
der durch die eigenmächtige Preiserhöhung geschaffenen
unhaltbaren Lage. Einzelnen Blättern zufolge gibt man sich
in interessierten Kreisen der Zuckerindustrie der Hoffnung hin,
daß das Ergebnis der Verhandlungen umfassende Maßnahmen
zur Beseitigung der drohenden Krise der Zuckerindustrie sein werden,
daß aber andererseits die Zuckerindustrie nur einen Teil
der Preiserhöhung werde rückgängig machen müssen,
daß die verbleibende Zuckerverteuerung 20 bis 30 Kè
per Meterzentner ab Fabrik sein werde." Und fett gedruckt
heißt es nun: "Mag auch ein Teil der
Regierungserklärung des Herrn Dr Šrámek eine
andere Interpretierung ermöglichen" - als die Schreiber
der christlichsozialen Presse nämlich darzustellen sich bemüht
haben - "so stehen wir doch nicht an, unumwunden zu erklären,
daß die Regierung ein faules Kompromiß zurückweisen
werde. Jedenfalls erscheint es ausgeschlossen, daß sich
die parlamentarische Vertretung der deutschen christlichsozialen
Volkspartei mit einem solchen identifizieren und es decken könnte."
Ausgeschlossen, daß die christlichsoziale Partei einem faulen
Kompromiß zustimme, ausgeschlossen, daß sie auch nur
einer Verteuerung um 25 Heller zustimme, ausgeschlossen, daß
sie sich dazu bereit erklären könnte, der Industrie
Steuergeschenke zu machen, alles, alles ausgeschlossen! Und dabei
haben die Leute doch alles das bis heute mitgemacht, das ganze
faule Kompromiß mitgetätigt, und sind augenblicklich
bereit, für die Vorlage zu stimmen, haben es bereits im Ausschuß
getan und sind dafür, daß diese Riesengeschenke aus
Steuergeldern den Zuckerindustriellen zugeworfen werden. Ich glaube
ärger kann man von der Wahrheit nicht mehr abweichen, ärger
kann man mit dem, was man erklärt, nicht im Widerspruch zur
Wirklichkeit stehen, ärger kann man es nicht treiben, der
Bevölkerung ein X für ein U vorzumachen, wie es hier
im Hauptorgan der christlichsozialen Volkspartei geschehen ist.
(Posl. Kaufmann: Du sollst nicht lügen!) Nun, da kämen
Sie schön weit, mit dem was Sie den Leuten erzählen.
Ich habe in Straßburg im Elsaß ein kleines Gäßchen
gesehen, das einen ganz merkwürdigen Namen aus alter Zeit
trägt. Es heißt nämlich: "Wo der Fuchs den
Enten predigt." Ich glaube den Vorschlag machen zu sollen,
jede Gasse, in der sich eine christlichsoziale Redaktion befindet,
mit diesem Namen zu belegen.
Und weiter heißt es in dem gleichen Artikel
des christlichsozialen Blattes: "Der Bevölkerung ist
nicht gedient mit Regierungserklärungen allein, Daten müssen
reden! Zucker, Kohle und Fleisch sind Massenartikel, in denen
die Regierung keine Preispolitik seitens der Produzenten und des
Handels dulden darf, die einem Raubbau an der Kraft der Bevölkerung
gleichkommt". Mit der christlichsozialen Vergangenheit das
zu schreiben, ist eine Kühnheit sondergleichen, nachdem die
christlichsoziale Partei diesem Raubbau an der Bevölkerung
ununterbrochen zugestimmt hat, und die Christlichsozialen gar
nicht in der Regierung sitzen würden, wenn sie nicht durch
gemeinsamen Raubbau mit den anderen Bürgerblockparteien in
diese Regierung hineingetrieben worden wären. Aber gemessen
an dem, was sie augenblicklich vorhaben, und seit diesem Tage,
seit dem 12. September noch in der Zuckerfrage gemacht haben,
muß man das, was sie hier geschrieben haben, wirklich als
eine Unerhörtheit bezeichnen. In der "Deutschen Presse"
vom 12. September heißt es dann weiter: "Damit dies
geschehe, hat die christlichsoziale Volkspartei die Mitverantwortung
in der staatlichen Verwaltung übernommen. Geschieht dies
aber nicht," d. h. also geschieht ein faules Kompromiß
mit der Zuckerindustrie, "wird es zur Zuckerpreiserhöhung
kommen, bekommen die Zucker industriellen das große Geschenk
aus Steuermitteln, dann" - so schreibt das Blatt "muß
die deutsche christlichsoziale Volkspartei wohl erwägen,
ob sie die Mitverantwortung weiter tragen kann". Sie hat
erwogen. Sie trägt die Mitverantwortung. Sie bleibt schön
drin und dokumentiert damit, daß sie im vollen Bewußtsein
und in der Erwartung, daß sie diesen Schritt gehen werde,
der Bevölkerung einfach einen Schmäh erzählt hat,
daß sie die Bevölkerung genarrt hat.
Dann wird die Zeitung einen Tag wieder ruhig,
kommt aber dann wieder mit einem großen zweispaltigen Titel
am 14. September "Folgen des Wuchers". Darin heißt
es: "In einer am Mittwoch in Aussig stattgefundenen Sitzung
der deutschen christlichsozialen Volkspartei wurde unter Vorsitz
des Postoberdirektors Znamínka nach einem Referat des Sekretärs
Roller einstimmig eine Entschließung angenommen, in der
gegen die Preiserhöhung beim Zucker und die dadurch ausgelöste
Teuerungswelle scharfer Protest eingeleitet wird. Der Reichsparteileitung,
dem parlamentarischen Klub sowie der "Deutschen. Presse"
wurde Dank gezollt für die unzweideutige Stellungnahme gegen
die Urheber der Teuerung". Man muß sich vorstellen,
was man den Menschen zumutet. Da sitzen die Herrschaften in einer
Sitzung beisamen, die Christlichsozialen, ich weiß nicht
welcher Unterkörper der Partei es war, der in Aussig tagte,
da reden sie über Teuerung, über die Zuckerpreiserhöhung,
die mit Zustimmung des christlichosozialen Ministers gemacht worden
ist, mit Zustimmung der christlichsozialen Partei gemacht worden
ist, erklären, daß die unerträglich ist und drücken
der Reichsparteileitung und dem parlamentarischen Klub, der sie
mit verschuldet hat, Dank und Vertrauen aus, drücken Dank
und Vertrauen der "Deutschen Presse" dafür aus,
daß sie in solches Lügenmanöver ausgeführt
hat. (Posl. Kaufmann: Selig sind die Armen!) Es gehört
aber eine tüchtige Portion Armut dazu, Armut im Geiste -
das kann es wohl nicht sein denn ein Blinder sieht, was vorgeht,
es muß Armut an etwas anderem sein, eine Armut an Moral,
Armut am Charakter. Die glaube ich, kommt hier zum Ausdruck. Aber
wenn Sie glauben, daß all das nicht mehr zu überbieten
sei, was Sie da hören, so haben Sie sich getäuscht.
Am 25. September erscheint abermals die "Deutsche Presse",
das christlichsoziale Blatt, mit einem Artikel, der sich betitelt
"Schärfste Verurteilung der Zuckerverteuerung, für
vollständige Widerrufung". Darin heißt es: "Sonntag,
den 23. September fand in Karlsbad eine erweiterte Kreisleitungssitzung
der deutschen christlichsozialen Volkspartei im Karlsbader Wahlkreise
statt." "An das Referat" -heißt es weiter
"schloß sich eine zweistündige Wechselrede an,
die Ergebnisse der Beratung wurden in folgender Resolution festgelegt,
welche von den Anwesenden einstimmig angenommen wurden."
Der Herr Mayr-Harting hat also auch für diese Resolution
mitgestimmt, ebenso wie alle anderen christlichsozialen Herren,
die in Karlsbad beisammen waren. Die Resolution lautet: "Die
erweiterte Kreisleitungssitzung des Kreises Karlsbad verurteilt
in schärfster Weise die von der Zuckerindustrie diktierte
und unbegründete Preiserhöhung als schwerste Schädigung
breitester Volksschichten und als Anlaß zu einer Reihe ebenso
unbegründeter Preiserhöhungen lebenswichtiger Artikel.
Die Kreisparteileitung begrüßt aufrichtig die entschiedene
Stellungnahme der Kreisparteileitung, des Klubs der christlichsozialen
Parlamentarier und der christlichsozialen Presse gegenüber
diesem Kreisdiktat und erwartet von den christlichsozialen Parlamentariern,
daß die mit allen Mitteln den ehebaldigsten und vollen Widerruf
der Preiserhöhung herbeiführen und falls sie das in
der gegenwärtigen Koalition nicht erreichen können,
daraus die letzten Folgerungen ziehen." In Gegenwart des
Herrn Ministers Mayr-Harting wurde also einstimmig beschlossen,
daß absolut keine Preiserhöhung des Zuckers geduldet
werden kann, daß die ganze Preiserhöhung restlos zurückgenommen
werden müsse und daß wenn das nicht in diesem Sinne
geschieht, die Christlichsozialen aus der Regierung und aus der
Regierungsmehrheit auszutreten haben, der Herr Minister Mayr-Harting
also, vom Regierungstisch zurückzutreten habe. So wird
das beschlossen und heute haben sie diese Vorlage hier liegen.