Sie kommen am 26. September 1928 in der "Deutschen
Presse" mit der Mitteilung: "Heute Entscheidung in der
Zuckerfrage". Inzwischen haben sie die Notwendigkeit eingesehen,
rückwärts zu bauen und sie sagen: "Wie wir erfahren,
besteht die deutsche christlichsoziale Volkspartei nach wie vor
darauf, daß die Regierung ihrer Erklärung, die sie
im Abgeordnetenhause durch den Mund des Ministerpräsidenten-Stellvertreter
Dr Šrámek abgegeben hat, treu bleibt".
Das ist eine Erklärung, von der die "Deutsche Presse"
einige Tage zuvor selbst geschrieben hat, daß man sie so
oder so auslegen könne. Und die ganze Sache soll von den
Lesern der "Deutschen Presse" so gelesen werden, als
ob die christlichsoziale Partei immer noch auf dem Standpunkte
stehen würde, keinerlei Erhöhung des Zuckerpreises zuzulassen.
Dann vergehen drei Tage, während denen das christlichsoziale
Hauptblatt schon ruhiger war und dann kommt am 28. September ein
Artikel, der sich "Teuerung" betitelt. Es ist kein zweispaltiger
Titel mehr, kein fetter Druck, es ist schon sehr ruhig und sie
sind schon drauf und dran ihren Umfall der Bevölkerung gegenüber
zu begründen und zu bemänteln. Aber auch das machen
sie so, wie es eben ein Jesuit nicht anders machen kann. Sie können
es nur so machen, indem sie trachten, andere zu beschmutzen und
zu verleumden, mit Lüge, mit Vernaderei und mit Verleumdung
zugleich machen sie ihren Rückzug. Es heißt in diesem
Artikel wörtlich: "Es wurde an dieser Stelle schon wiederholt
und ausführlich darauf hingewiesen, daß trotz der unleugbaren
Teuerungswelle eine derartige Zuckerpreiserhöhung, wie sie
die Zuckerindustrie verlangt hat, unbegründet war. Aber wer
sollte entgegentreten? Der Staat, Parlament und Regierung wurden
angerufen. Aber die Macht des Staates hat gegenüber der freien
Wirtschaft ihre recht engen Grenzen, recht enge Grenzen gegen
über der Zuckerwirtschaft, deren Freiheit, was immer wieder
betont werden muß, von Sozialisten ausdrücklich verlangt
und auf deren Anregung hin lange vor der gegenwärtigen Regierung
und Parlamentsmehrheit durchgeführt wurde". Man muß
sagen, dazu gehört schon allerhand, um so etwas von sich
zu geben. Ununterbrochen haben dieselben Herrschaften uns Sozialisten
deshalb beschimpft und bei der Bevölkerung als die Schuldtragenden
an der Verteuerung des Zuckers vernadert, weil wir gegen diese
Art freier Wirtschaft waren. Man hat zur Zeit, als man das geschrieben
hat, schon von dem Antrag des Klubs der deutschen sozialdemokratischen
Abgeordneten auf Einführung der Zwangswirtschaft in der Zuckerindustrie
gewußt. Man hat also gewußt, daß das Gegenteil
von dem richtig ist, was man da hineingeschrieben hat. Um beim
Rückzug irgendeine Deckung zu haben, hat man diese infame
niederträchtige aus allen Poren an Gemeinheit triefende Verleumdung
hier von sich gegeben. Es wird aber dann weiter gesagt in dem
Artikel: "Sollte man nicht imstande sein, die Zuckerindustrie
zu zwingen, dann muß entschieden und unbedingt verlangt
werden, daß die gesamte und eigentlich schon durchgeführte
Preiserhöhung um 60 Kè pro q unbedingt wiederrufen
und der Zuckerpreis höchstens um so viel erhöht wird,
wie viel durch die allgemeine Wirtschaftslage wirklich und nachweisbar
begründet ist" - nachdem sie bisher gesagt haben, daß
überhaupt keine Erhöhung durch die Wirtschaftslage begründet
ist. Und man hört nichts mehr von den letzten Konsequenzen,
von denen sie kurz vorher gesprochen und geschrieben haben. Auf
einmal ist es damit still geworden und es kommt noch um zwei Tage
später am 30. September ein Artikel mit dem Titel "Eine
Lehre", in dem gesagt wird: "Wir stellen noch einmal
fest, daß der Regierung gegenwärtig keine Mittel zur
Verfügung stehen, die Preiserhöhung in diesem oder jenem
Falle zwangsmäßig zu beeinflussen". Und dabei
hätten die Herrschaften doch nichts anderes zu tun gehabt,
als zu dem sozialdemokratischen Antrag auf Einführung der
Zucker zwangswirtschaft zu stimmen, daß der Zukkerzoll
aufgehoben wird, daß der Zoll von über 200 Kè
auf Zucker aufgehoben wird, weil dann der Auslandszucker billiger
zu uns in die Èechoslovakei hineinkommt und den Preis drückt
und das Zuckerkartell ohnmächtig macht,
seine Preistreiberei hier fortzusetzen. Alles was sie angeführt
haben, ist eine Anführung gegen besseres Wissen, sind bewußte
Unwahrheiten und Lügen aufgebaut auf dem einzigen Grundsatze,
man werde sie nicht kontrollieren und sie nicht zur Verantwortung
ziehen können für das, was sie hier an Lügnerei
und Dupierung der Bevölkerung von sich gegeben haben.
Vielleicht ist dies aber der Gipfel, was die
"Deutsche Presse" am 9. Oktober wiedergibt, die Entschließung
des Reichsparteitages der deutschen christlichsozialen Volkspartei.
Ich staune nur über die Tatsache, daß die Herrschaften,
die Reichspartei spielen, die so etwas öffentlich von sich
geben, sich nicht schämen mit Derartigem vor die Öffentlichkeit
zu treten. Hier heißt es neben einer ganzen Menge von Unwahrheiten
in Bezug auf das Verhalten der Christlichsozialen gegenüber
der Arbeiterklasse und den Angestellten usw.: "Er anerkennt"
- nämlich der Parteitag - "die Bemühungen unseres
Parteiklubs, der als einziger in der Regierungsmehrheit bis zum
letzten Augenblick die völlige Rücknahme des Preisaufschlages
auf Zucker gefordert hat und bedauert, daß seine Bemühungen
nur teilweise erfolgreich waren". Warum hat dann der Parteitag
nicht beschlossen, daß wirklich durchgeführt wird,
was in der Resolution niedergelegt ist und wofür die christlichsozialen
Vertreter inklusive Herrn Mayr-Harting gestimmt haben,
daß die christlichsoziale Partei die letzten Konsequenzen
daraus zu ziehen habe. Warum nicht? Weil auch diese Partei nur
eine Sorge gehabt hat, wie man die Tatsache verschleiern könnte,
daß die christlichsoziale Partei eine unerhörte Lumperei
begangen hat.
Außerdem ist aber noch etwas charakteristisch
für die christlichsoziale Partei, was aus dieser Formulierung
hervorgeht. Der Parteitag der christlichsozialen Volkspartei denunziert
nämlich in einem Atem auch die Regierungskollegenschaft,
die Agrarier und die Gewerbeparteiler vor allem, daß sie
gar nichts gegen den Zuckerwucher versucht hätten. Aber die
wackere christlichsoziale Volkspartei hat selbst auch nichts anderes
als Betrug am Volke versucht. Sie schreibt seit April gegen die
Zuckerteuerung, sie rief sich selbst auf, hart zu bleiben, sie
erklärte, daß sie eher aus der Regierung austreten
als eine Zuckerpreiserhöhung dulden werde, sie ließ
sich gegen diese Tapferkeit, die sie nie besessen, von Parteikonferenzen
Dank sagen, sie schwur im Beisein des christlichsozialen Ministers
in Karlsbad, die letzten Konsequenzen zu ergreifen, falls die
anderen Regierungsparteien vor den Zuckerwucherern zurückweichen
sollten und dabei machte sie doch nur den Wucherern die Mauer.
Das Ende des ganzen lieben Feldzuges, des Faschingsrummels einer
christlichsozialen Opposition gegen das Zuckerkartell, der Gaukelei
in der christlichsozialen Presse und auf christlichsozialen Parteikonferenzen
ist, daß man dem Zuckerkapital weit über 100 Mill.
mehr Profit verschaffte, daß wir den Zucker um 25 Heller
teurer zahlen, was außerdem an Steuernachlässen und
anderen Geschenken aus Staatsmitteln rund 100 Mill. in die Kassen
der Zuckerwucherer geschafft werden. Infamer hat man noch nie
und nirgends ein Volk hinter das Licht geführt.
Dieser Bürgerblock, der kein Geld für
Wohnungsbauten und für Kriegsopfer hat, der Waisenhäuser
sperren, die Mutterfürsorge verfallen, die Jugendfürsorge
erdrosseln läßt, der Kinder in überfüllten
Schulklassen der Tuberkulose in die Arme treibt, verschenkt Hunderte
Millionen an Dividendenjäger Diese Christlichsozialen, die
durch keine Tränen hilfloser Waisen gerührt werden,
opfern den Großbanken willig jede Summe. Diese Gewerbeparteiler,
die für die das Kleingewerbe schwer schädigende und
den Konsum ungeheuer belastende Umsatzsteuer stimmen, schenken
den reichsten Bank und Zuckerherren diese Umsatzsteuer. Die Herrschaften,
die auf Zahnbürsten und Toiletteseife Luxussteuer vorschreiben
lassen, werfen den Kapitalsmagnaten jedes gewünschte Geldgeschenk
in den Schoß.
Wie lange noch kann aber ein solcher Kurs gesteuert
werden? Es schein, daß den Bürgerblockparteien selbst
schon dämmert, daß es leicht zu Ende gehen könnte,
der 2. Dezember ist nicht mehr weit, und so appellieren sie neben
ihren Lügnereien, mit denen sie vor das Volk gehen, vor allem
an Zensor und Gendarm, alles zu tun, um sich noch weiter an der
Macht zu halten. Wahrscheinlich wird ihnen auch das nichts mehr
nützen. Die Weisung des Gouverneurs von Karpathorußland,
von dem wir gestern gehört haben und an deren Tatsache wir
durch die Erklärung des Herrn Innenministers zu glauben noch
keineswegs erschüttert sind, diese Weisung, mit Gewalt die
Korruption, mit den Macht- und Gewaltmitteln des Staates die Wahl
von Agrariern zu betreiben, die nieder trächtige Handhabung
der Zensur zur Unterdrückung der Wahrheit und die frivole
Doppelsinnigkeit der Regierungsparteien - das alles zusammen wird
nicht hinreichen, die Helfer des Großkapitals dauernd vor
dem Zorn des elend betrogenen Volkes zu bewahren. Der Tag, an
dem das von Klerikalen, Großagrariern und Bankanwälten
aufgerichtete Gebäude von Lüge und Wucher zusammenbrechen
wird, der Tag, der die Herrschaft dieses Bürgerblocks, dieses
Blocks der Plusmacher aller Zungen zerbrechen wird, ist wohl nahe.
Das gepeinigte, seit dem Antritt des gegenwärtigen Regimes
maßlos gequälte Volk sehnt sich nach der Stunde der
Abrechnung. (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)
V Tìsnopisecké zprávì o 167. schùzi
posl. snìmovny ze dne 22. øíjna 1928 na str.
7, sloupec 1, øádek 9 shora místo "3
miliony" má správnì státi "3
miliardy".