Hohes Haus! Gestatten Sie, daß ich mich,
bevor ich auf das Meritorische der Vorlage eingehe, in kurzen
Worten mit den Ausführungen meines unmittelbaren Vorredners
beschäftige. Meine Herren und Frauen! Im Leben der Volksmassen
vollzieht sich ein Prozeß, der vielleicht für das Leben
der Völker entscheidender ist als manche politische Revolution.
Es werden immer weniger Kinder geboren, aber es sterben auch immer
weniger Säuglinge. Wir haben aus dem Jahre 1923 eine internationale
statistische Aufstellung, daß die Geburtenzahl nicht mehr
von den abnormalen Verhältnissen des Krieges abhängig
ist; wir haben da ganz interessante Dinge erfahren können,
so z. B., daß in jenen Ländern, wo der Boden einen
guten Ertrag aufweist, wo es eine gute Arbeiterschutzgesetzgebung
gibt, wo die Schulen auf einer bestimmten Höhe sind, wenig
Kinder geboren werden, aber auch wenig Säuglinge dahinsterben.
Aber in jenen Ländern, wo es viele Analphabeten gibt, wo
die Verelendung groß ist, werden viele Kinder geboren, es
sterben aber auch viele Säuglinge dahin. Lassen Sie sich
aus meiner Erfahrung ein wenig erzählen, wie es dort unten,
in der Mitte Mährens, ausschaut, wo die Hausweber und Barchentweber
zuhause sind, wo der Mann webt und die Frau spult und die Kinder
beim Spulen helfen und alle miteinander einen Wochenverdienst
von 45 bis 50 Kè haben. Die Säuglinge dürfen
die Eltern bei der Arbeit nicht stören - das Garn hat immer
die Neigung zum Zerreißen - und darum
wird der Zummel dieser Säuglinge in Schnaps eingetaucht,
die Schläfen werden mit Schnaps eingerieben; dann freilich
sind die Kinder wirklich still. Ich bin in ungefähr 20 Familien
gewesen und habe die Frauen dort gefragt, wieviel Kinder sie geboren
haben. Manche dieser Frauen haben sich gar nicht erinnern können,
wieviel Geburten sie gehabt haben, sechs, acht, zehn und noch
mehr Geburten, (Výkøiky na levici.),
aber am Leben sind bloß zwei oder drei Kinder geblieben.
Die meisten Kinder sind in den ersten Tagen und Monaten ihres
Lebens dahingesiecht. Je verelendeter und unwissender eine Bevölkerung
ist, desto mehr Kinder werden geboren, aber desto mehr Kinder
sterben auch dahin. Mein unmittelbarer Vorredner hat gesagt, die
Unterbrechung der Schwangerschaft sei mit dem Mord zu vergleichen,
mit dem Mord am lebendigen Menschen, aber derselbe Vorredner und
seine gesamte Partei haben niemals das Wort "Mord" gesagt,
als in dem verheerendsten aller Völkerkriege 12 Millionen
Männer dahingerafft (Sehr gut! Rùzné
výkøiky nìm. a èsl. soc. demokratických
poslancù.) worden sind, und zwar
kräftige, gesunde Männer. Niemals haben diese Herren
das Wort "Mord" gesagt, als man aus den Kirchen die
Glocken herausgeholt hat, um sie zu Mordwerkzeugen zu verwenden.
(Výkøiky na levici.) Sie
haben auch nicht das Wort "Mord" gesagt, wenn es galt,
dem Militarismus Opfer zu bringen, sondern für den Rüstungsfond
von 31/2 Milliarden K gestimmt, für die dann Giftgase und
Sprengstoffe nach Herzenslust eingekauft werden. Das ist kein
Mord? (Souhlas na levici.) Mein unmittelbarer Vorredner
hat gesagt, es sei nur die Genußsucht der Frauen, die zu
den häufigen Unterbrechungen der Schwangerschaft führt.
Meine Herren und Frauen, dieser Ausspruch ist nicht nur reaktionär,
dieser Ausspruch ist nicht nur gehässig, er ist töricht
und höchst oberflächlich (Výkøiky.),
denn es ist statistisch nachzuweisen, daß von allen Fällen
der Schwangerschaftsunterbrechung, welche de. Gerichten bekanntwerden,
die übergroße Mehrzahl sich auf Ehefrauen beschränkt,
die zwei und drei Kinder bereits geboren haben, die sich also
aus ihrem tiefen Verantwortlichkeitsgefühl ihren lebenden
Kindern gegenüber zu diesem verzweifelten Schritt entschlossen
haben. (Posl. Kaufmann: Und bei den reichen Frauen handelt
es sich darum, die Folgen des Hausfreundes zu verbergen!) Nicht
die Genußsucht spielt dabei eine Rolle, der Zwischenruf
ist ganz richtig. Ich meine aber, draußen in den Dörfern
haben die reichen Bauern längst nur zwei und drei Kinder
und die reichen Frauen in den Städten haben ebenfalls nur
zwei oder drei Kinder Aber wir haben auch arme Familien, die zwei
und drei Kinder aufweisen und da spielt sich nun die große
Tragödie ab. Die Reichen, die haben es leichter, die können
den Ärzten die groß en Beträge bezahlen, die sich
ihr Risiko bezahlen lassen, mit dem Strafgesetz in Konflikt zu
kommen. Aber wenn wir sehen, daß auch Arme die Schwangerschaft
unterbrechen, müssen wir uns doch ein wenig fragen, wie das
geschieht. Hier wird die Sache zu einem Klassengesetz bitterster
Ordnung. Wir sind vor nicht langer Zeit in Karlsbad bei einer
Beratung gesessen; zu uns kam da eine Frau und wollte ein Empfehlungsschreiben,
mit dem sie in die Fabriken gehen wollte, um den Arbeiterinnen
vorbeugende Mittel zu empfehlen. Wir haben das nicht getan, wollten
eine solche Verantwortung nicht übernehmen, wir kennen ja
die Dinge nicht, aber diese Frau hat uns erzählt, was die
armen Frauen heute alles aufführen, um die Schwangerschaft
zu unterbrechen. Ich bin überzeugt: heute gehen Tausende
und Tausende von arbeitenden Frauen durch die Mittel, wie sie
die Schwangerschaft unterbrechen, dem Siechtum entgegen; ich bin
überzeugt: Tausende und Tausende gehen in den Tod hinein,
und ich habe hier auch schon erzählt, daß es Fälle
gibt, wo sie zum Verbrechen greifen. Und dabei liebt jede Mutter
ihr Kind. So verkommen ist kein Weib, daß es sein Kind nicht
lieben würde, so verkommen ist kein Weib, daß es sich
nicht auch ein Kind wünschen würde. Wir sind keine begeisterten
Verehrerinnen der Schwangerschaftsunterbrechung, durchaus nicht,
wir wollen sie nur in ganz bestimmten Fällen; nur dann, wenn
eine vererbliche Krankheit in einer Familie oder wenn die soziale
Not in einer Familie so groß ist, daß die Aufzucht
der bereits vorhandenen Kinder gefährdet sein könnte,
nur dann wollen wir, daß die Unterbrechung der Schwangerschaft
frei sein soll. Wenn aber mein unmittelbarer Vorredner hier sagte,
daß trotz der starken Strafandrohungen in diesem Staate
jährlich so viele Fälle von Schwangerschaftsunterbrechung
zu verzeichnen sind, hätte er doch ein wenig überlegen
sollen, daß die Gründe dafür doch zwingender Natur
sein müssen. Ich meine, ein Staat, eine Regierung, die ein
Gemeindefinanzgesetz verbrochen, eine Regierung, die den Mieterschutz
abgebaut, eine Regierung, die die Sozialversicherung verdorben
hat, eine Regierung, die den Menschen ein menschenwürdiges
Leben nicht gewährleisten kann, eine solche Regierung hat
kein Recht auf ein solches Gesetz.
Meine Frauen und Herren! Es ist überhaupt
nicht gut, wenn im Zusammenhang mit der Vorlage sich ein Geistlicher
Herr mit der Geburtshilfe befaßt. Dabei kommt gewöhnlich
nichts Gutes heraus. Jedenfalls ist bei dieser Vorlage nichts
Gutes herausgekommen. Dabei kann man noch die Streitfrage aufwerfen,
ob es sich hier um eine Frühgeburt oder um eine Spätgeburt
handelt. (Veselost.) Um eine Frühgeburt einerseits,
weil man in dieser Vorlage die Hebammen mit Verpflichtungen belastet,
sie förmlich reglementiert, während die Gesetze aus
den Jahren 1920 und 1922, die zu ihrem Schutze gemacht wurden,
heute noch nicht durchgeführt erscheinen. Andererseits um
eine Spätgeburt, weil es so lange gedauert hat, bis sich
das Ministerium entschloß, diese Vorlage einzubringen. Oder
sollte es unserem demokratischen Gesundheitsministerium ganz und
gar unbekannt sein, daß die Geburtsassistentinnen heute
unter Instruktionen arbeiten, die niemals im Zusammenhang veröffentlicht
worden sind, also unter einem ungesetzlichen Zustand? Wie immer
wir die Frage stellen, ob Frühgeburt, ob Spätgeburt:
auf alle Fälle handelt es sich um eine Mißgeburt. Diese
Vorlage ist wahrhaftig nicht das Gesetz, welches sich die Geburtsassistentinnen
gewünscht haben, auch nicht das Gesetz, welches wir erwartet
haben. Dabei will ich ohne weiteres anerkennen, daß in dieser
Vorlage die Schulungs- und Ausbildungsverhältnisse der Hebammen
zumindest angebahnt werden, will ohne weiteres anerkennen, daß
in dieser Vorlage die unlautere Ausübung der Praxis zumindest
ein wenig eingeschränkt wird, will ohne weiteres anerkennen,
daß gegenüber den Strafen eine humanere Stellung bezogen
wurde, aber das alles ist gänzlich ungenügend, unvollkommen,
wir können damit durchaus nicht einverstanden sein. Und an
den wichtigsten Problemen des Berufes geht die Vorlage überhaupt
blind und achtlos vorüber. Und das ist umso schwererwiegend,
meine Frauen und Herren, weil es sich hier um eine Gruppe von
arbeitenden Menschen handelt, die stündlich mit schwerster
Verantwortung belastet sind, mit Verantwortung für menschliche
Gesundheit, mit Verantwortung für menschliches Leben. Diese
Fragen gehen weit über die des Berufsstandes hinaus, werden
zu einer Frage des allgemeinen Gesundheitswesens, zu einer Frage
des Volksganzen, und darum sind diese Mängel so außerordentlich
schwerwiegend. Was wir an diesem Gesetz vor allem bemängeln
müssen, ist, daß die entscheidenden Paragraphen, um
die es eigentlich geht, reine Ermächtigungsmaßnahmen
beinhalten. Das dient dem Stande und der Sache nicht, um die es
sich handelt. Ich will in diesem Zusammenhang nicht von den Erfordernissen
der Demokratie reden, die es einfach nicht erlauben würde,
daß wichtige Belange der Gesellschaft der Willkür der
Bürokratie überantwortet werden. Die wahre Demokratie
hat in dieses Haus noch keinen Eingang gefunden, aber das Geringste,
was wir in Bezug auf dieses Gesetz hätten erwarten müssen,
wäre doch gewesen, daß in den entscheidenden Paragraphen
selbt klar umschrieben werde, wie die Geburtsassistentinnen ihren
Beruf auszuüben haben und wie die Schulung usw. aussehen
soll. Und es ist die größte Enttäuschung für
die Geburtsassistentinnen, die auf dieses Gesetz seit Jahren mit
einer wahren Sehnsucht gewartet haben, daß die §§
7 bis 9 so verschwommen sind, daß sie einen so kautschukartigen
Charakter haben, daß sie einer willkürlichen Auslegung
Tür und Tor öffnen. Das Einfachste, was wir von diesem
Gesetz hätten erwarten müssen, wäre eine juridisch
klare und einwandfreie Formulierung gewesen, und da das hier nicht
der Fall ist, gibt dieses Gesetz aus diesem Grunde zu den schwersten
Bedenken Anlaß.
An anderen wichtigen Dingen, an dem eigentlichen
Problem des Berufes ist aber die Vorlage ganz achtlos und blind
vorübergegangen und darum stellen wir von dieser Stelle aus
den Antrag, daß höchste- und niedrigste Tarife für
die Geburtsassistentinnen festzusetzen sind. Der ganze Stand der
Geburtsassistentinnen ringt heute schwer um seine Existenz, und
wenn Sie durch die Annahme dieses unseres Antrages den Geburtsassistentinnen
Existenzsicherheit gewährleisten, so heben Sie das soziale
Niveau des ganzen Standes, Sie heben aber auch sein moralisches
Niveau, denn ich bin felsenfest davon überzeugt, daß
finanziell sichergestellte Geburtsassistentinnen weit weniger
als es bisher der Fall war, den Verlockungen unterliegen werden,
sich durch Kurpfuscherei Nebeneinnahmen zu verschaffen. Dieser
unser Antrag geht weit hinaus über einen Antrag im Interesse
der Geburtsassistentinnen selbst und wird zu einer Forderung für
die gesamte Volksgesundheit. In einem weiteren Antrage fordern
wir, daß auch die Rayonierung der Geburtsassistentinnen
durchgeführt werde. Ist es denn nicht geradezu eine Kulturschande
- und darüber hätte mein Vorredner ein wenig sprechen
können - daß mitten im Herzen Europas noch weite Strecken
ohne Geburtshilfsdienst bestehen? Das ist fürwahr eine Schande.
(Souhlas èsl. a nìm. soc. demokratických
poslancù.) Was wir auf diesem Gebiete
im Gesundheitsausschusse berichtet haben über skandalöse
Zustände in den historischen Ländern, ist wahrhaftig
Skandal genug. Was wir aber über analoge skandalöse
Zustände in der Slovakei hören mußten, das schreit
geradezu zum Himmel. Aber nicht nur aus Gründen der Kultur
haben wir diesen Antrag gestellt, sondern auch aus psychologischen,
aus rein menschlichen Gründen, denn heute leben tausende
und tausende von Frauen in ständigem Angstgefühl, in
einer Angstpsychose, daß sie in ihrer schweren Stunde ohne
fachgemäße Hilfe sein werden. Und ich bin überzeugt,
daß sie unter diesen seelischen Qualen viel mehr leiden
als unter den körperlichen Beschwerden der Schwangerschaft
und den Schmerzen der Geburten.
Ich möchte, wenn es auch in diesem Gesetze
nicht verankert werden kann, hier in diesem Zusammenhang von einer
Sache sprechen, die mir außerordentlich am Herzen liegt.
Ich glaube, daß es außerordentlich wichtig wäre,
daß in unseren Spitälern und in allen unseren Krankenhäusern
Kreiszimmer angegliedert würden, sog. Entbindungszimmer,
denn der heutige Stand der Geburtshilfe überläßt
alle Geburten der öffentlichen Sanitätspflege. Aber
nicht nur aus diesem Grunde. Wenn wir daran denken, wie es dank
der Regierungskunst jener Herren, deren Vertreter unmittelbar
vor mir gesprochen hat, draußen am Lande aussieht, wenn
wir an das Wohnungselend und die Wohnungsnot denken, die uns diese
Herrschaften beschert haben, wenn wir uns ein wenig damit beschäftigen,
wie es in diesen überfüllten Stuben aussieht, wo die
unteren Bevölkerungsklassen - wohnen möchte ich gar
nicht sagen - sondern aneinandergepfercht wie die Heringe vegetieren,
eine große Zahl von Personen, Männer und Frauen, alte
und junge, einige Familien zusammen, dann muß es uns klar
sein, daß unter solchen Verhältnissen die Entbindung
in einer solchen Stube der Frau weit mehr seelische Qualen aufbürdet
als die Qualen der Geburt. Posl. Hackenberg: Und die gesundheitliche
Gefahr für die Frau!) Das kommt noch dazu. Darum würde
ich Sie bitten, auch diesen unseren Antrag zu unterstützen.
In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Berufsgruppe erheben wir
gemeinsam mit den èechischen Genossen die wichtige Forderung,
daß die Geburtsassistentinnen in den öffentlichen Dienst
zu übernehmen sind. Wenn dieser unser Antrag hier angenommen
würde, dann wären zugleich alle Detailanträge,
von denen ich bereits gesprochen habe, günstig erledigt,
dann wären die Geburtsassistentinnen finanziell sichergestellt,
dann wäre ihre Rayonierung durchgeführt, dann wären
sie auch von der Kranken-, Unfall- und Altersversicherung übernommen.
Wo immer der Versuch gemacht wurde, die Geburtsassistentinnen
in öffentliche Dienste zu übernehmen, sind damit außerordentlich
gute Erfolge erzielt worden, Erfolge nach verschiedener Richtung
hin; ich verweise auf die Versuche von Sachsen. Wenn wir hier
die Forderung aufstellen, daß die Geburtsassistentinnen
von der Krankenversicherung, aber auch von der Unfall- und Altersversicherung
zu übernehmen sind, so möchte ich hier einem Einwand
steuern, dem man immer wieder begegnet, wenn man von diesen Dingen
spricht, dem Einwand, daß die Geburtsassistentinnen ihren
Beruf vielfach nur als Nebenberuf und sein Erträgnis als
eine Art Taschengeld auffassen und daß es daher durchaus
nicht notwendig ist, sie noch gesondert gegen die Wechselfälle
des Lebens durch die Kranken-, Unfall- und Altersversicherung
zu schützen. Das ist eine ganz irrige Annahme und es ist
zahlenmäßig nach zuweisen, daß die weitaus größte
Zahl der Hebammen ihren Beruf als Hauptberuf auffassen und daß
sie das Erträgnis aus ihren Beruf durchaus nicht als Nebeneinnahmen
betrachten können, sondern daß viele von ihnen damit
noch ganze Familien ernähren müssen. Und wenn wir auch
annehmen können, daß eine Anzahl von ihnen verheiratet
ist, daß eine Anzahl von ihnen das Glück hat, einen
erwerbenden Mann an ihrer Seite zu haben, so müssen wir bedenken,
daß die Frauen, die verhalten sind, durch ihre Dienstesvorschrift
sich die Hände rein zu halten von schmutzenden und groben
Arbeiten, also auch von grober Hausarbeit, daß diese Frauen
sich eine Hausgehilfin halten und sie bezahlen müssen und
also auch ihr Einkommen nicht als Taschengeld betrachten können.
In Wirklichkeit ist es also so, daß die Geburtsassistentin,
wenn sie alt und erwerbsunfähig ist, der Not gegenübersteht,
ob sie nun ledig oder verheiratet ist.
Wir erheben aber auch die Forderung, daß
die Geburtsassistentinnen der Unfallversicherung zuzuführen
sind. Der Beruf birgt schwere Gefahren nach verschiedener Richtung
hin in sich. Ich will da nur auf die Gefahr der Infektion hinweisen,
ich möchte Sie nur erinnern, wie immer wieder neue Fälle
bekannt werden, wie sich die Geburtsassistentinnen durch ihren
Beruf schwer infizert haben und für die weitere berufliche
Tätigkeit gänzlich unfähig waren. Aber der Beruf
beinhaltet auch Gefahren anderer Art. Denken Sie nur daran, wie
insbesondere am Lande draußen die Geburtsassistentinnen
oft stundenweit gehen müssen, oft auf unwegsamen Wegen und
des Nachts und welche Gefahren da auf sie lauern. So ist vor gar
nicht langer Zeit der Fall gewesen, daß eine Geburtsassistentin
auf so einem Wege in eine Grube gefallen ist und sich schwer verletzt
hat. Nach langwierigem Prozesse ist es dem Verband gelungen, der
Geburtsassistentin zu ihrem Rechte zu verhelfen. Das war in diesem
Falle möglich, weil ein Verantwortlicher zu finden und weil
er auch besitzend war. Aber in den meisten Fällen ist ein
Verantwortlicher gar nicht festzustellen. So hat sich erst vor
kurzer Zeit ein analoger Fall ereignet, wo sich eine Geburtsassistentin
wiederum schwer verletzt hat, ein Verantwortlicher aber nicht
zu finden war und sie so lediglich den Schaden hatte. Wir stellen
auch die Forderung auf, daß die Geburtsassistentinnen der
Altersversicherung zuzuführen seien, schon aus dem Grunde,
weil sie der Allgemeinheit die schwersten Dienste leisten, weil,
sie, solange sie beruflich tätig sind, Tausenden von Frauen
- zwei-, drei-, ja viertausend Frauen - in schweren Stunden beigestanden
sind und, wenn sie selbst erwerbsunfähig geworden sind, dann
dem Nichts und der Not gegenüberstehen. Deshalb erheben wir
diese Forderung auch von dieser Stelle
Die Vorlage stellt fest, daß die Ausbildungszeit
für die Geburtsassistentinnen zehn Monate währen soll.
Das ist ein Fortschritt gegenüber dem gegenwärtigen
Zustande, aber es ist natürlich viel zu wenig, insbesondere
wenn wir daran denken, welch große Anforderungen die moderne
Wissenschaft über die Geburtshilfe an die Geburtsassistentinnen
stellt. Es ist viel zu wenig, weil wir wissen, wie es draußen
am Lande aussieht, in unseren Industriedörfern und in den
Bauerndörfern, wo oft die Geburtsassistentin, die Hebamme,
die einzige Beraterin der Frauen ist und ihren Einfluß lange
über die Zeit der Pflege hinaus, ja oft das ganze Leben geltend
macht. Darum muß es uns klar sein, wie segensreich dieser
Einfluß ausgeübt werden könnte, wie erzieherisch
er sich auswirken könnte, wenn die Geburtsassistentinnen
nach allen Richtungen hin, so auch nach der sozialen Richtung
hin, sichergestellt wären, und wir stellen in dieser Hinsicht
eine ganze Reihe von Detailforderungen, über die ich nicht
sprechen werde, damit die Geburtsassistentinnen gut ausgebildet
werden.
Sie haben es in der Hand - damit will ich zum
Schlusse kommen - durch Annahme unserer Anträge zu bewirken,
ob sich geistig höher stehende Frauen dem Geburtsassistentinnenstande
widmen können, ob sie dadurch diesen Stand dazu machen, was
er eigentlich sein sollte, zum führenden aller weiblichen
Sozialfürsorgestände. Sie haben es in der Hand, noch
vieles davon gutzumachen, was eine reaktionäre Regierung
und eine unorientierte Bürokratie mit dieser Vorlage hier
verbrochen hat, die ganz die Merkmale trägt, die Grillparzer
als Kennzeichen der Habsburger nennt: "Auf halben Wegen und
zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben"!
(Potlesk nìm. a èsl. soc. demokratických
a èsl. nár. socialistických poslancù.)
Hohes Haus! Die Einstellung der deutschen Nationalpartei
zum vorliegenden Gesetzentwurfe kann nur im Zusammenhang mit der
Beantwortung von zwei Fragen gegeben sein. Die erste Frage lautet:
Ist das Gesetz gut und verbürgt es auch den Deutschen einen
gewissen Schutz? Und die zweite Frage lautet: Verdient die Regierung
unser Vertrauen oder ist es nicht der Fall?
Zur ersten Frage: Wir sehen gerade in
den letzten Wochen wieder, daß im Èechoslovakischen
sogenannten Nationalstaat die Gesetze en gros und daher etwas
schleuderhaft erzeugt werden. Wirklich gute Gesetze sind besonders
hierzulande selten, wie Schnee im August. Man scheint durch
die Quantität die Qualität ersetzen zu wollen, und angesichs
der Überproduktion kommt mir manchmal in Erinnerung ein Cicerowort,
das besagt: Je korrupter ein Staat, desto mehr Gesetze hat er.
[Další èást øeèi
byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 8. listopadu 1928 podle §u 9,
lit. m) jedn. øádu vylouèena z
tìsnopisecké zprávy. Viz str. 83 této
tìsnopisecké zprávy.] Aber
wir gehören nicht zu jenen, die sich bereits befriedigt fühlen,
wenn sie einmal, um im Bilde zu bleiben, einen Abfallbrocken vom
Kapitänstisch erschnappen können.
Der vorliegende Entwurf betrifft die Landwirtschaft,
die Industrie und die Eisenbahnen. Das Gesetz ist ein Rahmengesetz
und ermächtigt den Finanzminister, im Einvernehmen mit dem
Ministerium für Landwirtschaft und dem Eisenbahnministerium
Industrie- und Exportunternehmungen, falls ihre Konkurrenzfähigkeit
bedroht erscheint, die Umsatz-, Luxs- und Transportsteuer rückzuerstatten.
Ein Schutz der Industrie ist gewiß sehr zu begrüßen.
Aber verbürgt diese Vorlage einen solchen? Angesichts der
trüben Erfahrungen, die wir Deutsche mit solchen Ermächtigungsgesetzen
leider bisher immer gemacht haben, mindestens soweit die deutsche
Industrie betroffen erscheint, müssen wir dies leider verneinen.
Ja, das Gesetz kann sich sogar durch die zu erwartende
ungleiche Behandlung der èechischen Industrie gegenüber
der deutschen für letztere gefahrbringend erweisen. Hier
setzt das Moment ein, das die Frage betrifft, ob die Regierung
Vertrauen verdient oder nicht.
Bisher ging die Tendenz immer dahin,
der èechischen Industrie möglichst Vorschub zu leisten.
Die èechische Regierung schließt die deutsche Industrie
konsequent von allen Staatslieferungen aus. Die èechischen
Steuerämter bemühen sich nach Kräften, die Existenz
der deutschen Industrie zu erschweren. Kurz,
man kennt die Objektivität, mit der bisher vorgegangen wurde.
Die Regierung hätte sicher andere Mittel und Wege genug,
um die Industrie zu schützen und ihr den Konkurrenzkampf
zu erleichtern. Die Regierung möchte vorerst trachten, zu
geregelten Handelsbeziehungen zum nächsten Nachbar und größten
Abnehmer zu kommen. Heraus endlich mit einem guten Handelsvertrag
mit Deutschland! Die Regierung besitzt ja in Herrn Krofta einen
äußerst gewiegten Unterhändler. Aber natürlich
genügen in diesem Falle die süßen Worte des den
Parteimantel geschickt nach dem Winde drehenden Herrn Gesandten
Krofta nicht, wenn die Handlungen der Regierung eine der deutschen
Wirtschaft gegenüber ausgesprochen feindliche Tendenz zeigen,
wenn der Unterschied zwischen Wort und Tat so scharf zutage tritt,
wie z. B. in der Frage der Markprioritäten. Die Antworten,
welche in der Frage der Markprioritäten Herr Exminister Engliš
auf die bezüglichen Fragen unserer Partei gegeben hat,
die im Ausschuß durch Dr Keibl und im Plenum durch
Koll. Horpynka gestellt wurden, sind nicht stichhältig
und nicht unwidersprochen geblieben. Glaubt jemand, daß
man in Deutschland den Wert der Gesetze nach der schönen
Geste bemißt oder daß die draußen die jüngsten
aufsehenerregenden Aussprüche führender èechischer
Wirtschaftspolitiker nicht kennen? Worte, welche klar und deutlich
die der deutschen Wirtschaft abträglichen Bestrebungen kennzeichnen!
Ich verweise z. B. auf die Absicht, der deutschen Wirtschaft an
allen leitenden Stellen Èechen aufzuzwingen.
Es ist nur ein Glück, daß auch die èechischen
Bäume nicht in den Himmel wachsen, denn im èechischen
Wald wütet die Nonne. Wir hatten gestern Gelegenheit, eine
kleine Probe davon zu erleben, wie weit die Korruption vorgedrungen
ist, und stellen nun die Frage, aus welchen
geheimen Korruptionsfonden die Mittel zur Beeinflussung der bevorstehenden
Wahlen im Sinne der Regierung fließen? Ja, zu derlei ist
natürlich immer Geld vorhanden, aber für andere uns
weit nötiger erscheinende Zwecke ist nichts zu erhalten.
Der größte Teil unserer Altpensionisten wartet heute
noch bei Hunger und Elend und kalten Öfen auf die schäbigen
20%, deren Wert durch die Indexziffern längst überholt
worden ist. Die armen Teufel von Kriegsinvaliden haben umsonst
auf ein Ergebnis ihrer Jubiläumsbitte gewartet, ja man bestrebt
sich, ohne sich ob dieser schmählichen Verhältnisse
vor dem Ausland zu schämen, den Ärmsten noch wegzunehmen,
was sie haben. Es wurde vor längerer Zeit ein Resolutionsantrag
gestellt und ich glaube sogar angenommen, daß die Rückzahlung
der sogenannten Überzahlungen den Kriegsbeschädigten,
deren Witwen und Waisen und Vorfahren geschenkt werden sollte.
Wir behalten uns vor, diese Angelegenheit neuerlich zur Sprache
zu bringen. Es wäre jetzt anläßlich des 10. Stiftungsfestes
dieses Staates wohl die beste Gelegenheit gewesen, einigen guten
Willen zu zeigen, aber nach wie vor sehen sich die Ärmsten
der gerichtlichen Pfändung ihrer letzten Habe gegenüber,
wenn sie die verlangte Rückzahlung nicht leisten können.
Mir ist z. B. auch ein Fall bekannt, wo ein armer Schuster, der
durch eine schwere Verletzung am Gebrauche des rechten Armes gehindert
ist, der zwei Kinder und eine Frau zu erhalten hat und ein Gesamteinkommen
von höchstens 8.000 Kè im Jahre hat, der somit
die Einkommensgrenze sicher nicht überschritten hat, der
als èechoslovakischer Staatsbürger in Deutschland
unter den dortigen teueren Lebensverhältnissen wohnen muß,
bisher eine Rente von 252 Kè erhalten hatte, die ihm aber
für das Jahr 1928 auf 126 Kè
herabgesetzt wurde. Als der arme Kerl sich daraufhin beschwerte
und als einfacher Mann sich zu dem Wort hinreißen ließ:
"Und dies nennt man noch eine Kriegsbeschädigtenfürsorge!",
wurde ihm am 21. September die Beschwerde mit den Worten
zurückgeschickt, daß "das Landesamt für Kriegsbeschädigtenfürsorge
in Praha die Eingabe retourniert, mit dem, daß wegen unzulässiger
Art von Schreiben im Verkehr mit den Ämtern diese nicht angenommen
und verhandelt werden kann. Gezeichnet Dr. Krasucí",
oder wie sonst. Ja, für den Umgang mit Behörden ist
leider noch kein Knigge geboren worden, der ein entsprechendes
Buch darüber schreiben würde. Jedenfalls, hat der arme
Teufel nichts erreicht, denn, bedenken Sie, eine Ersparnis
von monatlich 126 Kè kann jedenfalls imstande sein, diesen
Staat vor dem Untergang zu retten.