Støeda 19. záøí 1928

5. Øeè posl. Tichýho (viz str. 69 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! (Posl. Katz: Das ist der Mann, der gesagt hat, die Sozialversicherung ist das Gesetz zur Unterstützung der Faulheit! - Výkøiky posl. de Witteho a posl. Johanise.) Ich möchte vor allem auf den Zwischenruf des Herrn Koll. Katz reagieren und erklären, daß die Behauptung, ich hätte eine solche Äußerung über die Sozialversicherung getan, eine niederträchtige Lüge ist, die ich wiederholt richtiggestellt habe. (Posl. de Witte: Wo haben Sie sie richtiggestellt?) Ich habe sie wiederholt richtig gestellt im unserem Blatte und stelle sie jetzt wieder richtig und erkläre, daß es eine unverschämte Lüge ist, wenn man mir diese Äußerung zumutet.

Seit Bestand dieses Parlaments, vielleicht auch dieses Staates ist die Sozialversicherung... (Hluk a výkøiky. - Posl. de Witte: Haben Sie überhaupt das Wort? Der Vorsitzende hat ihm ja das Wort nicht erteilt! - Výkøiky posl. Johanise.) Hätten Sie nicht einen solchen Krawall gemacht, dann hätten Sie es gehört. Die Novelle des Sozialversicherungsgesetzes ist die schwierigste innerpolitische Frage, insbesondere für die ehemaligen èechischen Regierungsparteien der allnationalen Koalition, weil angeblich das Gesetz aus dem Jahre 1924 auf fest umschriebenen Vereinbarungen aufgebaut war, und wir haben wiederholt im sozialpolitischen Ausschuß und auch hinter den Kulissen gehört, daß man den bürgerlichen èechischen Regierungsparteien den Vorwurf gemacht hat, daß sie ihr Wort gebrochen haben, daß sie Vereinbarungen nicht halten, die man damals mit ihnen geschlossen hat. Aber in den Kreisen der èechischen Regierungsparteien erklärt man, daß man damals dem Terror der sozialistischen Regierungsgenossen unterlegen ist und daß man schon damals gewußt hat, daß dieses Gesetz für den Staat, seine Finanzen und seine Volkswirtschaft nicht tragbar sein werde. (Posl. de Witte: Aber der Rüstungskredit von 3.500 Mill. ist tragbar!) Deutsche Regierungsparteien haben damals der Regierungsmehrheit nicht angehört, Herr Kollege! (Posl. de Witte: Aber jetzt haben Sie für Rüstungskredite gestimmt!) Aber das gehört doch nicht hiehier. Deutsche haben damals der Regierungsmehrheit nicht angehört, viele von Ihnen haben, ob nun mit Begeisterung oder ohne Begeisterung, für das Gesetz gestimmt und sind dafür veranwortlich.

Tatsache ist, und darüber gibt es heute keinen Streit, daß die Sozialversicherung der Arbeitnehmer eine der schwersten Belastungen ist, die unesere Volkswirtschaft zu tragen hat. Trotzdem wird aber kein vernünftiger Mensch bestreiten, daß solche Wohlfahrtseinrichtungen für die Arbeiter notwendig sind und daß man für Erkrankung, Invalidität und Alter spezielle Wohlfahrtseinrichtungen schaffen muß. Wir haben uns nie gegen diese sozialen Wohlfahrtseinrichtungen gewendet, wir haben immer nur erklärt, daß der Zeitpunkt vielleicht unrichtig war, ein solches Gesetz zu schaffen, weil die Konsolidierung der Wirtschaftsverhältnisse, die Hebung unserer Produktion erst hätte abgewartet werden müssen. (Posl. Heeger: In 10 oder 20 Jahren werden Sie genau so sprechen!) Wenn der Herr Koll. Heeger uns, wie er das immer behauptet, sagt, daß wir die reaktionärste Partei des deutschen Bürgertums wären, so ist das nicht richtig (Rùzné výkøiky na levici.), wir können es nicht sein, weil wir fast alle auch einmal Arbeiter waren, weil viele von uns in der Gewerkschaftsbewegung gestanden sind und weil auch wirtschaftlich und sozial... (Posl. de Witte: Sie haben eben Ihre Vergangenheit vergessen!) Ich habe die Vergangenheit nicht vergessen und die andern auch nicht! (Posl. de Witte: Dann ist die Rolle umso trauriger, die Sie spielen!) Sie wissen ja gar nicht, welche Rolle ich spiele. Ich spiele Rolle des Vertreters des Handwerks. (Posl. de Witte: Traurig für das deutsche Volk und für die arbeitenden Schichten, Ihre Rolle!) Wir können nicht reaktionär sein, weil auch die wirtschaftliche Lage des kleinen Handwerkers gerade in der heutigen Zeit eine schlechte ist, oft ärger als die eines gutbezahlten Arbeiters. Darüber sind wir uns alle einig, ich glaube, daß Sie es selbst auch wissen müssen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Wenn wir nun eine Novellierung der Sozialversicherung verlangten, so war das keine politische Frage, es war für uns eine wirtschaftliche Frage, wir haben die Novellierung deshalb verlangt, weil der Notschrei dieser Menschen sie von uns verlangt hat. (Posl. Heeger: Damit retten Sie den Gewerbestand?) Den Arbeitern soll nichts genommen werden, das wissen Sie genau.

Mit dem Gesetz aus dem Jahre 1924 waren auch Sie nicht zufrieden, das wissen wir, aber noch weniger zufrieden waren wir, weil man in dem Gesetz nur einseitig eine Belastung unseres Standes festgelegt hat, und wir waren auch deshalb damit unzufrieden, weil man gegen alle demokratischen Grundsätze uns in der Vertretung und in der Verwaltung der sozialen Institute an die Wandgedrückt hat. (Posl. Schäfer: Ist das jezt anders georden?) Teilweise ist es besser geworden, Herr Koll. Schäfer. Gerade Sie haben damals für das Gesetz, für das Pluralwahlrecht gestimmt, das uns jedes Recht genommen hat.

Was nun diese Novelle anlangt, wissen wir bestimmt, daß auch sie unsere Wünsche nicht befriedigt, und wir werden schweren Herzens für das Gesetz stimmen, das kann ich Ihnen offen und ehrlich erklären. Ebenso wie das Gesetz Nr. 221 ein ungesundes Kompromiß war, ist auch diese Novelle nichts anderes als ein Flickwerk und wir haben die feste Überzeugung, daß keine zwei Jahre vergehen werden, daß man auch diese Novelle wird novellieren müssen. (Posl. de Witte: Bis Ihr zum Teufel gejagt seid!) Es ist für unsere Verhältnisse bezeichnend, daß ein Gesetz, das im Jahre 1924 geschaffen worden ist, heute, nach etwa zwei Jahren Wirksamkeit, mit nicht weniger als 138 Paragraphen novelliert werden muß. Selbst die Autoren des Gesetzes verlangen, daß das Gesetz novelliert werde, sie bekennen sich selbst dazu, daß das Gesetz vom Jahre 1924 unhaltbar ist, in Form und Auswirkung. (Posl. de Witte: Es kommt darauf an, was man unter Novellierung versteht!) Herr Kollege, wenn Sie alles besser verstehen, so werde ich Sie nicht belehren. Im sozialpolitischen Ausschuß wurde von einem kommunistischen Redner erklärt, daß man es durch Packelei verstanden habe, das Kompromiß für alle Gruppen günstig zu lösen. Man hat erklärt, die Agrarier werden zufrieden sein, weil die Saisonarbeiter und Familienangehörigen aus dem Gesetz herausbekommen, die Gewerbepartei wird zufrieden sein, weil die Lehrlinge ausgeschieden werden, man hat weiter erklärt, daß auch die Sozialreformisten (Smích nìm. soc. dcmokratických poslancù.) - so hat man dort gesagt, ich wiederhole es nur - daß auch sie zufrieden sein werden, daß si e den bürgerlichen Parteien für die Arbeiterschaft Großes abgerungen haben. Tatsache ist, daß niemand, keine Gruppe, von der Novelle befriedigt ist. Das muß festgestellt werden, weil die Vorlage wie damals wiederum nichts anderes ist als ein Kompromiß, wie es leider bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht anders möglich war. In Kreisen der Opposition behauptet man, daß selbst im Lager der Mehrheitsparteien nicht alle einig wären. Das gebe ich ohne weiters zu, daß die Novelle der Sozialversicherung, über die wir jetzt sprechen, auch für die Regierungsmehrheit eine starke Belastungsprobe bedeutet. In der Regierungsmehrheit sind Gruppen vertreten, deren Programm nicht so wie das unsrige oder das der Bauern auf der ständischen Gliederung aufgebaut ist, es sind Parteien, die das Programm von Volksparteien haben und dadurch die Interessen der Arbeitnehmer zu haben. (Posl. de Witte: Gegen die Ihr losgehen könnt nach Herzenslust! - Veselost na levici.) Das waren die inneren Schwierigkeiten der jetzigen Regierungskoalition. (Hluk. smích na levici.) Meine Kollegen, freuen Sie sich, ich habe nichts dagegen. (Posl. Weiser: Ein bischen Freude muß die Opposition auch haben!) Gewiß, Herr Kollege Weiser, auch im Lager der Opposition, jetzt spreche ich zu Ihnen meine Herren, hören Sie doch ein bischen zu (Hluk.) sind Sie nicht einig, auch Sie haben alle möglichen Richtungen, und das Bild der Opposition, das sich uns geboten hat, war bestimmt nicht immer ein besonders erfreuliches, das kann ich sagen, und Koll. Schäfer wird das selbst bestätigen müssen. (Posl. Schäfer: In Fragen der Sozialversicherung waren Sie nicht so einig!) Bitte, bei Ihnen in der Opposition sitzt auch Koll. Horpynka von der deutschen Nationalpartei, der Vertreter einer ausgesprochen bürgerlichen Richtung, die Sie die deutsche Fabrikantenpartei nennen, und glauben Sie ja nicht, daß diese Gruppe, die auf das Programm der deutschen Nationalpartei schwört, vielleicht eines Sinnes war mit ihren Gedanken auf Novellierung der Sozialversicherung! Der Herr Koll. Horpynka mußte, ob er wollte oder nicht, gemeinsame Front machen mit Ihnen und den Kommunisten, mit dem Koll. Štìtka, und mußte für die unsinnigsten Anträge stimmen. Das ist seine Angelegenheit und ich habe darüber ja weiter nicht zu rechten. Sie haben in den Kreisen der Oppositionsparteien den Koll. Krebs von den deutschen Nationalsozialisten gehabt, einer Partei, die die Meinung vertritt, daß sie nicht eine ausgesprochene Arbeiterpartei ist und auch ganz gerne zu den Gewerbetreibenden krebsen geht (Veselost.), um gewerbliche Wähler zu bekommen. Aber, meine Herren, auch die Gegensätze zwischen den Kommunisten und den sozialdemokratischen Parteien, sie haben bestimmt ein jämmerliches Bild der Zerfahrenheit der Vertreteer des Proletariats gegeben, ohne jeden Zweifel. (Posl. Roscher: Das ärgert Sie?) Das ärgert mich nicht, ich habe mich auch nicht zu ärgern, ich wüßte nicht warum, aber ich konstatiere nur, was ich mit erlebt und mit gesehen habe, nicht mehr und nicht weniger. Aber selbst die deutschen und die èechischen Sozialdemokraten sind trotz ihrer Bindungen nicht einig gewesen in der Frage der Novellierung der Sozialversicherung. Wir haben ja Tage lang über das Fachgutachten der Zentralversicherungsanstalt gesprochen. Dort saß ja Herr Koll. Taub, ein von mir sehr geehrter Fachmann, und Sie waren nicht einverstanden mit dem Gutachten der Zentralversicherungsanstalt. (Posl. Schäfer: Wir sind nicht einverstanden damit!) Bitte, aber dort ist es ja als Kompromiß beschlossen worden und sollte auch von denen, die es beschlossen haben, eingehalten werden, ob es ihnen paßt oder nicht. Das ist meine Überzeugung als Politiker. Wir haben alle den Eindruck und das Gefühl, daß auch die Novelle der Sozialversicherung gar nichts anderes ist als ein Kompromiß, denn die Öffentlichkeit weiß ja ganz genau, welche Packeleien hinter den Kulissen getrieben worden sind, zu welchen ja Sie auch indirekt die Zustimmung gegeben haben. Deshalb ist die Novelle nichts anderes als ein Kompromißwerk und nach unserer Überzeugung kein besonders gesundes.

Wenn ich mich nun mit Rücksicht auf die kurze Rededauer, die man uns eingeräumt hat, mit der Novelle befasse, möchte ich gleich zu § 2 der Novelle sprechen. Der spricht über die Tätigkeit der in der Landwirtschaft mit tätigen Familienmitglieder, die nicht ein Arbeitsverhältnis bedingt. Meine Herren! Wir haben nichts dagegen und halten diese Bestimmung bezüglich der Landwirtschaft vollständig angebracht, weil es ja bekannt ist, daß eine vorübergehende Beschäftigung in der Landwirtschaft noch kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Gesetzes ist. Aber wir haben verlangt, daß auch Familienmitglieder der Gewerbetreibenden aus der Versicherung ausgeschlossen und ausgeschieden werden, weil es ja bei uns nicht anders ist, 90% der Kinder der Gewerbetreibenden übernehmen die Geschäfte ihrer Väter. (Posl. Roscher: Was geschieht aber mit den Leuten, die Arbeiter sind und alt werden?) Herr Koll. Roscher, ich spreche nur von den Söhnen der Gewerbetreibenden. (Posl. Heeger: Auch die können einmal der Versorgung anheim fallen!) Zu 90% werden sie selbständig und nach den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1924 haben sie ja nichts davon, wenn sie heute oder morgen selbständig werden, weil sie keinen Anspruch auf die Altersrente haben und die bezahlten Prämien vollständig hinausgeworfen sind.

Um zum § 6 des alten Gesetzes zu sprechen, glaube ich am meisten unterstreichen zu müssen, daß Personen, die das 16. Lebensjahr erreicht haben, ausgeschieden werden. Es wird die Behauptung aufgestellt, daß das eigentlich eine unserer Hauptforderungen war, die wir bei der Novelle im Rahmen der Regierungsmehrheit gestellt haben. Ich erkläre, daß das nicht richtig ist, wir haben nicht mehr und nicht weniger verlangt, meine Herren, als die Ausscheidung der Lehrlinge, die keinen Lohn beziehen, und nicht mehr, weil wir es nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des kleinen Handwerkers für wichtig angesehen haben. Daß man nun der verlangten Bestimmung eine breitere Fassung gegeben hat, war nicht unsere Sache. (Posl. Roscher: Sie durften sie nicht zulassen!) So ein Vetorecht haben wir nicht. (Posl. Heeger: Es hat ihnen aber gefallen!) Es hat uns nicht gefallen und ich habe dem Herrn Koll. Schäfer in Privatgesprächen wiederholt erklärt, daß mir diese Bestimmung wirklich nicht gefällt und daß unsere Forderung lediglich darin verankert war, die Lehrlinge u. zw. auch nur diejenigen, die keinen Lohn beziehen, aus der Sozialversicherung auszuschalten. (Posl. de Witte: Die Christlichsozialen sind nicht dafür, Ihr seid nicht dafür, die Landbündler sind nicht dafür, wer ist also dafür?) Es ist auch nicht ein so großes Unglück, daß da geschieht. Sie wissen ja, daß auch andere Staaten in der Sozialversicherung die Pflicht der Versicherung erst mit dem 16. Lebensjahr festgelegt haben und daß man seinerzeit auch schon bei uns - und das erklärt der Herr Prof. Schönbaum und alle diejenigen, die damals an dem Gesetz gearbeitet haben - im letzten Momente sich entschlossen hat, die Sozialversicherung mit dem 14. Lebensjahr beginnen zu lassen, und daß man schon damals der Meinung war, daß es gute wäre, die Lehrlinge aus der Sozialversicherung auszuscheiden.

Im § 6, im Abs. 5 ist für die Gewerbetreibenden wichtig, daß die Naturalverpflegung, die für den Lehrling geleistet wird, anders in die Lohnklassen eingereiht wird als es früher der Fall war. Es war bestimmt ein großes Unrecht, daß ein Handwerker oder Gewerbetreibender, der einen Lehrling gehabt hat, dem er Kost und Verpflegung geben mußte, mehr gezahlt hat als für einen Lehrling, der bei den Eltern gewohnt hat. Das ist ein schweres Unrecht im Gesetz und wi r freuen uns, daß es uns gelungen ist, diese Härte aus dem Gesetz im Interesse der Gewerbetreibenden herauszubekommen. Einer der wichtigsten Punkte in der Novelle ist unzweifelhaft der § 19, der die Erhaltung der bestehenden Genossenschafts- und Gremialkrankenkassen beinhalten wie auch die Errichtung neuer genossenschaftlicher Krankenkassen. (Posl. de Witte: Zersplitterung!) Ich komme darauf zu sprechen. Es war auch während der Verhandlungen fast die strittigste Frage im Rahmen der Sozialversicherung. Meine Herren! Sie müssen uns verstehen! Während die Landwirte ihre landwirtschaftlichen Krankenkassen nach einem Kuhhandel mit der damaligen Regierungsmehrheit und anders war es nicht im Jahre 1924 - bekamen, haben wir unsere gewerblichen Genossenschaftskrankenkassen seit Jahrzehnten hindurch bereits gehabt. Sie waren eingelebte Institutionen, in denen der Gewerbestand eines gewisse Autonomie gesehen hat. Als nun im Jahre 1919 die Sozialisten zur Macht kamen, war es ihre erste Arbeit, alle unsere kleinen Kassen zu sistieren, ihr Vermögen zu konfiszieren und den Bezirksversicherungsanstalten einzuverleiben. Millionen, die durch Sparsamkeit und Fleiß in den Reservefonds aufgespeichert waren, sind damals den Bezirkskrankenkassen in den Rachen gefallen, alle Kassen, die weniger als 400 Mitglieder hatten, wurden sistiert, und es war ein schwerer Kampf, den wir durch Jahre hindurch in diesem Parlamente führen mußten, damit uns noch die übriggebliebenen Kassen erhalten bleiben, an denen wir hängen, weil sie Tradition sind und weil, wie ich bereits gesagt habe, sie eine gewisse Autonomie für den Gewerbestand sind. Jetzt komme ich dazu, was Sie früher gesagt haben, Herr Koll. de Witte. Die sozialistischen Parteien argumentieren gegen uns, daß die Bildung von genossenschaftlichen Krankenkassen eine Zersplitterung bedeutet und hohe Verwaltungskosten entstehen. Was die Zersplitterung anlangt, glaube ich, daß Sie ja teilweise Recht haben. Es ist eine Zersplitterung, das kann man nicht leugnen und ich sage selbst ganz offen und ehrlich, daß ich die Einheitskasse für eine Ideal halte, unter bestimmten Voraussetzungen jedoch, und ich habe wiederholt Kollegen aus Ihren Reihen gegenüber mich in dem Sinne geäußert und bekenne mich auch ganz offen dazu. Aber die Voraussetzungen dazu müssen gegeben werden, damit sie uns für dieses Ideal begeistern. Es dürfen nicht andere Kassen bestehen. Darüber ist ernst gesprochen worden. Wenn das geschehen wäre, dann wären wir die letzten gewesen, die an den Kassen festgehalten hätten. Es sind, wie gesagt, noch andere Voraussetzungen notwendig, es ist eine Entpolitisierung der bestehenden Kassen notwendig. Das ist nicht bloß ein Schreckgespenst allein, diese Entpolitisierung, sondern eine Tatsache, an der wir nicht vorbeikommen. Es wäre notwendig, daß der Einfluß der Arbeitgeber auf die Verwaltung der Kassen fest verankert wird, es wäre notwendig, daß Sparsamkeit eintritt - ich bin der letzte, der Pauschalverdächtigungen vorbringen möchte - daß Sparsamkeit bei der Verwaltung einzelner Kassen platzgreift. Die Landwirte haben ihre landwirtschaftlichen Kassen, und ausgerechnet den Gewerbetreibenden wollen Sie sie streitig machen, die Gewerbetreibenden verhindern, solche Kassen zu halten oder zu schaffen? Wenn Sie von den Leistungen sprechen, so wird immer behauptet, daß die Genossenschaftskassen nicht imstande sind, die gleichen Leistungen wie die Bezirksversicherungsanstalten für ihre Versicherten aufzubringen. Diese Behauptung ist nicht immer richtig. Ich habe gerade gestern den Tätigkeitsbericht der Gremialkrankenkasse in Brünn vom Jahre 1925 erhalten, einer Kasse, die 5170 Mitglieder zählt. Die Gesamteinnahmen der Kasse betrugen 3,146.000 Kè. Die Verwaltungsausgaben, vor allem die Gehälter, machten 173.000 Kè aus und die Funkionäre bekommen nur 2280 Kè. Darin liegt ein Teil der Sparsamkeit. Dieser Betrag ist och gar keine Entschädigung für die Arbeit eine Obmannes und weiß Gott welcher Funktionäre. Für Pensionsversicherung sind 11.000 Kè gezahlt worden, für Überstunden an die Beamten 18.000 Kè. Die ganzen Verwaltungskosten betrugen also 265.000 Kè, das sind 12%, gewiß ein Prozentsatz, der um vieles kleiner ist, als im Durchschnitt der der Verwaltungskosten bei den Bezirksversicherungsanstalten. (Posl Roscher: Das ist auch nur teilweise der Fall!) Ja, ich will ja auch hier nicht pauschaliter sprechen. Darin liegt aber der Beweis, daß die Genossenschaftskassen leistungs- und lebensfähig sind und daß sie in Konkurenz mit den Bezirksversicherungsanstalten treten können. Die vorhin erwähnte Kasse hat an Krankengeldern 831.000 Kè, an Geburtshilfe 31.000 Kè, an Stillprämien 20.000 Kè, den Ärzten 558.000 Kè, an Medikamenten 259.000 Kè, an Begräbnisgeldern 30.000 Kè und für Aufenthalte in Kurorten und Heilanstalten fast eine viertel Million, nämlich 248.000 Kè ausgezahlt, schließlich an Leistungen für Familienmitglieder 490.000 Kè. Das ist doch bestimmt ein Beweis dafür, daß auch solche Genossenschaftskassen ihren Zweck erfüllen und daß es nicht richtig ist, daß man durch Schaffung neuer Kassen die Leistungen für die Versicherten irgendwie in Gefahr bringt. Es gibt im großen und ganzen auch keine sachlichen Argumente gegen die Errichtung genossenschaftlicher Kassen, sondern es sind nur rein politische Motive, die Sie dazu führen, die Errichtung und Erhaltung unserer Genossenschaftskrankenkassen zu, bekämpfen und hintanzuhalten. (Posl. Heeger: Wieso politische Motive?) Herr Kollege, ich möchte das Gebiet nicht gerne berühren. Es ist heute schon den ganzen Tag darüber gesprochen worden und ich möchte es nicht wieder tun. Ich halte die Bestimmung des ersten Absatzes des § 19 der Novelle für die größte Errungenschaft meiner Partei im Rahmen der jetzigen Regierungsmehrheit, nämlich die Bestimmung, daß alle bestehenden Genossenschafts- und Gremialkassen, die am 1. Juli 1928 wenigstens 1000 Mitglieder zählten, auch weiter bestehen bleiben sollen. Auf diese Art und dank diesem Gesetze bleiben die meisten Genossenschafts- und Gremialkassen erhalten.

Eine andere Frage, mit deren Lösung ich ganz bestimmt nicht zufrieden bin, ist die Errichtung neuer Genossenschaftskranken kassen. Mit dieser Lösung sind wir deshalb nicht zufrieden, weil das Ministerium für soziale Fürsorge nach Anhörung der Zentralversicherungsanstalt im Bereiche von 8 politischen Bezirksverwaltungen je eine Genossenschafts- und Gremialkrankenkasse errichten kann, wenn die in Betracht kommende Genossenschaft um die Errichtung ansucht. Es ist eine Streitfrage und hier auch schon darüber gesprochen worden, daß nämlich die Gehilfenversammlung mitgefragt werden soll. Wir haben nichts dagegen. (Posl. Heeger: Nur gefragt!) Die Versicherten werden nur gefragt. Zeigen Sie mir im Gesetz 221 eine Bestimmung, für das Sie gestimmt haben, wo bei Errichtung landwirtschaftlicher Kassen auch die landwirtschaftlichen Arbeiter gefragt werden müssen. (Posl. Heeger: Wir haben es aber verlangt!) Wo steht es drin? Sie haben dafür gestimmt, und uns machen Sie den Vorwurf, daß wir für die Wehrgesetze gestimmt haben. Tragen Sie ruhig die Verantwortung für das, wofür Sie gestimmt haben, wir tragen die Verantwortung für unsere Sachen, ob nun leicht oder schwer. Ich weiß wohl, wo das hinaus soll. Sie wollten nämlich die Bestimmung verankert haben, daß auch die Gehilfenversammlungen die Zustimmung geben müssen, wir wissen auch, warum Sie das so wollten. (Posl. Roscher: Eines Tages werden wir auch diese Bestimmung haben!) Dadurch würde freilich die Bestimmung des Gesetzes nichts anderes als eine lächerliche Farce sein und wir hätten nicht eine einzige Krankenkasse errichten können, weil Sie es verstanden hätten, die Gehilfenversammlungen in Ihrem Sinne zu beeinflussen. (Posl. Roscher: Das ist ein Beweis, daß die Gehilfen die Kassen nicht mögen. sonst würden sie sich nicht umstimmen lassen!) Ja, sie lassen sich umstimmen. Das verstehen Sie ganz gut und ich habe auch eine hohe Achtung vor dieser Ihrer Arbeit. (Posl. Heeger: Für die Gehilfen werden Kassen errichtet, die sie nichts angehen, sie werden nur gehört!) Die Hauptsache ist, daß es den Gehilfen dabei gut geht, daß sie das bekommen, was sie wollen. (Posl. Heeger: Das hat doch mit der Frage nichts zu tun! Das ist kein demokratisches Prinzip!) Das ist durchaus kein anderes Kapitel und hat wohl damit etwas zu tun. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.) Etwas dreinzureden haben wir schon bei der Errichtung von Kassen. (Posl. Heeger: Die Leute zahlen sich doch das selbst!) Wir zahlen das. (Posl. Katz: Wovon zahlen Sie das?) Wir zahlen das. Ich habe in meinem Betriebe seit Jahren und seit Jahrzehnten immer alle Beiträge für die Arbeiter und für die Lehrlinge gezahlt. (Posl. de Witte: Haben die Arbeiter nichts dafür geleistet? Das ist doch ein Lohnbestandteil!) Das ist nicht richtig. Das sind nur solche Erzählungen von dem Lohnbestandteil, das ist Ihre Theorie. Wo gibt es bei Lehrlingen Lohnbestandteile? (Posl. Heeger: Sie haben doch auch Gehilfen!) Auch für die Gehilfen habe ich gezahlt. (Posl. Heeger: Bei jeder Rechnungslegung rechnen Sie die Beiträge zu den Krankenkassen in die Regie ein! Die Arbeiter müssen das doch von ihrem Arbeitslohn bezahlen!) Das sind Märchen, meine Herren! (Posl. Heeger: Das sind Tatsachen!) Aber, meine Herren... (Posl. de Witte: Zum Schluß sind Sie noch ein Wohltäter der Arbeiter!) Meine Herren, das sind Euere alten Schlager, gut für Volksversammlungen, aber doch nicht für eine ernste Körperschaft wie hier. (Posl. Heeger: Das, was Sie sagen, taugt weder für draußen noch für hier!) Bitte, jeder spricht so, wie er kann. Ich bin nur ein einfacher Handwerker, Herr Koll. Heeger! (Posl. Heeger: Das sind auch Versammlungsphrasen!) Nein, sondern ich bemühe mich, mit Sachlichkeit zu begründen, was ich für richtig halte und wovon ich überzeugt bin. (Posl. Schäfer: Sie sagen etwas, was sachlich falsch ist!) Herr Koll. Schäfer, ich habe mich gerade von Ihnen wiederholt belehren lassen, weil Sie in dieser Sache gewiß größere Kenntnisse haben. Ich gestehe auch offen zu, aß ich bei den Verhandlungen im Subkomitée des Sozialversicherungausschusses viel gelernt habe. Ich glaube, daß das keine Schande ist, wenn ich das eingestehe.

Meine sehr Verehrten! Solche Genossenschafts- oder Gremialkrankenkassen können über Ansuchen auch mehrerer Genossenschaften errichtet werden, wenn sie zusammen nicht mehr als 3.000 versicherungspflichtige Mitglieder habe. Sie sehen, meine Herren, wie man diese Forderung derartig beschnitten hat, daß sie eigentlich gar nichts mehr bedeutet. Und beschnitten haben diese Forderung niemand anderer als die Herren Unterhändler, die in Ihrem Namen hinter den Kulissen gepackelt haben. (Posl. Vávra: To je to znamení, jak jsou pro velké pojišovny!) Ganz richtig ist das, was Koll. Vávra da sagt. Das ist ein Zeichen, wie die Herren für die Errichtung von großen und lebensfähigen Kassen sind. Hier wollten sie uns zwingen, kleine Kassen mit 3.000 Mitgliedern zu errichten, um von Haus aus den Gehilfen die Wohltat einer Sozialversicherung zu nehmen. Es werden demnach nur 8 Kassen errichtet. Eine weitere Bestimmung ist, daß in der Bezirksversicherungsanstalt 12.000 versicherungspflichtige Mitglieder verbleiben müssen und daß wir alle diese Kassen innerhalb von 6 Monaten errichten oder darum ansuchen müssen. Es ist weiter die Möglichkeit geboten worden, und zwar im Abs. 5 des Gesetzes, das ich zitiert habe, daß die Vereinigung bestehender Genossenschaftskassen im Bereich der politischen Behörde ersten Instanz möglich ist, so daß wir auch einige Genossenschaftskassen in einem Bezirk vereinigen können. Ich erkläre offen: es ist mein sehnlichster Wunsch, daß das geschieht, daß alle die kleinen Kassen sich zu einer einheitlichen vereinigen, weil es ja bestimmt richtig ist, daß dies nur der Sache förderlich ist.

Meine Herren, ich komme nun weiter zu den Organen der Kassen. Sie wissen, daß früher der Vorstand der Kasse aus 8 Vertretern der Arbeitnehmer und zwei Vertreten der Arbeitgeber bestand, der Überwachungsausschuß im umgekehrten Verhältnis, und Sie wissen ganz genau, daß hier ein langwieriger, schwieriger Kampf um die sogenannte Parität in den Kassen geführt wurde, ein Kampf, der gewiß nicht mit unserem Siege geendet hat. Das gebe ich ohne weiters zu und Sie wissen ja, daß das Kompromis, das nun geschaffen wurde, darin besteht, daß nunmehr im Vorstand 9 Vertreter der Arbeitnehmer und drei Vertreter der Arbeitgeber sind und umgekehrt im Überwachungsausschuß. Warum haben gerade wir Gewerbetreibenden die Parität verlangt? Wir haben sie insbesonderedeshalb verlangt, damit uns die Möglichkeit geboten wird, im Rahmen der Arbeitgebervertretung überhaupt eine Vertretung zu finden. Sie waren es ja und Ihre èechischen Genossen, die damals das Pluralwahlrecht für die Sozialversicherung geschaffen haben, das uns jede Möglichkeit genommen hat, irgendeine Vertretung in einer Kasse zu bekommen, wenn zufällig in dem Bezirke ein größeres Industrieunternehmen war. Für uns war nur diese Frage maßgebend und keine andere und wir mußten im Rahmen der jetzigen Novellierung, weil das Pluralwahlrecht nicht zu beseitigen war, eine Bestimmung uns schwierig erkämpfen, daß unter den drei Vertretern der Arbeitgeber wenigstens ein Vertreter der Gewerbetreibenden sein muß und umgekehrt im selben Verhältnis im Überwachungsausschuß, wo es ja nach dem Text noch schlechter wäre, indem wir dort auch nur einen Vertreter unter neun bekämen; offenbar ein Irrtum, der richtiggestellt werden muß.

Eine weitere Bestimmung des Gesetzes, gegen die sehr angekämpft wird, ist die Errichtung der Landesanstalten für Böhmen, Mähren und Schlesien sowie für die Slovakei und Karpathorußland. Seitens der sozialistischen und aller Oppositionsparteien wird eingewendet, daß die Errichtung von Landesanstalten ein Unsinn sei, daß die Kosten der Verwaltung der Landesanstalten große sein werden, und doch haben gerade Sie immer behauptet, daß die Zentralsozialversicherungsanstalt ein Monstrum sei, das nicht imstande sein werde, in einigen Jahren die Agenden der großen Masse der Versicherten zu führen. Heute stellen Sie sich gegen die Errichtung der Landesanstalten, die ja nichts anderes bezwecken sollen, als der Zentralsozialversicherungsanstalt einen Teil der Agenden abzunehmen, die Verwaltungskosten zu verkleinern und die Möglichkeit des direkten Verkehrs der Versicherten und auch der Arbeitgeber innerhalb ihres Landes und ihres Domizils zu bieten.

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