Hohes Haus! (Posl. Katz: Das ist der Mann,
der gesagt hat, die Sozialversicherung ist das Gesetz zur Unterstützung
der Faulheit! - Výkøiky posl. de Witteho
a posl. Johanise.) Ich möchte vor
allem auf den Zwischenruf des Herrn Koll. Katz reagieren
und erklären, daß die Behauptung, ich hätte eine
solche Äußerung über die Sozialversicherung getan,
eine niederträchtige Lüge ist, die ich wiederholt richtiggestellt
habe. (Posl. de Witte: Wo haben Sie sie richtiggestellt?) Ich
habe sie wiederholt richtig gestellt im unserem Blatte und stelle
sie jetzt wieder richtig und erkläre, daß es eine unverschämte
Lüge ist, wenn man mir diese Äußerung zumutet.
Seit Bestand dieses Parlaments, vielleicht
auch dieses Staates ist die Sozialversicherung... (Hluk a výkøiky.
- Posl. de Witte: Haben Sie überhaupt
das Wort? Der Vorsitzende hat ihm ja das Wort nicht erteilt! -
Výkøiky posl. Johanise.) Hätten
Sie nicht einen solchen Krawall gemacht, dann hätten Sie
es gehört. Die Novelle des Sozialversicherungsgesetzes ist
die schwierigste innerpolitische Frage, insbesondere für
die ehemaligen èechischen Regierungsparteien der allnationalen
Koalition, weil angeblich das Gesetz aus dem Jahre 1924 auf fest
umschriebenen Vereinbarungen aufgebaut war, und wir haben wiederholt
im sozialpolitischen Ausschuß
und auch hinter den Kulissen gehört, daß man den bürgerlichen
èechischen Regierungsparteien den Vorwurf gemacht hat,
daß sie ihr Wort gebrochen haben, daß sie Vereinbarungen
nicht halten, die man damals mit ihnen geschlossen hat.
Aber in den Kreisen der èechischen Regierungsparteien erklärt
man, daß man damals dem Terror der sozialistischen Regierungsgenossen
unterlegen ist und daß man schon damals gewußt hat,
daß dieses Gesetz für den Staat, seine Finanzen und
seine Volkswirtschaft nicht tragbar sein werde.
(Posl. de Witte: Aber der Rüstungskredit von 3.500 Mill.
ist tragbar!) Deutsche Regierungsparteien haben damals der
Regierungsmehrheit nicht angehört, Herr Kollege! (Posl.
de Witte: Aber jetzt haben Sie für Rüstungskredite gestimmt!)
Aber das gehört doch nicht hiehier. Deutsche haben damals
der Regierungsmehrheit nicht angehört, viele von Ihnen haben,
ob nun mit Begeisterung oder ohne Begeisterung, für das Gesetz
gestimmt und sind dafür veranwortlich.
Tatsache ist, und darüber gibt es heute
keinen Streit, daß die Sozialversicherung der Arbeitnehmer
eine der schwersten Belastungen ist, die unesere Volkswirtschaft
zu tragen hat. Trotzdem wird aber kein vernünftiger Mensch
bestreiten, daß solche Wohlfahrtseinrichtungen für
die Arbeiter notwendig sind und daß man für Erkrankung,
Invalidität und Alter spezielle Wohlfahrtseinrichtungen schaffen
muß. Wir haben uns nie gegen diese sozialen Wohlfahrtseinrichtungen
gewendet, wir haben immer nur erklärt, daß der Zeitpunkt
vielleicht unrichtig war, ein solches Gesetz zu schaffen, weil
die Konsolidierung der Wirtschaftsverhältnisse, die Hebung
unserer Produktion erst hätte abgewartet werden müssen.
(Posl. Heeger: In 10 oder 20 Jahren werden Sie genau so sprechen!)
Wenn der Herr Koll. Heeger uns, wie er das immer behauptet,
sagt, daß wir die reaktionärste Partei des deutschen
Bürgertums wären, so ist das nicht richtig (Rùzné
výkøiky na levici.), wir
können es nicht sein, weil wir fast alle auch einmal Arbeiter
waren, weil viele von uns in der Gewerkschaftsbewegung gestanden
sind und weil auch wirtschaftlich und sozial... (Posl. de Witte:
Sie haben eben Ihre Vergangenheit vergessen!) Ich habe die
Vergangenheit nicht vergessen und die andern auch nicht! (Posl.
de Witte: Dann ist die Rolle umso trauriger, die Sie spielen!)
Sie wissen ja gar nicht, welche Rolle ich spiele. Ich spiele
Rolle des Vertreters des Handwerks. (Posl. de Witte: Traurig
für das deutsche Volk und für die arbeitenden Schichten,
Ihre Rolle!) Wir können nicht reaktionär sein, weil
auch die wirtschaftliche Lage des kleinen Handwerkers gerade in
der heutigen Zeit eine schlechte ist, oft ärger als die eines
gutbezahlten Arbeiters. Darüber sind wir uns alle einig,
ich glaube, daß Sie es selbst auch wissen müssen. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Wenn
wir nun eine Novellierung der Sozialversicherung verlangten, so
war das keine politische Frage, es war für uns eine wirtschaftliche
Frage, wir haben die Novellierung deshalb verlangt, weil der Notschrei
dieser Menschen sie von uns verlangt hat. (Posl. Heeger: Damit
retten Sie den Gewerbestand?) Den Arbeitern soll nichts genommen
werden, das wissen Sie genau.
Mit dem Gesetz aus dem Jahre 1924 waren auch
Sie nicht zufrieden, das wissen wir, aber noch weniger zufrieden
waren wir, weil man in dem Gesetz nur einseitig eine Belastung
unseres Standes festgelegt hat, und wir waren auch deshalb damit
unzufrieden, weil man gegen alle demokratischen Grundsätze
uns in der Vertretung und in der Verwaltung der sozialen Institute
an die Wandgedrückt hat. (Posl. Schäfer: Ist das
jezt anders georden?) Teilweise ist es besser geworden, Herr
Koll. Schäfer. Gerade Sie haben damals für das
Gesetz, für das Pluralwahlrecht gestimmt, das uns jedes Recht
genommen hat.
Was nun diese Novelle anlangt, wissen wir bestimmt,
daß auch sie unsere Wünsche nicht befriedigt, und wir
werden schweren Herzens für das Gesetz stimmen, das kann
ich Ihnen offen und ehrlich erklären. Ebenso wie das Gesetz
Nr. 221 ein ungesundes Kompromiß war, ist auch diese Novelle
nichts anderes als ein Flickwerk und wir haben die feste Überzeugung,
daß keine zwei Jahre vergehen werden, daß man auch
diese Novelle wird novellieren müssen. (Posl. de Witte:
Bis Ihr zum Teufel gejagt seid!) Es ist für unsere Verhältnisse
bezeichnend, daß ein Gesetz, das im Jahre 1924 geschaffen
worden ist, heute, nach etwa zwei Jahren Wirksamkeit, mit nicht
weniger als 138 Paragraphen novelliert werden muß. Selbst
die Autoren des Gesetzes verlangen, daß das Gesetz novelliert
werde, sie bekennen sich selbst dazu, daß das Gesetz vom
Jahre 1924 unhaltbar ist, in Form und Auswirkung. (Posl. de
Witte: Es kommt darauf an, was man unter Novellierung versteht!)
Herr Kollege, wenn Sie alles besser verstehen, so werde ich Sie
nicht belehren. Im sozialpolitischen Ausschuß wurde von
einem kommunistischen Redner erklärt, daß man es durch
Packelei verstanden habe, das Kompromiß für alle Gruppen
günstig zu lösen. Man hat erklärt, die Agrarier
werden zufrieden sein, weil die Saisonarbeiter und Familienangehörigen
aus dem Gesetz herausbekommen, die Gewerbepartei wird zufrieden
sein, weil die Lehrlinge ausgeschieden werden, man hat weiter
erklärt, daß auch die Sozialreformisten (Smích
nìm. soc. dcmokratických poslancù.) -
so hat man dort gesagt, ich wiederhole es nur - daß auch
sie zufrieden sein werden, daß si e den bürgerlichen
Parteien für die Arbeiterschaft Großes abgerungen haben.
Tatsache ist, daß niemand, keine Gruppe, von der Novelle
befriedigt ist. Das muß festgestellt werden, weil die Vorlage
wie damals wiederum nichts anderes ist als ein Kompromiß,
wie es leider bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht
anders möglich war. In Kreisen der Opposition behauptet man,
daß selbst im Lager der Mehrheitsparteien nicht alle einig
wären. Das gebe ich ohne weiters zu, daß die Novelle
der Sozialversicherung, über die wir jetzt sprechen, auch
für die Regierungsmehrheit eine starke Belastungsprobe bedeutet.
In der Regierungsmehrheit sind Gruppen vertreten, deren Programm
nicht so wie das unsrige oder das der Bauern auf der ständischen
Gliederung aufgebaut ist, es sind Parteien, die das Programm von
Volksparteien haben und dadurch die Interessen der Arbeitnehmer
zu haben. (Posl. de Witte: Gegen die Ihr losgehen könnt
nach Herzenslust! - Veselost na levici.) Das waren
die inneren Schwierigkeiten der jetzigen Regierungskoalition.
(Hluk. smích na levici.) Meine Kollegen, freuen
Sie sich, ich habe nichts dagegen. (Posl. Weiser: Ein
bischen Freude muß die Opposition auch haben!) Gewiß,
Herr Kollege Weiser, auch im Lager der Opposition, jetzt
spreche ich zu Ihnen meine Herren, hören Sie doch ein bischen
zu (Hluk.) sind Sie nicht einig, auch Sie haben alle möglichen
Richtungen, und das Bild der Opposition, das sich uns geboten
hat, war bestimmt nicht immer ein besonders erfreuliches, das
kann ich sagen, und Koll. Schäfer wird das selbst
bestätigen müssen. (Posl. Schäfer: In Fragen
der Sozialversicherung waren Sie nicht so einig!) Bitte, bei
Ihnen in der Opposition sitzt auch Koll. Horpynka von der
deutschen Nationalpartei, der Vertreter einer ausgesprochen bürgerlichen
Richtung, die Sie die deutsche Fabrikantenpartei nennen, und glauben
Sie ja nicht, daß diese Gruppe, die auf das Programm der
deutschen Nationalpartei schwört, vielleicht eines Sinnes
war mit ihren Gedanken auf Novellierung der Sozialversicherung!
Der Herr Koll. Horpynka mußte, ob er wollte oder
nicht, gemeinsame Front machen mit Ihnen und den Kommunisten,
mit dem Koll. Štìtka,
und mußte für die unsinnigsten Anträge stimmen.
Das ist seine Angelegenheit und ich habe darüber ja weiter
nicht zu rechten. Sie haben in den Kreisen der Oppositionsparteien
den Koll. Krebs von den deutschen Nationalsozialisten gehabt,
einer Partei, die die Meinung vertritt, daß sie nicht eine
ausgesprochene Arbeiterpartei ist und auch ganz gerne zu den Gewerbetreibenden
krebsen geht (Veselost.), um gewerbliche Wähler zu
bekommen. Aber, meine Herren, auch die Gegensätze zwischen
den Kommunisten und den sozialdemokratischen Parteien, sie haben
bestimmt ein jämmerliches Bild der Zerfahrenheit der Vertreteer
des Proletariats gegeben, ohne jeden Zweifel. (Posl. Roscher:
Das ärgert Sie?) Das ärgert mich nicht, ich habe
mich auch nicht zu ärgern, ich wüßte nicht
warum, aber ich konstatiere nur, was ich mit erlebt und mit gesehen
habe, nicht mehr und nicht weniger. Aber selbst die deutschen
und die èechischen Sozialdemokraten sind trotz ihrer Bindungen
nicht einig gewesen in der Frage der Novellierung der Sozialversicherung.
Wir haben ja Tage lang über das Fachgutachten der Zentralversicherungsanstalt
gesprochen. Dort saß ja Herr Koll. Taub, ein von
mir sehr geehrter Fachmann, und Sie waren nicht einverstanden
mit dem Gutachten der Zentralversicherungsanstalt. (Posl. Schäfer:
Wir sind nicht einverstanden damit!) Bitte, aber dort ist
es ja als Kompromiß beschlossen worden und sollte auch von
denen, die es beschlossen haben, eingehalten werden, ob es ihnen
paßt oder nicht. Das ist meine Überzeugung als Politiker.
Wir haben alle den Eindruck und das Gefühl, daß auch
die Novelle der Sozialversicherung gar nichts anderes ist als
ein Kompromiß, denn die Öffentlichkeit weiß ja
ganz genau, welche Packeleien hinter den Kulissen getrieben worden
sind, zu welchen ja Sie auch indirekt die Zustimmung gegeben haben.
Deshalb ist die Novelle nichts anderes als ein Kompromißwerk
und nach unserer Überzeugung kein besonders gesundes.
Wenn ich mich nun mit Rücksicht auf die
kurze Rededauer, die man uns eingeräumt hat, mit der Novelle
befasse, möchte ich gleich zu § 2 der Novelle sprechen.
Der spricht über die Tätigkeit der in der Landwirtschaft
mit tätigen Familienmitglieder, die nicht ein Arbeitsverhältnis
bedingt. Meine Herren! Wir haben nichts dagegen und halten diese
Bestimmung bezüglich der Landwirtschaft vollständig
angebracht, weil es ja bekannt ist, daß eine vorübergehende
Beschäftigung in der Landwirtschaft noch kein Arbeitsverhältnis
im Sinne des Gesetzes ist. Aber wir haben verlangt, daß
auch Familienmitglieder der Gewerbetreibenden aus der Versicherung
ausgeschlossen und ausgeschieden werden, weil es ja bei uns nicht
anders ist, 90% der Kinder der Gewerbetreibenden übernehmen
die Geschäfte ihrer Väter. (Posl. Roscher: Was geschieht
aber mit den Leuten, die Arbeiter sind und alt werden?) Herr
Koll. Roscher, ich spreche nur von den Söhnen der
Gewerbetreibenden. (Posl. Heeger: Auch die können einmal
der Versorgung anheim fallen!) Zu 90% werden sie selbständig
und nach den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1924 haben sie
ja nichts davon, wenn sie heute oder morgen selbständig werden,
weil sie keinen Anspruch auf die Altersrente haben und die bezahlten
Prämien vollständig hinausgeworfen sind.
Um zum § 6 des alten Gesetzes zu sprechen,
glaube ich am meisten unterstreichen zu müssen, daß
Personen, die das 16. Lebensjahr erreicht haben, ausgeschieden
werden. Es wird die Behauptung aufgestellt, daß das eigentlich
eine unserer Hauptforderungen war, die wir bei der Novelle im
Rahmen der Regierungsmehrheit gestellt haben. Ich erkläre,
daß das nicht richtig ist, wir haben nicht mehr und nicht
weniger verlangt, meine Herren, als die Ausscheidung der Lehrlinge,
die keinen Lohn beziehen, und nicht mehr, weil wir es nach den
wirtschaftlichen Verhältnissen des kleinen Handwerkers für
wichtig angesehen haben. Daß man nun der verlangten Bestimmung
eine breitere Fassung gegeben hat, war nicht unsere Sache. (Posl.
Roscher: Sie durften sie nicht zulassen!) So ein Vetorecht
haben wir nicht. (Posl. Heeger: Es hat ihnen aber gefallen!)
Es hat uns nicht gefallen und ich habe dem Herrn Koll. Schäfer
in Privatgesprächen wiederholt erklärt, daß
mir diese Bestimmung wirklich nicht gefällt und daß
unsere Forderung lediglich darin verankert war, die Lehrlinge
u. zw. auch nur diejenigen, die keinen Lohn beziehen, aus der
Sozialversicherung auszuschalten. (Posl. de Witte: Die Christlichsozialen
sind nicht dafür, Ihr seid nicht dafür, die Landbündler
sind nicht dafür, wer ist also dafür?) Es ist auch
nicht ein so großes Unglück, daß da geschieht.
Sie wissen ja, daß auch andere Staaten in der Sozialversicherung
die Pflicht der Versicherung erst mit dem 16. Lebensjahr festgelegt
haben und daß man seinerzeit auch schon bei uns - und das
erklärt der Herr Prof. Schönbaum und alle diejenigen,
die damals an dem Gesetz gearbeitet haben - im letzten Momente
sich entschlossen hat, die Sozialversicherung mit dem 14. Lebensjahr
beginnen zu lassen, und daß man schon damals der Meinung
war, daß es gute wäre, die Lehrlinge aus der Sozialversicherung
auszuscheiden.
Im § 6, im Abs. 5 ist für die Gewerbetreibenden
wichtig, daß die Naturalverpflegung, die für den Lehrling
geleistet wird, anders in die Lohnklassen eingereiht wird als
es früher der Fall war. Es war bestimmt ein großes
Unrecht, daß ein Handwerker oder Gewerbetreibender, der
einen Lehrling gehabt hat, dem er Kost und Verpflegung geben mußte,
mehr gezahlt hat als für einen Lehrling, der bei den Eltern
gewohnt hat. Das ist ein schweres Unrecht im Gesetz und wi r freuen
uns, daß es uns gelungen ist, diese Härte aus dem Gesetz
im Interesse der Gewerbetreibenden herauszubekommen. Einer der
wichtigsten Punkte in der Novelle ist unzweifelhaft der §
19, der die Erhaltung der bestehenden Genossenschafts- und Gremialkrankenkassen
beinhalten wie auch die Errichtung neuer genossenschaftlicher
Krankenkassen. (Posl. de Witte: Zersplitterung!) Ich komme
darauf zu sprechen. Es war auch während der Verhandlungen
fast die strittigste Frage im Rahmen der Sozialversicherung. Meine
Herren! Sie müssen uns verstehen! Während die Landwirte
ihre landwirtschaftlichen Krankenkassen nach einem Kuhhandel mit
der damaligen Regierungsmehrheit und anders war es nicht im Jahre
1924 - bekamen, haben wir unsere gewerblichen Genossenschaftskrankenkassen
seit Jahrzehnten hindurch bereits gehabt. Sie waren eingelebte
Institutionen, in denen der Gewerbestand eines gewisse Autonomie
gesehen hat. Als nun im Jahre 1919 die Sozialisten zur Macht kamen,
war es ihre erste Arbeit, alle unsere kleinen Kassen zu sistieren,
ihr Vermögen zu konfiszieren und den Bezirksversicherungsanstalten
einzuverleiben. Millionen, die durch Sparsamkeit und Fleiß
in den Reservefonds aufgespeichert waren, sind damals den Bezirkskrankenkassen
in den Rachen gefallen, alle Kassen, die weniger als 400 Mitglieder
hatten, wurden sistiert, und es war ein schwerer Kampf,
den wir durch Jahre hindurch in diesem Parlamente führen
mußten, damit uns noch die übriggebliebenen Kassen
erhalten bleiben, an denen wir hängen, weil sie Tradition
sind und weil, wie ich bereits gesagt habe, sie eine gewisse Autonomie
für den Gewerbestand sind. Jetzt komme ich dazu, was Sie
früher gesagt haben, Herr Koll. de Witte. Die sozialistischen
Parteien argumentieren gegen uns, daß die Bildung von genossenschaftlichen
Krankenkassen eine Zersplitterung bedeutet und hohe Verwaltungskosten
entstehen. Was die Zersplitterung anlangt, glaube ich, daß
Sie ja teilweise Recht haben. Es ist eine Zersplitterung, das
kann man nicht leugnen und ich sage selbst ganz offen und ehrlich,
daß ich die Einheitskasse für eine Ideal halte, unter
bestimmten Voraussetzungen jedoch, und ich habe wiederholt Kollegen
aus Ihren Reihen gegenüber mich in dem Sinne geäußert
und bekenne mich auch ganz offen dazu. Aber die Voraussetzungen
dazu müssen gegeben werden, damit sie uns für dieses
Ideal begeistern. Es dürfen nicht andere Kassen bestehen.
Darüber ist ernst gesprochen worden. Wenn das geschehen wäre,
dann wären wir die letzten gewesen, die an den Kassen festgehalten
hätten. Es sind, wie gesagt, noch andere Voraussetzungen
notwendig, es ist eine Entpolitisierung der bestehenden Kassen
notwendig. Das ist nicht bloß ein Schreckgespenst allein,
diese Entpolitisierung, sondern eine Tatsache, an der wir nicht
vorbeikommen. Es wäre notwendig, daß der Einfluß
der Arbeitgeber auf die Verwaltung der Kassen fest verankert wird,
es wäre notwendig, daß Sparsamkeit eintritt - ich bin
der letzte, der Pauschalverdächtigungen vorbringen
möchte - daß Sparsamkeit bei der Verwaltung einzelner
Kassen platzgreift. Die Landwirte haben ihre landwirtschaftlichen
Kassen, und ausgerechnet den Gewerbetreibenden wollen Sie
sie streitig machen, die Gewerbetreibenden verhindern, solche
Kassen zu halten oder zu schaffen? Wenn Sie von den Leistungen
sprechen, so wird immer behauptet, daß die Genossenschaftskassen
nicht imstande sind, die gleichen Leistungen wie die Bezirksversicherungsanstalten
für ihre Versicherten aufzubringen. Diese Behauptung ist
nicht immer richtig. Ich habe gerade gestern den Tätigkeitsbericht
der Gremialkrankenkasse in Brünn vom Jahre 1925 erhalten,
einer Kasse, die 5170 Mitglieder zählt. Die Gesamteinnahmen
der Kasse betrugen 3,146.000 Kè. Die Verwaltungsausgaben,
vor allem die Gehälter, machten 173.000 Kè aus und
die Funkionäre bekommen nur 2280 Kè. Darin liegt ein
Teil der Sparsamkeit. Dieser Betrag ist och gar
keine Entschädigung für die Arbeit eine Obmannes
und weiß Gott welcher Funktionäre. Für Pensionsversicherung
sind 11.000 Kè gezahlt worden, für Überstunden
an die Beamten 18.000 Kè. Die ganzen Verwaltungskosten
betrugen also 265.000 Kè, das sind 12%, gewiß
ein Prozentsatz, der um vieles kleiner ist, als im Durchschnitt
der der Verwaltungskosten bei den Bezirksversicherungsanstalten.
(Posl Roscher: Das ist auch nur teilweise der Fall!) Ja,
ich will ja auch hier nicht pauschaliter sprechen. Darin liegt
aber der Beweis, daß die Genossenschaftskassen leistungs-
und lebensfähig sind und daß sie in Konkurenz mit den
Bezirksversicherungsanstalten treten können. Die vorhin erwähnte
Kasse hat an Krankengeldern 831.000 Kè, an Geburtshilfe
31.000 Kè, an Stillprämien 20.000
Kè, den Ärzten 558.000 Kè, an Medikamenten
259.000 Kè, an Begräbnisgeldern 30.000 Kè und
für Aufenthalte in Kurorten und Heilanstalten fast eine viertel
Million, nämlich 248.000 Kè ausgezahlt, schließlich
an Leistungen für Familienmitglieder 490.000 Kè.
Das ist doch bestimmt ein Beweis dafür, daß auch solche
Genossenschaftskassen ihren Zweck erfüllen und daß
es nicht richtig ist, daß man durch Schaffung neuer Kassen
die Leistungen für die Versicherten irgendwie in Gefahr bringt.
Es gibt im großen und ganzen auch keine
sachlichen Argumente gegen die Errichtung genossenschaftlicher
Kassen, sondern es sind nur rein politische Motive, die Sie dazu
führen, die Errichtung und Erhaltung unserer Genossenschaftskrankenkassen
zu, bekämpfen und hintanzuhalten. (Posl. Heeger: Wieso
politische Motive?) Herr Kollege, ich möchte das Gebiet
nicht gerne berühren. Es ist heute schon den ganzen Tag darüber
gesprochen worden und ich möchte es nicht wieder tun. Ich
halte die Bestimmung des ersten Absatzes des § 19 der Novelle
für die größte Errungenschaft meiner Partei im
Rahmen der jetzigen Regierungsmehrheit, nämlich die Bestimmung,
daß alle bestehenden Genossenschafts- und Gremialkassen,
die am 1. Juli 1928 wenigstens 1000 Mitglieder zählten, auch
weiter bestehen bleiben sollen. Auf diese Art und dank diesem
Gesetze bleiben die meisten Genossenschafts- und Gremialkassen
erhalten.
Eine andere Frage, mit deren Lösung ich
ganz bestimmt nicht zufrieden bin, ist die Errichtung neuer Genossenschaftskranken
kassen. Mit dieser Lösung sind wir deshalb nicht zufrieden,
weil das Ministerium für soziale Fürsorge nach Anhörung
der Zentralversicherungsanstalt im Bereiche von 8 politischen
Bezirksverwaltungen je eine Genossenschafts- und Gremialkrankenkasse
errichten kann, wenn die in Betracht kommende Genossenschaft um
die Errichtung ansucht. Es ist eine Streitfrage und hier auch
schon darüber gesprochen worden, daß nämlich die
Gehilfenversammlung mitgefragt werden soll. Wir haben nichts dagegen.
(Posl. Heeger: Nur gefragt!) Die Versicherten werden nur
gefragt. Zeigen Sie mir im Gesetz 221 eine Bestimmung, für
das Sie gestimmt haben, wo bei Errichtung landwirtschaftlicher
Kassen auch die landwirtschaftlichen Arbeiter gefragt werden müssen.
(Posl. Heeger: Wir haben es aber verlangt!) Wo steht es
drin? Sie haben dafür gestimmt, und uns machen Sie den Vorwurf,
daß wir für die Wehrgesetze gestimmt haben. Tragen
Sie ruhig die Verantwortung für das, wofür Sie gestimmt
haben, wir tragen die Verantwortung für unsere Sachen, ob
nun leicht oder schwer. Ich weiß wohl, wo das hinaus soll.
Sie wollten nämlich die Bestimmung verankert haben, daß
auch die Gehilfenversammlungen die Zustimmung geben müssen,
wir wissen auch, warum Sie das so wollten. (Posl. Roscher:
Eines Tages werden wir auch diese Bestimmung haben!) Dadurch
würde freilich die Bestimmung des Gesetzes nichts anderes
als eine lächerliche Farce sein und wir hätten nicht
eine einzige Krankenkasse errichten können, weil Sie es verstanden
hätten, die Gehilfenversammlungen in Ihrem Sinne zu beeinflussen.
(Posl. Roscher: Das ist ein Beweis, daß die Gehilfen
die Kassen nicht mögen. sonst würden sie sich nicht
umstimmen lassen!) Ja, sie lassen sich umstimmen. Das verstehen
Sie ganz gut und ich habe auch eine hohe Achtung vor dieser Ihrer
Arbeit. (Posl. Heeger: Für die Gehilfen werden Kassen
errichtet, die sie nichts angehen, sie werden nur gehört!)
Die Hauptsache ist, daß es den Gehilfen dabei gut geht,
daß sie das bekommen, was sie wollen. (Posl. Heeger:
Das hat doch mit der Frage nichts zu tun! Das ist kein demokratisches
Prinzip!) Das ist durchaus kein anderes Kapitel und hat wohl
damit etwas zu tun. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Stivín.) Etwas
dreinzureden haben wir schon bei der Errichtung von Kassen. (Posl.
Heeger: Die Leute zahlen sich doch das selbst!) Wir zahlen
das. (Posl. Katz: Wovon zahlen Sie das?) Wir zahlen das.
Ich habe in meinem Betriebe seit Jahren und seit Jahrzehnten immer
alle Beiträge für die Arbeiter und für die Lehrlinge
gezahlt. (Posl. de Witte: Haben die Arbeiter nichts dafür
geleistet? Das ist doch ein Lohnbestandteil!) Das ist nicht
richtig. Das sind nur solche Erzählungen von dem Lohnbestandteil,
das ist Ihre Theorie. Wo gibt es bei Lehrlingen Lohnbestandteile?
(Posl. Heeger: Sie haben doch auch Gehilfen!) Auch für
die Gehilfen habe ich gezahlt. (Posl. Heeger: Bei jeder Rechnungslegung
rechnen Sie die Beiträge zu den Krankenkassen in die Regie
ein! Die Arbeiter müssen das doch von ihrem Arbeitslohn bezahlen!)
Das sind Märchen, meine Herren! (Posl. Heeger: Das
sind Tatsachen!) Aber, meine Herren... (Posl. de Witte:
Zum Schluß sind Sie noch ein Wohltäter der Arbeiter!)
Meine Herren, das sind Euere alten Schlager, gut für
Volksversammlungen, aber doch nicht für eine ernste Körperschaft
wie hier. (Posl. Heeger: Das, was Sie sagen, taugt weder
für draußen noch für hier!) Bitte, jeder spricht
so, wie er kann. Ich bin nur ein einfacher Handwerker, Herr Koll.
Heeger! (Posl. Heeger: Das sind auch Versammlungsphrasen!)
Nein, sondern ich bemühe mich, mit Sachlichkeit zu begründen,
was ich für richtig halte und wovon ich überzeugt bin.
(Posl. Schäfer: Sie sagen etwas, was sachlich falsch ist!)
Herr Koll. Schäfer, ich habe mich gerade von Ihnen
wiederholt belehren lassen, weil Sie in dieser Sache gewiß
größere Kenntnisse haben. Ich gestehe auch offen zu,
aß ich bei den Verhandlungen im Subkomitée des Sozialversicherungausschusses
viel gelernt habe. Ich glaube, daß das keine Schande ist,
wenn ich das eingestehe.
Meine sehr Verehrten! Solche Genossenschafts-
oder Gremialkrankenkassen können über Ansuchen auch
mehrerer Genossenschaften errichtet werden, wenn sie zusammen
nicht mehr als 3.000 versicherungspflichtige Mitglieder habe.
Sie sehen, meine Herren, wie man diese Forderung derartig beschnitten
hat, daß sie eigentlich gar nichts mehr bedeutet. Und beschnitten
haben diese Forderung niemand anderer als die Herren Unterhändler,
die in Ihrem Namen hinter den Kulissen gepackelt haben. (Posl.
Vávra: To je to znamení, jak jsou pro velké
pojišovny!) Ganz richtig ist
das, was Koll. Vávra da sagt. Das ist ein Zeichen,
wie die Herren für die Errichtung von großen und lebensfähigen
Kassen sind. Hier wollten sie uns zwingen, kleine Kassen mit 3.000
Mitgliedern zu errichten, um von Haus aus den Gehilfen die Wohltat
einer Sozialversicherung zu nehmen. Es werden demnach nur 8 Kassen
errichtet. Eine weitere Bestimmung ist, daß in der Bezirksversicherungsanstalt
12.000 versicherungspflichtige Mitglieder verbleiben müssen
und daß wir alle diese Kassen innerhalb von 6 Monaten errichten
oder darum ansuchen müssen. Es ist weiter die Möglichkeit
geboten worden, und zwar im Abs. 5 des Gesetzes, das ich zitiert
habe, daß die Vereinigung bestehender Genossenschaftskassen
im Bereich der politischen Behörde ersten Instanz möglich
ist, so daß wir auch einige Genossenschaftskassen in einem
Bezirk vereinigen können. Ich erkläre offen: es ist
mein sehnlichster Wunsch, daß das geschieht, daß alle
die kleinen Kassen sich zu einer einheitlichen vereinigen, weil
es ja bestimmt richtig ist, daß dies nur der Sache förderlich
ist.
Meine Herren, ich komme nun weiter zu den Organen
der Kassen. Sie wissen, daß früher der Vorstand der
Kasse aus 8 Vertretern der Arbeitnehmer und zwei Vertreten der
Arbeitgeber bestand, der Überwachungsausschuß im umgekehrten
Verhältnis, und Sie wissen ganz genau, daß hier ein
langwieriger, schwieriger Kampf um die sogenannte Parität
in den Kassen geführt wurde, ein Kampf, der gewiß nicht
mit unserem Siege geendet hat. Das gebe ich ohne weiters zu und
Sie wissen ja, daß das Kompromis, das nun geschaffen wurde,
darin besteht, daß nunmehr im Vorstand 9 Vertreter der Arbeitnehmer
und drei Vertreter der Arbeitgeber sind und umgekehrt im Überwachungsausschuß.
Warum haben gerade wir Gewerbetreibenden die Parität verlangt?
Wir haben sie insbesonderedeshalb verlangt, damit uns die Möglichkeit
geboten wird, im Rahmen der Arbeitgebervertretung überhaupt
eine Vertretung zu finden. Sie waren es ja und Ihre èechischen
Genossen, die damals das Pluralwahlrecht für die Sozialversicherung
geschaffen haben, das uns jede Möglichkeit genommen hat,
irgendeine Vertretung in einer Kasse zu bekommen, wenn zufällig
in dem Bezirke ein größeres Industrieunternehmen
war. Für uns war nur diese Frage maßgebend und keine
andere und wir mußten im Rahmen der jetzigen Novellierung,
weil das Pluralwahlrecht nicht zu beseitigen war, eine Bestimmung
uns schwierig erkämpfen, daß unter den drei Vertretern
der Arbeitgeber wenigstens ein Vertreter der Gewerbetreibenden
sein muß und umgekehrt im selben Verhältnis im Überwachungsausschuß,
wo es ja nach dem Text noch schlechter wäre, indem wir dort
auch nur einen Vertreter unter neun bekämen; offenbar ein
Irrtum, der richtiggestellt werden muß.
Eine weitere Bestimmung des Gesetzes, gegen
die sehr angekämpft wird, ist die Errichtung der Landesanstalten
für Böhmen, Mähren und Schlesien sowie für
die Slovakei und Karpathorußland. Seitens der sozialistischen
und aller Oppositionsparteien wird eingewendet, daß die
Errichtung von Landesanstalten ein Unsinn sei, daß die Kosten
der Verwaltung der Landesanstalten große sein werden, und
doch haben gerade Sie immer behauptet, daß die Zentralsozialversicherungsanstalt
ein Monstrum sei, das nicht imstande sein werde, in einigen Jahren
die Agenden der großen Masse der Versicherten zu führen.
Heute stellen Sie sich gegen die Errichtung der Landesanstalten,
die ja nichts anderes bezwecken sollen, als der Zentralsozialversicherungsanstalt
einen Teil der Agenden abzunehmen, die Verwaltungskosten zu verkleinern
und die Möglichkeit des direkten Verkehrs der Versicherten
und auch der Arbeitgeber innerhalb ihres Landes und ihres Domizils
zu bieten.