Weiters konstatiere ich, daß es den Tatsachen
nicht entspricht, wenn man den bürgerlichen Parteien Mangel
an sozialem Empfinden vorwirft. Gerade der Landesversicherungsfond
ist ein eklatanter Beweis hierfür. Vorsichtig und achtsam
werden ferner im gegenseitigen Einvernehmen - dies ist immer die
beste Art, solche Fragen zu lösen beispielsweise die Landesstellen
für die Pensionsversicherung und die Krankenversicherungsanstalten
von Fall zu Fall darüber schlüssig werden müssen,
daß in zweifelhaften Fällen Doppelversicherungen nicht
eintreten dürfen. Es wäre verfehlt, wenn hier ein falscher
Kampf- und Justamentstandpunkt zu einer allerdings nur formalrechtlichen
Doppelversicherung führen müßte, denn Arbeitgeber
und Arbeitnehmer, die beide ohnehin durch die eine Art von Versicherung
schon schwer belastet sind, könnten unmöglich dafür,
daß sich beispielsweise die beiden genannten Anstalten hadern,
das Opferlamm abgeben und für zwei Versicherungen, wenn auch
nur vorübergehend, zahlen müssen. Hier muß vorweg
ein klares Einvernehmen erzielt werden. An solchen Doppelversicherungen
leiden heute schon viele unserer Staatsbürger und dies betrifft
insbesondere das gegenseitige Verhältnis der Rechte aus der
Pensionsversicherung der Angestellten und der reichsdeutschen
Angestelltenversicherung. Zwischen der Èechoslovakei und
der deutschen Republik bestehen heute keine Verträge, die
das gegenseitige Verhältnis der Rechte aus der Pensionsversicherung
der Angestellten und der reichsdeutschen Angestelltenversicherung
regeln würden. Es besteht also bislang vor allem nicht die
Möglichkeit, bei gegenseitigen Übertritten die angesammelten
Prämienreserven zu überweisen. Daher wurden auch von
der deutschen Reichsversicherungsanstalt keine Beträge an
die allgemeine Pensionsanstalt in Prag und auch an andere Landesstellen
dieser Anstalt überwiesen, da sie nicht überwiesen werden
konnten. Diesbezüglich Betroffene haben daher nicht die Wahl,
entweder bei der deutschen Reichsversicherung oder bei
unserer Pensionsversicherungsanstalt versichert zu bleiben. Die
gegenwärtig gültige Pensionsversicherung ist nach dem
Gesetze eine Zwangsversicherung, die keine Rücksicht zu nehmen
hat auf die Zustimmung der Versicherten. Wer daher in der Èechoslovakischen
Republik in einem zweifellos versicherungspflichtigen Dienstverhältnis
steht, muß bei unserer Allgemeinen Pensionsanstalt versichert
werden. Auf eine in Deutschland bestehende Versicherung kann leider
keine Rücksicht genommen werden und die Betreffenden verlieren,
wenn sie hier eintreten müssen, das, was sie zu diesem Zwecke
in Deutschland geopfert haben.
Von einem Teile der Linkspresse wurden Angriffe
gegen den Finanzminister gerichtet. Diese Angriffe gipfelt en
in der Behauptung, daß die Verwendung der Gelder der Zentralsozialversicherungsanstalt
für den Straßenfond "offener Bolschewismus"
sei und auch im Ausschuß wiederholte sich das. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Ich
fühle mich nicht berufen, eine Lanze für den Herrn Finanzminister
zu brechen; er hat sich ja schon selbst zur Wehre gesetzt und
meine nachfolgenden Worte sind eine wahrheitsgemäße
sachliche Konstatierung von Tatsachen, die sich allerdings an
die zutreffenden Argumentationen des Herrn Finanzministers anlehnt.
Als es um die Beschränkungen der Landwirtschaft
und des Hausbesitzes ging, da haben die Herren der Linksparteien
keine bolschewistischen Gewissensbisse geäußert. Es
ist daher Tartufferie offensichtlichster und bösester Art,
wenn im Budgetausschuß diesbezüglich von einer Konfiskation
des Vermögens der Sozialversicherung gesprochen wurde. Hier
wird das Vermögen der Sozialversicherung nicht seinem Zwecke
entfremdet, sondern ganz gegenteilig sein Zweck wird nur garantiert
und werden durch diese Beträge, was ja die Herren immer so
scharf betonend wünschen, neue vermehrte Arbeitsgelegenheiten
geschaffen. Im sozialpolitischen Ausschuß hat einer der
Herren der Linksseite das Wort geprägt vom "Finanzminister
des großen Formats". Nach Tische heißt es anders:
Vom Finanzminister des großen Formats überspringt man
zu bolschewistischen Anschuldigungen. Vorerst, wenn es ihren Wünschen
nachgeht, Zustimmung für Minister, im Gegenteile Ablehnung:
"Ja, der König absolut, wenn er unseren Willen tut!"
Selbstverständlich konstatiere ich - wie gesagt - nur die
nackte Tatsache. Schließlich sei hierzu der Vollständigkeit
halber noch erwähnt: Alle Arbeiten an dem großen Kredit
der Zentralsozialversicherung für den Strassenfond sind nicht
nur erledigt, sondern sind die Auszahlungen bereits aufgenommen
worden und die Amortisierung erfolgt angefangen mit dem 1. Jänner
1929. Für den Gesamtkredit von einer Milliarde beträgt
die Verzinsung anfänglich 5.5% und sinkt dieselbe
bis auf 5%. Schon daraus ersieht man, daß hierselbst eine
mehr als 41/2%tige Verzinsung garantiert
wird und daher der große Streit um den Zinsfuß bei
den Haaren herbeigezogen ist. (Posl. Hackenberg: Es ist nur
die Frage, ob sie dauernd zu erzielen ist!) Ich bin kein Prophet
und Sie sind es auch nicht. (Výkøiky.)
Es gelang der Koalition, durch die Schaffung
der neuen A- und B-Klasse der Invaliditäts- und Altersversicherung
unseren Bauern und Handwerkern sowie den Fix-Angestellten und
Kaufleuten, Arbeitern und Dienstboten eine gute Erleichterung
zu verschaffen. Wir hoffen ferner, daß die Verbände
weiter ihre Wirksamkeit erfolgreich fortsetzen können und
werden. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und es
haben unsere Verbände ihre Aufgabe voll und ganz erfüllt,
was dankend hervorgehoben werden muß. Die Verbände
werden trotz der Fünfjahrefrist in Zukunft jedenfalls nicht
vorschnell zu den Toten geworfen werden. Davon bin ich überzeugt.
Bei den neu zu errichtenden Landesstellen haben wir erreicht,
daß im Gesetze ausdrücklich vermerkt wird, daß
bei der Anstellung von Beamten der nationale Schlüssel eingehalten
werden muß. Auch bei der Ernennung der Fachleute und ihrer
Ersatzmänner wird nicht nur das nationale, sondern auch das
wirtschaftliche und kulturelle Verhältnis berücksichtigt
werden müssen.
Bei den diversen Demonstrationsversammlungen
hat man die Regierungsparteien mit recht schmückenden Beinamen
belegt und eine ständige Phrase war es, die Koalitionsparteien
seien die Bannerträger der Reaktion. Den Beweis hierfür
hat man den Massen vorenthalten. Leicht und spielend ist
der Gegenbeweis zu führen und ich will vorderhand nur kurz
Folgendes erwähnen: Nach § 111 und 112 des alten Gesetzes
beträgt der Grundbeitrag der Alters- und Invalidenrente jährlich
500 Kè. Wir haben ihn auf 550 Kè erhöht keine
antisoziale Tat! Ferner wurde der Anspruch
auf eine Witwenrente dadurch erheblich erleichtert, daß
die Witwenrente bei Eintritt des 65. Lebensjahres zufällt,
ohne daß die Witwe ihre Invalidität nachzuweisen braucht
- keine antisoziale Tat! Die Versicherungsbeiträge für
die Alters- und Invalidenversicherung werden, wie bereits erwähnt,
erniedrigt. (Pøedsednictví se ujal pøedseda
Malypetr.) Großen Unmut verursachte
die Fassung des § 129 unter den weiblichen Versicherten.
Wir haben dem Wunsche derselben gerne Rechnung getragen und nach
ernster Beratung folgende Bestimmung eingeschoben: "Den weiblichen
Versicherten wird beim Austritt aus der Versicherung infolge Verehelichung
eine Geldsumme von 400 bis 600 Kè ausgefolgt". Die
von ihnen gewünschte kleine Heiratsausstattung ist somit
gewährt und wird der gezahlte Betrag durch die geringfügige
jährliche Leistung der Anerkennungsgebühr
für die späteren Rentenansprüche voll gewahrt bleiben.
Auch das ist gewiß keine antisoziale Tat.
Betreffend die Vermögensanlage wurde neu
bestimmt, daß die Regierung ermächtigt wird, die im
alten Gesetze festgelegte Bestimmung, daß von dem frei verfügbaren
Vermögen 20% in einheimischen Staatspapieren und 10% in anderen
Papieren anzulegen sind, abzuändern und diesen Prozentsatz
einheimischer und fremder Papiere herabzumindern. Diese Bestimmung
begrüßen wir, denn die Erfahrungen der Kriegszeit und
in manchen Staaten die Erfahrungen der Nachkriegszeit haben die
Anschauungen über den Wert und Unwert der Staatspapiere und
der pupillarsicheren Staatspapiere (siehe Kriegsanleihe) wesentlich
gewandelt. Unsere Forderung lautet daher "Hypothekarkredit!",
wobei die Gelder am sichersten verstaut sind. Auch in Deutschland
wünscht man ja der Überansammlung von Geldern vorzubeugen
und trachtet dieselben ehest und ausgiebig wirtschaftlichen Zwecken
dienstbar zu machen. (Výkøiky.)
Wir anerkennen objektiv jeden Fortschritt, wo immer er zu finden
ist. So haben z. B. bis zum März d. J. unsere Wassergenossenschaften
Darlehen im Umfang von 28,288.000 Kè erhalten. Obwohl der
Bedarf viel größer ist und es am Platze ist, diesbezüglich
noch bedeutende Summen flüssig zu machen, begrüßen
wir doch diese Tatsache. Begrüßt und anerkannt muß
ferner werden, daß die Zentralsozialversicherungsanstalt
ebenso wie die Allgemeine Pensionsanstalt den Grundsatz aufstellt,
daß sie bei Darlehenswerbungen jeglicher Art der Vermittlung
ablehnt und nur unmittelbar mit dem Darlehenswerber verhandelt.
Dadurch, daß die Zentralsozialversicherungsanstalt ferner
überall dort, wo der Verdacht besteht, daß eine Provision
zugesichert wurde, das Darlehen von vornherein ablehnt oder kündigt,
ist jeder unreellen Manipulation von vornherein die Spitze abgebrochen.
Die Novellierung bringt aber auch einen Abbau, eine Milderung
der bürokratischen Schikanen. Die Arbeitgeber haben die Lohnaufzeichnungen
nicht 5, sondern nur 3 Jahre aufzubewahren. Die Anmeldepflicht
des Arbeitgebers wurde von 3 Tagen auf 6 Tage erweitert, desgleichen
die Pflicht, jede Änderung nach § 18, Absatz 1, lit.
a) anzuzeigen, auf 6 statt 3 Tagen. Selbst gegen diese Erleichterungen
glaubte sich die Opposition im Ausschusse wenden zu müssen
und es wurde sogar behauptet, daß der Arbeitgeber viele
dieser verlängerten Fristen dazu benützen wird, um sich
mancher gesetzlichen Zahlungsverpflichtung zu entziehen. Solche
durch keinerlei Beweise gestützte Anschuldigungen müssen
wir auf das Entschiedenste zurückweisen.
§ 101 bringt dem Landwirte ein sehr gerechtes
Entgegenkommen, eine Zahlungsentlastung, wenn er in gewissen Fällen
dem Kranken Kost und Wohnung gibt, da er dann Anspruch auf das
Krankengeld erhält. Nach der einheitlichen Karenzfrist wird
das Krankengeld bereits am dritten Tag ausbezahlt. Durch gemeinsame
Sitzungen des Vorstandes und Aufsichtsrates wird endlich auch
die Parität bei wichtigen Beschlüssen erreicht. Es kommt
selbstverständlich dabei auf die Männer an, die das
deutsche Landvolk in diese Körperschaften wählen wird.
Wählt es Charaktere hinein, so wird es seine Forderungen
durchsetzen. Tut es das nicht, so wird es den Schaden tragen.
Die deutsche Bauernschaft wird hoffentlich die rechten Männer
an den rechten Platz stellen.
Meine Ausführungen beendend, konstatiere
ich: Die bürgerliche Koalition hat mit dieser Novelle den
Beweis erbracht, daß durch sie die demokratische Gesetzgebung
nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil mannigfach verbessert
wird. Wir haben unsere berechtigten Wünsche nicht im ganzen
Ausmaß durchgebracht, denn wir hatten ja mit vielen schweren
Widerständen zu rechnen. Politik ist nach dem Ausspruche
eines großen Staatsmannes die Kunst, das Mögliche zu
erreichen. Dies ist geschehen. Möge auf Grund des Angeführten
unser gesamtes braves Landvolk daraus die ernste Lehre ziehen,
daß seine Wünsche umsomehr Hoffnung auf Erfüllung
haben, je geschlossener es in politischen und allen anderen Fragen
vorgeht. Diese Erkenntnis ist gewiß auch ein wertvoller
Gewinn für die Zukunft. In diesem Sinne und auf Grund des
Angeführten fühlen wir uns verpflichtet, im Interesse
aller Mittelstandsparteien und auch im Interesse der Arbeitnehmer
für diese Vorlage zu stimmen. (Potlesk poslancù
svazu nìm. zemìdìlcù.)
Der Regierungsentwurf Druck Nr. 1225 der Drucksachen
des Abgeordnetenhauses über die Novellierung des Gesetzes
vom 9. Oktober 1924, Slg. Nr. 221, betreffend die Kranken-, Invaliditäts-
und Altersversicherung der Arbeitnehmer hat schon seit langer
Zeit alle politischen und wirtschaftlichen Kreise in eine Art
von Spannung versetzt und es hat die heute in Verhandlung stehende
Novellierung einen großen Zeitraum für Beratungszwecke
gefordert. Obzwar diese Frage in der Hauptsache eine soziale ist,
so ist sie, gegeben durch die Verhältnisse der Gegenwart,
auch in hervorragender Weise zur politischen und wirtschaftlichen
Frage geworden.
Nicht nur die Ausschüsse des Hauses und
die in diesen vertretenen politischen Parteien haben sich der
Lösung dieser Frage, bis zur letzten Stunde, mit großem
Fleiße und zäher Ausdauer gewidmet und dieses beweist,
wie schwierig das Problem zu lösen war.
Auch die Handels- und Gewerbekammern, die Organisationen
der Krankenkassen, deren Verbände und auch Fachleute von
Ruf haben sich in den Dienst gestellt, um eine Lösung zu
finden. So wie die Sachlage heute liegt, ist aber eine volle Einigung
nicht erzielt worden, weil die Meinungsverschiedenheiten der beiden
in Betracht kommenden Hauptgruppen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber,
durch ihre parlamentarischen Vertreter, sich nicht zur Gänze
überbrücken ließen.
Im Mai dieses Jahres haben, wie allgemein bekannt
ist, die Kammern, resp. die Kammerzentrale, einen Sonderbericht
erstattet und es kann wohl von niemandem behauptet werden, daß
dieser auf politischen Grundsätzen aufgebaut worden wäre.
Die Kammern lassen sich, und das ist ja durch ihre Zusammenstellungen
schon gegeben, bei Abgabe von Urteilen und Berichten, immer nur
von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus leiten.
Auch ich will bei der in Verhandlung stehenden
so bedeutenden Frage das politische Moment ausschalten und so
wie ich es schon seit Jahren, bei der Beurteilung dieser Frage
getan habe, mich nur von der Sachlichkeit leiten lassen.
Beim Delegiertentag der damals österreichischen
Handelskammern, am 18. und 19. Oktober 1909 in Wien, habe ich
als Vertreter der Kammer Reichenberg, die ja auf dem Gebiet der
Sozialversicherung schon damals eine Fülle von Arbeit geleistet
hatte - und das kann ich aus dem zur Hand habenden stenographischen
Protokolle dieser Tagung nachweisen - die Frage der Sozialversicherung
betreffend schon damals denselben Standpunkt eingenommen wie heute,
namentlich auch in Bezug auf die Selbständigen; ich komme
darauf noch zu sprechen, ich bin seit der Zeit nicht mit einem
Schritt abgerückt.
Begrüßenswert ist in der neuen Vorlage,
daß nunmehr der Anlagezinsfuß von 4% auf 41/2%
erhöht werden soll.
Wenn auch der neue Entwurf eine wohl teilweise
Verbesserung bringt, so muß dennoch gesagt werden, daß
ein Teil der berechtigten Forderungen, des Gewerbe- und Handelsstandes
und auch der Krankenkassenverbände unerfüllt bleiben
soll.
Aus Gewerbekreisen wurde auch der Wunsch laut,
die Lehrlinge von der Versicherungspflicht überhaupt auszuschließen
und die Neugründung von Genossenschaftskrankenkassen zu ermöglichen.
Hiezu möchte ich Folgendes sagen: Der
Ausschluß der Lehrlinge für die ganze Dauer der Lehrzeit
ist - und das muß auch jeder objektiv urteilende Gewerbsmann
zugeben, wenn er sich des hiefür gegebenenen Schlagwortes
erledigt - technisch einfach unmöglich. Die Lehrzeit beginnt
nicht immer mit dem 14. Jahre. Ich selbst habe als Gewerbetreibender
während meiner 38jährigen Selbständigkeit es als
Schmiedemeister erlebt, daß ich Lehrlinge bekam, die 16,
ja sogar 18 und 19 Jahre zählten, als sie in die Lehre eintraten.
Wäre es in solchen Fällen nicht unrecht,
wenn ein solcher Lehrling deshalb der Versicherung verlustig werden
sollte, weil er erst mit so hohem jugendlichen Alter, in die Lehre
treten konnte. Ja es könnte sich ereignen, daß er Jahre
vorher schon in einem industriellen oder anderen Betriebe tätig
war und dort der Versicherung unterlag, und nun sollte er durch
das Eintreten in die Lehre, dieser verlustig werden.
Dieses eine Beispiel schon spricht dafür,
daß nicht die Berufstätigkeit, sondern ein bestimmtes
Alter für den Beginn der Versicherungspflicht maßgebend
sein kann.
Es muß deshalb für alle Versicherungspflichtigen,
ob sie nun in der Industrie, im Gewerbe, Handel oder in der Landwirtschaft
tätig sind, ein bestimmtes Alter festgesetzt werden und deshalb
stimme ich dem zu, daß das erreichte 16. Lebensjahr, die
Versicherungspflicht für alle Kreise der Arbeitnehmer bestimmt.
Jede andere Lösung halte ich für ungerecht und technisch
undurchführbar.
Auch in Bezug auf die Lohnklasseneinteilung,
sollte keine Berufsgruppe bevorzugt werden. Eine künstliche
Herabsetzung einer bestimmten Gruppe in die niedrigsten Lohnklassen,
kann unter gar keinen Umständen gebilligt werden, weil sie
in der Gesamtheit eine Mehrbelastung der anderen, nicht in dieser
Weise begünstigten darstellen würde. Organisatorisch
sollte doch wohl aber die Möglichkeit gegeben sein, daß
bei dem Vorhandensein von 2000 Arbeitnehmern der Bestand und die
Errichtung von Krankenkassen möglich wäre, ohne Rücksicht
auf die in den Bezirkskrankenkassen noch verbleibende Anzahl von
Mitgliedern. Das ist eine vollkommen berechtigte Forderung des
Gewerbestandes. Als ungerecht muß ich es bezeichnen und
ich kann dafür auch nicht stimmen, daß man die Krankenkassenverbände
derzeit schon in ihrem Wirkungskreise einengen und später
nach kurzer Galgenfrist sogar ganz beseitigen will. Ich bin der
Anschauung, daß eine solche Maßnahme mehr als ungerecht
ist, denn man reißt bestehendes Gutes nicht ein, wenn man
die Überzeugung nicht gewinnen kann, daß nichts besseres
nachkommt, und dieser Fall trifft hier zu. Die Krankenkassenverbände
haben bis jetzt restlos ihre Pflicht erfüllt und es wäre
zu wünschen, daß auch in anderer Beziehung das gleiche
geschieht.
Was das Leistungsschema anbetrifft, so hat
ja der Schöpfer des versicherungsmathematischen Teiles des
Gesetzes, Professor Dr Schönbaum selbst erklärt, daß
die Erfahrungen in der Kürze der Bestandzeit des Gesetzes
eine Änderung vollkommen rechtfertigen. Wenn der Herr Vorredner
gerade diese Art als zweckentsprechend ansieht, so halte
ich für sehr bedenklich die Bestimmung des Entwurfes, worin
es heißt: "Soferne die èechoslovakische Nationalbank
aus Währungsgründen zur Verwaltung öffentlicher
Gelder gegen Verzinsung schreiten sollte, ist dieser Art
der Anlage, bei entsprechenden Antragsbedingungen der Vorzug zu
geben." Diese Bestimmung hat den Zweck, der Regierung und
der Nationalbank das Verfügungsrecht über die Verwendung
von Millionen von Reserven einzuräumen.
Es wäre sicher richtiger, wenn aus Fachmännern
auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik und ein aus noch einem
Vertreter der Nationalbank bestehender Finanzbeirat mit der Angelegenheit
der Vermögensverwaltung betraut würde. Diesem Beirat
wäre ein angemessener Einfluß insbesondere auf die
Festlegung des Wirtschaftsplanes und der allgemeinen Anlagebedingungen
der Zentral-Sozialversicherungs - Gesellschaft einzuräumen.
Wenn heute aus den Kreisen der Arbeitgeber
vielfach Klage geführt wird über die zu große
Belastung, die sich durch die Beitragsleistung ergibt, so kann
ich das aus eigener Erfahrung bestätigen, daß die Leistung
eine bedeutende ist, sie muß aber aus sozialen und menschlichen
Gründen dargebracht werden, weil sie meines Erachtens nach
die Arbeitsfreudigkeit der Arbeitnehmer steigert, denn auch sie
haben ein Anrecht darauf, daß sie auf ihre alten Tage und
bei Eintritt von Unfällen nicht wie bisher, dem Elend preisgegeben
werden, oder gar der Armenunterstützung der Gemeinden anheimfallen.
Anderseits würde die Armenverwaltung der Gemeinden sehr entlastet
werden.
Es wären ja auch die für die Versicherung
gebrachten Opfer seitens der Arbeitgeber nicht so schwerwiegend,
wenn die Sicherheit geboten wäre, daß die in der Zentralverwaltung
sich mit der Zeit anhäufenden Millionen und Milliarden zur
Belebung des Wirtschaftslebens und zur Gewährung von Krediten
an die Selbstverwaltungskörper, die ja durch das, von den
Regierungsparteien geschaffene so viel gepriesene Gemeindefinanzgesetz
geradezu entrechtet und in ihrer natürlichen Entwicklung
gehemmt und unterbunden sind, Verwendung finden könnten.
Wie aber die Erfahrung bisher in diesem Staate gelehrt hat, wird
auch hier bei der Kreditgewährung aus den angesammelten Reserven
wieder nur das nationale Moment bestimmend sein und es werden
die deutschen Industriegebiete wohl das meiste mit ihrer Arbeiterschaft
zu leisten haben, dafür aber das wenigste bekommen und das
ist die große Gefahr für unser Wirtschaftsleben und
die Selbstverwaltungskörper.
Man wird auch da, wie man es bisher bei allem
Anderen getan hat, wieder eine künstliche Überführung
des Volksvermögens, eine Begünstigung für die derzeitige
herrschende Nation, zeitigen wollen.
Was die Frage der Versicherung der Selbständigen
anbetrifft, die zwar heute nicht in Verhandlung steht, die aber
bei den letzten Wahlen als irreführendes Schlagwort in die
Kreise der Gewerbetreibenden hinausgeschleudert wurde, möchte
ich ganz kurz Folgendes aussprechen:
Ich habe mich schon vor zwei Jahrzehnten immer
für die Schaffung einer Freiwilligenversicherung für
die Selbständigen nach bewährtem belgischem Muster ausgesprochen,
dadurch wäre jedem Gewerbe- und Handelstreibenden die Möglichkeit
gegeben worden, sich ohne Zwang versichern zu können und
es hätte die Leistung eines Staatsbeitrages zur Rente sicher
sehr aneifernd gewirkt, wie dies auch in Belgien der Fall war.
Hätte man, als im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhundertes im
österreichischen Parlament die Lösung der Sozialversicherung
für die Arbeitnehmer in Verhandlung stand, nicht die Bedingung
daran geknüpft, es müsse auch für die Selbständigen
bis zu einer gewissen Einkommensgrenze eine Versicherung für
Alter und Invalidität geschaffen werden, so wäre heute
dieser Standpunkt längst überwunden und die Versicherung
hätte sich eingelebt. In diesem Falle hätte der
èechoslovakische Staat bei seiner Entstehung das Fertige
übernehmen und weiterführen können. Von diesem
Vorwurfe sind jene Kreise, die seinerzeit das Junktim gestellt
haben, nicht freizusprechen und ich halte meine Meinung von damals
voll aufrecht.
So groß einst von Seite der Selbständigen
der Wunsch nach Schaffung einer Versicherung für Alter und
Invalidität war, so gering ist jetzt das Interesse dafür,
da man sich über Leistung und Gegenleistung ein anderes Bild
gemacht hat. Diese Versicherung für die Selbständigen,
sieht, im Lichte betrachtet, etwas anders aus, als wie sie der
damalige Obmann der Friseurgenossenschaft von Böhmisch Leipa,
der heutige Herr Sen. Tschapek, einmal vor dem Kriege,
ich glaube es war im Jahre 1912 in Tetschen, als so glück-
und viel verheißend ankündigte, heute, da er an Erfahrung
reicher geworden ist, wird er wohl anderer Meinung sein, als damals.
Seinerzeit hat er in Tetschen, als dort eine Versammlung tagte,
dieser eine Resolution unterbreitet, wonach schon nach erreichtem
50. Lebensjahre der Gewerbetreibende eine Rente erhalten sollte.
Ich legte ihm damals die Frage vor, er möge mir antworten,
wo der Staat die Diamantenfelder und Goldgruben habe, aus denen
er die Mittel dazu nehmen könnte. Und auch jene führenden
Männer, die, wie schon gesagt, bei den letzten Wahlen für
ihre damals neu gegründete Partei damit Stimmung machten,
sie mußten in letzter Zeit bei ihren Tagungen die Wahrnehmung
machen, daß die Sehn sucht nach dieser Versicherung nicht
mehr allzugroß ist. Es ist das Wort "Heraus mit der
Versicherung der Selbständigen!", das noch vor zwei
und drei Jahren zu vernehmen war, vollkommen von der Bildfläche
verschwunden.
Wenn man die Erwerbsmöglichkeiten des
Gewerbes und Handelsstandes nicht mit allen möglichen Schikanen
belasten und eine Erleichterung in der Steuerleistung schaffen
würde, das sind zwei Dinge, die für die genannten Stände
von größerer Bedeutung sind, als wie die ihnen von
einzelnen Personen suggerierte Zwangsversicherung. (Potlesk
poslancù nìm. strany národní.)
Seit einem halben Jahre wird an der Novellierung
der Sozialversicherung herumgepackelt, an dem Gesetz, welches
nicht nur dem Arbeitgeber, sondern auch dem Arbeitnehmer beinahe
unerschwingliche Lasten auferlegt. Industrie, Landwirtschaft und
Handel fühlen schon lange die Härten der Sozialversicherung
und unter dem Druck der großen Unzufriedenheit der Wähler
wegen der Sozialversicherung, hat sich die Regierungsmehrheit
eine Revision der Sozialversicherung zum Hauptziel gesteckt und
es in vielen Versammlungen draußen im Lande laut angekündigt:
Die Sozialversicherung muß abgeändert werden! Nun,
wir sehen eben an der hier vorliegenden Abänderung der Sozialversicherung,
daß dieselbe sehr schwach ausgefallen ist.
Es wird den Abgeordneten von den regierenden
Kreisen gar zu oft vorgeworfen, daß sie bei den Kritiken
nicht genügend Objektivität bewahren, nicht genug sachlich
sind und nicht genug die Würde eines Volksvertreters wahren.
Ist dies überhaupt bei dem hier herrschenden System möglich?
Das parlamentarische Leben - wenn man dies bei uns ein solches
nennen kann - wickelt sich in den Ausschüßen ab, wo
nach den obersten Weisungen die Zügel gehandhabt werden,
das Haus ist leider nur eine Abstimmungsmaschine. Es ist ja einem
Parlamentarier, der zufällig nicht einer großen Partei
angehört, sozusagen unmöglich, einen Gesetzantrag einer
objektiven, sachlichen Kritik zu unterziehen, denn er erhält
ja den Gesetzantrag knapp vor der parlamentarischen Behandlung,
auch dann nur in der Staatsprache, die doch sehr vielen Abgeordneten
nicht geläufig ist. Die Übersetzung oder die Beschaffung
einer solchen nimmt längere Zeit in Anspruch und das Studium
des Gesetzantrages selbst bedarf lange Zeit, wenn der Abgeordnete
mit genügender Objektivität und Sachlichkeit den Antrag
behandeln will. Dazu wird ihm aber keine Zeit gelassen. Und deswegen
ist auch die Kritik ungerecht, welche den Abgeordneten vorwirft,
daß sie nicht mit genügender Sachlichkeit die Materie
behandeln. Daran ist einzig und allein dieses System schuld, welches
die parlamentarischen Verhandlungen zu einer Abstimmungsmaschine
degradiert hat. Wenn die Parlamentarier dann in ihrer Erbitterung
sich in schärferen Kritiken über das jetzige Regierungssystem
auslassen, dann möge ihnen kein Vorwurf wegen nicht genügender
Sachlichkeit gemacht werden.