Besonderen Unmut hat es hervorgerufen, daß
sich einige Krankenkassen fanden, die die Söhne und Töchter
der Landwirte zur Sozialversicherung zwingen wollten. § 2
des Gesetzes spricht doch nur dann von einer Versicherungspflicht,
wenn ein "vereinbartes Arbeits-, Dienst- oder Lohnverhältnis"
vorliegt. So wurden Bestimmungen des Gesetzes durch die ihrer
Aufgabe nicht gewachsenen Unterorgane nicht beachtet und führten
zu Schikanen und zu unnützen teueren Rekursen. Ja, diese
Krankenkassen gingen sogar so weit, ihren diesbezüglichen
Aufforderungen nicht einmal eine Rechtsbelehrung, wie sie im Gesetze
vorgesehen ist, beizufügen. Es erflossen bedauernswerte Fehlentscheidungen
in der ersten und selbst in der zweiten Instanz. Wenn die Kinder
des Landwirts als versicherungspflichtig erklärt werden,
könnte dies doch nur dann erfolgen, wenn sie als Selbständigerwerbende
aufgefaßt werden könnten, und selbst dies ruft schweren
Zweifel hervor. Denn hier spricht ein anderer Umstand streng verneinend
gegen eine Versicherungspflicht hüben und drüben, nämlich
vor allem das Recht der Nachfolge und noch andere Rechtsmomente.
Es gelang, dem § 2 des Gesetzes eine Fassung zu geben, durch
die mitarbeitende Familienglieder nicht als versicherungspflichtig
angesehen werden können.
Eine wesentliche Erleichterung bedeutet die
Regelung der Versicherung der Saisonarbeiter. Auch hier war der
finanzielle Druck ein schwerer. Für die Saisonarbeit ist
der Ausnahmssatz von 90 Tagen gleichfalls eine wesentliche Wohltat.
Die Zahlungen, die diesbezüglich bisher geleistet werden
mußten, bedeuteten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
ein ziemlich verpufftes Geld.
Von oppositioneller Seite wird mit starken
Schlagern in die Debatte eingegriffen und als ständiger Refrain
kehrt die Behauptung wieder, daß die Novellierung dieses
Gesetzes nicht nur eine antisoziale, sondern eine reaktionäre
Tat sei. (Výkøiky nìm. soc. demokratických
poslancù.) Es ist das Vorrecht jeder
Opposition, die Backen etwas voller zu nehmen, den Beweis hierfür
aber bleibt man uns schuldig. Unsere Aufgabe ist es anderseits,
diese Übertreibungen auf das richtige Maß zurückzuführen.
Es ist uns leicht, hierfür einen klaren Gegenbeweis zu liefern,
da wir ja, wie bereits gesagt, wissen, daß sich die Opposition
mit diesen ihren Anschauungen im Widerspruch fast mit der gesamten
öffentlichen Meinung befindet.
Ein beredtes Beispiel, wie schwierig es war,
in der verflossenen Session wichtige und berechtigte landwirtschaftliche
Belange zu sichern, dafür gibt unter anderem auch Zeugnis
der langwierige Weg, den wir zu gehen hatten, um nur einige landwirtschaftliche
Krankenkassen zu erreichen, und dies noch dazu in einem Staate,
in dem heute noch die Landwirtschaft das wichtigste, das dominierende
Element ist. Bislang entschied über die Errichtung neuer
Krankenversicherungsanstalten die Zentralsozialversicherungsanstalt
und war deren Zusammensetzung so, daß keine neuen landwirtschaftlichen
Bezirkskrankenkassen errichtet wurden und man sich bescheiden
mußte, im Verhandlungswege einige magere Exposituren zu
landwirtschaftlichen Krankenkassen zu erreichen. Nun, wer entscheidet
über die Gründung neuer lebensfähiger Kassen? Das
Ministerium für soziale Fürsorge, und hat die Zentralsozialversicherungsanstalt
nur ein Anhörungsrecht und ist das Ministerium in seiner
Entscheidung an das Gutachten der Zentralsozialversicherungszentrale
nicht gebunden. Es kann dieses Gutachten noch überprüfen.
Daß die diesbezüglichen §§ 4 und 5 der Novelle
von der Opposition auf das heftigste bekämpft werden, wußten
wir im voraus, wie sie ja auch alle ähnlichen Paragraphen
bekämpft. Wir beurteilen aber die Sozialversicherungsangelegenheit
und die gesamten sozialpolitischen Gesetze und diesbezüglichen
Wünsche von einer höheren Zinne als von der Zinne der
Partei. Nicht politische, sondern soziale und humanitäre
Bollwerke wollen wir in der Sozialversicherung schaffen. Es wäre
ein Glück für die Menschheit, wenn solche Institute
jeglicher Politik ferne blieben. Dies war immer unsere Überzeugung.
In der Novelle sind zwar nicht alle berechtigten
Wünsche, die wir hegten, verstaut, doch wurde so mancher
Giftzahn den alten Bestimmungen ausgebrochen und ein weiterer
guter Schritt zur Entpolitisierung dieser sozialen Institution
getan. Wie man auf Grund des Gesagten von einer Autokratie der
Landwirtschaft, wie es im Budgetausschuß seinerzeit gesagt
wurde, sprechen kann, ist uns ein unverständliches Rätsel.
Anlehnend an Vorgesagtes weise ich auch auf
nachfolgenden Umstand hin. In Österreich hat die sozialdemokratische
Partei, also Ihre Partei, zum Gesetz über die Industriearbeiter
in einer Resolution ausdrücklich erklärt, daß
sie keine Einwände gegen die weitere Errichtung landwirtschaftlicher
Kassen erhebe. (Výkøiky nìm. soc.
demokratických poslancù.) Ja
noch mehr - das wollen Sie nicht hören - bei den Beratungen
des Internationalen Arbeitsamtes in Genf wurde ausdrücklich
gesagt, daß das landwirtschaftliche Sozialversicherungswesen
selbständig geregelt werden muß. Also beide haben erklärt,
daß landwirtschaftliche Krankenkassen separat zu errichten
sind. An solchen hervorragenden Feststellungen kann kein ernster
Politiker, der nicht von einseitiger Auffassung erfüllt ist
und der nicht nur auf seine Parteipunzierung sieht, achtlos vorübergehen.
Man suchte die Verzögerung der Errichtung
landwirtschaftlicher Krankenkassen auch damit zu begründen,
daß man behauptete, dieselben seien nicht existenzfähig
und müßten mit teueren Regien rechnen. Auch dieses
Argument war falsch und hat sich das Gegenteil herausgestellt.
Eine der zuerst gegründeten landwirtschaftlichen Krankenkassen,
die Krankenkasse Eger, hat durch Bevorschußung der voraussichtlichen
Jahresprämien die Einhebungsarbeit verringert, welche Maßregel
sich so hervorragend bewährt, daß nach drei Jahren
die Krankenkassa einen Reservefond in der Höhe des jährlichen
halben Prämienbetrages hatte und man dadurch in der Lage
war, die Prämien um 10% herabzusetzen, wodurch den Arbeitgebern
und Arbeitnehmern jährlich bei dieser einzigen Kasse
eine Ersparnis von 60.000 Kè erwuchs. Was durch Umsicht
und weise Sparsamkeit erreicht werden kann, zeugt auch die landwirtschaftliche
Krankenkassenexpositur Bischofteinitz, die in den ersten sieben
Monaten ihres Bestandes rund 60.000
Kè Reserven ansammelte und dabei der Zentrale keinen Heller
für Invaliditäts- und Altersbeiträge schuldig ist.
Wir besitzen nur 40 landwirtschaftliche Krankenkassen.
Bezirkskrankenkassen gibt es 280, also genau siebenmal mehr als
landwirtschaftliche und dabei sagen alle staatlichen Statistiken,
daß wir überwiegend ein Agrarstaat sind. Wo bleibt
da das Recht?
Noch krasser sticht dieses Unrecht hervor,
wenn die Statistik uns sagt, daß die Bezirkskrankenkassen
an den Gesamteinnahmen mit 639, unsere landwirtschaftlichen Kassen
nur mit 23.3 Mill. Kè partizipieren.
Das spricht klar und zeigt, wie man die Landwirtschaft, die ja
die Wurzel jedes Staates und jeder Staatsordnung bildet, stiefmütterlich
behandelt und wie man den Ausbau des landwirtschaftlichen Kassenwesens
bislang direkt verhinderte. Das muß anders
werden.
Die Schädigung der landwirtschaftlichen
Kreise ging und geht aber noch weiter. Im Gesetze sagt §
159, daß die Höhe des Versicherungsbeitrages für
die Krankenversicherung regelmäßig 5% des durchschnittlichen
Taglohnes nicht übersteigen darf. Die Vertreter der Krankenversicherungsanstalten
begannen diesbezüglich an der klaren Bestimmung des weiteren
§ 160 des Gesetzes dahin zu deuteln, daß der Tagesbeitrag,
der, wie bereits erwähnt, nach § 159 5% des durchschnittlichen
Tageslohnes beträgt, wöchentlich siebenmal vorgeschrieben
werden soll. Die Zentralsozialversicherungsanstalt hat sich den
Husarenritt geleistet, indem sie es zu einer Kampfabstimmung kommen
ließ und über die Köpfe aller Arbeitgeber der
falschen Auslegung der Krankenkassen beipflichtete. So mußten
denn anfänglich anstatt 5% 5.8% und an manchen
Stellen noch mehr Krankenversicherungsprämien bezahlt werden.
Wohl hat uns das Oberste Verwaltungsgericht, fußend auf
den klaren Bestimmungen des § 159, der 5% als Maximum des
Beitrages festsetzte, von dieser ungerechten Beitragslast befreit
und zwar mit Entscheidung vom 14. April 1927, Z. 6399, doch zeigt
auch dies, welchen Schikanen wir ausgesetzt sind, denn noch viel
ungerechter wirkt sich diesbezüglich das Mißverhältnis
zwischen Lohn- und Versicherungsbeitrag in allen jenen Fällen
selbstverständlich aus, in denen nicht sechs, sondern noch
weniger Tage in der Woche gearbeitet wurde.
Die durch die falsche Sonntagsvorschreibung
erzielte Mehreinnahme der Kassen beträgt bis Ende 1926 4,429.810
Kè. Hiezu gesellt sich noch die gleiche Vorschreibung für
die Monate Jänner, Feber und März 1927, was annähernd
2.3 Mill. Kè ausmacht,
so daß im Ganzen daher durch diese ungerechte Vorschreibung
6,729.810 Kè in einem Zeitraum von 9 Monaten den Arbeitgebern,
und vor allem der Landwirtschaft, entzogen wurden. So arbeitet
man in diesem Institute. Gott sei Dank, entschied anders der Verwaltungsgerichtshof.
Um das Auskommen bei den Krankenkassen zu finden,
heißt es vor allem, die hohe Regie der diversen Anstalten
zu beseitigen. Hier wäre einmal eine allumfassende, gerechte,
aber auch aufrichtige Generalrevision am Platze.
In Paranthese sei erwähnt, daß die
Kassen von der Zentrale eine Unterstützung erhielten für
die Einkassierung der Invaliditäts- und Altersversicherung:
10 Kè per Versicherten, macht bei 4.000 Versicherten bereits
40.000 Kè und stellt insgesamt eine Giebigkeit von 2.5
Mill. Kè dar. Durch letztere Zuwendung haben es alle Krankenkassen,
die nur halbwegs sparsam gearbeitet haben, in der Hand, leicht
teilweise etwaige Geldlücken auszugleichen. Diese Zuwendungen
werden sich automatisch wiederholen und helfend wirken, sie müßten
auf alle Anstalten und selbst verrechnenden Exposituren einwandfrei
aufgeteilt werden. Wir hoffen, daß dieser Ersatz der Verwaltungskosten
an die Kassen in den nächsten Jahren mit Rücksicht auf
die immer mehr anwachsende Arbeit der Kassen ein wesentlich erhöhter
sein wird. Alle Krankenkassen und auch wir fordern es.
Der Grundsatz des Sparens muß sich überall
durchdringen, nicht überprächtige Amtspaläste,
nicht Luxusbauten dürfen erstehen, mit den Geldern muß
von neuem haushälterisch umgegangen werden. Ich werde mir
erlauben, später konkrete Beispiele zu erwähnen. Einseitige
Privatinteressen müssen zur Seite stehen und das Allgemeininteresse
muß für die Zukunft allein ausschlaggebend werden.
Wenn zwangsweise mehr als 2 Mill. Menschen in einem Institute
versichert sind, dann hat hier die Ordnung bis in die kleinsten
Krankenkassenorte zu dringen. Es ist ungehörig, daß
viele Bezirkskrankenkassen die eingezahlten Beiträge für
die Alters- und Invalidenversicherung nicht rasch und ordnungsgemäß
der Zentralanstalt einzahlen, sondern dieselben zurückhalten.
Sie schulden diesbezüglich der Zentrale Millionen. Solchen
unerhörten Manipulationen mit dem Gelde anderer wäre
zu steuern. Wir wollen Ordnung unten und oben.
Wie in manchen Kassen gearbeitet wird, dafür
einige Beispiele, Beispiele, die nicht an die Parteischablone
sich halten, sondern einwandfrei sind. Die Bezirksversicherungsanstalt
Braunau hatte 1927 Verwaltungskosten von 250.000 Kè zu
verzeichnen. Das spricht Bände, wenn man diesen Ziffern gegenüberstellt,
daß im Jahre 1926 der gesamte Jahresaufwand Braunaus 367.000
Kè betrug. In Braunau bezieht der Badewärter, der
auf der allertiefsten Gehaltsstufe steht,
an Gehalt, Zulagen, Pauschalien und Wohnungswert monatlich 1000
Kè, Jahresremuneration nicht eingerechnet. (Výkøiky
na levici.) Anstatt diese Auslagen einzuschränken
und zu sparen, stellte man in der Braunauer Krankenkasse flugs
den Antrag, die Beiträge von 5 auf 7% der Lohnsumme zu erhöhen.
Das ist direkt antisozial, da hievon ja auch der Arbeitsnehmer
betroffen wird. Dann braucht man sich eben auch nicht zu wundern,
wenn Braunau im ersten Halbjahr 1927 bereits ein Defizit von rund
3/4 Millionen, (749.136 Kè)
aufzuweisen hatte. Der Fall Brauanau hat im sozialpolitischen
Ausschuß, da dieser Fall in den Zeitungen veröffentlicht
wurde, einem Kollegen der Opposition den Anlaß gegeben,
darauf zu verweisen, daß in diesem Falle es bürgerliche
Parteien seien sollen, die dort den Obmann stellen. Meinen damaligen
Gegenruf erweitere ich heute und erkläre wie damals: Wo immer
wir im Krankenkassen- und Sozialversicherungswesen ungehörige
Dinge wahrnehmen, werden wir sie beanständen und umso genauer
feststellen, falls solche in den bürgerlich geleiteten Kassen
vorkommen. Hier ist eine Verschleierung nicht am Platze und daher
ein Vorwurf zwecklos. Wenn ein Kollege der Opposition mich auf
Grund dieser Einstellung meiner Partei im Ausschuß als einen
"Wahrheitsfanatiker" hinstellte, nehme ich dieses schmükkende
Substantiv herzlich gerne, ja selbst dankend entgegen. Man muß
nicht immer mit Keulen hauen, man kann auch mit feinen Lanzen
stechen. Auch das Kapitel Troppau ist ein wundes. Die dortige
Bezirkskrankenkasse beschloß, ein neues Krankenkassengebäude
zu errichten. Überhastet wurde ein Neubau in Szene gesetzt,
der 11/2 Mill. Kè kosten sollte.
Die Nachwehen stellten sich bald ein und heute hat man nicht mit
11/2
Mill. Kè, sondern mit 3.4
Mill. Kè zu rechnen, also mit einem selbst den Hundertsatz
hochüberschreitenden Betrage. Fast 2 Mill. Kè mehr,
das ist keine geordnete Wirtschaft, das ist
gewißlich eine fraudulöse Gebarung. Der Landwirt kommt
durch alle Giebigkeiten, die er zu leisten hat, und namentlich
auch durch die Zahlungen für die Sozialversicherung in vielfach
schwere Zwangslagen. Durch diese hohen Auslagen wird er naturgemäß
dazu gedrängt, die Kraft der Maschine als Ersatz in vielfacher
Richtung in Anspruch zu nehmen. Dies wäre ja ein teilweiser
Ersatz, wenn der Landwirt auch die Barmittel bei seiner geringen
Bodenverzinsung aufbringen könnte, um die Maschine bar zu
bezahlen. So mancher muß dann einen übereilten Maschinenkauf
bitter schwer bereuen. Ich könnte Ihnen da mit konkreten
Fällen dienen. Die überschweren Auslagen unserer Bauern
und Gewerbetreibenden, auch der Festbesoldeten, die Dienstpersonal
haben, wurden jedoch in einzelnen Bezirken noch dadurch wesentlich
ungerecht gesteigert, daß die Bewertung der Naturalbezüge
der Arbeiterschaft sehr ungleich erfolgte. Dies löste in
vielen Bezirken Unzufriedenheit aus, da durch eine unrichtige
Bewertung oft eine Einreihung in eine nicht zutreffende Lohnklasse
erfolgte und eine unbillige den tatsächlichen Verhältnissen
nicht entsprechende Mehrbelastung sich hieraus ergab. Die richtige
Bewertung der Naturalgebühren hatte ja nicht nur für
die Sozialversicherung, sondern auch für die Unfallversicherung
eine entsprechende Bedeutung. Bei den früheren Senkungen
des Preisindex fand kein Abbau der Naturalgebühren statt.
Daß betreffs des Wertes der Naturalbezüge der Sozialversicherung
die politische Landesverwaltung zu unrichtigen Schlußfolgerungen
in verschiedenen Fällen gelangte, dafür will ich einen
konkreten, besonders krassen Fall anführen, durch den besonders
der politische Bezirk Taus schwer geschädigt ist, zu welchem
Grenzbezirke auch sehr viele deutsche Gebirgsgemeinden um
Vollmaut, Neumark und Wassersuppen gehören. In Taus ist die
Tagesverpflegung mit 8 Kè für die Städte, mit
7 Kè für das flache Land fixiert, während 9 benachbarte
politische Bezirke hiefür die richtigere und kleinere Ziffer
5 und 6 Kè einstellte. Ja nicht
genug daran: Die Schädigung der Grenzbezirke Taus und Neugedein
setzte in allerjüngster Zeit auch nach anderer Richtung hin
ein. Vor mir liegt Nr. 91 des Amtsblattes der Èechoslovakischen
Republik vom 17. April 1928, in welchem Amtsblatte die Bewertung
der Naturalien für das Jahr 1928
betreffend die Unfallversicherung enthalten ist. Die Bewohner
dieser Grenzbezirke, wo die Höhenlagen eines Èerchov
und anderen Bergrücken in Betracht kommen, rangieren in der
Gruppe IV. Und ein noch weiteres klaffenderes Unrecht
widerfuhr in Bezug auf die Unfallversicherung dem politischen
Bezirk Tepl und Schüttenhofen (Gerichtsbezirke Schüttenhofen,
Bergreichenstein und Hartmanitz), welche politischen Bezirke man
sogar in die Gruppe III einreihte, neben fruchtbare Bezirke, die
mitten im Lande liegen. Dort müssen die verantwortlichen
Faktoren überhaupt geschlafen haben. Gott sei Lob hat ferner
die gerechte Bestimmung der Novelle, daß Naturalbezüge
die Lohnklasse nur um eine Stufe beim landwirtschaftlichen Gesinde
er höhen dürfen, hier Wandel geschaffen, wenigstens
was die Sozialversicherung betrifft. Die Schikanen liefen weiter.
Die Krankenversicherungsanstalten vertraten in vielen Fällen
die Ansicht, daß gegen ihre Zahlungsaufträge nur innerhalb
15 Tagen vom Zustellungstage an gerechnet Berufung eingelegt werden
könne. Im Gesetze ist keine Handhabe, die zu dieser Auffassung
hätte führen können. So mußte auch hier im
Rekurswege diese falsche Auffassung gebrochen werden und entschied
die politische Landesverwaltung in Brünn in Erkenntnis, Z.
16.274/ai 1927, daß das Gesetz keine Frist für die
Einbringung eines Rechtsmittels festsetzt und daß Bescheide
auch später angefochten werden können. Aber nicht genug
daran, man trieb die Sache bis zum Ministerium für soziale
Fürsorge, welches mit Z. 3922-T-2 die Entscheidung der politischen
Landesverwaltung Brünn mit der Begründung bestätigte,
daß das Gesetz zwar die Aufnahme einer Rechtsmittelbelehrung
im Bescheide vorschreibt, daß aber nirgends in demselben
eine Präklusivfrist bestimmt ist, innerhalb welcher der Bescheid
angefochten werden kann. Wieder ein Beweis, wie wir selbst unser
klarstes, augenscheinlichstes Recht uns erst im Rekurswege erkämpfen
müssen. Man manövriert eben, wo man kann gegen uns.
Und unser Landmann, der in Rekursen nicht sehr bewandert sein
kann, ist der Leidtragende.
Es mehren sich auch die Beschwerden bei anderen
Bezirkskrankenkassen in vielfacher Richtung. Die Zahlungslisten
werden oft verspätet zugeschickt und hiebei hohe Verzugszinsen
angerechnet, trotzdem die Anstalt selbst für die Verzögerung
die Schuld trägt. Natürlich ist dieses Gebahren vollkommen
ungesetzlich und widerspricht es den §§ 174 und 175
des Gesetzes vom 9. Oktober 1924, nach welchem erst nach 15tägiger
verspäteter Bezahlung 5% Verzugszinsen vorgeschrieben und
eingehoben werden dürfen. Es kommen auch andere Unzukömmlichkeiten
vor. So hat z. B. die Bezirkskrankenversicherungsanstalt in Asch
die Arbeitsunfähigkeit eines Kriegsinvaliden nach einem anderen
Maßstabe beurteilt wie die Arbeitsunfähigkeit eines
anderen Versicherten. Gott sei Lob hat auch da über eine
diesbezügliche Beschwerde die Zentrale gerechten Wandel geschaffen
und die falsche Entscheidung von Asch behoben. Doch wie oft vergessen
die Benachteiligten in solchen Fällen den Beschwerdeweg zu
betreten und deshalb wäre nach dieser Richtung hin die Herausgabe
strenger Weisungen am Platze.
Man erschwert ferner die Bewilligung von Darlehen.
Die Zentralversicherungsanstalt weigert sich, Gemeinde- und Bezirksdarlehen,
die im Jahre 1927 ordnungsgemäß beschlossen und bewilligt
wurden, im Jahre 1928 zur Auszahlung zu bringen. Die Begründung
lautete, daß nicht der Rechtszustand zur Zeit des Abschlusses
des Darlehensvertrages, sondern der zur Zeit der Auszahlung maßgebend
sein soll. Die Zentralsozialversicherungsanstalt verlangte diesbezüglich
vorerst eine authentische Interpretation des Finanzministeriums.
Auch da hat das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium
des Innern unserer Rechtsauffassung Raum gegeben. Die Berufung
auf die Beschränkung des § 20 des Finanzgesetzes war
also hinfällig. Dieses Schaukeln und Schwanken in den Grundsätzen
der Staatsverwaltung war bei uns bislang besonders hoch entwickelt
und muß daher in Zukunft ausgemerzt werden.
Betreffend die Krankenversicherung der im Gartenbau
beschäftigten Personen hat trotz einer obersten Verwaltungsgerichtshofentscheidung
so manche Krankenversicherungsanstalt verlangt, daß diese
Personen nicht bei der landwirtschaftlichen Krankenkassa, sondern
bei ihr anzumelden sind. Der Gartenbau - und diesen klaren Standpunkt
nehmen alle Landeskulturräte ein - gehört zur Urproduktion
und sind zu Gewerbebetrieben nur jene Gartenbaubetriebe zu rechnen,
die vorwiegend Handel betreiben und überwiegend gekaufte
Erzeugnisse weiter verarbeiten, veredeln und verwerten, wo also
die selbst erzeugten Produkte eine untergeordnete Rolle spielen.
Unser trauriges Beschwerdekapitel ist noch
lange nicht erschöpft. Viele Bezirkskrankenversicherungsanstalten
wollten den klaren Wortlaut des § 25 des Gesetzes nicht anerkennen
und bestritten insbesondere auch die Versicherungszugehörigkeit
der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter der größeren
Grund- und Waldbesitze zur landwirtschaftlichen Bezirksversicherungsanstalt.
In langzügigem Rekurswege mußten wir erst unser Recht
erkämpfen und die Behörden kamen endlich zur Überzeugung,
daß das Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob
ein Versicherungspflichtiger in einem Waldbesitze beschäftigt
ist oder nicht, keineswegs im inneren Inhalt der errichteten Arbeit
oder darin gesucht werden kann, ob das Ergebnis dieser Arbeit
sich im Waldbetriebe zeigt, sondern, daß einzig und allein
der Umstand maßgebend ist, daß diese Arbeiten nur
die Bodenausnützung oder die Erreichung der Ergebnisse der
Forstwirtschaft bezwecken. Was von vornherein als selbstverständlich
anzusehen war, mußten wir, und auch in diesem Falle, erst
im Streitwege erringen. Hoffentlich erfließt auch vom Verwaltungsgerichtshof
diesbezüglich eine solche gerechte Entscheidung.
Ich hatte schon im Vorjahre Gelegenheit, von
dieser Stelle aus im Gegensatz zur teueren Arbeit der Sozialversicherung,
bei der die Regie der Invaliden- und Altersversicherung in einem
Jahre 52 Mill., das sind 8% der Prämien verschlingt,
auf das segensreiche Wirken des Landesversicherungsfondes für
Böhmen hinzuweisen, bei der die Regie eine verschwindend
kleine ist und bei der kein Heller der Prämien zu Regiezwecken
in der späteren Rente zum Ausdruck kommt. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Ich
kenne viele Landwirte und ich könnte viele Namen nennen,
wenn es taktvoll wäre - es ist aber nicht taktvoll - ich
kenne viele Arbeitgeber, die ihre Arbeiter vor dem Kriege beim
Arbeiterlandesfond versichert haben. Heute bin ich, nachdem ich
mich nach dieser Richtung hin noch eingehender informierte, in
der angenehmen Lage, dieses Urteil über den Landesversicherungsfond,
dies allerdings zu ungunsten der Arbeitersozialversicherung, insoferne
zu erweitern, daß dieser Fond, der einvernehmlich
zwischen den deutschen und èechischen Parteien geschaffen
wurde, keinen Verlust bei Unterbrechung der Einzahlungen kennt.
Der allgemeine Aufbesserungsfond ist hier derart gut verwaltet,
daß vorzeitig Erwerbsunfähige entsprechende
Aufbesserungen zu ihren Renten erhalten. Ebenso erhalten auch
die unbemittelten Gewerbetreibenden, die das 60. Lebensjahr erreicht
haben, Zubußen aus dem parallel neben dem landwirtschaftlichen
Fond verwalteten gewerblichen Aufbesserungsfond. In beiden Fällen
werden die Renten bis um 100% aufgebessert. Eine 100%ige Rentenaufbesserung
ohne Belastung anderer Bevölkerungsschichten ist wohl ein
anderen Versicherungen gegenüber nicht zu unterschätzender
Vorteil. In weiterem führe ich an, daß dieser Landesversicherungsfond
mittels Kundmachung der politischen Landesverwaltung vom 21. Juni
1925 und ferner mittels Beschlusses der Regierung vom 23. Februar
1924 auf eine neue und den gegenwärtigen Geldverhältnissen
entsprechende Unterlage gestellt werde und die Annahme von Versicherungseinlagen
zwecks Erlangung einer Bezugsrente bis 6000 Kronen bewilligt wurde.
(Výkøiky posl. Grünznera.) Dieser
Fond ist von den deutschen und èechischen Parteien im Landtage
gemeinsam beschlossen worden und daran haben auch unsere Vertreter
ein Verdienst gehabt. Dieser Fond wird fürderhin auch neben
der Sozialversicherung seine gute Tätigkeit
entfalten und es ist zu begrüßen, daß durch die
Steuerreform eine Rentensteuererleichterung hier wenigstens teilweise
platzgriff. Wie segensreich der Landesversicherungsfond für
Böhmen wirkt, zeigt sein allerjüngster, das Jahr 1927
behandelnder Ausweis. Seit Eröffnung der Fondstätigkeit
im Jahre 1895 wurden bis Ende 1927 an Versicherungseinlagen 29.1
Mill. erlegt. Die Summe der erkauften aufgeschobenen Renten beläuft
sich auf 17.5, die Summe der 1927 ausbezahlten Renten
auf 0.7 Mill. Kè. Im ganzen wurden bisher
12.5 Mill. Kè ausbezahlt,
der Überschuß von 1.3
Mill. Kè - und das ist das Bezeichnende - der im Prämienfond
bei den Prämienreserven erzielt wurde, wurde nicht etwa nur
dem Kursdifferenzenkonto, sondern den einzelnen Aufbesserungsfonden
und dem Grundfond zugewiesen.