Ètvrtek 14. èervence 1927

3. Øeè posl. Kirpalové (viz str. 2654 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Das uns vorliegende Zigeunergesetz ist nicht nur ein Ausnahmsgesetz, sondern ist gleichzeitig ein verfassungswidriges Gesetz. Nach dem Umsturz sind wir ohne jedes Ausnahmsgesetz ausgekommen. Erst jetzt - und das ist ein Zeichen des Wachsens der Reaktion schafft man Ausnahmsgesetze. Das Zigeunergesetz ist ganz überflüssig, denn die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches und des Strafgesetzes genügen vollkommen und geben so viel Möglichkeiten, Zuwiderhandelnde zu erfassen und eventuell zu bestrafen.

Wenn ich das Gesetz als verfassungswidrig bezeichnet habe, so will ich dies gleich beweisen. Im Artikel 106 der Verfassungsurkunde heißt es, daß Vorrechte des Geschlechtes, der Geburt und des Berufes nicht anerkannt werden, alle Einwohner der Èechoslovakischen Republik genießen in gleicher Grenzen als Staatsbürger dieser Republik auf ihrem Gebiete vollen und unbedingten Schutz ihres Lebens, ihrer Freiheit, ohne Rücksicht darauf, welcher Abstammung, Staatszugehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion sie sind. (Posl. Hackenberg: Bezieht sich auch auf die Rasse!) Ja, bezieht sich auch auf die Rasse, und deshalb will ich auch auf § 128 verweisen, der von den Minderheitsvölkern und Rassen spricht, wo es heißt: Alle Staatsbürger der Èechoslovakischen Republik sind vor dem Gesetze vollständig gleich und genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte ohne Rücksicht darauf, welcher Rasse, Sprache oder Religion sie sind. Es ist also klar erwiesen, daß dieses Gesetz verfassungswidrig ist. Aber wir sind es ja schon von dieser Majorität gewöhnt, daß sie verfassungswidrige Gesetze schafft. Erst in der letzten Zeit sahen wir, wie ohne Achselzucken die verfassungswidrige Verwaltungsreform beschlossen wurde, und nunmehr folgt dieses Zigeunergesetz.

Nach dem vorliegenden Gesetz werden alle Zigeuner fast ohne Ausnahme als Hühnerdiebe stigmatisiert. Der Herr Referent Viškovský erklärte, daß dieses Gesetz deshalb geschaffen werden mußte, weil alle Zigeuner - er hat also generalisiert - die Arbeit negieren, also arbeitsscheu und faul sind. Wir wissen jedoch, daß dort, wo die Bedingungen vorhanden sind, sich die Zigeuner akklimatisiert haben, daß in der Slovakei ganze Gebiete von Zigeunern bewohnt sind, und sie dort bürgerliche Berufe ergriffen haben. Man kann natürlich nicht, so wie es der Herr Berichterstatter getan hat, generalisieren und alle Zigeuner als verwahrloste, arbeitsscheue Elemente hinstellen. (Posl. Hackenberg: Man soll ihnen Gelegenheit zur Arbeit geben, ein Stückerl Boden, statt im Bodenamt so zu wirtschaften, wie es geschehen ist!) Der Boden wird natürlich nicht an Zigeuner zugeteilt, sondern an èechische Agrarier, für die anderen bleibt nichts übrig, für die anderen werden Ausnahmsgesetze, werden verfassungswidrige Gesetze geschaffen. Wir lehnen selbstverständlich dieses Gesetz ab, bemühen uns aber doch, durch Einbringung von Abänderungsanträgen zumindestens die härtesten Schärfen wegzunehmen.

Ich möchte nun einzelne Paragraphen dieses Gesetzes vortragen, um Ihnen zu zeigen, wie unsozial, unmenschlich und verfassungswidrig sie sind. Unter den § 1 fallen nicht nur die Zigeuner, sondern auch die anderen nach Zigeunerart lebenden Landstreicher, auch wenn sie während eines Teiles des Jahres einen ständigen Wohnsitz hatten. Das Gesetz ist nicht nur gegen die Zigeuner geschaffen, sondern ist auch ein arbeiterfeindliches Gesetz. Nicht selten wird es vorkommen, daß Arbeiter, nach Arbeit suchend, von Ort zu Ort ziehend erfaßt werden und der Bestrafung zugeführt werden. Wir lehnen natürlich den dehnbaren Begriff dieses Paragraphen ab und haben auch einen Antrag auf Streichung eingebracht. (Výkøiky posl. Hackenberga.)

Ganz verfassungswidrig ist auch der Absatz 3 des § 5 und der § 10, deren Streichung wir ebenfalls beantragen. Im Nomadisierschein kann im Interesse der öffentlichen Sicherheit auch die Richtung und Art des Weges vorgeschrieben werden. Es kann bestimmt werden, wo sich die betreffenden Zigeuner aufhalten dürfen. Hier wird ein staatsgrundgesetzlich gewährleistetes Recht durchbrochen. Auf Grund unseres Verfassungsgesetzes ist die Freizügigkeit gewahrt, alle Rassen und Völker sind gleichzuhalten, sie dürfen ihren Wohnsitz nach Belieben wählen. Nach diesem Gesetz ist das selbstverständlich verboten. Nach Abs. 4 liegt es im Ermessen der politischen Behörde. wenn und auf wie lange die Bewilligung zum Nomadisieren erteilt wird. Die Zigeuner sind der Willkür der Beamten, der Bürokratie preisgegeben. Wem der Nomadisierschein ausgestellt werden kann, darüber gar keine Bestimmung, auf wie lange er lauten kann, gar keine Bestimmung, welche Gebiete ihnen erschlossen werden, keine Bestimmung: alles liegt in dem Ermessen der Beamten der politischen Behörden. Wir verwahren uns dagegen, daß die Freizügigkeit, die jedem Menschen gewährleistet ist, durch die Bestimmungen dieses Gesetzes unterbunden wird. Einer der härtesten, unsozialsten und unmenschlichsten Paragraphen ist der § 12, dessen Gesamtstreichung wir beantragen. § 12 sagt klar und deutlich: Kinder unter 14 Jahren können den herumziehenden Zigeunern entzogen werden, wenn sie wegen ihrer herumziehenden Lebensart außerstande sind, für dieselben gebührend Sorge zu tragen. Dem Senat war die Bestimmung der Jahreszahl viel zu niedrig, und so wurde eine Änderung vorgenommen und die Jahreszahl von 14 auf 18 Jahre erhöht. Gleichzeitig sollen die Kinder bis zum 21. Lebensjahre in Anstaltspflege oder in private Pflege in Familien untergebracht bleiben. Der ursprüngliche Text lautete auf 16 Jahre. Sie werden mir nun vielleicht vorwerfen - mag sein, ich nehme den Vorwurf ganz gerne entgegen - daß ich mich hier rein von Gefühlsmomenten leiten lasse, wenn ich diesen Paragraphen als unmenschlich und unsozial bezeichne. Es sind furchtbare Härten, wenn Eltern von Kindern, Kinder von Eltern gewaltsam, gegen ihren Willen getrennt werden. Ich möchte einen der Initiatoren dieses Gesetzes fragen, was er dazu sagen würde, wenn man ihm sein Kind gewaltsam nehmen würde. Auch Zigeunermütter lieben ihre Kinder, mehr vielleicht, als diese Herren ahnen. Sie lieben ihre Kinder, weil sie ihr einziges Gut sind. Es ist dieser gewaltsame Raub mehr als eine Grausamkeit. Den Zigeunern steht überhaupt keine Berufung zu. Jeder Mörder hat das Recht, bei seiner Verurteilung eine Berufung einzubringen, den Zigeunern ist dieses Recht überhaupt nicht zugebilligt, ist ihnen versagt. Nicht nur von Gefühlsmomenten habe ich mich leiten lassen, wenn ich gegen diesen Paragraph sprach, sondern der klare, nüchterne Verstand sagte mir, daß der § 12 eine harte, unmenschliche Grausamkeit

ist. Auch Sie, meine Herren, müßten sich gegen diese Unmenschlichkeit wehren. Aber, von Ihnen, meine Herren, der bürgerlichen Majoritätsparteien, sind wir schon gewohnt, daß Sie mit den Arbeitern nach Ihrem Belieben umgehen, Sie kennen keine Humanität, Zigeuner scheinen bei Ihnen keine Menschen zu sein! Die Herren Viškovský und Schubert haben uns erzählt, das Gesetz ist ein vom sozialen Geist und Humanität getragenes Gesetz, sie erklärten, man wolle die Zigeunerkinder retten, ihnen Erziehung angedeihen lassen, man wolle die Kinder auf den richtigen Lebenspfad bringen, man wolle den Kindern eine sichere Zukunft gewährleisten. Sie, meine Herren, die hier von Humanität und sozialen Gefühl und Geist sprechen, Sie haben über haupt keine Ahnung, was Humanität ist. Das haben Sie in diesem Hause nicht einmal, das beweisen Sie täglich; denn ein unsoziales Gesetz jagt das andere. Das Ihnen zu sagen, halte ich für meine Pflicht. Diese Gesetzesvorlage ist der beste Beweis, wie unsozial Ihre Handlungen nicht nur den Zigeunern gegenüber, sondern gegenüber der gesamten arbeitenden Bevölkerung sind.

Nun zu der Aufnahme der Kinder in den Anstalten. Es wurde hier gepriesen, sowohl vom Herrn Berichterstatter, als auch von den Rednern der Majorität, daß es sehr gut sei, daß man sich endlich mehr der Familienpflege als der Anstaltspflege zuwende. Doch der Herr Koll. Schubert hat aber gleich die Befürchtung ausgesprochen, daß sich wohl wenige Familien finden werden, die Zigeunerkinder aufnehmen werden, weil sie mit Recht fürchten müssen, daß ihre eigenen Kinder dem schlechten Einflusse der Zigeunerkinder unterliegen könnten. Es bleibt also natürlich nur der Weg zu der Anstaltspflege. Nun wie sieht es da aus? Sie selbst legen im Gesetze fest, daß der Staat verpflichtet sei, für die Unterkunft der Kinder Sorge zu tragen. Wir können aber nicht einmal alle hilfsbedürftigen Kinder in Anstalten unterbringen, wo wollen Sie noch so viele Zigeunerkinder unterbringen? Sie schaffen nur Gesetze, die gleichzeitig eine Augenauswischerei sind. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit, daß im Jahre 1921 hier ein gutes Gesetz, das auch unsere Zustimmung gefunden hat, angenommen wurde - das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, das ebenfalls einen Paragraphen hat, der besagt, daß die Geschlechtskranken in Asylen, in Heimen und Anstalten unterzubringen seien, für deren Errichtung in erster Linie die Regierung Sorge zu tragen habe. Das Gesetz besteht schon seit dem Jahre 1921, bis zum heutigen Tage hat aber die Regierung noch nicht eine einzige derartige Anstalt errichtet. Es konnten die gesetzlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden. Ja noch mehr, meine Damen und Herren! Dort, wo Gemeinden und Bezirke oder gemeinnützige Korporationen wie die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sich bereit erklären, derartige Heime zu errichten, dort legt man ihnen seitens der Regierung unüberbrückbare Hindernisse in den Weg. Die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Aussig bemüht sich seit Jahr und Tag, ein derartiges Heim zu errichten. Interventionen wurden durchgeführt, alle kompetenten Stellen von uns bereits aufgesucht, damit uns Geld zur Verfügung gestellt werde, um dieses Heim errichten zu können, das doch aufgrund des Gesetzes errichtet werden sollte. Das Ministerium für Gesundheitswesen sagte: Wenn das Finanzministerium eine Summe zur Verfügung stellt. Das Finanzministerium erklärte: Wenn das Ministerium für soziale Fürsorge eine Summe zur Verfügung stellt. So lehnte einer nach dem andern ab, Geld zur Verfügung zu stellen, und zum Schluß erklärten sie: Wenn die Gemeinden und die betreffenden Bezirke Geld zur Verfügung stellen, wenn der Bau finanziell gesichert sein werde, dann wollen auch wir unser Schärflein beitragen. Das ist ein Beispiel für viele, viele andere, das ich bei dieser Gelegenheit anführen wollte.

Nun zur Anstaltspflege als solche, weil Sie glauben, daß in der Anstaltspflege das Allheilmittel zu suchen sei. Wir stehen der Anstaltspflege nicht ablehnend gegenüber, aber natürlich muß die Unterbringung der Kinder individualisiert werden. Es muß eine natürliche Unterscheidung nach der Hilfsbedürftigkeit und Schutzbedürftigkeit der Kinder vorgenommen werden. Aber was sehen wir in vielen unserer Anstalten? Da sind schwer psychopathische Kinder mit Waisenkindern, körperlich defekte mit geistig defekten Kindern beisammen. Ein Erziehungserfolg ist überhaupt nicht möglich, weil keine Individualisierung vorgenommen werden kann. Der Lehrer kann unmöglich den an ihn gestellten Anforderungen gerecht werden. Die Landesjugendfürsorge bemüht sich wohl, hier Wandel zu schaffen, aber auch ihr sind die Hände gebunden. Die staatliche finanzielle Unterstützung für die Jugendfürsorge ist sehr minimal. Die Subventionen nehmen von Jahr zu Jahr ab und die Jugendfürsorge vermag ihre Tätigkeit nur aufrechterhalten, wenn ihr durch Sammlungen Gold zur Verfügung gestellt wird. Der Senator Dr Stolberg und das darf hier unbedingt nicht unerwähnt bleiben - hat im Senat zum Zigeunergesetz gesprochen und folgendes erklärt: Ich erfülle im Namen der Organisationen eine Pflicht der Dankbarkeit, wenn ich hervorhebe, daß das Ministerium für soziale Fürsorge und das Ressort für Jugendfürsorge den Jugendschutzorganisationen volles Verständnis und nach Kräften auch Unterstützung angedeihen lassen. Ich vermag hier nicht zu beurteilen, ob Sen. Stolberg beauftragt war, dies im Namen der Jugendfürsorge auszusprechen. Nach dem Bericht der "Deutschen Presse" sagte er klar und deutlich: Im Namen dieser Organisationen. Falls er beau ftragt wäre, so wäre das der reinste Widerspruch zu den Reden, die wir von den Vertretern der Jugendfürsorge selbst vor ein paar Wochen in Teplitz auf der Vertretungstagung gehört haben. Dort wurde von den exponiertesten Vertretern der Landesfürsorge bitter Klage darüber geführt, daß die Subventionen überhaupt nicht oder nur zu sehr spärlich einlaufen, daß sie wohl moralische Unterstützung erhalten, doch das Wichtigste, die finanzielle Unterstützung, bleibe aus. (Posl. Hackenberg: Darüber klagen sogar die Vertreter des Ministeriums für soziale Fürsorge, daß sie nicht die Möglichkeit dazu haben!) Ja, ihnen sind die Hände gebunden, sie können unmöglich etwas machen, aber der Herr Minister hat sich in der letzten Zeit vorbehalten, jedes Subventionsgesuch zu prüfen, und es wird die Subvention erst dann bewilligt, wenn Herr Pater Šrámek die Zustimmung hiezu gibt. Vielleicht haben die Deutschen etwas zuviel bekommen und nun haben sich die èechischen Herren Minister das Recht herausgenommen, die Subventionsgesuche selbst zu prüfen und die Subventionen nachzuprüfen. Ich will, um den Wahrheitsbeweis zu erbringen, wie wenig Subventionen gegeben werden. Ihnen nur noch folgende Summen mitteilen: Im Jahre 1926 erhielt die deutsche Landeskommission eine Gesamtsubvention von 175.975 Kè. (Posl. Schweichhart: Böhmen?) Ja. Der Gesamtaufwand für den Militarismus hat aber in derselben Zeit fast 2 Milliarden Kè verschlungen. Für den Militarismus fast doppelt soviel wie die Gesamtsumme für soziale Fürsorge und die Gesundheit in diesem Staate ausmacht. Diese Gegenüberstellungen sprechen eine deutliche Sprache und widerlegen so die Ausführungen des Herrn Senators Stolberg Wenn ein Herr der christlichsozialen Partei - verzeihen Sie, beinahe hätte ich einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht - den Mut aufbringt - um mich ein wenig zu dämpfen - Anerkennung und Dank der Regierung für die finanzielle Unterstützung zu zollen, dann muß ich hier von dieser Stelle aus aussprechen, daß das eine Kriecherei vor den èechischen bürgerlichen Parteien ist. (Rùzné výkøiky na levici.) Vielleicht gibt es dafür eine andere Belohnung, vielleicht ein paar Kohleneinfuhrscheine wieder mehr! Die Jugendfürsorge selbst soll sich äußern. Ich habe aber nur in den Intentionen dieser Korporationen gesprochen, weil ich selbst ihre Beschwerden aus dem Munde der exponierten Führer gehört habe.

Nun noch einmal ein paar Worte zu der Unterbringung der Kinder in Anstalten. Es kann uns durchaus nicht genügen, daß man die Kinder wahl- und planlos unterbringt, so wie man es heute tut, vielleicht nur um sich das eigene Gewissen zu beruhigen. Wir verlangen, daß die Kinder nach ihrer Eigenart und Hilfsbedürftigkeit untergebracht werden. Wir verlangen aber auch gleichzeitig, daß die Kinder in diesen Anstalten nicht zu schwerer körperlicher Arbeit verwendet werden dürfen. Leider ist es heute in manchen Anstalten so, daß sich die Kinder dem geistigen Lehrstoff nicht voll und ganz widmen können, weil sie vor und nach dem Schulunterricht schwere körperliche Arbeit, und zwar zwecks der Erhaltung der Anstalt leisten müssen. Daß der Unterrichtserfolg ausbleiben muß, wenn der Körper ermüdet und der Geist dadurch nicht aufnahmsfähig ist, ist nur selbstverständlich. Aber unmoralisch ist es auch, wenn eine andere Kategorie von bedauernswerten, ja der bedauernswertesten Geschöpfe für ihren Unterhalt, vielmehr für den der Anstalt mit Sorge tragen muß. Ich denke z. B. an die Blindenschule in Aussig. Nachdem die Erhaltung durch den Staat viel zu wünschen übrig läßt, die Leitung oft nicht weiß, wie sie die Mittel aufbringen soll, fahren die Kinder oft in andere Städte - nicht um ihr Können allein zu zeigen, sondern um Konzerte zu veranstalten, damit der Ertrag aus diesen Konzerten mitverwendet werden kann zur Erhaltung dieser sozialen Anstalt. Das ist unmoralisch, das ist doch alles andere als human, und doch sprechen Sie hier soviel von Humanität und sozialen Geist.

Zum Schlusse möchte ich sagen, daß wir, nachdem wir die Spezialisierung der Anstalten verlangen, eine zweite Forderung erheben: Moderne Anstalten, moderne Pädagogen, aber nicht in der Art eines Herrn Schubert. Solche Prügelpädagogen lehnen wir ab, aber sozialempfindende Leiter. Nachdem der Grundsatz sich immer bewahrheitet hat, daß Vorbeugen billiger ist als Heilen, wollen wir, daß die Kinder nicht erst untergebracht werden, wenn sie verwahrlost sind, sondern sofort erfaßt werden, sobald der Beginn der Verwahrlosung bemerkbar ist. Das alles aber ist nur durchzuführen aufgrund eines großen Programms, und hiezu ist eine Vorbedingung notwendig: Ein vom sozialen Geiste getragenes modernes Jugendfürsorgegesetz und im Zusammenhang damit ein modernes Jugendstrafrecht. Wir haben diese Forderung bei jeder Budgetberatung aufgestellt, wir wiederholen sie noch einmal in der Hoffnung, daß diese Vorlagen ehestens dem Hause vorgelegt werden. Zum Zigeunergesetz erkläre ich namens meiner Fraktion, daß wir gegen das Gesetz stimmen werden. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

4. Øeè posl. Krebse (viz str. 2661 tìsnopisecké zprávy):

Die Regierung legt dem Abgeordnetenhause drei Gesetze vor, die sie mit den Erreignissen der letzten Zeit begründet. Das Überhandnehmen der sogenannten Zigeunerplage, die nicht nur in der Slovakei und Podkarpatská Rus, sondern in den letzten Jahren auch in Mähren und Böhmen besonders größeren Umfang angenommen hat, wird dazu benützt, um eine Sondergesetzgebung aufzurichten, die unserer Meinung nach nicht nur im Widerspruch zur Verfassung steht, sondern auch ein höchst gefährliches Präjudiz für die Zukunft bedeutet. Der § 128 der Staatsverfassung bestimmt ausdrücklich: "Alle Staatsbürger der Èechoslovakischen Republik sind vor dem Gesetze vollkommen gleich und genießen die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte ohne Rücksicht darauf, welcher Rasse, Sprache oder Religion sie angehören". Aber auch der § 107 der Staatsverfassung verbietet eine derartige Sondergesetzgebung; dort heißt es wörtlich: "Die Freiheit der Person ist gewährleistet". Wenn nun die Regierungsmehrheit sich über diese Bestimmungen der Staatsverfassung hinwegsetzt, dann ist es ein gewöhnlicher Verfassungsbruch. Aber in diesem Hause ist man gegen Verfassungsverletzungen schon derart abgebrüht, daß es niemand wundernehmen darf, wenn sich die Mehrheit auch diesmal bedenkenlos über alle Einwendungen hinwegsetzen wird. Wir haben es ja vor wenigen Tagen erlebt, daß sich die Mehrheit bei der Gesetzesvorlage über die Verwaltungsreform über alle Einwendungen hinwegsetzte und Bestimmungen in das Gesetz aufnahm, die tatsächlich verfassungswidrig sind. Als Zigeuner haben sich in der ganzen Republik 8.446 zur èechoslovakischen Staatszugehörigkeit bekannt, die vorwiegend in der Slovakei und Podkarpatská Rus leben; in Böhmen, Mähren und Schlesien wurden nur 61 Zigeuner gezählt. Dieses Verhältnis hat sich zweifellos in den letzten 6 Jahren - es war die Volkszählung von 1921 - wesentlich verschoben, sicherlich sind viele hunderte Zigeuner nach Böhmen, Mähren und Schlesien zugewandert. Insgesamt leben hier neben den 8.446 Zigeunern der èechoslovakischen Staatsangehörigkeit noch 282 ausländische Zigeuner. Wir geben ohneweiters zu, daß sich das Zigeunerunwesen zu einer Landplage in einzelnen Teilen dieses Staates herausgebildet hat. Wir bestreiten aber, daß zur Bewältigung des Zigeunerunwesens ein besonderes Gesetz nötig sei. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen vollkommen genügen, um der vorkommenden Gesetzwidrigkeiten Herr zu werden. Aber das vorliegende Gesetz beschränkt sich ja nicht nur auf die sogenannten herumziehenden Zigeuner, sondern faßt unter seine Strafbestimmungen auch den sehr dehnbaren Begriff "ähnliche Landstreicher". Was kann man mit dieser Subsummierung von Begriffen alles machen! Gegen jeden anständigen Arbeiter, der durch Unglück oder Arbeitslosigkeit ins Elend gekommen ist, kann dieses Gesetz in der schamlosesten Art und Weise mißbraucht werden. Der § 1 bezeichnet als Zigeuner nicht nur die von Ort zu Ort herumziehenden Zigeuner, sondern ausdrücklich auch andere nach Zigeunerart lebende Landstreicher, und zwar auch dann, wenn sie während eines Teiles des Jahres einen ständigen Wohnsitz haben. Wer etwa ein Gewerbe im Umherziehen ausübt oder durch Arbeitslosigkeit gezwungen ist, arbeitssuchend im Lande zu wandern, kann ohne weiters unter die drakonischen Bestimmungen des Zigeunergesetzes fallen. Er wird nicht nur eine Zigeunerlegitimation aufgezwungen erhalten, von ihm werden wie von einem Verbrecher Fingerabdrücke abgenommen, er wird so stigmatisiert werden. Er kann zur Impfung, Desinfektion, Haarabschneidung und Isolierung gezwungen werden, und man kann sich schon vorstellen, in welcher Art und Weise derartig unerhörte Eingriffe in das Privatleben einzelner Menschen mißbraucht werden können.

Aber daran nicht genug; die Zigeuner können sogar ihrer Kinder beraubt werden, ein Eingriff in die Familie, der so unerhört ist, daß dieses Gesetz gewiß einzig dasteht in der Geschichte der modernen Gesetzgebung. Darüber hinaus können nach § 13 bei Verurteilungen der betreffenden Personen Fuhrwerke, Tiere, Waffen, Munition und Explosivstoffe zu Gunsten des Staates für verfallen erklärt werden. Es fehlt nur noch die Bestimmung, daß die Kinder meistbietend verkauft werden können. Aber alle diese Bestimmungen genügen der Regierungsmehrheit nicht, sie will im Kampfe mit den Zigeunern noch schärfere Waffen, die wiederum überaus zweischneidig sind und sich gegen ganz andere Bevölkerungsschichten richten können, als vorgegeben ist. Der Gesetzentwurf, der mit Drucknummer 448, betreffend den Waffengebrauch der Gendarmerie und der Polizei, dem Hause zur Beschlußfassung vorliegt, bestimmt wesentliche Erleichterungen beim Gebrauch der Schußwaffe. Der Gendarm kann danach von der Waffe schon Gebrauch machen, wenn er sich im Falle der Notwehr zur Abwendung eines gewalttätigen Angriffes befindet, und zwar auch dann, wenn er ihn nicht unmittelbar bedroht, sondern wenn dadurch das Leben anderer Personen gefährdet wird. Auch diese Bestimmung ist derart dehnbar gefaßt, daß die schwersten Befürchtungen für die Zukunft am Platze sind. Es ist klar, daß es sich hier um eine weitgehende Erleichterung des Waffengebrauches handelt, deren Folgen nur allzubald und in erschreckender Weise fühlbar sein werden. Der Gendarm oder Polizist braucht sich nach Gesetzwerdung dieser Vorlage nicht mehr zurückzuhalten. Er kann in demonstrierende Arbeitermassen oder in Kundgebungen der Deutschen ruhig hineinschießen; denn er wird immer den sogenannten Nachweis erbringen, daß unmittelbar oder mittelbar das Leben anderer Personen - wie es in der Vorlage so schön heißt bedroht war. Wer weiß, wie leicht die Gewehrkugeln unserer Sicherheitswache und der Gendarmerie seit dem Umsturze sitzen, wie viele Todesopfer bei den geringfügigsten Anlässen gefordert worden sind, der wird erkennen, welche ungeheure Gefahren eine weitere Erleichterung des Gebrauches der Schußwaffe für die Bevölkerung bringen muß.

Wenn man im Zusammenhang mit den reaktionären Tendenzen der Mehrheit diese Vorlagen übersieht, kann kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß es hier nur scheinbar, und nicht allein gegen die Zigeuner geht, und daß die ganze Härte der Vorlage sich gegen die Arbeitermassen kehren und schließlich und endlich auch gegen die Minderheitsnationen gerichtet ist. Wir warnen nicht nur die èechischen Mehrheitsparteien, den Bogen zu überspannen, sondern rufen insbesondere den deutschen Regierungsparteien ins Gewissen, daß sie sich nicht zu Sondergesetzen, die noch dazu gegen die Bestimmungen der Verfassung sind, mißbrauchen lassen sollen. Heute geht es gegen die Zigeuner - scheinbar. Wer wird uns aber davor schützen, daß es nicht mißbräuchlich angewendet wird, daß es nicht gegen unsere Erzgebirgshausierer mißbraucht wird, gegen unsere Arbeiter angewendet wird? Wir deutschen Nationalsozialisten werden aus den angeführten Gründen selbstverständlich gegen diese Vorlage stimmen. (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)

6. Øeè posl. Knirsche (viz str 2672 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich habe bereits im Ausschusse die Stellung der deutschen Nationalsozialisten zu dieser Gesetzesvorlage eingehend dargelegt und darf mich mit Rücksicht darauf, daß ja an der vom Ausschuß beschlossenen Gesetzesvorlage nichts mehr geändert werden wird, auf folgende kurze Erklärung meiner Partei beschränken:

Die Auflassung des vermessenstechnischen Kunses an der altehrwürdigen Deutschen technischen Hochschule in Prag, dieses krasse und schreiende Unrecht, das man heute zum Gesetz erheben wird, bedeutet eine Katastrophe, deren Tragweite unabsehbar ist. Es kann nicht eindringlich genug davor gewarnt wer den, an der Schaffung dieses äußerst gefährlichen Präzedenzfalles mitzuwirken.

Die deutschen Abgeordneten als Vertreter des deutschen Volkes haben die heilige Pflicht, unsere Kulturgüter unter allen Umständen zu schützen und zu erhalten. (Souhlas na levici.) Wir deutschen Nationalsozialisten können nie und nimmer zustimmen, daß unter dem nichtigen Vorwand, den das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur in seinem Motivenbericht angibt, unsere Prager Deutsche technische Hochschule in ihrem ererbten kulturellen Besitzstand dauernd auf das empfindlichste geschädigt wird. In einer Zeit des technischen Fortschrittes und der allgemeinen Aufwärtsentwicklung ist diese zielbewußte einseitige Hemmung der deutschen Wissenschaft geradezu ein Verbrechen an der Zukunft unseres Volkes. Es wird durch die Abschnürung der vermessungstechnischen Abteilung die Grundlage für eine gedeihliche wissenschaftliche Weiterentwicklung auf diesem Gebiete geradezu unterbunden.

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