Hohes Haus! Die Forderung des Gastgewerbes
auf Einführung des Befähigungsnachweises ist nicht neu.
Vor 30 Jahren schon, als im österreichischen Parlament im
Jahre 1906 die bis heute noch auch in diesem Staate geltende Gewerbeordnung
verhandelt und beschlossen wurde, war der Befähigungsnachweis
im Gastgewerbe Gegenstand sehr ernster Diskussionen. Die Sache
ging damals so weit, daß selbst bei der ersten Lesung der
Gewerbeordnung im parlamentarischen Gewerbeausschuß, der
damals permanent war, die Notwendigkeit eines Befähigungsnachweises
für das Gast- und Schankgewerbe statuiert wurde, und zwar
in einer beschränkten Art, den Befähigungsnachweis für
dieses Gewerbe vorläufig für die Landeshauptstädte
und Kurorte einzuführen. Man wollte weiters für Orte
mit größerer Bevölkerungszahl oder mit großem
Fremdenverkehr den Befähigunsnachweis für das Gastgewerbe
im Verordnungswege einzuführen. Wir sehen, daß schon
damals in allen Kreisen die Dringlichkeit des Befähigungsnachweises
im Gastgewerbe als eine dringende Notwendigkeit angesehen wurde.
Wenn es nicht dazu gekommen ist, so war es
der unheilvolle Einfluß der ziemlich starken liberalen Gruppe
im Parlament, die auf dem Boden der Gewerbefreiheit stand, nicht
zum Schluß war es die dominierende Stellung dieser Gruppe
in den Handels- und Gewerbekammern, die die Regierung dazu bestimmte,
diese Forderung des Gewerbeausschusses zu bekämpfen, die
dann auch bei der zweiten Lesung gefallen ist. (Posl. L. Wenzel:
Wie sieht der Antrag aber heute aus!) Der Kampf für den
Befähigungsnachweis im Gastgewerbe dauert demnach 30 Jahre
bereits und es vergeht keine gewerbliche Tagung, bei der diese
Forderung nicht wiederholt erhoben worden wäre. (Posl.
L. Wenzel: Damals waren die Zuckerbäcker berechtigt, jetzt
sind sie daraus gestrichen!) Im alten Österreich nicht!
Ich spreche von dem Antrag, der im alten Österreich damals
bereits auf der Tagesordnung stand.
Aber nicht nur die selbständigen Gastwirte
fordern den Befähigungsnachweis, sondern vor allem auch die
gastgewerbliche Gehilfenschaft, was im Lager der Feinde des Befähigungsnachweises
nicht übersehen werden sollte. Meine Partei steht programmatisch
auf dem Boden des Befähigungsnachweises im Gewerbe überhaupt
und wir haben es deshalb als eine unserer ernsten Aufgaben betrachtet,
alles daran zu setzen, um den Befähigungsnachweis für
einige Gruppen des Gewerbes zu erkämpfen, darunter auch insbesondere
für das Gast- und Schankgewerbe, was uns nun nach vielen
Verhandlungen endlich gelungen ist.
Der Befähigungsnachweis im Gewerbe ist
ein Bildungsnachweis. Er besteht vor allem in der Absolvierung
der Lehrzeit, die mit dem obligatorischen Besuche der Fortbildungsschule
verbunden ist, und in dem Ablegen der Gesellenprüfung und
mehreren Gesellenjahren. Wenn man uns den Vorwurf macht, unser
Bestreben, den Befähigungsnachweis bei den Gewerben zu vervollkommnen,
wäre reaktionär oder zünftlerisch, dann ist es
nicht richtig.
Genau so wie der Arbeiter den Schutz seiner
Arbeit anstrebt, genau so wie jeder Beamte auf seine Vorbildung
pocht und sie verwertet, genau so wie jeder Arbeiter nach der
Qualität seiner Kenntnisse gezahlt werden will, genau so
will auch der Handwerker, daß seine erlangte Befähigung
anerkannt wird und daß sie ihm bestimmte Rechte bringt.
Wenn wir nun für den ordentlichen Nachwuchs
im Gewerbe durch die Forderung auf Einführung des Befähigungsnachweises
kämpfen, wenn wir damit wollen, daß dem Lehrling eine
entsprechende fachliche Bildung zuteil wird, daß er außer
seinem fachlichen Können in der Fortbildungsschule sein Wissen
theoretisch vervollständigt, dann ist unsere Arbeit eine
Kulturarbeit, welche den von sozialistischer Seite wiederholt
erhobenen Vorwurf eines engherzigen Zünftlertums nicht verdient.
(Výkøiky posl. L. Wenzela.) Aber,
Herr Kollege Wenzel, davon ist nicht die Rede! Ich komme schon
darauf. Ich freue mich immer, wenn ich höre, daß die
Arbeiterjugend in Bildungsvereinen erzogen wird, wenn sie zu gesundem
Turnen und Sport ermuntert wird, denn diese Arbeit leisten wir
auch in unseren Lehrlingshorten und Lehrlingsheimen. (Posl.
Schweichhart: Sie wollen die Lehrlinge gar nicht in die Schule
schicken!) Das ist nicht richtig. Wir wollen die Fortbildungsschule
und kämpfen für sie. (Posl. dr Czech: Aber wann?
Am Sonntag! Der letzte freie Augenblick wird den Lehrlingen genommen!)
Das ist nicht richtig. Wir freuen uns darüber nicht,
wenn der Lehrling in seiner Jugend in den politischen Kampf hineingezogen
wird. (Posl. dr Czech: Ist das ein unpolitischer Kampf, den
Sie führen?) Wir erziehen die Lehrlinge nicht zum politischen
Kampf, wie bestimmte Parteien es tun. Wir haben nichts dagegen,
wenn die Vertreter der Arbeiter für die Interessen der Arbeiter
tätig sind, das ist ihr gutes Recht, das ihnen niemand schmälern
wird, aber wir verlangen das gleiche Recht für uns, für
die Interessen des Gewerbestandes tätig zu sein. (Posl.
dr Czech: Für die treten wir auch ein, das ist nicht Ihr
Monopol, das ist eine optische Täuschung!) Das ist Geschmacksache.
Es fällt uns nie ein, Sie als Arbeiterretter zu beschimpfen,
während Sie die Bezeichnung "Gewerberetterei" immer
auf dem Programm haben. (Rùzné výkøiky.
- Posl. L. Wenzel: Die Gewerbetreibenden
können daraufgehen vor lauter Steuerzahlen!) Die Gewerberetterei
des Koll. L. Wenzel, das ist geradezu typisch!
Was nun den Gesetzentwurf über den Befähigungsnachweis
im Gastgewerbe selbst betrifft, so muß ich feststellen,
daß er allen Forderungen des Gastgewerbes nicht entspricht.
Er ist, wie es leider nicht anders möglich war ein Kompromiswerk,
weil bei der Umschreibung des Befähigungsnachweises eines
Gewerbes fast in jedem Fall die Interessen anderer Gewerbegruppen
irgend wie berührt werden. Der Befähigungsnachweis ist
deshalb nur ein teilweiser und beginnt erst in Orten über
4000 Einwohner und hat ohne Rücksicht auf die Einwohnerzahl
lediglich für Bahnhofrestaurationen, Touristenhotels und
für Kur- und Wallfahrtsorte Geltung. Es werden selbstverständlich
erworbene Rechte durch den Befähigungsnachweis nicht berührt
und es kann demnach jedermann, der entweder selbst oder als Pächter
eine Gastgewerbekonzession vor der Geltung dieses Gesetzes betrieben
hat, ohne Befähigungsnachweis auch weiterhin Gastgewerbekonzessionen
betreiben oder erhalten. Den Befähigungsnachweis haben auch
diejenigen erbracht, welche durch 6 Jahre hindurch in einem Gastgewerbe
als Kellner, Koch oder Kellermeister beschäftigt waren, ebenfalls
diejenigen, die in einer Brauerei als Bräuer u. dgl. sowie
in einer Weinhandlung als Kellermeister tätig waren.
Gegenstand sehr ernster Auseinandersetzungen
und Verhandlungen bot die Bestimmung bezüglich der Berechtigung
der Zuckerbäcker im Rahmen dieses Gesetzes. Zuckerbäcker
sind nach den Bestimmungen des Gesetzes in Orten unter 4000 Einwohnern
wie bisher bei der Erlangung einer Konzession für Kaffee
u. dgl. vom Befähigungs nachweise befreit und es bleiben
ihnen natürlich auch die erworbenen Konzessionen in allen
anderen Orten. Dieses Gesetz gibt aber lediglich die Möglichkeit
zur Erlangung einer Konzession für Zuckerbäcker zur
Verabreichung von Kakao, Schokolade und Tee ohne alkoholische
Zusätze und es ist sehr zu bedauern, daß eine Einigung
zwischen den beiden Gruppen nicht erzielt werden konnte, wie wir
es gewünscht hätten. Wir hoffen, daß im Sinne
unserer gestellten Resolution die Behörden begründeten
Ansuchen um Dispens seitens der Zuckerbäcker möglichst
und weitgehendst entgegenkommen werden. Den Inhabern eines Handelsgewerbes
im Sinne des § 38, Abs. 5 der Gewerbeordnung kann ohne Befähigungsnachweis
der Ausschank von Wein unter bestimmten Bedingungen bewilligt
werden.
Eine wichtige Bestimmung, die natürlich
unseren Anschauungen nicht entspricht, ist die Begünstigung
für Vereinshäuser, die erst in Orten über 6000
Einwohner an einen Befähigungsnachweis gebunden sind. Für
die Kurorte wurden bestimmte Erleichterungen geschaffen, insbesondere
für Pensionate und Heime. Auch für den Betrieb größerer
Hotels kann die Gewerbebehörde im Interesse und zur Förderung
des Fremden- oder Touristenverkehres von der Beibringung des vollen
Befähigungsnachweises absehen.
Zusammengefaßt freuen wir uns, daß
es uns gelungen ist, den Befähigungsnachweis, für das
Gastgewerbe durchzusetzen und wir hoffen, daß der Kampf
für den Befähigungsnachweis im Gewerbe auch für
die anderen nach ihm rufenden Gruppen mit dem gleichen Erfolg
gekrönt werden wird. (Potlesk.)
Hohes Haus! Wir deutschen Sozialdemokraten
können dem vorliegenden Gesetzentwurf nur schwer unsere Zustimmung
erteilen, und zwar deshalb, weil er in gar keiner Weise die überaus
wichtige Frage der Entschädigung bei Elementarschäden
befriedigend löst. Die erste Vorbedingung hiefür wäre
eine systematische umfangreiche Regulierung der gefährlichsten
Flußläufe und die Verbauung aller Wildbäche. Was
in dieser Beziehung als Vorbeugungsmaßregeln bisher geschehen
ist, ist trotz allen Drängens viel zu wenig. Die hiefür
bewilligten Gelder langten bei weitem nicht aus. Man muß
immer wieder den drängenden Interessenten erklären,
daß die nötigen Gelder fehlen. Das ist seit dem Eintritt
der deutschen Landbündler, der Christlichsozialen und der
Gewerbetreibenden in die Regierung nicht um ein Jota besser geworden.
Für den Moloch Militarismus haben diese Parteien auf einen
Schlag 31/2 Milliarden als Rüstungsfond
bewilligt, für die Wiedergutmachung der Elementarschäden
begnügt man sich aber mit schäbigen Brosamen.. Wir haben
erlebt, daß seitens der Regierung das am 15. Oktober 1925
beschlossene Gesetz direkt sabotiert wurde. Statt 64 Millionen
Kronen wurden nur 6 Millionen Kronen in das laufende Budget zur
Bekämpfung, resp. Wiedergutmachung von Elementarschäden
eingestellt. Jetzt allerdings fordert man in einer Resolution
die Regierung auf, dieses Gesetz durchzuführen.
Infolge Nachlässigkeit und sträflicher
Gleichgiltigkeit der Regierung sind die den einzelnen Bezirken
zur Verfügung gestellten Beträge im Vergleich zu den
angerichteten Schäden lächerlich klein. Was kann man
z. B. mit 30.000 Kronen für einen ganzen politischen Bezirk
leisten? Einzelne Gebiete, die bei den vorjährigen Katastrophen
schwer mitgenommen waren, haben überhaupt gar nichts erhalten.
Obendrein wurde bei der Verteilung vielfach sehr parteiisch und
einseitig vorgegangen. Die Erlangung von Subventionen hängt
oft genug von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten herrschenden
Partei ab.
Das vorliegende Gesetz zerfällt in zwei
Teile. Im § 1 werden zur Milderung der in den Jahren 1926
und 1927 verursachten Elementarschäden Vorkehrungen in der
Weise getroffen, daß der Staat 3% der Zinsen für ein
Darlehen von höchstens 10 Millionen Kronen übernimmt,
u. zw. längstens für zehn Jahre. Es ist vielleicht nicht
ganz ohne Pikanterie, wenn man hervorhebt, daß seitens der
Agrarparteien der Plan geherrscht hat, 4% von der Regierung herauszuschlagen
statt 3%. In letzter Minute ist dieser Plan gescheitert, so daß
es bei den beantragten 3% verbleibt. Das ist geradezu ein Hohn
auf den wirklichen Bedarf. Weniger kann man tatsächlich nicht
mehr geben. Die Anhänger der deutschen Regierungsparteien,
welche im Schadensfall mit einem wahren Bettel abgespeist werden
sollen, werden darob nicht erbaut sein, sie werden für diese
Art der Rettung des Landvolkes sicherlich kein richtiges Verständnis
aufbringen. Auf großen Dank dürfen die deutschen Regierungsparteien
von Seiten der Elementargeschädigten im vergangenen und heurigen
Jahre bestimmt nicht rechnen.
Sie werden allerdings sagen, später werde
es besser werden. Nach § 2 der Vorlage wird nämlich
von dem laut § 108 des Gesetzes vom 15. Juni 1927, Nr. 75,
betreffend die Reform der direkten Steuern errichteten Fonde ein
Betrag von 8 Millionen Kronen jährlich zur Verfügung
gestellt. Weiters wird zugleich mit der Grundsteuer ein Zuschlag
von 12% für den gedachten Zweck eingehoben. Die Beträge,
welche auf diese Weise zusammenkommen, entsprechen noch immer
nicht den durchschnittlichen Anforderungen, geschweige denn den
großen Bedürfnissen in Jahren großer Katastrophen,
die sich ja täglich ereignen können und die Schäden
von Hunderten Millionen Kronen bringen. Aus diesen Fonden sind
den durch Elementarkatastrophen ab 1928 an betroffenen und in
ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Landwirten Subventionen
zu gewähren. Nach dem Gesetze kommen nur Landwirte in Betracht.
Es kann also der sicherlich sehr sonderbare Fall eintreten, daß
in irgend einem Dorfe ein reicher Bauer infolge des erlittenen
Schadens durch eine Elementarkatastrophe eine Subvention erhält,
sein Nachbar aber, der vielleicht noch schwerer betroffen ist,
nichts bekommt, weil er eben kein Landwirt, sondern ein Schneider
oder Schuster ist. Ist das gerecht und ist diese einseitige Vorschrift
auf die Dauer haltbar? Was sagt zu dieser Bestimmung die deutsche
Gewerbepartei? Übrigens muß hervorgehoben werden, daß
die Regierungsparteien selbst die Unzulänglichkeit einer
Summe von 10 Millionen Kronen fühlen, denn sie beantragen
in einer Resolution, daß die Regierung beauftragt wird,
ein weiteres Darlehen von mindestens 50 Millionen Kronen zu gewähren.
Es ist doch sonderbar, daß sich die Regierungsparteien veranlaßt
sehen, ihre eigene Regierung aufzufordern, doch etwas mehr zu
tun. (Posl. Schmerda: Das ist ja der Humbug, den sie betreiben!)
Ja, das ist der Schwindel, der getrieben wird. Man bewilligt
10 Millionen und nach außen demonstriert man mit einer Summe
von 50 Millionen, die aber niemals zu haben sein wird.
Eine weitere Frage, die auftaucht, ist die:
Wer ist als Landwirt anzusehen? Diese Frage ist um so berechtigter,
als von gewisser Seite bei diversen Gelegenheiten der Begriff
der Landwirtschaft möglichst eng gezogen wird.
Ich erinnere hier an den in der "Prager
Presse" etwas vorzeitig veröffentlicht gewesenen Gesetzentwurf
über die Agrikulturkammern. Dort wurden als Mitglieder der
geplanten landwirtschaftlichen Zwangsgenossenschaften vorgesehen
alle Eigentümer, Pächter und andere Nutznießer
landwirtschaftlichen Bodens, die der Grundsteuer unterworfen sind
und deren Grundausmaß mindestens einen Hektar beträgt.
Mit einem Federstrich wurden hier viele hunderttausende Häusler
ihres landwirtschaftlichen Charakters beraubt. Wenn dieser Hektarmaßstab
auch bei der Verteilung der Notstandssubventionen angewendet wird,
dann haben gerade die Allerärmsten, die bei Elementarkatastrophen
verhältnismäßig am schwersten betroffen werden,
das Nachsehen. Zahlen müssen jedoch auch sie die 12%igen
Zuschläge bei der Grundsteuer, ihr Anspruchsrecht aber ist
fraglich. Da es weiters Agrarpolitiker gibt, bei denen der richtiggehende
Landwirt erst bei einem Besitz von 2 Hektar beginnt -- ich erinnere
an den früheren Landwirtschaftsminister Brdlík
- sind diese Bedenken wegen einer systematischen Benachteiligung
der ärmsten ländlichen Bevölkerungskreise leider
nur allzu gerechtfertigt. Nebenbei möchte ich darauf hinweisen,
daß man bei den Zollberatungen auch von argarischer Seite
zugegeben hat, daß der kleine Landwirt als lnteressent an
den Agrarzöllen erst bei einem Besitz von 5 ha beginnt. Man
sieht also, daß der Begriff des selbständigen Landwirts
durchaus nicht feststeht. Im Gesetz ist darüber nichts festgelegt.
In diesem Zusammenhang ist die dritte Frage
zu ventilieren: Von welchem Moment an ist die Existenz der Landwirte
bedroht? Bei einiger Überlegung wird es klar, daß eine
gleichmäßige Schablone hier nicht angewendet werden
kann. Der große Grundbesitzer kann eventuell den dritten
Teil seines Besitzes durch eine Elementarkatastrophe einbüßen,
ohne daß seine Existenz tatsächlich bedroht wäre.
Ganz anders wirkt der gleich große Verlust beim Kleinlandwirt
und Häusler. Dieser kann dabei tatsächlich ruiniert
werden. Man muß unter allen Umständen die soziale Lage
das Geschädigten und das Verhältnis des Schadens zu
seinem Besitz in Betracht ziehen, wenn man objektiv und gerecht
die Subventionen verteilen will. Im Gesetze ist kein Maßstab
für die Beurteilung der Bedürftigkeit vorgesehen. Alles
wird dem Verordnungswege vorbehalten. Die bis jetzt geltenden
Bestimmungen haben eine gerechte Verteilung der Subventionen nicht
gewährleistet. Im politischen Bezirke Tetschen sind erst
jetzt bei der Verteilung der Unterstützungen die gewöhnlich
nicht armen Müller in erster Reihe berücksichtigt worden,
während die schwergeschädigten Kleinlandwirte vollständig
leer ausgegangen sind. Schuld an dieser ungerechten Verteilung
tragen allerdings auch die lokalen Kommissionen, welche die Schäden
zu beurteilen haben.
Im landwirtschaftlichen Ausschuß wurde
uns erklärt, die Verwaltung des Fonds durch die Landeskulturräte
biete die Gewähr für eine korrekte Verteilung, was bei
der politischen Verwaltung nicht der Fall sei, resp. sein könnte.
Man hat damit indirekt zugegeben, daß es bei der Verteilung
der Subventionen nicht immer gerecht zuging.
Wer sind aber die Landeskulturräte? In
ihrer heutigen Zusammensetzung auf Grund eines vorsintflutlichen
Wahlrechtes, das der Demokratie Hohn spricht, sind sie eine Vertretung
agrarischer Interessenkreise. Die erdrückende Mehrheit der
landwirtschaftlichen Bevölkerung ist von der Teilnahme an
der Mitarbeit im Landeskulturrat systematisch ausgeschlossen.
Die letzten Wahlen in die Landeskulturräte von Böhmen
und Mähren waren eine aufgelegte Komödie, eine Provokation
der selbständig Organisierten, vom agrarischen Einfluß
befreiten Kleinlandwirte. Über dem Landwirtschaftsministerium,
das die Durchführungsverordnung herauszugeben hat, und den
Landeskulturräten, welche die Fonde zu verwalten haben, weht
die grüne Fahne des rücksichtslosen Agrarismus. Wir
können auf Grund der bisherigen bösen Erfahrungen, z.
B. während des Zollkampfes, in beide Körperschaften
nicht das Vertrauen setzen, daß die Unterstützungsfonde
objektiv verwaltet werden. Wir befürchten, daß sie
eine Quelle ärgster Protektion und damit der Korruption werden.
Aus diesem Grunde und um die selbständig organisierten Kleinlandwirte
und Häusler als wirtschaftlich schwächste Faktoren möglichst
vor Benachteiligung zu schützen, haben wir den Antrag eingebracht,
daß der Fond von einer eigenen paritätisch zusammengesetzten
Kommission, bestehend aus Fachmännern verwaltet wird. Der
Antrag hat folgenden Wortlaut:
Der § 2, Abs. 3 hätte zu lauten:
"Der Fond wird von einer Kommission verwaltet,
welche verhältnismäßig nach dem Ergebnisse der
letzten Wahlen aus von den politischen Parteien namhaft gemachten
Fachmännern zusammengesetzt ist. Nach Inkrafttreten des Gesetzes
über die Organisation der politischen Verwaltung wird diese
Kommission von den gewählten Mitgliedern der Landesvertretungen
nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewählt."
Sie werden finden, daß auf dem Druck
Nr. 1159 diese unsere Resolution mit beantragt wird. Aber gerade
vorhin hat der Referent Dr Fritz erklärt, daß
diese Resolution von der Mehrheit abzulehnen sei. Jedenfalls hat
man in der Eile, mit der man das Gesetz zur Annahme treibt, übersehen,
daß unser Antrag eigentlich einen ungeheuern Gegensatz zu
diesem Gesetze bedeutet, daß also unser Antrag die Möglichkeit
aufheben soll, daß irgendeine enge, parteimäßig
zusammengesetzte Körperschaft, wie es die Landeskulturräte
sind, über diesen verhältnismäßig ziemlich
großen Fond allein entscheiden kann. So wird unser gutgemeinter
Antrag, der dafür sorgen würde, daß wir mehr Vertrauen
in die Verteilung haben könnten, daß wir annehmen könnten,
es würde paritätisch und gerecht zugehen, in der Versenkung
zum Verschwinden gebracht.
Die einzig vernünftige Lösung der
Unterstützungsfrage bei Elementarschäden besteht nur
auf Grundlage einer geordneten Versicherung. Wer, wie es bei dem
12%igen Beitrag von der Grundsteuer der Fall ist, bestimmte Beträge
jahraus jahrein zu bezahlen hat, will das selbstverständliche
Recht haben, auch bestimmte Leistungen zu fordern. Hier im Gesetz
ist das nicht zum Ausdruck gebracht. Die viel gepriesene agrarische
Solidarität und Dorfgemeinschaft allein sind keine Gewähr
für eine gerechte Verteilung der Subventionen. Jede Berufsgruppe
muß mit gewissen Verlusten rechnen und sich dagegen zu schützen
suchen. Es könnte das ganze wenigstens analog der Arbeitslosenversicherung
gehandhabt werden, d. h. der Staat könnte dem Versicherten
Zuschüsse leisten.
In einigen Resolutionen wird von der Regierung
die eheste Schaffung einer allgemeine Versicherung gegen Hagelschäden
und Tierverluste gewünscht. Allerdings fügt man hinzu,
daß das auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit aufgebaut werden
soll. Das ist natürlich nur ein halbes Ding und nichts Vollständiges.
Mit dem können wir uns nicht befreunden. Es ist auch sonderbar,
daß sich die Regierungsparteien erst selbst auffordern müssen,
derartiges von der Regierung zu verlangen. Es bestehen ja schon
lange private Versicherungen gegen Hagelschäden und Schäden
infolge von Viehverlusten, aber das beste Geschäft machen
in der Regel dabei die Gesellschaften selbst, nicht die Versicherten.
Schon vor Jahren wurde ein Anlauf genommen, um eine staatliche
Versicherungsanstalt zu errichten. Die notwendigen leitenden Beamten
waren damals schon in Aussicht genommen, aber das ganze scheiterte
am Widerspruch der agrarischen Interessenten. Die èechischen
Agrarier wollten ihre eigenen Institute nicht
aufgeben und die Deutschen machten Einwendungen nationaler Natur.
Sie erklärten damals - es war vor 4 oder 5 Jahren - nur auf
Grundlage der nationalen Sektionierung und der Selbstverwaltung
der Angelegenheit näher treten zu können. Darauf ist
man seitens der allnationalen Koalition nicht eingegangen. Wir
sind nun neugierig, ob die deutschen Regierungsparteien auf ihren
Forderungen nach nationaler Sektionierung und Selbstverwaltung
bei der Schaffung einer staatlichen Versicherung bestehen werden.
Nach dem, was wir an unerhörtem Verrat an diesen grundlegenden
Prinzipien bei der Beratung der Verwaltungsreform erlebt haben,
bezweifeln wir sehr, dass die deutschen Regierungsparteien es
wagen werden, den Kampf hiefür mit ihren èechischen
Freunden aufzunehmen und ihre Forderungen durchzusetzen. Ich möchte
ausdrücklich aufmerksam machen, daß wir auf dieser
Forderung nach nationaler Sektionierung und Selbstverwaltung beharren.
Wo haben die deutschen Regierungsparteien unter den jetzigen Umständen
eine Garantie dafür, daß ihr Einfluß in den Landeskulturräten
infolge der bis jetzt existierenden nationalen Sektionierung aufrecht
bleiben wird? Man braucht nur an den schon erwähnten Gesetzentwurf
über die Reform der Agrikulturkammern zu erinnern, wo ausdrücklich
festgesetzt ist, daß die Sektionierung der Landeskulturräte
entfällt. Vom guten Willen politischer Freunde abzuhängen,
wie es jetzt bei den Landbündlern der Fall ist, ist kein
angenehmer und wünschenswerter Zustand. Man hat das Empfinden,
daß es den deutschen Agrariern übrigens gar nicht darauf
ankommt, feste Normen zu schaffen und ein Werk für die gesamte
Landwirtschaft durchzusetzen, sondern sich ein Zuckerl, einen
Trostpreis für geleistete treue Dienste von Seiten der èechischen
Regierungsparteien geben zu lassen. Es ist
sicher kein blinder Zufall, daß sogleich nach Erledigung
der Verwaltungsreform, die draußen in den deutschen Gebieten
so große Entrüstung auslöste und die den Turm
des Bundes der Landwirte erschütterte, diese Vorlage als
eine Art Pflaster für geschlagene Wunden den deutschen Agrariern
beschert wird.
So sehr wir für eine möglichst umfassende
und weitreichende Entschädigung bei Elementarschäden
eintreten, entspricht diese Vorlage wahrlich nicht den primitivsten
Anforderungen eines einwandfreien Rechtszustandes. Sie ist ein
Jammerprodukt gewöhnlichen politischen Schachers. Wenn wir
trotzdem dafür stimmen, so nur deshalb, weil wir erwarten,
daß in gegebener Zeit, die nicht allzu ferne zu sein braucht,
eine gründliche Änderung der Machtverhältnisse
in diesem Staate platzgreift und damit auch die Möglichkeit
einer wirklichen Reform dieser großen wichtigen Frage. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)