Aber inzwischen hat die èechoslovakische Republik, haben
die Herrschenden in dieser Republik ja gelernt; ich möchte
sagen, sie haben von einander gelernt. Dr Kramáø
hat sehr bald seine Genugtuung erfahren
und wenn er heute noch einmal seine "Èeská
politika" schreiben würde, würde er wohl den Satz
"v Berlínì se na vìci dívají
jinak" weglassen und durch den Satz ersetzen: "V Praze
se na vìci dívají jinak". Auch in Prag
ist man strammer als man seinerzeit im alten
Österreich war. Die Herren, wie hier in diesem Hause und
in diesen Regierungen schon ihre Rolle gespielt haben, sind überhaupt
gelehrige Schüler auf Gegenseitigkeit. Kramáø
hat die Polizei 1897 ins österreichische
Abgeordnetenhaus eingeführt, im Jahre 1923 war unser sehr
verehrter Herr Koll. Tomášek, Schüler
Kramáøs und führte
bei Verhandlung des Schutzgesetzes die Polizei in dieses Haus
und ließ sie das Werk vollbringen, welches Kramáø
der k. k. Polizei zugewiesen hatte. (Posl.
Tomášek: To byla parlamentní stráž,
to nebyla policie!) Ja,
sehr richtig, diesen Mangel hat unser sehr verehrter Herr Koll.
Tomášek eingesehen und darum ist unter seiner
Ägide die Parlamentspolizei geschaffen worden, damit nicht
nur eine gewöhnliche Parlamentswache hier fungierte. Wenn
wir diese Politiker verfolgen, sehen wir, was für ärmliche,
erbärmliche Waisenknaben jene Herren waren, die schließlich
auch mächtige Herrscher waren, wie Bismarck, Taaffe. Als
Bismarck gegen die sozialistische Arbeiterbewegung Maßnahmen
ergreifen wollte, die in mancher Hinsicht durch Maßnahmen,
die in diesem Staate gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung
schon getroffen wurden, übertroffen worden sind, da brauchte
er dazu ein Sozialistengesetz. Er mußte eine ganz gewaltige
parlamentarische Kampagne führen, um eine derartige Macht
zu Ausnahmsverfügungen in seine Hände zu bekommen, er
mußte sich dieses Gesetz mehrmals verlängern lassen,
immer wieder um das Gesetz kämpfen und Taaffe mußte
über ganz Österreich den Ausnahmszustand verhängen,
um die Politik der Ausrottung gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung
durchzuführen. Jetzt braucht es keiner Ausnahmsgesetze, die
heutige Regierungskoalition beweist mit dieser Vorlage, daß
sie sogar noch geschickter ist als seinerzeit die allnationale
Regierungskoalition, die die Schaffung des Schulgesetzes auf sich
nehmen mußte, um die Macht in die Hand zu bekommen, gegen
die revolutionäre Arbeiterbewegung strammer vorgehen zu können.
All das braucht es jetzt nicht mehr. Was wir an Polizeibestimmungen
in diesem Gesetz vorgelegt bekommen, ist nichts anderes als ein
Rahmengesetz für Ausnahmsmaßnahmen gegen jede oppositionelle
Bewegung. Diese Bestimmungen sind so weitreichend, derart kautschukartig,
daß man einfach sagen könnte, die ganzen Polizeibestimmungen
dieses Gesetzes können ersetzt werden durch einen einzigen
Satz: Die Bezirkshauptleute und die Polizeidirektoren können
machen, was sie wollen. (Souhlas komunistických
poslancù.) Wenn man die Bestimmungen
über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und
Ordnung zusammennimmt - im Detail wird darüber noch gesprochen
werden - so ist es nichts anderes als ein Rahmengesetz für
den Ausnahmszustand. Es braucht jetzt keiner besonderen Verordnung
mehr, es genügt heute eine geheime Weisung nur des Innenministeriums
an irgend einen Bezirkshauptmann oder an mehrere Bezirkshauptleute,
daß diese oder jene Bestimmung gegen irgendeine Partei anzuwenden
ist. Das wird in erster Linie selbstverständlich, die revolutionäre
Arbeiterbewegung, die kommunistische Partei sein, so wie ja auch
das Schutzgesetz hier wie in Deutschland in erster Linie gegen
die revolutionäre Arbeiterbewegung angewendet wurde, obwohl
es unter dem Vorwand geschaffen wurde, man wolle die Feinde der
Republik von rechts bekämpfen. In Wirklichkeit ist den Feinden
der Republik, der Demokratie von rechts nichts geschehen.
Es genügt also eine Weisung, diese Bestimmungen
gegen eine bestimmte Partei, gegen eine bestimmte Richtung durchzuführen
und jeder Bezirkshauptmann kann alle staatsbürgerlichen Rechte
für diese Bewegung, für diese Partei vollkommen außer
Kraft setzen. Diese Bestimmungen genügen aber noch nicht.
Wir haben bereits neue Dinge in Aussicht, es ist das Gesetz gegen
die Zigeuner, angeblich ein Gesetz, dessen Bestimmungen auch so
allgemein gehalten sind, daß sie gegen jeden angewendet
werden können, gegen jeden Arbeiter, der längere Zeit
arbeitslos ist, dem in der Zeit der Wirtschaftskrise es lange
nicht gelingt, wieder wirtschaftlichen Halt zu finden, und vor
allem das neue Gesetz über die Anwendung von Waffengewalt
seitens der Gendarmerie. Das sind Gesetze, die von jedem Bezirkshauptmann
gegenüber streikenden Arbeitern angewendet werden können,
gegenüber Arbeitern, die sich in Not und im Elend der Arbeitslosigkeit
befinden. Das Gesetz über die Anwendung der Waffengewalt
seitens der Gendarmerie wird selbstverständlich nicht anderes
bedeuten, als daß die Gewehre der Gendarmerie noch lockerer
sitzen werden als bisher. Wir haben ja gesehen, daß die
Gewehre der Gendarmerie in dieser Republik viel leichter losgehen,
als sie im Kaiserreiche Franz Josefs losgegangen sind. Hier hat
Herr Kramáø wirklich
von Berlin gelernt, so wie er von Bismarck, von Franz Josef und
anderen gelernt hat. Denn die Bestimmungen des Gesetzentwurfes
über die Anwendung von Waffengewalt seitens der Gendarmerie
sind nichts anderes als eine Kopie jener so furchtbar berüchtigten
Schießerlässe, die von Noske, Heine u. s. w. herausgekommen
sind und denen Rosa Luxemburg, Liebknecht und der Führer
der Berlin Elektrizitätsarbeiter Sylt u. a. m. zum Opfer
gefallen sind.. Es handelt sich um nichts anderes
als um das System des legalisierten, trockenen weißen Terrors,
der hier in der Èechoslovakischen Republik etabliert werden
soll. Dieses System wird etabliert, wie das
Gutachten der Prager Advokatenkammer klar und deutlich auseinandersetzt,
etabliert sogar auch auf Kosten des Wirkungskreises der Gerichte.
Aus diesen Bestimmungen, daraus, daß die bürgerliche
Mehrheit sich auch nicht scheut, den Wirkungskreis der Rechtssprechung
einzuschränken zugunsten der Allgewalt der Polizei, geht
hervor, daß die Bourgoisie, wie wir sie in der letzten Zeit
überall gesehen haben, in dem Augenblick, wo ihr System in
Gefahr kommt, ihre eigenen Prinzipien, ihre eigene bisher verkündete
Legalität mit Füssen tritt, um die Existenz ihrer Wirtschaftsordnung,
um die Existenz ihrer Klassenherrschaft, daß heißt
ihres Staates zu verteidigen. Es ist das nur ein weiterer Beweis
dafür, daß es sich bei der Unabhängigkeit der
Rechtssprechung, bei der Absonderung der Rechtssprechung, daß
es sich bei all diesen demokratischen Prinzipien, die man verkündet,
nicht um heilige und unverletzliche Prinzipien handelt, sondern,
daß sie alle der Zweckmäßigkeit untergeordnet
sind, daß sie untergeordnet sind dem einen Zwecke der Erhaltung
der bürgerlichen Klassenherrschaft. Und wenn sie diesem Zwecke
nicht dienen, dann werden diese Prinzipien auf die Seite geschoben.
Dasselbe geschieht ja auch in der Vorlage mit dem sogenannten
demokratischen Prinzip des allgemeinen, gleichen Wahlrechts. Kramáø
beweist uns, daß er das allgemeine
gleiche Wahlrecht nicht als ein unverletzliches Prinzip ansieht.
Er hat bei verschiedenen Gelegenheiten in der letzten Zeit sehr
energisch betont, daß er schon immer ein Gegner des allgemeinen,
gleichen Wahlrechtes in der Gemeinde war. Es ist noch nicht lange
her, da schrieb Kramáø Erinnerungen
an das Jahr 1906, an die Verhandlungen im Wahlrechtsausschusse
des österreichischen Abgeordnetenhauses, als damals die Wahlreform
verhandelt wurde und die Deutsch-bürgerlichen und
die Regierung darauf bestanden, daß die Wahlkreiseinteilung
so geschaffen werde, daß das èechische Volk im Verhältnis
zur Einwohnerzahl weniger Wahlkreise und damit wenigere Vertreter
zugewiesen erhalte als das deutsche Volk.
Da erzählte Kramáø
- es war in den "Národní
Listy" - daß als er aus der Sitzung des Ausschusses
herausging und er sah, das alles vergebens war und das alles mit
in den Kauf genommen werden mußte, daß er da geweint
habe, weil in dieser Sitzung beschlossen wurde, daß
das èechische Volk minderen Rechts sein soll als das deutsche
Volk. Aber dem Dr Kramáø ist es nicht ein
einzigesmal eingefallen, zu weinen, wenn er zusehen mußte,
wie die èechischen Arbeiter in der Gemeinde in ihrem Wahlrecht
rechtlos waren, während daneben die deutsche
Bourgoisie das Wahlrecht in vollem Ausmaße besaß.
Da hat Dr Kramáø nie
geweint. In Bezug auf das Gemeindewahlrecht war für ihn die
Rechtlosigkeit der arbeitenden Bevölkerung vollständig
angenehm. Das Wahlrecht ist eben auch kein heiliges Prinzip der
Demokratie, denn die Bourgeoisie ordnet auch das Wahlrecht der
Zweckmäßigkeit, der Erhaltung ihrer Klassenherrschaft
unter. Darüber hat uns schon Marx einige sehr belehrende
Worte geschrieben. Am 10. März 1850 fielen in der zweiten
Republik in Frankreich die Wahlen gegen die herrschende bürgerliche
reaktionäre Regierung aus und die Konsequenz war, daß
die Bourgeoisregierung das Wahlrecht verschlechterte. In seinem
bekannten Werke "Die Klassenkämpfe in Frankreich"
schrieb Marx darüber: "Die Bourgeoisherrschaft als Ausfluß
und Resultat des allgemeinen Stimmrechtes, als ausgesprochener
Akt des souveränen Volkswillens, das ist der Sinn der Bourgeoiskonstitution.
Aber von dem Augenblicke an, wo der Inhalt dieses. Stimmrechtes,
dieses souveränen Willens nicht mehr die Bourgeoisherrschaft
ist, hat da die Konstitution noch einen Sinn? Ist es nicht Pflicht
der Bourgeoisie, das Stimmrecht so zu regeln, daß es das
Vernünftige will, das heißt ihre Herrschaft? Das allgemeine
Wahlrecht, indem es die vorhandene Staatsmacht beständig
wieder aufhebt und vom neuen aus sich erschafft, hebt es nicht
alle Stabilität auf, stellt es nicht jeden Augenblick alle
bestehenden Gewalten in Frage, d. h. vernichtet es nicht die Autorität,
droht es nicht, die Anarchie selbst zur Autorität zu erheben?
Die Bourgeoisie, indem sie das allgemeine Wahlrecht, mit dem sie
sich bisher behauptet hatte, aus dem sie ihre Allmacht saugte,
verwirft, gesteht unverhohlen: Unsere Diktatur hat bisher bestanden
durch den Willen des Volkes, sie muß jetzt befestigt werden
gegen den Willen des Volkes." Damit ist die Stellung der
Bourgeoisie zum allgemeinen Wahlrecht klar gegeben. Wir haben
es vorläufig nur mit einem Angriff auf das allgemeine Wahlrecht
in der Selbstverwaltung zu tun, aber es ist der erste Angriff
auf das allgemeine Wahlrecht überhaupt. Wie wird dieser Angriff
begründet? Er wird im Motivenbericht des Berichterstatters
Kramáø damit begründet,
daß es hier um wirtschaftliche Fragen gehe, nicht um Politik,
daher eine Einschränkung des Wahlrechtes berechtigt erscheine.
Das heißt also: je mehr es sich um wirtschaftliche Fragen
handelt, desto geringer - das ist ja immer so bei der Bourgeoisie
- soll überhaupt der Einfluß des Staates, der Öffentlichkeit
sein, desto geringer soll aber vor allem der Einfluß des
Parlamentes, der Einfluß des arbeitenden Volkes durch das
allgemeine Wahlrecht sein. Herr Dr Kramáø
hat hier mit dieser Begründung, vielleicht
gegen seinen Willen, das wahre Wesen des ganzen Parlamentarismus
und des ganzen Vertretungssystems der bürgerlichen Demokratie
enthüllt.
Die Produktion, die Wirtschaft, sie ist die
Grundlage der ganzen Gesellschaft, sie bestimmt das ganze übrige
gesellschaftliche Leben. Von der Produktion, von der Produktionsweise,
von der Wirtschaft ist die Gesellschaft abhängig. Und gerade
in diesem wichtigsten Zweige, dort, wo das Interesse der ganzen
Gesellschaft in Betracht kommt, darf ja das Parlament nicht dreinreden.
Das ist das Monopol der Kapitalisten. Und was bedeutet das? Das
bedeutet, daß erstens die Kapitalisten, damit die ganze
Politik, die ganze Arbeit des Parlamentes, der Regierung u. s.
w. indirekt diktieren, weil das gesamte gesellschaftliche Leben,
die Gesetzgebung und Verwaltung durch die Produktionsweise, durch
das Wirtschaftsleben bestimmt werden, dessen Leitung durch die
Kapitalisten monopolisiert ist. Unmittelbar bedeutet das auch,
daß der direkte Einfluß der Kapitalisten, des Großkapitals
auf die Regierung sowie auf die Gesetzgebung ausgeübt wird.
Das ist das Charakteristikum des ganzen Vertretungssystems der
bürgerlichen Demokratie. Das Volk kann wählen, die gewählten
Vertreter dürfen Reden halten, sie dürfen Gesetze beschließen,
sie dürfen alles mögliche machen, aber nur an der Hauptsache
dürfen sie nicht rütteln, in die Hauptsache, in die
Produktion, in das Wirtschaftsleben, das die bestimmende Grundlage
der ganzen Gesellschaft ist, haben sie nichts dreinzureden. Das
wird der Gesellschaft von den Kapitalisten diktiert. Hier hegt
aber auch die Wurzel des Bestrebens, das in dieser Verwaltungsreform
zum Ausdruck kommt: die Machtvollkommenheit der Beamten gegen
die gewählten Vertretungen immer mehr auszugestalten. Nicht
genug damit, daß die Bourgeoisie die Verwaltung indirekt,
durch die Wirtschaften, in der Hand hat, sucht die Bourgeoisie
auch dort, wo der Staat und das Parlament gezwungen sind, wirtschaftliche
Maßnahmen gesetzgeberisch zu ergreifen, die Durchführung
dieser Maßnahmen an sich zu reißen und die gesamte
Verwaltung, die Durchführung und Anwendung der Gesetze, in
die Hände der Bürokratie, die ja von der Bourgeoisie
abhängig ist, zu legen. Gewiß kann keine öffentliche
Verwaltung ohne Beamte, ohne Angestellte, ohne eine gewisse Bürokratie
auskommen. Aber was soll der Beamte sein? Er soll das Hilfsorgan,
der Helfer, das ausübende Organ der gewählten Vertreter
sein. Es wird hier im Motivenbericht des Berichterstatters Dr
Kramáø die Sophistik
betrieben, daß es im Interesse der Einheitlichkeit der Verwaltung,
die ja in diesem Gesetz festgelegt wird, liege, wenn, die Machtvollkommenheit
der Bürokratie gestärkt wird. Aber kann die Einheitlichkeit
der Verwaltung nicht ebenso gut in die Hände der gewählten
Vertreter gelegt werden, dadurch, daß sie nicht nur die
bisherigen Agenden der Selbstverwaltung weiterführen, sondern
auch die Agenden der staatlichen lokalen Vertretung vollständig
in die Hände bekommen? Worum handelt es sich bei den Angelegenheiten
der Verwaltung? Es handelt sich um Angelegenheiten, die insgesamt
die Interessen der ganzen Bevölkerung berühren. Und
soweit für diese Maßnahmen im Interesse der gesamten
Bevölkerung Mittel notwendig sind, handelt es sich um das
Geld des Volkes, um das Geld der Bevölkerung, über das
die Verwaltung verfügt. Wer soll infolgedessen über
diese Maßnahmen, über die Finanzen der Verwaltung bestimmen?
Eben die gewählten Vertreter dieses Volkes, gegen das auch
alle Verwaltungsmaßnahmen gerichtet sind, um dessen Interessen
es sich handelt und welches die ganze Verwaltung bezahlen muß.
Aber hier wäre es infolgedessen, wenn das Prinzip der Demokratie
auch nur halbwegs ehrlich gemeint wäre, selbstverständlich,
daß die Vertretung so organisiert sein muß, daß
die gesamte Machtvollkommenheit ausschließlich in die Hand
der gewählten Vertretungskörper gelegt wird und die
Beamten diesen Vertretungskörpern untergeordnet und verantwortlich
sind. Aber diese Vorlage legalisiert im Geiste des Gaugesetzes
vom Jahre 1920 das Umgekehrte. Das bestimmende, ausübende
Organ mit der entscheidenden Machtvollkommenheit ist die Bürokratie,
ist die hohe juristische Bürokratie, die selbstverständlich
nichts anderes ist als das Werkzeug des Kapitalismus, weil sie
abhängig ist nicht von der Bevölkerung, sondern von
der Regierung, weil sie im Geist des Kapitalismus erzogen ist,
denn die ganze Rechtswissenschaft ist aufgebaut auf dem heiligen
Prinzip des Privateigentums, und daher ein williges Werkzeug in
der Hand der Kapitalisten ist. Und auf der anderen Seite sind
die gewählten Vertretungen nach dieser Vorlage, wie es auch
im Gaugesetze festgelegt ist, nichts anderes als Anhängsel,
als Hilfsorgane der Bürokratie, und der Berichterstatter
drückt es direkt aus, die gewählten Vertreter sollen
beratende Organe der Bürokratie sein, die die gesamte Machtvollkommenheit
in der Hand hat. Aus diesen Gründen ist ja auch, weil es
sich eben hier darum handelt, daß die Bourgeoisie die gesamte
Verwaltung in die Hand bekommen soll, die Bürokratie das
geeignetste Instrument in der Hand der Bourgeoisie. Darum ist
mit dieser Regelung der öffentlichen Verwaltung das Klasseninteresse
der Bourgeoisie auf das innigste verbunden. Dieses Klasseninteresse
der Bourgeoisie diktiert heute der Bourgeoisie die feindselige
Haltung gegen das allgemeine geheime Wahlrecht, die feindselige
Haltung gegen die Befugnisse der gewählten Vertretungen.
Es handelt sich hier vor allem um das Klasseninteresse der Bourgeoisie
an der Erhaltung des bürgerlichen Staates, an der Erhaltung
der bürgerlichen Ordnung, denn der bürgerliche Staat,
seine Regierung, seine gesamte Verwaltung soll ein verläßliches
Instrument in den Händen der Bourgeoisie sein. In zweiter
Linie kommt selbstverständlich, wie ich schon einleitend
gesagt habe, das Interesse der Bourgeoisie, das unmittelbare Profitinteresse
der Kapitalisten an der Einschränkung der öffentlichen
Verwaltung, an der Einschränkung ihrer Befugnisse, der ganzen
wirtschaftlichen, sozialpolitischen und kulturellen Tätigkeit
und damit an der Herabsetzung jener Kosten, zu denen die Bourgeoisie
ebenfalls beizutragen gezwungen ist. Wir haben eine Reihe von
Kapiteln, die sozialpolitisch, kulturell und wirtschaftlich
durch die neue Gesetzgebung in der Selbstverwaltung eine gewaltige
Einschränkung erfahren werden. So z. B. vor allem die Schule.
Ich greife dieses Kapitel heraus, weil es ein sehr beliebtes Kapitel
der deutschen und èechischen Bourgeoisie
ist. Die Schule ist beliebt, aber nicht dann, wenn sie Geld kostet,
wenn die Herren selber für die Schule Opfer bringen sollen,
sondern nur dann, wenn sie Gegenstand des nationalen Streites
sein soll. Wenn sie selbst Opfer bringen sollen, dann sind sie
ihr nicht so freundlich gesinnt. Wir waren hier in diesem Staate
Zeugen gewaltiger, leidenschaftlicher Auftritte seitens der deutsch-bürgerlichen
Parteien um die deutsche Schule, aber wenn wir in deutsche Gemeinde-
und Bezirksvertretungen kamen und dort als Vertreter der Arbeiter
Anträge stellten zugunsten der Schule, zugunsten von Schulneubauten,
Schulzahnpflege, Freiheit der Lehrmittel u. s. w., waren dieselben
Herren, die von dieser Rednertribüne aus die leidenschaftlichsten
Anwärter der deutschen Schule waren, in den Gemeinden und
Bezirksvertretungen, dort, wo sie zahlen sollten, die grimmigsten
Feinde der deutschen Schule.
Dort haben sie eine ganz andere Politik getrieben. Selbstverständlich
gilt das auch von der èechischen Bourgeoisie. Derselbe
Herr Kramáø, der hier als Vertreter der èechischen
Kultur, der èechischen Schule usw. auftritt, war es, der
als in seiner Gemeinde, wo er Steuerträger ist, in Liebstadt,
die Frage des Baues einer neuen èechischen Schule auftauchte,
sich dagegen bis zum äußersten wehrte,
weil er aus seiner Tasche Umlagen bezahlen soll. (Výkøiky
na levici.) Herr Dr Kramáø
ist auch hier ein getreuer Schüler
seines großen Lehrers Bismarck. Denn von Bismarck ist die
schöne Geschichte aus seinem Leben bekannt, daß er
als Gutsherr der erbitterte Feind der Schule war und daß
er, als der Lehrer mehr Geduld für die Schule verlangte,
schrieb, daß er nicht gewillt sei, dieses Geld zu zahlen.
Die Herren sind für die nationale Kultur und Schule, wenn
es sich um das Phrasendreschen handelt, aber dort, wo sie zahlen
sollen, wollen sie von der Schule nichts wissen. In diesem Sinne
ist auch diese Verwaltungsreform ein Angriff gegen die Schule,
nicht nur gegen die Selbstverwaltung der Schule durch die Bevölkerung,
sondern auch gegen den materiellen Aufwand für die Schule,
der unter dem Druck dieser Regelung der Verwaltung gewaltig herabgesetzt
werden wird. Es handelt sich hier um das Klasseninteresse der
Bourgeoisie, es handelt sich um die schmutzigsten Profitinteressen
der Kapitalisten und es ist ein Lüge, wenn die Herren
hier auftreten, die Herren Kramáø und Konsorten
und sagen, daß es sich um das Interesse des Staates usw.
handle. Nein, um ihre schäbigsten Profitinteressen handelt
es sich hier. Darum galten nicht die Argumente der Advokatenkammer,
nicht die Argumente der Rechtslehrer usw. Aus diesem Grunde sind
ja auch die deutschen Aktivisten für dieses Gesetz, deshalb
haben Sie in der letzten Zeit für alle diese Gesetze gestimmt,
deren logische Fortsetzung die Verwaltungsreform ist. Ich will
nur ein Zitat aus der "Deutschen Presse" bringen, um
die Haltung der Christlichsozialen zu kennzeichnen. Dort heißt
es von der Verwaltungsreform, daß die deutschen Christlichsozialen
zu einem neuen Verwaltungsgesetz nur dann ihre Zustimmung geben
werden, wenn durch entsprechende Einflußnahme der deutschen
Regierungparteien bestimmte Änderungen erreicht werden. Wir
wissen, daß diese Änderungen, die erreicht wurden,
überhaupt keinen Wert besitzen, daß sie minimal sind,
daß nichts Wesentliches an diesen Vorlagen verbessert wurde.
Damals hat die christlichsoziale Volkspartei in der "Deutschen
Presse" auch erklärt: "Wir verlangen also, daß
bei diesen Ernennungen Sicherungen nationaler und wirtschaftlicher
Beziehung gewährleistet werden." Bei der Ernennung der
Vorsitzenden, der Chefs der verschiedenen Verwaltungskörper
und ihrer Mitgliedes. Wir sehen, dieses Gesetz wird jetzt durchberaten
und die christlichsoziale Partei verlangt keine Sicherungen,
weil sie einfach unmöglich sind, wenn sie nicht im Gesetze
selbst stehen. Wenn Gemeindewahlen sind, da besinnen sich die
Christlichsozialen auf die Selbstverwaltung. Anläßlich
der Gemeindewahlen in Schreckenstein im Vorjahr schrieb das christlichsoziale
Parteiorgan: "Wir fordern die Selbstverwaltung der Gemeinden.
Wir verlangen die Beseitigung aller Beschränkungen der Selbstverwaltung
durch Gesetze und Verordnungen und den ungehinderten Verbrauch
der deutschen Sprache als Amtssprache der deutschen Gemeinden."
Wir sehen, in der Praxis sehen die Forderungen
so aus, wie die Bestimmungen, die wir in diesem Gesetze über
den Sprachengebrauch in den Selbstverwaltung haben. Weil ihnen
das Interesse an der Festigung und Sicherung der Klassenherrschaft
der Bourgeoisie, an der Herabsetzung der Steuerleistung, an der
Erhöhung des Profits des Kapitals wichtiger ist, weil es
ihnen das das oberste Gesetz ist, aus diesem Grunde stimmen die
deutschen Aktivisten für dieses Gesetz und treten das Selbstbestimmungsrecht
mit Füßen. Denn was gilt hier das Selbstbestimmungsrecht,
die Stützung der bürgerlichen Ordnung und der Schutz
des Profitinteresses des Kapitals ist ihnen wichtiger. Und doch
gibt es ohne das Selbstbestimmungsrecht, ohne die nationale Selbstbestimmung
überhaupt keine nationale Selbstverwaltung. Das beweist gerade
die Vorlage, mit der wir es jetzt zu tun haben. Gerade die Ereignisse
in der letzten Zeit, die dem Zustandekommen dieser Vorlage vorausgegangen
sind, beweisen, daß die Verwirklichung einer Selbstverwaltung
unmöglich ist, solange nicht die Nationen dieses Staates
das Selbstbestimmungsrecht besitzen.
Unsere Stellung zur öffentlichen Verwaltung
ist gegeben durch unsere Stellung zum Staate, in dem wir nichts
anderes erblicken als die durch Verfassung und Gesetze verkörperte
und so legalisierte Klassenherrschaft der besitzenden Klassen.
Prinzipiell gibt es in diesem Punkte keinen Unterschied zwischen
den verschiedenen Staatsformen, ob es nun ein monarchistischer
oder ein republikanischer Bourgeoisstaat ist. Und es gibt wohl
auch keinen prinzipiellen Unterschied zwischen demokratischem
Parlamentarismus und Privilegienparlamentarismus. Jede dieser
Formen des Staates, jede dieser Formen des Repräsentativsystems
kann in der bürgerlichen Gesellschaft nichts anderes sein
als die organisierte Gewalt der Klassenherrschaft, der Bourgeoisie.
In diesem Sinne können wir auch keinen prinzipiellen Unterschied
erblicken zwischen der staatlichen politischen Verwaltung und
der sogenannten Selbstverwaltung im bürgerlichen Staate.
Die Selbstverwaltung hat genau dieselben Aufgaben wie die staatlich
politische Verwaltung, ein Unterdrückungsinstrument in der
Hand der besitzenden Klassen zu sein, wobei wir berücksichtigen
müssen, daß die Klassenherrschaft der Bourgeoisie nicht
nur einseitig durch die staatliche organisierte Gewalt der herrschenden
Klassen, sondern auch immer auf der anderen Seite dadurch ausgeübt
worden ist, daß man die arbeitenden Klassen durch Scheinreformen
beruhigte und sie auf der andern Seite im Geiste der bestehenden
Gesellschaftsordnung erzog.
Aber der Unterschied in diesen verschiedenen
Systemen der Verwaltung des bürgerlichen Staates, der bürgerlichen
Gesellschaft besteht für uns einzig und allein in der Möglichkeit,
die dieses System den arbeitenden Klassen gewährt, ihre Forderungen
zu Geltung zu bringen, ihren Einfluß geltend zu machen,
die öffentlichen Verwaltungseinrichtungen in ihrem Sinne
zu beeinflussen, deren Funktion als Herrschaftsinstrument, als
Instrument der Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu stören
und ihnen derart ihre Vertreter die Erfüllung ihrer Aufgaben,
eine Stütze der Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu sein,
zu erschweren. In dieser Hinsicht ist die Aufgabe der arbeitenden
Klassen darin zu erblicken, die staatliche Verwaltung, ob sie
sich nun in diesem oder jenem Repräsentivsystem äußert,
ob sie diese oder jene Verwaltungsorganisation hat, als Herrschaftsorganisation
der Bourgeoisie zu ersetzen. In diesem Sinne verteidigen wir das
Wahlrecht der arbeitenden Klassen und die Selbstverwaltung gegenüber
den Versuchen, das Wahlrecht zu verschlechtern und die Selbstverwaltung
zu Gunsten der staatlichen bürokratischen Verwaltung zu kassieren
und den Einfluß der arbeitenden Massen auf die Verwaltung
vollständig zu beseitigen. Wir sind für das Wahlrecht
und für die Selbstverwaltung, weil in diesem System der Demokratie
die Klassen einander unmittelbar gegenübergestellt werden
und die Bourgeoisie gezwungen ist, selbst ihre Herrschaft auszuüben
und sich nicht hinter anderen Herrschaftsorganisationen verstecken
kann, und weil zweitens die politischen Rechte der arbeitenden
Klassen, das Wahlrecht zum Parlament, die Teilnahme an der Selbstverwaltung
die Hebel sind, welche die arbeitenden Klassen ansetzen können,
um den bürgerlichen Staat in seinem Gefüge zu lockern
und so vorzuarbeiten, um ihn im geeigneten Momente besser aus
den Angeln zu heben. In diesem Sinne auch, weil wir wissen, daß
der Kampf für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes
der Völker die bürgerliche Staatsordnung als Instrument
der Klassenherrschaft der Bourgeoisie in Gefahr bringen könnte,
in diesem Sinne erheben wir auch im bürgerlichen Staate die
Forderung des nationalen Selbstbestimmungsrechtes. In diesem Sinne
formulieren wir unsere Forderungen gegenüber den Bestimmungen,
die dieser Entwurf enthält. Unsere Forderungen sind vor allem
in erster Linie das volle nationale Selbstbestimmungsrecht, das
volle Recht der in diesem Staate wohnenden Nationen, über
ihre Zugehörigkeit zum Staate aus eigener Verfügung,
aus eigenem Willen zu entscheiden. Dieses Ideal kann weder durch
die Gauverfassung, noch durch die alte Länderverfassung verwirklicht
werden. Wir fordern das volle Selbstbestimmungsrecht als Voraussetzung
der Verwirklichung einer wirklichen nationalen Selbstverwaltung.
Wir fordern in Bezug auf die Verwaltungsorganisation die volle
Selbstverwaltung, d. h. die Abschaffung aller staatlichen bürokratischen
Lokalverwaltung. Sämtliche Verwaltungsaufgaben, ob sie nun
wirtschaftlicher oder polizeilicher Natur sind, ob sie zu den
Aufgaben gehören, die heute von den staatlichen Behörden
besorgt werden - sämtliche dieser Verwaltungsaufgaben und
Funktionen gehören in die Hand der Organe der Selbstverwaltung.
Wir fordern die Selbstverwaltung durch gewählte Funktionäre
und Beamte und die Demokratisierung der Rechtssprechung durch
Wahl der Richter. Wir fordern die Abschaffung der unübersichtlichen,
von den gewählten Vertretungen unmöglich zu kontrollierenden
Landesverwaltung. Wir fordern die Schaffung kleiner Verwaltungsgebiete
in der Art der Gaue, wir fordern die nationale Abgrenzung der
Verwaltungsgebiete, wir fordern die Zusammenfassung der Verwaltungsgebiete
einer Nation zu einer Einheit und die Verwirklichung der nationalen
Selbstverwaltung auf Grund eigener nationaler Parlamente innerhalb
dieser Einheit, unter der Voraussetzung eines auf Gegenseitigkeit
beruhenden Gesetzes über den Schutz der nationalen Minderheiten.
Wir fordern für die Slovakei und die Karpathoukraine die
Einsetzung von besonderen Landtagen, auf welchen die Bevölkerung
dieser Gebiete durch ihre gewählten Vertreter selbst darüber
entscheiden soll, in welcher Form sie ihr Verhältnis zu diesem
Staat regeln will. Wir erklären, daß diese Forderungen
selbstverständlich nicht die Formulierung jenes Ideales einer
Regierung und öffentlichen Verwaltung sind, daß uns
vorschwebt. Unser Ideal einer Verwaltung ist ein Verwaltungssystem,
in welchem die ganze Macht dem arbeitenden Volke gehört und
die besitzenden Klassen von der Ausübung der Regierungsmacht
und der Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung vollständig
ausgeschlossen sind. Wir fordern ein solches System der öffentlichen
Verwaltung, das eine Vereinigung von Gesetzgebung, Verwaltung
und Rechtssprechung in der Hand des arbeitenden Volkes bedeutet.
Wir fordern ein Regierungs- und Verwaltungssystem, in welchem
nicht die Regierung und die Verwaltung nur das Recht hat, in den
Grenzen des Wirtschaftsdiktates der Kapitalisten ihre Gesetzgebung,
Verwaltung usw. einrichten zu können, sondern wir fordern
ein Regierungs- und Verwaltungssystem in welchem vor allem den
gewählten Körperschaften, den Vertretern des Volkes
die Herrschaft und Verfügung über das gesamte Wirtschaftsleben
der Gesellschaft in die Hand gegeben wird. Denn nur wenn das Volk
das Wirtschaftsleben in der Hand hat, wenn die Produktionsmittel
den Besitzklassen entrissen sind, erst dann können wir von
der freien Selbstverwaltung des Volkes sprechen. Wir fordern in
diesem Sinne die wirkliche Selbstverwaltung, in welcher die gesamte
Macht, nicht nur die gesetzgebende Macht, sondern auch die ausübende
Gewalt und die Rechtssprechung in den Händen der arbeitenden
Klasse, in den Händen der von der arbeitenden Klasse gewählten
Vertreter sich befinden, in welcher die Beamten nur das Hilfsmittel,
das Hilfsorgan der gewählten Vertreter des arbeitenden Volkes
sind. Es gibt nur ein Regierungs- und Verwaltungssystem, das diesem
Ideal der Verwaltung entspricht, das wirklich eine demokratische
Selbstverwaltung der arbeitenden Klasse ist, und das ist das System
der Sowjets. (Potlesk komunistických poslancù.)