Pondìlí 27. èervna 1927

Aber inzwischen hat die èechoslovakische Republik, haben die Herrschenden in dieser Republik ja gelernt; ich möchte sagen, sie haben von einander gelernt. Dr Kramáø hat sehr bald seine Genugtuung erfahren und wenn er heute noch einmal seine "Èeská politika" schreiben würde, würde er wohl den Satz "v Berlínì se na vìci dívají jinak" weglassen und durch den Satz ersetzen: "V Praze se na vìci dívají jinak". Auch in Prag ist man strammer als man seinerzeit im alten Österreich war. Die Herren, wie hier in diesem Hause und in diesen Regierungen schon ihre Rolle gespielt haben, sind überhaupt gelehrige Schüler auf Gegenseitigkeit. Kramáø hat die Polizei 1897 ins österreichische Abgeordnetenhaus eingeführt, im Jahre 1923 war unser sehr verehrter Herr Koll. Tomášek, Schüler Kramáøs und führte bei Verhandlung des Schutzgesetzes die Polizei in dieses Haus und ließ sie das Werk vollbringen, welches Kramáø der k. k. Polizei zugewiesen hatte. (Posl. Tomášek: To byla parlamentní stráž, to nebyla policie!) Ja, sehr richtig, diesen Mangel hat unser sehr verehrter Herr Koll. Tomášek eingesehen und darum ist unter seiner Ägide die Parlamentspolizei geschaffen worden, damit nicht nur eine gewöhnliche Parlamentswache hier fungierte. Wenn wir diese Politiker verfolgen, sehen wir, was für ärmliche, erbärmliche Waisenknaben jene Herren waren, die schließlich auch mächtige Herrscher waren, wie Bismarck, Taaffe. Als Bismarck gegen die sozialistische Arbeiterbewegung Maßnahmen ergreifen wollte, die in mancher Hinsicht durch Maßnahmen, die in diesem Staate gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung schon getroffen wurden, übertroffen worden sind, da brauchte er dazu ein Sozialistengesetz. Er mußte eine ganz gewaltige parlamentarische Kampagne führen, um eine derartige Macht zu Ausnahmsverfügungen in seine Hände zu bekommen, er mußte sich dieses Gesetz mehrmals verlängern lassen, immer wieder um das Gesetz kämpfen und Taaffe mußte über ganz Österreich den Ausnahmszustand verhängen, um die Politik der Ausrottung gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung durchzuführen. Jetzt braucht es keiner Ausnahmsgesetze, die heutige Regierungskoalition beweist mit dieser Vorlage, daß sie sogar noch geschickter ist als seinerzeit die allnationale Regierungskoalition, die die Schaffung des Schulgesetzes auf sich nehmen mußte, um die Macht in die Hand zu bekommen, gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung strammer vorgehen zu können. All das braucht es jetzt nicht mehr. Was wir an Polizeibestimmungen in diesem Gesetz vorgelegt bekommen, ist nichts anderes als ein Rahmengesetz für Ausnahmsmaßnahmen gegen jede oppositionelle Bewegung. Diese Bestimmungen sind so weitreichend, derart kautschukartig, daß man einfach sagen könnte, die ganzen Polizeibestimmungen dieses Gesetzes können ersetzt werden durch einen einzigen Satz: Die Bezirkshauptleute und die Polizeidirektoren können machen, was sie wollen. (Souhlas komunistických poslancù.) Wenn man die Bestimmungen über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zusammennimmt - im Detail wird darüber noch gesprochen werden - so ist es nichts anderes als ein Rahmengesetz für den Ausnahmszustand. Es braucht jetzt keiner besonderen Verordnung mehr, es genügt heute eine geheime Weisung nur des Innenministeriums an irgend einen Bezirkshauptmann oder an mehrere Bezirkshauptleute, daß diese oder jene Bestimmung gegen irgendeine Partei anzuwenden ist. Das wird in erster Linie selbstverständlich, die revolutionäre Arbeiterbewegung, die kommunistische Partei sein, so wie ja auch das Schutzgesetz hier wie in Deutschland in erster Linie gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung angewendet wurde, obwohl es unter dem Vorwand geschaffen wurde, man wolle die Feinde der Republik von rechts bekämpfen. In Wirklichkeit ist den Feinden der Republik, der Demokratie von rechts nichts geschehen.

Es genügt also eine Weisung, diese Bestimmungen gegen eine bestimmte Partei, gegen eine bestimmte Richtung durchzuführen und jeder Bezirkshauptmann kann alle staatsbürgerlichen Rechte für diese Bewegung, für diese Partei vollkommen außer Kraft setzen. Diese Bestimmungen genügen aber noch nicht. Wir haben bereits neue Dinge in Aussicht, es ist das Gesetz gegen die Zigeuner, angeblich ein Gesetz, dessen Bestimmungen auch so allgemein gehalten sind, daß sie gegen jeden angewendet werden können, gegen jeden Arbeiter, der längere Zeit arbeitslos ist, dem in der Zeit der Wirtschaftskrise es lange nicht gelingt, wieder wirtschaftlichen Halt zu finden, und vor allem das neue Gesetz über die Anwendung von Waffengewalt seitens der Gendarmerie. Das sind Gesetze, die von jedem Bezirkshauptmann gegenüber streikenden Arbeitern angewendet werden können, gegenüber Arbeitern, die sich in Not und im Elend der Arbeitslosigkeit befinden. Das Gesetz über die Anwendung der Waffengewalt seitens der Gendarmerie wird selbstverständlich nicht anderes bedeuten, als daß die Gewehre der Gendarmerie noch lockerer sitzen werden als bisher. Wir haben ja gesehen, daß die Gewehre der Gendarmerie in dieser Republik viel leichter losgehen, als sie im Kaiserreiche Franz Josefs losgegangen sind. Hier hat Herr Kramáø wirklich von Berlin gelernt, so wie er von Bismarck, von Franz Josef und anderen gelernt hat. Denn die Bestimmungen des Gesetzentwurfes über die Anwendung von Waffengewalt seitens der Gendarmerie sind nichts anderes als eine Kopie jener so furchtbar berüchtigten Schießerlässe, die von Noske, Heine u. s. w. herausgekommen sind und denen Rosa Luxemburg, Liebknecht und der Führer der Berlin Elektrizitätsarbeiter Sylt u. a. m. zum Opfer gefallen sind.. Es handelt sich um nichts anderes als um das System des legalisierten, trockenen weißen Terrors, der hier in der Èechoslovakischen Republik etabliert werden soll. Dieses System wird etabliert, wie das Gutachten der Prager Advokatenkammer klar und deutlich auseinandersetzt, etabliert sogar auch auf Kosten des Wirkungskreises der Gerichte. Aus diesen Bestimmungen, daraus, daß die bürgerliche Mehrheit sich auch nicht scheut, den Wirkungskreis der Rechtssprechung einzuschränken zugunsten der Allgewalt der Polizei, geht hervor, daß die Bourgoisie, wie wir sie in der letzten Zeit überall gesehen haben, in dem Augenblick, wo ihr System in Gefahr kommt, ihre eigenen Prinzipien, ihre eigene bisher verkündete Legalität mit Füssen tritt, um die Existenz ihrer Wirtschaftsordnung, um die Existenz ihrer Klassenherrschaft, daß heißt ihres Staates zu verteidigen. Es ist das nur ein weiterer Beweis dafür, daß es sich bei der Unabhängigkeit der Rechtssprechung, bei der Absonderung der Rechtssprechung, daß es sich bei all diesen demokratischen Prinzipien, die man verkündet, nicht um heilige und unverletzliche Prinzipien handelt, sondern, daß sie alle der Zweckmäßigkeit untergeordnet sind, daß sie untergeordnet sind dem einen Zwecke der Erhaltung der bürgerlichen Klassenherrschaft. Und wenn sie diesem Zwecke nicht dienen, dann werden diese Prinzipien auf die Seite geschoben. Dasselbe geschieht ja auch in der Vorlage mit dem sogenannten demokratischen Prinzip des allgemeinen, gleichen Wahlrechts. Kramáø beweist uns, daß er das allgemeine gleiche Wahlrecht nicht als ein unverletzliches Prinzip ansieht. Er hat bei verschiedenen Gelegenheiten in der letzten Zeit sehr energisch betont, daß er schon immer ein Gegner des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes in der Gemeinde war. Es ist noch nicht lange her, da schrieb Kramáø Erinnerungen an das Jahr 1906, an die Verhandlungen im Wahlrechtsausschusse des österreichischen Abgeordnetenhauses, als damals die Wahlreform verhandelt wurde und die Deutsch-bürgerlichen und die Regierung darauf bestanden, daß die Wahlkreiseinteilung so geschaffen werde, daß das èechische Volk im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Wahlkreise und damit wenigere Vertreter zugewiesen erhalte als das deutsche Volk.

Da erzählte Kramáø - es war in den "Národní Listy" - daß als er aus der Sitzung des Ausschusses herausging und er sah, das alles vergebens war und das alles mit in den Kauf genommen werden mußte, daß er da geweint habe, weil in dieser Sitzung beschlossen wurde, daß das èechische Volk minderen Rechts sein soll als das deutsche Volk. Aber dem Dr Kramáø ist es nicht ein einzigesmal eingefallen, zu weinen, wenn er zusehen mußte, wie die èechischen Arbeiter in der Gemeinde in ihrem Wahlrecht rechtlos waren, während daneben die deutsche Bourgoisie das Wahlrecht in vollem Ausmaße besaß. Da hat Dr Kramáø nie geweint. In Bezug auf das Gemeindewahlrecht war für ihn die Rechtlosigkeit der arbeitenden Bevölkerung vollständig angenehm. Das Wahlrecht ist eben auch kein heiliges Prinzip der Demokratie, denn die Bourgeoisie ordnet auch das Wahlrecht der Zweckmäßigkeit, der Erhaltung ihrer Klassenherrschaft unter. Darüber hat uns schon Marx einige sehr belehrende Worte geschrieben. Am 10. März 1850 fielen in der zweiten Republik in Frankreich die Wahlen gegen die herrschende bürgerliche reaktionäre Regierung aus und die Konsequenz war, daß die Bourgeoisregierung das Wahlrecht verschlechterte. In seinem bekannten Werke "Die Klassenkämpfe in Frankreich" schrieb Marx darüber: "Die Bourgeoisherrschaft als Ausfluß und Resultat des allgemeinen Stimmrechtes, als ausgesprochener Akt des souveränen Volkswillens, das ist der Sinn der Bourgeoiskonstitution. Aber von dem Augenblicke an, wo der Inhalt dieses. Stimmrechtes, dieses souveränen Willens nicht mehr die Bourgeoisherrschaft ist, hat da die Konstitution noch einen Sinn? Ist es nicht Pflicht der Bourgeoisie, das Stimmrecht so zu regeln, daß es das Vernünftige will, das heißt ihre Herrschaft? Das allgemeine Wahlrecht, indem es die vorhandene Staatsmacht beständig wieder aufhebt und vom neuen aus sich erschafft, hebt es nicht alle Stabilität auf, stellt es nicht jeden Augenblick alle bestehenden Gewalten in Frage, d. h. vernichtet es nicht die Autorität, droht es nicht, die Anarchie selbst zur Autorität zu erheben? Die Bourgeoisie, indem sie das allgemeine Wahlrecht, mit dem sie sich bisher behauptet hatte, aus dem sie ihre Allmacht saugte, verwirft, gesteht unverhohlen: Unsere Diktatur hat bisher bestanden durch den Willen des Volkes, sie muß jetzt befestigt werden gegen den Willen des Volkes." Damit ist die Stellung der Bourgeoisie zum allgemeinen Wahlrecht klar gegeben. Wir haben es vorläufig nur mit einem Angriff auf das allgemeine Wahlrecht in der Selbstverwaltung zu tun, aber es ist der erste Angriff auf das allgemeine Wahlrecht überhaupt. Wie wird dieser Angriff begründet? Er wird im Motivenbericht des Berichterstatters Kramáø damit begründet, daß es hier um wirtschaftliche Fragen gehe, nicht um Politik, daher eine Einschränkung des Wahlrechtes berechtigt erscheine. Das heißt also: je mehr es sich um wirtschaftliche Fragen handelt, desto geringer - das ist ja immer so bei der Bourgeoisie - soll überhaupt der Einfluß des Staates, der Öffentlichkeit sein, desto geringer soll aber vor allem der Einfluß des Parlamentes, der Einfluß des arbeitenden Volkes durch das allgemeine Wahlrecht sein. Herr Dr Kramáø hat hier mit dieser Begründung, vielleicht gegen seinen Willen, das wahre Wesen des ganzen Parlamentarismus und des ganzen Vertretungssystems der bürgerlichen Demokratie enthüllt.

Die Produktion, die Wirtschaft, sie ist die Grundlage der ganzen Gesellschaft, sie bestimmt das ganze übrige gesellschaftliche Leben. Von der Produktion, von der Produktionsweise, von der Wirtschaft ist die Gesellschaft abhängig. Und gerade in diesem wichtigsten Zweige, dort, wo das Interesse der ganzen Gesellschaft in Betracht kommt, darf ja das Parlament nicht dreinreden. Das ist das Monopol der Kapitalisten. Und was bedeutet das? Das bedeutet, daß erstens die Kapitalisten, damit die ganze Politik, die ganze Arbeit des Parlamentes, der Regierung u. s. w. indirekt diktieren, weil das gesamte gesellschaftliche Leben, die Gesetzgebung und Verwaltung durch die Produktionsweise, durch das Wirtschaftsleben bestimmt werden, dessen Leitung durch die Kapitalisten monopolisiert ist. Unmittelbar bedeutet das auch, daß der direkte Einfluß der Kapitalisten, des Großkapitals auf die Regierung sowie auf die Gesetzgebung ausgeübt wird. Das ist das Charakteristikum des ganzen Vertretungssystems der bürgerlichen Demokratie. Das Volk kann wählen, die gewählten Vertreter dürfen Reden halten, sie dürfen Gesetze beschließen, sie dürfen alles mögliche machen, aber nur an der Hauptsache dürfen sie nicht rütteln, in die Hauptsache, in die Produktion, in das Wirtschaftsleben, das die bestimmende Grundlage der ganzen Gesellschaft ist, haben sie nichts dreinzureden. Das wird der Gesellschaft von den Kapitalisten diktiert. Hier hegt aber auch die Wurzel des Bestrebens, das in dieser Verwaltungsreform zum Ausdruck kommt: die Machtvollkommenheit der Beamten gegen die gewählten Vertretungen immer mehr auszugestalten. Nicht genug damit, daß die Bourgeoisie die Verwaltung indirekt, durch die Wirtschaften, in der Hand hat, sucht die Bourgeoisie auch dort, wo der Staat und das Parlament gezwungen sind, wirtschaftliche Maßnahmen gesetzgeberisch zu ergreifen, die Durchführung dieser Maßnahmen an sich zu reißen und die gesamte Verwaltung, die Durchführung und Anwendung der Gesetze, in die Hände der Bürokratie, die ja von der Bourgeoisie abhängig ist, zu legen. Gewiß kann keine öffentliche Verwaltung ohne Beamte, ohne Angestellte, ohne eine gewisse Bürokratie auskommen. Aber was soll der Beamte sein? Er soll das Hilfsorgan, der Helfer, das ausübende Organ der gewählten Vertreter sein. Es wird hier im Motivenbericht des Berichterstatters Dr Kramáø die Sophistik betrieben, daß es im Interesse der Einheitlichkeit der Verwaltung, die ja in diesem Gesetz festgelegt wird, liege, wenn, die Machtvollkommenheit der Bürokratie gestärkt wird. Aber kann die Einheitlichkeit der Verwaltung nicht ebenso gut in die Hände der gewählten Vertreter gelegt werden, dadurch, daß sie nicht nur die bisherigen Agenden der Selbstverwaltung weiterführen, sondern auch die Agenden der staatlichen lokalen Vertretung vollständig in die Hände bekommen? Worum handelt es sich bei den Angelegenheiten der Verwaltung? Es handelt sich um Angelegenheiten, die insgesamt die Interessen der ganzen Bevölkerung berühren. Und soweit für diese Maßnahmen im Interesse der gesamten Bevölkerung Mittel notwendig sind, handelt es sich um das Geld des Volkes, um das Geld der Bevölkerung, über das die Verwaltung verfügt. Wer soll infolgedessen über diese Maßnahmen, über die Finanzen der Verwaltung bestimmen? Eben die gewählten Vertreter dieses Volkes, gegen das auch alle Verwaltungsmaßnahmen gerichtet sind, um dessen Interessen es sich handelt und welches die ganze Verwaltung bezahlen muß. Aber hier wäre es infolgedessen, wenn das Prinzip der Demokratie auch nur halbwegs ehrlich gemeint wäre, selbstverständlich, daß die Vertretung so organisiert sein muß, daß die gesamte Machtvollkommenheit ausschließlich in die Hand der gewählten Vertretungskörper gelegt wird und die Beamten diesen Vertretungskörpern untergeordnet und verantwortlich sind. Aber diese Vorlage legalisiert im Geiste des Gaugesetzes vom Jahre 1920 das Umgekehrte. Das bestimmende, ausübende Organ mit der entscheidenden Machtvollkommenheit ist die Bürokratie, ist die hohe juristische Bürokratie, die selbstverständlich nichts anderes ist als das Werkzeug des Kapitalismus, weil sie abhängig ist nicht von der Bevölkerung, sondern von der Regierung, weil sie im Geist des Kapitalismus erzogen ist, denn die ganze Rechtswissenschaft ist aufgebaut auf dem heiligen Prinzip des Privateigentums, und daher ein williges Werkzeug in der Hand der Kapitalisten ist. Und auf der anderen Seite sind die gewählten Vertretungen nach dieser Vorlage, wie es auch im Gaugesetze festgelegt ist, nichts anderes als Anhängsel, als Hilfsorgane der Bürokratie, und der Berichterstatter drückt es direkt aus, die gewählten Vertreter sollen beratende Organe der Bürokratie sein, die die gesamte Machtvollkommenheit in der Hand hat. Aus diesen Gründen ist ja auch, weil es sich eben hier darum handelt, daß die Bourgeoisie die gesamte Verwaltung in die Hand bekommen soll, die Bürokratie das geeignetste Instrument in der Hand der Bourgeoisie. Darum ist mit dieser Regelung der öffentlichen Verwaltung das Klasseninteresse der Bourgeoisie auf das innigste verbunden. Dieses Klasseninteresse der Bourgeoisie diktiert heute der Bourgeoisie die feindselige Haltung gegen das allgemeine geheime Wahlrecht, die feindselige Haltung gegen die Befugnisse der gewählten Vertretungen. Es handelt sich hier vor allem um das Klasseninteresse der Bourgeoisie an der Erhaltung des bürgerlichen Staates, an der Erhaltung der bürgerlichen Ordnung, denn der bürgerliche Staat, seine Regierung, seine gesamte Verwaltung soll ein verläßliches Instrument in den Händen der Bourgeoisie sein. In zweiter Linie kommt selbstverständlich, wie ich schon einleitend gesagt habe, das Interesse der Bourgeoisie, das unmittelbare Profitinteresse der Kapitalisten an der Einschränkung der öffentlichen Verwaltung, an der Einschränkung ihrer Befugnisse, der ganzen wirtschaftlichen, sozialpolitischen und kulturellen Tätigkeit und damit an der Herabsetzung jener Kosten, zu denen die Bourgeoisie ebenfalls beizutragen gezwungen ist. Wir haben eine Reihe von Kapiteln, die sozialpolitisch, kulturell und wirtschaftlich durch die neue Gesetzgebung in der Selbstverwaltung eine gewaltige Einschränkung erfahren werden. So z. B. vor allem die Schule. Ich greife dieses Kapitel heraus, weil es ein sehr beliebtes Kapitel der deutschen und èechischen Bourgeoisie ist. Die Schule ist beliebt, aber nicht dann, wenn sie Geld kostet, wenn die Herren selber für die Schule Opfer bringen sollen, sondern nur dann, wenn sie Gegenstand des nationalen Streites sein soll. Wenn sie selbst Opfer bringen sollen, dann sind sie ihr nicht so freundlich gesinnt. Wir waren hier in diesem Staate Zeugen gewaltiger, leidenschaftlicher Auftritte seitens der deutsch-bürgerlichen Parteien um die deutsche Schule, aber wenn wir in deutsche Gemeinde- und Bezirksvertretungen kamen und dort als Vertreter der Arbeiter Anträge stellten zugunsten der Schule, zugunsten von Schulneubauten, Schulzahnpflege, Freiheit der Lehrmittel u. s. w., waren dieselben Herren, die von dieser Rednertribüne aus die leidenschaftlichsten Anwärter der deutschen Schule waren, in den Gemeinden und Bezirksvertretungen, dort, wo sie zahlen sollten, die grimmigsten Feinde der deutschen Schule.

Dort haben sie eine ganz andere Politik getrieben. Selbstverständlich gilt das auch von der èechischen Bourgeoisie. Derselbe Herr Kramáø, der hier als Vertreter der èechischen Kultur, der èechischen Schule usw. auftritt, war es, der als in seiner Gemeinde, wo er Steuerträger ist, in Liebstadt, die Frage des Baues einer neuen èechischen Schule auftauchte, sich dagegen bis zum äußersten wehrte, weil er aus seiner Tasche Umlagen bezahlen soll. (Výkøiky na levici.) Herr Dr Kramáø ist auch hier ein getreuer Schüler seines großen Lehrers Bismarck. Denn von Bismarck ist die schöne Geschichte aus seinem Leben bekannt, daß er als Gutsherr der erbitterte Feind der Schule war und daß er, als der Lehrer mehr Geduld für die Schule verlangte, schrieb, daß er nicht gewillt sei, dieses Geld zu zahlen. Die Herren sind für die nationale Kultur und Schule, wenn es sich um das Phrasendreschen handelt, aber dort, wo sie zahlen sollen, wollen sie von der Schule nichts wissen. In diesem Sinne ist auch diese Verwaltungsreform ein Angriff gegen die Schule, nicht nur gegen die Selbstverwaltung der Schule durch die Bevölkerung, sondern auch gegen den materiellen Aufwand für die Schule, der unter dem Druck dieser Regelung der Verwaltung gewaltig herabgesetzt werden wird. Es handelt sich hier um das Klasseninteresse der Bourgeoisie, es handelt sich um die schmutzigsten Profitinteressen der Kapitalisten und es ist ein Lüge, wenn die Herren hier auftreten, die Herren Kramáø und Konsorten und sagen, daß es sich um das Interesse des Staates usw. handle. Nein, um ihre schäbigsten Profitinteressen handelt es sich hier. Darum galten nicht die Argumente der Advokatenkammer, nicht die Argumente der Rechtslehrer usw. Aus diesem Grunde sind ja auch die deutschen Aktivisten für dieses Gesetz, deshalb haben Sie in der letzten Zeit für alle diese Gesetze gestimmt, deren logische Fortsetzung die Verwaltungsreform ist. Ich will nur ein Zitat aus der "Deutschen Presse" bringen, um die Haltung der Christlichsozialen zu kennzeichnen. Dort heißt es von der Verwaltungsreform, daß die deutschen Christlichsozialen zu einem neuen Verwaltungsgesetz nur dann ihre Zustimmung geben werden, wenn durch entsprechende Einflußnahme der deutschen Regierungparteien bestimmte Änderungen erreicht werden. Wir wissen, daß diese Änderungen, die erreicht wurden, überhaupt keinen Wert besitzen, daß sie minimal sind, daß nichts Wesentliches an diesen Vorlagen verbessert wurde. Damals hat die christlichsoziale Volkspartei in der "Deutschen Presse" auch erklärt: "Wir verlangen also, daß bei diesen Ernennungen Sicherungen nationaler und wirtschaftlicher Beziehung gewährleistet werden." Bei der Ernennung der Vorsitzenden, der Chefs der verschiedenen Verwaltungskörper und ihrer Mitgliedes. Wir sehen, dieses Gesetz wird jetzt durchberaten und die christlichsoziale Partei verlangt keine Sicherungen, weil sie einfach unmöglich sind, wenn sie nicht im Gesetze selbst stehen. Wenn Gemeindewahlen sind, da besinnen sich die Christlichsozialen auf die Selbstverwaltung. Anläßlich der Gemeindewahlen in Schreckenstein im Vorjahr schrieb das christlichsoziale Parteiorgan: "Wir fordern die Selbstverwaltung der Gemeinden. Wir verlangen die Beseitigung aller Beschränkungen der Selbstverwaltung durch Gesetze und Verordnungen und den ungehinderten Verbrauch der deutschen Sprache als Amtssprache der deutschen Gemeinden."

Wir sehen, in der Praxis sehen die Forderungen so aus, wie die Bestimmungen, die wir in diesem Gesetze über den Sprachengebrauch in den Selbstverwaltung haben. Weil ihnen das Interesse an der Festigung und Sicherung der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, an der Herabsetzung der Steuerleistung, an der Erhöhung des Profits des Kapitals wichtiger ist, weil es ihnen das das oberste Gesetz ist, aus diesem Grunde stimmen die deutschen Aktivisten für dieses Gesetz und treten das Selbstbestimmungsrecht mit Füßen. Denn was gilt hier das Selbstbestimmungsrecht, die Stützung der bürgerlichen Ordnung und der Schutz des Profitinteresses des Kapitals ist ihnen wichtiger. Und doch gibt es ohne das Selbstbestimmungsrecht, ohne die nationale Selbstbestimmung überhaupt keine nationale Selbstverwaltung. Das beweist gerade die Vorlage, mit der wir es jetzt zu tun haben. Gerade die Ereignisse in der letzten Zeit, die dem Zustandekommen dieser Vorlage vorausgegangen sind, beweisen, daß die Verwirklichung einer Selbstverwaltung unmöglich ist, solange nicht die Nationen dieses Staates das Selbstbestimmungsrecht besitzen.

Unsere Stellung zur öffentlichen Verwaltung ist gegeben durch unsere Stellung zum Staate, in dem wir nichts anderes erblicken als die durch Verfassung und Gesetze verkörperte und so legalisierte Klassenherrschaft der besitzenden Klassen. Prinzipiell gibt es in diesem Punkte keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Staatsformen, ob es nun ein monarchistischer oder ein republikanischer Bourgeoisstaat ist. Und es gibt wohl auch keinen prinzipiellen Unterschied zwischen demokratischem Parlamentarismus und Privilegienparlamentarismus. Jede dieser Formen des Staates, jede dieser Formen des Repräsentativsystems kann in der bürgerlichen Gesellschaft nichts anderes sein als die organisierte Gewalt der Klassenherrschaft, der Bourgeoisie. In diesem Sinne können wir auch keinen prinzipiellen Unterschied erblicken zwischen der staatlichen politischen Verwaltung und der sogenannten Selbstverwaltung im bürgerlichen Staate. Die Selbstverwaltung hat genau dieselben Aufgaben wie die staatlich politische Verwaltung, ein Unterdrückungsinstrument in der Hand der besitzenden Klassen zu sein, wobei wir berücksichtigen müssen, daß die Klassenherrschaft der Bourgeoisie nicht nur einseitig durch die staatliche organisierte Gewalt der herrschenden Klassen, sondern auch immer auf der anderen Seite dadurch ausgeübt worden ist, daß man die arbeitenden Klassen durch Scheinreformen beruhigte und sie auf der andern Seite im Geiste der bestehenden Gesellschaftsordnung erzog.

Aber der Unterschied in diesen verschiedenen Systemen der Verwaltung des bürgerlichen Staates, der bürgerlichen Gesellschaft besteht für uns einzig und allein in der Möglichkeit, die dieses System den arbeitenden Klassen gewährt, ihre Forderungen zu Geltung zu bringen, ihren Einfluß geltend zu machen, die öffentlichen Verwaltungseinrichtungen in ihrem Sinne zu beeinflussen, deren Funktion als Herrschaftsinstrument, als Instrument der Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu stören und ihnen derart ihre Vertreter die Erfüllung ihrer Aufgaben, eine Stütze der Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu sein, zu erschweren. In dieser Hinsicht ist die Aufgabe der arbeitenden Klassen darin zu erblicken, die staatliche Verwaltung, ob sie sich nun in diesem oder jenem Repräsentivsystem äußert, ob sie diese oder jene Verwaltungsorganisation hat, als Herrschaftsorganisation der Bourgeoisie zu ersetzen. In diesem Sinne verteidigen wir das Wahlrecht der arbeitenden Klassen und die Selbstverwaltung gegenüber den Versuchen, das Wahlrecht zu verschlechtern und die Selbstverwaltung zu Gunsten der staatlichen bürokratischen Verwaltung zu kassieren und den Einfluß der arbeitenden Massen auf die Verwaltung vollständig zu beseitigen. Wir sind für das Wahlrecht und für die Selbstverwaltung, weil in diesem System der Demokratie die Klassen einander unmittelbar gegenübergestellt werden und die Bourgeoisie gezwungen ist, selbst ihre Herrschaft auszuüben und sich nicht hinter anderen Herrschaftsorganisationen verstecken kann, und weil zweitens die politischen Rechte der arbeitenden Klassen, das Wahlrecht zum Parlament, die Teilnahme an der Selbstverwaltung die Hebel sind, welche die arbeitenden Klassen ansetzen können, um den bürgerlichen Staat in seinem Gefüge zu lockern und so vorzuarbeiten, um ihn im geeigneten Momente besser aus den Angeln zu heben. In diesem Sinne auch, weil wir wissen, daß der Kampf für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker die bürgerliche Staatsordnung als Instrument der Klassenherrschaft der Bourgeoisie in Gefahr bringen könnte, in diesem Sinne erheben wir auch im bürgerlichen Staate die Forderung des nationalen Selbstbestimmungsrechtes. In diesem Sinne formulieren wir unsere Forderungen gegenüber den Bestimmungen, die dieser Entwurf enthält. Unsere Forderungen sind vor allem in erster Linie das volle nationale Selbstbestimmungsrecht, das volle Recht der in diesem Staate wohnenden Nationen, über ihre Zugehörigkeit zum Staate aus eigener Verfügung, aus eigenem Willen zu entscheiden. Dieses Ideal kann weder durch die Gauverfassung, noch durch die alte Länderverfassung verwirklicht werden. Wir fordern das volle Selbstbestimmungsrecht als Voraussetzung der Verwirklichung einer wirklichen nationalen Selbstverwaltung. Wir fordern in Bezug auf die Verwaltungsorganisation die volle Selbstverwaltung, d. h. die Abschaffung aller staatlichen bürokratischen Lokalverwaltung. Sämtliche Verwaltungsaufgaben, ob sie nun wirtschaftlicher oder polizeilicher Natur sind, ob sie zu den Aufgaben gehören, die heute von den staatlichen Behörden besorgt werden - sämtliche dieser Verwaltungsaufgaben und Funktionen gehören in die Hand der Organe der Selbstverwaltung. Wir fordern die Selbstverwaltung durch gewählte Funktionäre und Beamte und die Demokratisierung der Rechtssprechung durch Wahl der Richter. Wir fordern die Abschaffung der unübersichtlichen, von den gewählten Vertretungen unmöglich zu kontrollierenden Landesverwaltung. Wir fordern die Schaffung kleiner Verwaltungsgebiete in der Art der Gaue, wir fordern die nationale Abgrenzung der Verwaltungsgebiete, wir fordern die Zusammenfassung der Verwaltungsgebiete einer Nation zu einer Einheit und die Verwirklichung der nationalen Selbstverwaltung auf Grund eigener nationaler Parlamente innerhalb dieser Einheit, unter der Voraussetzung eines auf Gegenseitigkeit beruhenden Gesetzes über den Schutz der nationalen Minderheiten. Wir fordern für die Slovakei und die Karpathoukraine die Einsetzung von besonderen Landtagen, auf welchen die Bevölkerung dieser Gebiete durch ihre gewählten Vertreter selbst darüber entscheiden soll, in welcher Form sie ihr Verhältnis zu diesem Staat regeln will. Wir erklären, daß diese Forderungen selbstverständlich nicht die Formulierung jenes Ideales einer Regierung und öffentlichen Verwaltung sind, daß uns vorschwebt. Unser Ideal einer Verwaltung ist ein Verwaltungssystem, in welchem die ganze Macht dem arbeitenden Volke gehört und die besitzenden Klassen von der Ausübung der Regierungsmacht und der Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung vollständig ausgeschlossen sind. Wir fordern ein solches System der öffentlichen Verwaltung, das eine Vereinigung von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtssprechung in der Hand des arbeitenden Volkes bedeutet. Wir fordern ein Regierungs- und Verwaltungssystem, in welchem nicht die Regierung und die Verwaltung nur das Recht hat, in den Grenzen des Wirtschaftsdiktates der Kapitalisten ihre Gesetzgebung, Verwaltung usw. einrichten zu können, sondern wir fordern ein Regierungs- und Verwaltungssystem in welchem vor allem den gewählten Körperschaften, den Vertretern des Volkes die Herrschaft und Verfügung über das gesamte Wirtschaftsleben der Gesellschaft in die Hand gegeben wird. Denn nur wenn das Volk das Wirtschaftsleben in der Hand hat, wenn die Produktionsmittel den Besitzklassen entrissen sind, erst dann können wir von der freien Selbstverwaltung des Volkes sprechen. Wir fordern in diesem Sinne die wirkliche Selbstverwaltung, in welcher die gesamte Macht, nicht nur die gesetzgebende Macht, sondern auch die ausübende Gewalt und die Rechtssprechung in den Händen der arbeitenden Klasse, in den Händen der von der arbeitenden Klasse gewählten Vertreter sich befinden, in welcher die Beamten nur das Hilfsmittel, das Hilfsorgan der gewählten Vertreter des arbeitenden Volkes sind. Es gibt nur ein Regierungs- und Verwaltungssystem, das diesem Ideal der Verwaltung entspricht, das wirklich eine demokratische Selbstverwaltung der arbeitenden Klasse ist, und das ist das System der Sowjets. (Potlesk komunistických poslancù.)


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