Es ist notwendig, daß wir uns über
die Wurzeln und die Zusammenhänge des Gesetzentwurfes klar
werden, der uns vorgelegt worden ist. Der Gesetzentwurf über
die Verwaltungsreform ist eine von den vielen Maßnahmen,
die seit dem Bestande dieses Staates bereits getroffen wurden,
um die Rettungsaktion für den durch den Weltkrieg, durch
die gewaltige Wirtschaftskrise in Gefahr geratenen Kapitalismus
durchzuführen. Sie ist ein Glied in der langen Kette aller
jener Maßnahmen dieses Staates, von seinem Beginn an, die
den Zweck haben, die Regierung, die Gesetzgebung, die gesamte
Verwaltung und Rechtsprechung restlos unter den Einfluß
der besitzenden Klassen, des Großkapitals zu bringen. Wir
verfolgen diese Tendenz seit jenen Vorlagen, mit welchen in diesem
Hause die sogenannte Deflationspolitik eingeleitet wurde, mit
der seinerzeit jene Politik begann, die man im allgemeinen als
die Stabilisierungspolitik bezeichnet und die von der seinerzeitigen
Mehrheit dieses Hauses auch als solche, bzw. mit einem anderen
Wort, als Konsolidierungspolitik betrieben wurde.
Das, was uns jetzt vorgelegt wurde, betrachtet
im Zusammenhang mit der Steuerreform, mit dem Gesetz über
die Finanzen der Selbstverwaltungskörper, ist nichts anderes
als ein Teil dieser Stabilisierungspolitik und ist vom kapitalistischen
Gesichtspunkt aus nichts anderes als die konsequente Fortführung
dieser Stabilisierungspolitik, die von der vorigen Regierungsmehrheit
eingeleitet und bis zu einem hohen Grade Breites durchgeführt
wurde. Das wird uns vor allem klar, wenn wir die wirtschaftliche
Seite dieser Vorlage im Zusammenhang mit der Steuerreform und
dem Gesetz über die Finanzen der Selbstverwaltungskörper
betrachten. In diesem Punkte ist, soweit die Staatswirtschaft
in Frage kommt, das Ziel der Stabilisierungspolitik darauf gerichtet,
die Ausgaben des Staates und der gesamten öffentlichen Verwaltung
für wirtschaftliche, sozialpolitische und kulturelle Zwecke
soweit als möglich herabzudrücken, das Budget in dieser
Hinsicht zu reduzieren und die direkten Steuern, soweit sie darauf
abzielen, vom Mehrwert der Kapitalisten etwas zugunsten des Staates
und der öffentlichen Verwaltung abzuschöpfen, herabsetzen.
Das ist in Bezug auf den Staat schon der allnationalen Regierungskoalition
bis zu einem hohen Grade gelungen. Ich verweise nur auf die ständige
Verschlechterung des Gesetzes über die Bauförderung,
auf die Gesetzgebung in Bezug auf die Arbeitslosenunterstützung,
auf das Invalidengesetz usw. Es ist ganz selbstverständlich,
daß die besitzenden Klassen, denen in diesem Punkte gegenüber
dem Staate der Appetit gereizt wurde, denen in Bezug auf die staatlichen
Lasten nicht nur der kleine Finger, sondern die ganze Hand gereicht
wurde, daß die Kapitalisten damit bei weitem nicht zufrieden
sind und jetzt mit derselben Politik gegenüber der Selbstverwaltung
beginnen. Wir müssen dabei in Betracht ziehen, daß
nach verschiedenen Schätzungen die Ausgabenbudgets der gesamten
Selbstverwaltungskörper, der Bezirke, Länder, Gemeinden
und Gaue, ungefähr 4 Milliarden jährlich betragen, also
im Vergleich zum Staatsbudget eine ganz gewaltige Summe. Diese
Ausgaben - und das verschlimmert die Situation der Selbstverwaltung
in den Augen der besitzenden Klassen - sind fast ausschließlich
wirtschaftlichen, sozialpolitischen und kulturellen Aufgaben gewidmet.
Wenn man die Ausgaben des Staates zusammenzählt, und zwar
generös, indem man den gesamten Etat der Ministerien für
Handel und Gewerbe, für Landwirtschaft, Post und Eisenbahnen,
Bodenamt, soziale Fürsorge, Gesundheitspflege, und Volksaufklärung
addiert, so kommt man zu einer Gesamtsumme von 3/2
Milliarden; wir sehen also, daß in dieser Beziehung die
Selbstverwaltung eine weit größere Rolle für die
besitzenden Klassen spielt, als sogar die staatliche Verwaltung.
Daraus ist die Feindseligkeit der Bourgeoisie gegenüber der
Selbstverwaltung schon reichlich zu erklären.
Noch deutlicher wird das, wenn wir - die Sache
vom Gesichtspunkt der Steuerlasten betrachten. Nach einer offiziellen
Statistik betrugen die Zuschläge der gesamten Selbst verwaltungskörper
zu den direkten Steuern in den sogenannten historischen Ländern
im Jahre 1922 insgesamt 1157 Millionen. Die Steuern selbst zu
denen diese Zuschläge von der Selbstverwaltung eingehoben
wurden, betrugen insgesamt 249 Millionen. Daher ist ein Zuschlagsprozentsatz
von 465.4% insgesamt bei den Selbstverwaltungskörpern zu
konstatieren. Dazu kommen noch, nach dem Budget für 1927
genommen, 950 Millionen Zuweisungen aus den staatlichen Steuern
an die Selbstverwaltung. Wir sehen also: Vom Gesichtspunkt der
Steuerleistung aus hat die Bourgeoisie von ihrem Standpunkt noch
mehr Grund zur Feindseligkeit gegenüber der Selbstverwaltung.
Daraus erklärt sich die feindselige Haltung der besitzenden
Klassen, die die Politik dieses Staates seit seiner Gründung
dirigiert haben, gegenüber der Selbstverwaltung, eine Politik,
die besonders auf eine Einschränkung der finanziellen Machtbefugnisse
der Selbstverwaltung abzielte. Das Gemeindewahlrecht, das die
besitzenden Klassen unter dem Drucke der gewaltigen Revolutionsbewegung
nach dem Ende des Weltkrieges gewähren mußten, dieses
allgemeine gleiche Gemeindewahlrecht war für die besitzenden
Klassen nur noch ein Grund mehr dafür, die finanziellen Freiheit
der Gemeindeverwaltung einzuschränken, weil sie mit Recht
befürchteten, daß der Einzug der arbeitenden Klassen
in die Gemeindeverwaltung eine gewaltige Erhöhung der Gemeinde
ausgaben für volkswirtschaftliche und sozialpolitische, vor
allem aber für kulturelle Zwecke mit sich bringen werde.
Aus diesem Geiste wurde die Finanznovelle vom Jahre 1919 geboren,
die bereits eine Einschränkung der Finanzhoheit der Gemeindeverwaltung
bedeute, indem die sogenannten Finanzkommissionen eingesetzt wurden.
Aus diesem Geiste wurde auch das neue Gesetz über die Finanzen
der Selbstverwaltung geboren. Das bedeutet erstens die Einschränkung
des Ausgabenbudgets, zweitens die Einschränkung der Steuerzuschläge
für die Selbstverwaltung und drittens den teilweisen Ersatz
der Zuschläge zu den direkten Steuern durch Erhöhung
der Einhebung von indirekten Steuern durch die Selbstverwaltung.
Das vorliegende Gesetz über die Selbstverwaltung
bedeutet eine weitere Einschränkung der Befugnisse der gewählten
Vertreter in der Selbstverwaltung. Es bedeutet, im ganzen genommen,
daß der Einfluß der von der Bevölkerung gewählten,
der Bevölkerung verantwortlichen Vertreter in der Selbstverwaltung,
die aus diesem Grunde gezwungen sind, auf die Forderungen der
Massen der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, eingeschränkt
und daß dafür nicht nur der Einfluß der staatlichen
Bürokratie, der gegenüber dem Volke verantwortungslosen
Bürokraten erhöht wird, sondern der entscheidende Einfluß
in der gesamten Verwaltung in die Hand der hohen staatlichen Bürokratie
gelegt wird, die eben nichts anderes ist als ein blindes Werkzeug
in der Hand der kapitalistischen Regierung. Damit sind wir aber
auch schon bei der politischen Seite dieser Vorlage angelangt.
Diese Vorlage bedeutet vom politischen Gesichtspunkt vor allem
die Sicherung der Durchführung der dem arbeitenden Volke
feindseligen Maßnahmen dadurch, daß sich die Bourgoisie
den Apparat sichert, damit der ganze Verwaltungsapparat in ihrer
Hand verläßlich fungiere und in der gesamten Verwaltung
ihre Befehle auch in Bezug auf die wirtschaftliche Seite der Verwaltung
vollzogen werden. Zweitens ist der Zweck dieser Reform der Verwaltung
die Niederschlagung des Widerstandes der arbeitenden Klasse gegen
die Stabilisierungsmaßnahmen der besitzenden Klassen. Auch
soweit es sich um die Sicherung des Apparates in der Hand der
Bourgoisie handelt, ist dieses Gesetz nichts Neues, sondern nur
das letzte Glied - ich will nicht so optimistisch sein und sagen:
die Krönung, denn es kann noch Schlimmeres kommen - das vorläufig
letzte Glied einer ganzen Kette von derartigen Maßnahmen.
Der Grundsatz der Selbstverwaltung durch gewählte Vertretungen
wurde nicht erst von der deutsch-èechischen bürgerlichen
Koalition er wurde vielmehr bereits von der früheren Regierungskoalition
mit Füßen getreten, schon dadurch,
daß im Jahre 1919 wohl einerseits das schändliche Privilegienwahlrecht
in den Ländern und Bezirken beseitigt wurde, aber in der
Form, daß eben jedwedes Wahlrecht überhaupt beseitigt
wurde, daß damals an die Stelle der gewählten Vertretungen
in Bezirk und Land die ernannten Verwaltungskommissionen traten,
mit denen die allnationale Regierungskoalition während der
ganzen Zeit ihrer Wirksamkeit fortwurstelte. Wir sehen also, daß
dieselben, die heute das allgemeine gleiche Wahlrecht verteidigen,
dieses bereits seinerzeit in der Selbstverwaltung zum großen
Teile kassiert haben. Der Grundsatz der Selbstverwaltung überhaupt
wurde schon durch die Gauverfassung vom Jahre 1920 verletzt und
wir müssen gerade aus der Gauverfassung vom Jahre 1920 heraus,
die das Werk der agrarisch-sozialistischen Koalition war, das
heutige Gesetz über die Reform der öffentlichen Verwaltung
erklären. Es ist gewißermaßen in der Hauptsache
das Kind dieses bereits bestehenden Gesetzes. Schon diese Gauverfassung
enthielt eine ganze Reihe der reaktionären Bestimmungen der
heutigen Vorlage, vor allem die Auslieferung der Selbstverwaltung
an die staatliche Bürokratie, die Verstaatlichung der gesamten
öffentlichen Verwaltung, dann die lächerliche Stellung
der gewählten Vertretungen in der öffentlichen Verwaltung,
die sich nicht einmal den Vorsitzenden wählen dürfen
und in einer ganzen Reihe von Aufgaben, die die Verwaltung zu
besorgen hat nichts dareinzureden haben. Ferner die Bestimmung,
daß die Vollzugsorgane den gewählten Vertretungen nicht
verantwortlich sind, daß die Kompetenz auf Beschlüsse
in wirtschaftlichen Angelegenheiten beschränkt wird, auf
deren Durchführung sie keinen Einfluß haben, weil die
Durchführung nicht in ihrer Hand ist, und auf das Veto des
Bürokraten, das er als Vorsitzender gegen die Beschlüsse
der gewählten Vertretung einlegen kann. Das zeigt die klägliche
Rolle derselben und ihre ganze Schmach. Das alles war schon in
der reaktionären Gauverfassung der allnationalen Koalition
enthalten und die deutsch-èechische Regierungskoalition
ist in dieser Hinsicht nur die Schülerin der allnationalen
Koalition. Auch der Grundsatz der ausschliesslichen Wählbarkeit
der Vertretungen ist bereits in der Gauverfassung vom Jahre 1920
durchbrochen worden, denn in dieser waren bereits
für die Slovakei Vorkehrungen dafür getroffen, daß
ein Teil der Gauvertretungen und der wichtigsten Stadtvertretungen
von der Regierung ernannt werden kann. Wir sehen, daß die
Gauverfassung bereits denselben reaktionären Geist atmete
wie diese Vorlage, weshalb wir selbstverständlich nicht das
Gaugesetz als das Vorteilhaftere und Bessere gegenüber der
heutigen Vorlage verteidigen können. Im Jahre 1921 kam die
Novelle zur Gemeindeordnung, welche der Regierung das Recht in
die Hand gab, den Gemeinden den wichtigstens Teil ihres Wirkungskreises
abzunehmen. Wir sehen also: dieser Vorlage ist eine ganze Reihe
von Maßnahmen und Streichen, die gegen die Selbstverwaltung
gerichtet sind, vorangegangen. Die heutige Koalition geht nur
in den ausgefahrenen Geleisen der allnationalen Koalition weiter,
nur daß sie eben auf diesem Geleise ein gutes Stück
weiterfährt, als die allnationale Koalition seinerzeit gefahren
ist.
Soweit es sich um den zweiten politischen Zweck
der Regierungsvorlage handelt, um die Niederschlagung des Widerstandes
der arbeitenden Klassen gegen die Stabilisierungspolitik der besitzenden
Klassen durch Gewalt, durch polizeiliche, strafrechtliche und
ähnliche Maßnahmen, soweit also die Bestimmungen dieser
Verwaltungsreform im Bezug auf das Polizeistrafrecht, das Prügelpatent
in Betracht kommen, die ja noch eine Ergänzung durch ein
besonderes Gesetz erfahren werden - wir können uns heute
schon eine Vorstellung machen, wie dieses Gesetz aussehen wird
- so ist auch hier die Vorlage nur die konsequente Fortführung
der Politik, die in diesem Staate von seinem Beginn an gemacht
wurde, der Politik der Polizeibrutalitäten, die in der Zeit
der allnationalen Koalition bereits bei verschiedenen Gelegenheiten
sich derart häuften, daß sie von der heutigen
deutsch-èechischen Koalition bisher noch nicht übertroffen
werden konnten. Ich verweise auf das Gesetz zum Schutze der Republik
und auf die Preßgesetznovelle. Die Novelle zur Gemeindeordnung
vom Jahre 1921, die ich bereits erwähnt habe, gab schon der
Regierung das Recht, den Sicherheitsdienst
den Gemeinden abzunehmen und vollständig in die Hände
der staatlichen Polizei zu legen. Daß diese Verwaltungsreform,
wie sich diese Vorlage nennt, organisch herausgewachsen ist aus
der ganzen bisherigen Politik, die von den Regierungen in diesem
Staate befolgt wurde, und daß sie die organische Fortsetzung
aller dieser bisherigen Politik ist, das ist notwendig festzustellen
zur Charakterisierung der Vorlage, aber auch zur Feststellung
der Verantwortlichkeit für die Vorlage, mit der wir uns jetzt
beschäftigen. Es handelt sieh nicht nur um die Verantwortlichkeit
der Bourgoisie, bei der diese Tendenz und Politik eine Selbstverständlichkeit
ist. Es ist selbstverständlich, daß die Bourgoisie
das Bestreben hat, ihre Klassenherrschaft auszubauen und gegen
die arbeitende Klasse schärfer zu gestalten; sondern es handelt
sich um die Feststellung der Verantwortlichkeit jener Arbeiterparteien,
die diese Politik durch Jahre hindurch mit den Vertretern der
bürgerlichen Parteien mit gemacht haben, die einen Teil des
Proletariates auf den Wege der Stabilisierungspolitik, auf den
Wege der Befestigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und
damit der Klassenherrschaft der Bourgoisie des bürgerlichen
Staates geführt haben. Selbstverständlich wird die Bourgoisie,
die eben durch diese Stabilisierungspolitik gestärkt worden
ist, weil ihre wirtschaftliche Position gestärkt wurde und
dadurch selbstverständlich auch ihre politische Position,
ihre politische Macht, jetzt, wo sie infolge dieser gewaltigen
Stärkung allein an der Regierung ist, konsequent in dieser
Stabilisierungspolitik weitergehen die Tendenz dieser Politik
verstärken. Sie will dieser Stabilisierungspolitik die Krone
aufsetzen und daher bedeutet die jetzige Vorlage die Verschärfung
alles dessen, was bisher auf diesem Gebiete in diesem Staate zu
verzeichnen war. Da noch Gelegenheit sein wird, von Seite anderer
Rendner unserer Partei, sich mit den einzelnen Seiten dieser Vorlage
zu beschäftigen, will ich nur die Wichtigsten herausgreifen.
Die Bestimmung der Regierungsvorlage, die die
Aufhebung der bisherigen Gauordnung, der Gaueinteilung beinhalten
und die alte Länderverwaltung wiederherstellt, ist in erster
Linie gegen jedweden Gedanken auch nur einer nationalen Autonomie
der Minderheitsvölker in diesem Staate und in zweiter Linie
darauf gerichtet, möglichst große unübersichtliche
Verwaltungsapparate mit einer ungeheuern Beamtenzahl zu schaffen;
denn je größer der Beamtenapparat, desto gewaltiger
ist auch selbstverständlich die Herrschaft des Bürokratentums
in diesem Apparat.
Für Böhmen bedeutet das, daß
auch der Gedanke der nationalen Autonomie nicht einmal mehr in
der schwindelhaften Form der beiden sogenannten deutschen Gaue
Böhm.-Leipa und Karlsbad existieren darf, daß auch
dieser Spaß den nationalen Minderheiten weggenommen wurde.
Selbstverständlich wären auch diese beiden Gaue bei
der absoluten Einflußlosigkeit und Machtlosigkeit der gewählten
Vertretungen nach dem Gaugesetze alles andere nur keine nationale
Autonomie gewesen. Soweit Mähren und Schlesien in
Betracht kommen, soll die Vereinigung dieser beiden Länder
in ein einziges Land nichts anderes bedeuten, als der ungeheuren
Gefahr zu steuern, daß in der schlesischen Landesverwaltung
keine èechische Mehrheit vorhanden sein
könnte. Dieser Grundsatz ist ja auch schon in der Gauordnung
verwirklicht worden. Denn auch die Gauordnung räumt mit dieser
Gefahr bereits auf und zereißt das Land Schlesien, indem
sie dieses Land gemeinsam mit mährischen Gebieten auf zwei
verschiedene Gaue aufteilt. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Soweit die Slovakei in Betracht kommt, ist
hier der ganze Schwindelcharakter dieses Gesetzes am deutlichsten
offenbart. In der Begründung, die der Berichterstatter Dr
Kramáø gegeben
hat, und in einem Artikel der gestrigen Ausgabe der "Národní
Politika" wird konsequent von einem Lande der Slovakei, wird
davon gesprochen, daß die Slovakei dadurch ein Land geworden
sei, daß die Gaue abgeschafft werden und an Stelle der Gaue
eben die slovakische Landesverwaltung tritt. In Böhmen, Mähren
und Schlesien betont man, weil ja die Verfassung bekanntlich den
Paragraphen enthält, daß die Landtage aufhören,
daß also die alte historische Landsordnung zu bestehen aufhört,
ängstlich, daß diese Landesvertretungen keine Landtage
sein sollen. In der Slovakei aber gehen die Anhänger vor
allem der klerikalen slovakischen Volkspartei, der Hlinkapartei,
mit der Behauptung krebsen, die Verwaltungsreform gebe ihnen einen
slovakischen Landtag. Wir sehen also, dieselben Vertretungen sind
in Böhmen, Mähren und Schlesien keine Landtage, in der
Slovakei aber sollen sie auf einmal Landtage sein. In Wirklichkeit
handelt es sich um nichts anderes, als daß an die Stelle
der verschiedenen Gaue ein einziger slovakischer Gau tritt.
Wichtig ist, daß diese Gauvertretung, die für die gesamte Slovakei einheitlich und einzig sein wird, nicht einmal so viel Kompetenz wie die bisherigen Gauvertretungen haben wird. Wenn man das vom Gesichtspunkte auch nur der Verwaltungsautonomie betrachtet, bedeutet das für die Slovakei eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand. Das geht schon daraus hervor, daß die zweite Verwaltungsinstanz von der Slovakei nach Prag verlegt worden ist.
Ein ähnlicher, aber noch schlimmerer Schwindel
wird mit jedem Gebiete aufgeführt, das in der Verfassung
den Namen Podkarpatská Rus erhielt, um seinen wirklichen
ethnographischen Zusammenhang mit der Ukraine gewissermaßen
amtlich zu streichen. Der Herr Justizminister Mayr-Harting
hat sich erst dieser Tage in Beantwortung einer Interpellation
zum Hüter der verfassungsmäßigen Einheit der Èechoslovakischen
Republik aufgespielt und erklärt, daß es vom staatsrechtlichen
Standpunkte ganz in Ordnung sei, wenn die Bezeichnung "Karpatho-Ukraine",
die doch ethnographisch die einzig richtige
Bezeichnung ist, verboten und in der Presse konfisziert wird,
gewissermaßen als Hochverrat gegen den èechoslovakischen
Staat. (Výkøiky na levici.)
Soweit die Karpatho-Ukraine und die Slovakei
in Betracht kommen, sehen wir hier, welchen Wert die Versprechungen
und die Unterschriften der Politiker der bürgerlichen Staaten
besitzen, und gerade diese Vorlage der Verwaltungsreform bestätigt,
daß die Herren Kramáø und
andere, die für diese Verwaltungsreform verantwortlich sind,
aber auch jene, die bisher schon in der allnationalen Koalition
das Verlangen der Karpatho-Ukraine nach Erfüllung der Versprechungen
der Verträge unbeachtet gelassen und durch das Sprachengesetz,
bezw. durch die Sprachenverordnung diese Autonomie direkt mit
Füssen getreten haben, bei jenem genialen Politiker in die
Schulen gegangen sind, dessen 400. Todestag am 22. Juni gefeiert
wurde und der von der gesamten bürgerlichen Presse als der
Ausbund der Schlechtigkeit hingestellt wurde, weil er die Grundsätze
der Regierungskunst der herrschenden Klassen mit aller brutalen
Offenheit und Wahrheit nackt hinstellte. Wenn wir im 18. Kapitel
des Buches von Macchiavelli "Über den Fürsten"
lesen: "Jedem ist es klar, daß es lobeswürdig
ist, wenn ein Fürst sein Wort hält und mit Rechtschaffenheit
und ohne Hinterlist seinen Weg geht. Allein die Erfahrung unserer
Tage lehrt uns, daß bloß jene Fürsten mächtig
geworden sind, die es mit Treu und Glauben leicht nahmen und sich
darauf verstanden, andere zu täuschen und zu betrügen,
und daß jene, welche redlich ihre Verbindlichkeiten befolgten,
am Ende übel wegkamen. Ein kluger Fürst darf daher sein
Versprechen nie halten, wenn es ihm schädlich ist, oder die
Umstände, unter denen er es gegeben hat, sich geändert
haben", und wenn wir dann lesen, daß selbstverständlich
zum Bruch eines Versprechens auch der Vorwand gehört, wenn
Macchiavelli über den Fürsten und das von ihm gegebene
Versprechen schreibt: "Es wird ihm auch nie ein Vorwand fehlen,
den Bruch desselben zu beschönigen" - dann müssen
wir gestehen, daß Macchiavelli der direkte Lehre aller jener
war, die diesen Staat gegründet, ihm in den Jahren bisher
regiert haben, die für seine Verfassung, seine Gesetze und
seine ganze Regierung verantwortlich sind. (Souhlas
a potlesk komunistických poslancù.)
Wenn wir den Pittsburger Vertrag, ferner die
Klausel über die Karpatho-Ukraine im Friedensvertrage von
St. Germain, den karpatho-ukrainischen Paragraphen in der Verfassung
betrachten und das Verhalten der Regierenden ohne Ausnahme in
diesem Staate, auch jener, die von Humanität und Ehre und
Redlichkeit in der Politik bei jeder Gelegenheit Phrasen dreschen,
so müssen wir sagen: Fleisch vom Fleische, Blut vom Blute
Macchiavellis. Dr Kramáø steht
jetzt an der Spitze dieser Politik, die nach diesen Grundsätzen
handelt.
Dr Kramáø braucht
aber nicht 400 Jahre zurückzugehen, um den Lehrer für
diese seine Politik zu finden. Dr Kramáø
hat einen Lehrer gehabt, der ihm persönlich
sehr nahe stand, den er persönlich sehr verehrte, mit dem
er persönlich auf sehr gutem Fuße stand und der ihm
gezeigt hat, wie man Versprechungen, die man Völkern gegeben
hat, halten muß. Dieser Lehrer war kein anderer als Kaiser
Franz Josef I. von Österreich. (Souhlas a potlesk
komunistických poslancù.) Und
was Herr Dr Kramáø gegenüber
der Slovakei und der Karpathoukraine tut, ist nichts anderes als
die Komödie, die Franz Josef seinerzeit aufgeführt hat
mit dem Reskript vom 12. September 1871 und mit den bekannten
Fundamentalartikeln. Dr Kramáø als
der beste Schüler seines großen Lehrers Franz
Josef I, er war wie geschaffen dazu, er war die geeigneteste Persönlichkeit,
um hier an dieser Stelle den Auftrag der deutsch-èechischen
bürgerlichen Koalition auszuführen, die Henkerarbeit
an der Slovakei und Karpathoukraine zu vollziehen. Aber Dr
Kramáø ist auch
der berufene Mann, um hier ein anderes Henkeramt zu vollziehen,
um nicht nur der Preminger der Selbstverwaltung in dieser Republik
zu sein, sondern auch, um dem Polizeiabsolutismus die Wege zu
ebnen, dem restlosen, vollständigen Polizeiabsolutismus.
Herr Dr Kramáø wird
ja am 25. November dieses Jahres das 30jährige Jubiläum
seiner, ich möchte sagen, Vermählung mit der Polizei
feiern. Es war freilich die k. k. österreichische Polizei.
Es war am 25. November 1897, als Dr Kramáø,
um das österreichische Vaterland und Franz Josefs Herrschaft
zu retten, die Polizei - zum erstenmal seit dem Bestand des Staates
- ins Abgeordnetenhaus in Wien rief, um Abgeordnete mit Polizeigewalt
aus dem Saal hinauswerfen zu lassen. In dem bekannten politischgeschichtlichen
Werk "Èeská Politika" welches im Jahre
1909 erschien, rechtfertigt Dr Kramáø, der
den zweiten Teil des dritten Bandes schrieb, auf Seite 609 dieses
Bandes seine damalige Handlungsweise mit den Worten: "Šlo
o trvání mocnáøství".
Es handelte sich um den Bestand der Monarchie.
Und damit war natürlich politisch und moralisch seine Vermählung
mit der kaiserlich-königlichen Polizei voll gerechtfertigt.
Und in demselben Werk beschwert er sich darüber, daß
die Polizei, die zwar auf seinen Ruf in den Saal kam und die Abgeordneten
hinauswarf, auf halben Wege stehen blieb, daß man die Abgeordneten
nicht verhaften ließ, er beschwert sich darüber, daß
man sich in Wien vor Straßendemonstrationen fürchtete,
obzwar, wie er mit Genugtuung konstatiert, am Tage vorher eine
Eskadron von k. u. k. Husaren genügt hatte, um in den Straßen
Wiens die Arbeiterschaft zu Paaren zu treiben. Man traute sich
nicht, dem arbeitenden Volke Wiens zu trotzen, man traute sich
nicht, die Abgeordneten einzusperren, so klagt Dr Kramáø
in dem Buche "Èeská
Politika" über die damalige Unverläßlichkeit
der k. k. Polizei. Und er schrieb dazu die schönen Worte,
die seine alte Liebe zu der deutschen Bourgeoisie drüben
im Reiche verraten: "V Berlínì se na vìci
dívají jinak". In Berlin sieht man solche
Dinge anders an, dort ist man strammer als im alten Österreich,
so klagte Dr Kramáø.