Das Gesamtbild, welches beide Vorlagen bieten,
wenn sie sachlich und unbeeinflußt von den Wünschen
der Regierenden betrachtet werden, ist demnach durchaus kein schönes.
Von Autonomie, von Vertretungskörpern, von freien Wahlen
wird gesprochen und in Wirklichkeit ist das Gegenteil von alle
dem der Fall. Wichtige Teile sind unbehandelt geblieben, so das
Verfahren in Verwaltungssachen. Es soll durch eine Regierungsverordnung
geregelt werden, welche dem Parlamente vorzulegen ist,
das sie als Ganzes entweder genehmigen oder ablehnen kann. Bis
dahin aber gilt als Ersatz der Art. 10 der Vorlage Druck Nr. 831.
Aber jeder sieht auf den ersten Blick, daß die Bestimmungen
des Art. 10 von keinem Anwalt, Richter oder wissenschaftlich gebildeten
Juristen stammen, sondern von Polizisten gemacht sind.
Die grundlegenden Voraussetzungen eines ordentlichen
Verfahrens sind außer Acht gelassen. Dagegen sind Handlungen
und Unterlassungen mit unerträglichen Strafen bedroht, welche
nur rein prozessuale Folgen nach sich ziehen sollten und überhaupt
niemals unter Strafsanktion stehen können. Wie kann man auch
in nicht ganz 40 Textzeilen ein ganzes Verfahren regeln!
Ich kann nicht auf jede einzelne Bestimmung
eingehen, weil die Zeit dazu nicht langt. Aber über die Mängel
des Art. 10, und was das Wichtige ist, über ihren psychologischen
und politischen Hintergrund, ließen sich ganze Bände
schreiben. Das sind ganz unerträgliche Bestimmungen. Daß
so eine Gesetzesvorlage seitens der Regierung überhaupt dem
Parlamente vorgelegt werden konnte, beweist nur, wie wenig
Achtung die Regierung vor der Volksvertretung hat, wie wenig Verständnis
sie den Parlamentariern für alle diese Dinge zutraut. Es
ist eine Verhöhnung des Parlamentes und die èechischen
Mehrheitsparteien, welche willens sind, diese Vorlagen ohne jede
Änderung zu schlucken, stellen sich damit
ein jämmerliches, geistiges Armutszeugnis aus.
Die Gesetzesvorlage Druck Nr. 831 enthält
aber auch einzelne Bestimmungen, welche dem Polizeistrafrecht
angehören. Von einer vollständigen Regelung dieser Materie
kann gar keine Rede sein. Willkürlich werden einige Tatbestände
herausgegriffen, in der oberflächlichsten Weise beschrieben
und mit ganz crudelen Strafen belegt. Das alte österreichische
Prügelpatent erfährt seine Wiederbelebung. Dabei wird
es beileibe nicht außer Kraft gesetzt, sondern wird auch
weiter, neben den neuen Bestimmungen weiter bestehen. Wir erheben
die Forderung, daß ein modernes Polizeistrafgesetz ausgearbeitet
werde, welches als Teil des künftigen allgemeinen Strafgesetzes
sich auch derjenigen Straftheorie anzupassen hat, auf welcher
das neue Strafgesetz aufgebaut sein wird. Wir können nicht
zugeben, daß in einer Zeit, in der man sich anschickt, das
allgemeine Strafgesetz auf eine neue Grundlage zu stellen, das
Polizeistrafrecht auf Grund der alten, als überlebt anerkannten
Straftheorie aufgebaut bleibt. Der Herr Minister hat schon im
Ausschuß dies als unmöglich bezeichnet. Die hiefür
vorgebrachten Gründe konnten mich und wohl keinen der oppositionellen
Vertreter überzeugen. Wir hörten nur aus allem das starre:
Nein! Das ist ja von seinem Standpunkte aus vollkommen begreiflich.
Ein modernes Polizeistrafgesetz würde Licht in diese immerhin
etwas dunkle Materie bringen. Der Staatsbürger wüßte
genauer, was verboten und was erlaubt ist. Das will man nicht.
Man will das Dunkle, um besser zugreifen und fassen zu können.
So will es die hiesige Polizei, darin gleicht sie der mittelalterlichen
Inquisition. Daher die allgemeine Fassung des Art. 3 und 4, die
jede beliebige Auslegung zuläßt.
Ich erwähne nur, daß die Bestimmungen
über die sachliche und örtliche Zuständigkeit,
die Möglichkeit einer Anwaltsvertretung, das Armenrecht,
die Art und den Gang der Verhandlung, die Art und Form der Entscheidung,
die Art und Wirkung der Rechtsmittel, das Rechtsmittelverfahren,
über das Sicherungs- und Exekutionsverfahren, über den
Begriff und den Umfang der Zeugenpflicht vollständig mangeln,
daß dagegen im Abs. 2 ganz unverständlicherweise bestimmt
wird, daß jederzeit eine Sicherheit für die Zwecke
und Bedingungen des Verfahrens und seine Kosten gefordert werden
kann, wobei nicht ausgesprochen wird, worin diese Sicherheit überhaupt
bestehen soll, daß kein Unterschied gemacht wird zwischen
einem offiziösen Verfahren und einem Streitverfahren zwischen
Privatparteien, daß weiter im Absatz 3 Beschlagnahmen vorgesehen
sind, ohne auch den bescheidensten Schutz gegen Willkür und
Überängstlichkeit der Behörden oder gegen Gehässigkeiten
des Streitgegners zu gewähren, daß im Gegensatze zur
geltenden Zivilprozeßordnung im Absatz 4 auch gegen den
Anwalt einer Partei als Disziplinarstrafe Gefängnis angedroht
ist, also eine Strafe, welche nur das Gericht verhängen soll,
und zwar nicht als bloße Ordnungsstrafe, sondern als wirkliche
Strafe, daß nach Absatz 5 jede falsche Zeugen und Sachverständigenaussage
bestraft wird, also nicht nur die wissentliche und absichtliche,
sondern auch die unwissentliche und fahrlässige, was sich
bei einem Sachverständigengutachten hervorragend ausnehmen
wird - die Folgen sind da gar nicht abzusehen - und daß
nunmehr der Vater gegen den Sohn, der Gatte gegen die Frau, ja
jeder gegen sich selbst wird aussagen müssen.
Den Vogel schießt aber der Absatz 4 ab,
der unter anderem ganz allgemein, ohne jede Einschränkung
bestimmt, daß jeder, welcher das Verwaltungsverfahren willkürlich
veranlaßt oder verzögert, bestraft werden kann. Das
heißt also, die politische Behörde ist berechtigt,
in jeder Eingabe, die in einer Verwaltungssache überreicht
wird, besonders dann, wenn ein Rechtsstreit daraus erwächst,
eine unwillkommene Störung, in jedem gegen eine ihrer Entscheidungen
überreichten Rekurse eine Anzweiflung ihrer Gottähnlichkeit
zu sehen und die Eingabe nicht etwa zu erledigen, oder den Rekurs
vorzulegen, sondern den Antragsteller zu bestrafen.
Um aber ganz sicher zu geben, kann nunmehr
der Staatsbürger auch dann polizeilich bestraft werden, wenn
er bereits wegen desselben Tatbestandes vor den ordentlichen Gerichten
gestanden hat, ja selbst wenn ihn das Gericht freigesprochen hat,
ohne in dem unter Anklage gestellten Tatbestande eine polizeiliche
Übertretung gefunden und die Sache der politischen Behörde
zur weiteren Amtshandlung abgetreten zu haben. Das bedeutet nichts
mehr und nichts weniger, als daß man jetzt die Gerichte
unter Polizeiaufsieht stellt.
Die Strafen werden gegen das Prügelpatent
bedeutend erhöht und verschärft. Wenn sie auch im letzten
Angenblick herabgesetzt worden sind, so sind die Geldstrafen immer
noch höher, als sie nach dem alten Patent mit Rücksicht
auf die Geldentwertung sein sollten. Eine neue Polizeifreiheitsstrafe,
das Polizeigefängnis, wird eingeführt, ohne daß
gesagt wird, wie und wo sie zu vollziehen sei und schließlich
bestimmt, daß beide Strafarten nebeneinander verhängt
werden können.
Das schlimmste ist aber, daß die Bestimmung
des alten Prügelpatentes, daß grundsätzlich die
für eine Straftat im allgemeinen Strafgesetz angedrohte niedrigste
Strafe das das Höchstmaß der Strafe für die entsprechende
polizeiliche Strafe sein soll, nicht mit übernommen wurde.
Somit bedeutet das neue Polizeistrafrecht eine wesentliche Verschlechterung
des alten, aus der dunkelsten Zeit österreichischer Polizeiwillkür
stammenden Prügelpatentes vom Jahre 1854.
Das Polizeistrafverfahren soll nun durch ein
neues Gesetz geregelt werden. Aber es ist nicht bestimmt, bis
wann der Entwurf vorgelegt werden soll. Was geschieht aber in
der Zwischenzeit? Zweifellos wird man sich an den Art. 10 halten
und die dort enthaltenen Grundsätze des neuen Verwaltungsverfahrens
in Rechtsstreitigkeiten auch auf das Polizeistrafverfahren anwenden.
Das bedeutet aber volle Schutz- und Rechtlosigkeit des armen Angeklagten.
Ist so etwas überhaupt möglich? Es ist ein schwacher
Trost, daß die deutsche christlichsoziale Partei angekündigt
hat, sie werde einen Resolutionsantrag einbringen und in ihm die
Regierung auffordern, eine Art Syndikatshaftung der politischen
Beamten einzuführen. Selbst wenn er angenommen würde,
so würde die gewünschte Vorlage niemals erscheinen,
da sie ja dem Geiste dieser Vorlagen strikt zuwider wäre
und den Machthabern das Konzept verderben würde. Auch der
Herr Berichterstatter, wie auch der Motivenbericht zur Vorlage
Druck Nr. 831 beschäftigen sich mit der Frage des Schutzes
gegen Willkür im Polizeistrafverfahren und im verwaltungsrechtlichen
Verfahren.
Klingt es aber nicht wie ein Hohn, wenn darauf
verwiesen wird, daß jeder das Recht habe, sich schließlich
beim Obersten Verwaltungsgerichtshof zu beschweren, zu einer Zeit,
da es allgemein bekannt ist, daß im Innenministerium, nicht
im Justizministerium, eine Gesetzesvorlage vorbereitet wird, welche
unter dem Schlagworte "Entlastung des Obersten Verwaltungsgerichtshofes"
die Möglichkeiten ihn anzurufen auf ein Minimum heruntersetzen
und insbesonders die Entscheidungen der Ministerien als unanfechtbar
hinstellen will, ganz abgesehen davon, daß selbst eine günstige
Entscheidung nicht immer die erhoffte Wirkung haben kann, wenn
weiter darauf verwiesen wird, daß es auch parlamentarische
Mittel der Beschwerde gibt, als ob nicht jeder wüßte,
wie und wann unbequeme Interpellationen und Anfragen von der Regierung
beantwortet werden, und daß ihre Wirkung gleich Null ist.
Festgehalten aber muß werden, was der
Herr Berichterstatter Dr Kramáø im
Ausschusse sagte: Das alte Österreich sei ein Polizeistaat
gewesen, daher habe die Bevölkerung einer weitgehenden Autonomie
bedurft, um ein Korrektiv gegen die übergroße obrigkeitliche
Gewalt zu haben, das sei nun ganz anders, der Staat habe aufgehört
ein Polizei- und obrigkeitlicher Staat zu sein, in der
èechoslovakischen Republik liege die Staatsgewalt beim
Volke, der politische Beamte sei ein Beauftragter des Volkes,
daher gebe es keine Zwiespalt mehr zwischen dem Willen der Bevölkerung
und dem Willen der Staatsverwaltung, es sei daher
eine weitgehende Autonomie und weitgehende Sicherungen gegen Übergriffe
der Staatsverwaltung überflüßig. Diese Schlußfolgerung
könnte vielleicht richtig sein, wenn dieser Staat nur von
Èechen bewohnt wäre, aber auch da würden wohl
gegenteilige Stimmen laut werden. Hier leben
aber auch Minderheitsvölker, welche anders geartet sind,
als Herr Dr. Kramáø und seine Parteigenossen.
Sie haben es in den 8 Jahren des èechischen Regimes sehr
wohl empfunden, welch ein Gegensatz zwischen ihnen und der èechischen
Staatsverwaltung besteht, und sie wissen, was
für ein unerbittlicher Obrigkeitsstaat diese Republik ihnen
ist; deshalb können sie eines wirksamen Schutzes gegen ihn
nicht entbehren. Ein solcher Schutz besteht nicht. Er wird absichtlich
verweigert und damit ist auch unser Urteil gegen diese Vorlagen
begründet.
Die deutschen Regierungsparteien haben in letzter
Stunde versucht, die Vorlage Druck Nr. 831 zu verbessern. Die
beste Verbesserung wäre freilich gewesen, wenn sie die Vorlage
einfach abgelehnt hätten. Kein Mensch hätte sie zwingen
können, ein Gesetz anzunehmen, das wie kein anderes geeignet
ist, das deutsche Volk und alle anderen Minderheitsvölker,
an der empfindlichsten Stelle zu treffen, nämlich an der
staatsbürgerlichen Freiheit. Nur mit ihren Stimmen ist dieses
groß angelegte Attentat auf die Freiheit möglich gewesen.
Aber der große Augenblick fand ein kleines Geschlecht. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) So haben sie sich
in Einzelheiten verloren, ohne daß viel dabei herausgekommen
ist. Die Grundsätze der Vorlagen, welche die schwersten Bedenken
hervorrufen müssen, sind unverändert geblieben.
Das Höchstmaß der Geldstrafen ist
zwar herabgesetzt worden, dagegen sind Mindestmaße von Geld-
und Freiheitsstrafen neu ingeführt worden, die früher
nicht bestanden haben. Es sind die vollkommen neuen unannehmbaren
Absätze 4 und 5 des Art. 10 beschlossen worden. Der Abs.
4 geht in seinem Strafsatze noch über den Strafsatz des alten
Abs. 6 bedeutend hinaus. Der Artikel 5 hat einen neuen ersten
Absatz erhalten, der eine Art Knigges Umgang mit Menschen für
die politischen Beamten sein soll, aber in Wirklichkeit eine lächerliche
Phrase ist, zumal er keine Sanktion enthält und auch gar
nicht enthalten kann. Gewiß ist es ein Segen, daß
die alten Absätze 4 bis 6 des Artikel 10 vorläufig verschwunden
sind, aber werden die im Verordnungswege nicht wiederkehren?
Ich anerkenne, daß es gelungen ist, das
Strafverfahren in Polizeisachen einem besonderen Gesetze vorzubehalten,
warum ist aber dasselbe nicht mit dem Verfahren in Verwaltungsangelegenheiten
geschehen? Von Rechts wegen sollten beide Gesetze, einschließlich
des Polizeistrafgesetzes, mit diesen Vorlagen zu gleicher Zeit
in Wirksamkeit treten. Daß dem nicht so ist, ist ein empfindlicher
Fehler.
Wie wird die im Abs. 4 des Art. 10 geforderte
Verordnung ausschauen? Sie kann nur die gesetzlichen Bestimmungen
der Absätze 1 bis 5 ausführen, sie niemals bessern,
und sie sind und bleiben unerträglich, unerträglich
für Deutsche und Èechen.
Dabei klafft hier eine empfindliche Lücke.
Es ist offenbar nach Ansicht der Kompilatoren dieses Absatzes
anzunehmen, daß der Senat das alles fromm nachbeten wird,
was ihm das Abgeordnetenhaus vorbetet, aber, was ist rechtens,
wenn die Verordnung zuerst dem Senate vorgelegt wird, dieser sie
genehmigt, das Abgeordnetenhaus sie aber ablehnt? Das gleiche
gilt bezüglich der im § 8, Abs. 4 geforderten Regierungsverordnung.
Es soll anerkannt werden, daß im § 5 und § 61
der Wahlrechtsvorlage Druck Nr. 830 die Dauer der Seßhaftigkeit
als Bedingung für das passive Wahlrecht von 3 Jahren auf
2 Jahre herabgesetzt wurde und der § 56 so geändert
wurde, daß nunmehr auch die ernannten Mitglieder sich parteimäßig
organisieren können.
Es ist aber keine sonderliche Verbesserung,
wenn die Frist für die Seßhaftigkeit als Bedingung
für das aktive Wahlrecht von 1 Jahre im § 1 der Vorlage
Druck Nr. 830 nunmehr auf 2 Teile geteilt wird, wobei der Teil
von 9 Monaten ersetzt wird durch den Nachweis, daß der Wähler
diese Zeit in einer anderen Gemeinde des Landes sich aufhielt,
wenn es infolge der ungenauen Stilisierung dieser Bestimmung nicht
sicher ist, ob dieser Nachweis erbracht werden kann oder erbracht
werden muß, und ob der Aufenthalt mit dem ordentlichen Wohnsitz
indentisch ist oder nicht.
Dagegen ist es in erster Linie der Opposition
zu danken, daß nunmehr bei den Bezirksvertretungswahlen
eine Wahlpartei nur dann die ganzen Druckkosten der Stimmzettel
zu tragen hat, wenn sie, ohne mit einer anderen Partei zu koppeln,
allein in den Wahlkampf sich einließ und kein Mandat zu
erringen vermochte und daß die ganz überflüssige
Strafbestimmung des § 72, Abs. 7 der Vorlage Druck Nr. 830
gestrichen wurde.
Verschlechtert aber wurde weiter die Vorlage
Druck Nr. 831 durch nachstehende Veränderungen: Daß
nach § 16 die Landesvertretung jetzt erst über Begehren
von 1/3
ihrer Mitglieder einberufen werden muß, früher genügte
1/4,
daß nach § 21, Abs. 1 nunmehr erst 1/5
aller Mitglieder der Landesvertretung gegen die Ausscheidung von
Verhandlungsgegenständen aus der Tagesordnung durch den Landespräsidenten
Einspruch erheben kann, während früher dieses Recht
jedem Mitgliede zustand. Die gleiche Verschlechterung ist im §
69 für die Bezirksvertretungen eingetreten. Gemäß
§ 55 erhält der Landespräsident das Recht, die
Angelegenheiten der Landesvertretung und des Landesausschusses
selbstherrlich an sich zu ziehen und allein zu besorgen, wenn
diese Körperschaften nicht so wollen, wie es sich die hohe
Regierung vorstellt. Dasselbe Recht steht gemäß §
96 dem Bezirkshauptmann gegen die Bezirksvertretung und den Bezirksausschuß
zu. Früher konnte jedes Mitglieder dieser Körperschaften
dagegen die Beschwerde erheben. Mag auch diese Sicherungsmaßregel
gegen die Willkür eines Landes- oder Bezirkspaschas nur theoretischen
Wert gehabt haben, der Regierungsentwurf hat sie doch für
notwendig befunden, die deutschen Regierungsparteien aber nicht.
Dieses Recht besteht nicht mehr. Die bezüglichen Sätze
sind jetzt gestrichen worden. Der Polizeiknüppel kann unumschränkt
herrschen. Und dabei spricht man noch von einer Ausdehnung der
Autonomie! Es ist richtig, daß die alten Verordnungen über
die Geschäftsordnung der Gaue und den Sprachengebrauch in
den Vertretungskörpern in der Vorlage nicht mehr zitiert
werden, daß diesbezüglich neue Verordnungen kommen
sollen. In der Geschäftsordnung soll jedenfalls auch der
Sprachengebrauch der Landesvertretung und des Landesausschusses
geregelt werden. Die Regelung dieses Sprachengebrauches durch
eine Regierungsverordnung ist gesetzwidrig. Nach § 3 des
Sprachengesetzes haben die autonomen Körperschaften das Recht,
ihre Geschäftssprache selbst zu bestimmen. Die Behauptung
des Herrn Berichterstatters, eine vorläufige Regelung des
Sprachengebrauches durch Regierungsverordnung sei notwendig, um
in der ersten Sitzung verhandeln zu können, ist unzutreffend.
Wie das Beispiel bei den Gemeinden gezeigt hat, die sich ihre
Geschäftssprache beschließen können, ohne daß
ihnen eine vorläufige Geschäftssprache aufgezwungen
werden mußte. Daß die autonomen Körperschaften
berechtigt sind, sich ihre Geschäftssprache selbst festzusetzen,
hat das Oberste Verwaltungsgericht in den Erkenntnissen vom 26.
Juni 1919, und vom 24. September 1926 ausgesprochen. Es ist daher
auch gesetzwidrig, wenn der Beschluß der Landesvertretung
über ihre Geschäftssprache an die Genehmigung der Regierung
gebunden wird. Mit bewußter Absicht spricht der § 24
des Entwurfes in der jetzigen Fassung nur von der Geschäftsordnung,
ohne die Regelung des Sprachengebrauches besonders zu erwähnen.
Es soll damit verdeckt werden, daß die Landesvertretungen
ihre Geschäftssprache nicht ohne Genehmigung der Regierung
werden festsetzen können. Das gleiche Spiel wird sich bei
§ 72 des Entwurfes, der von der Geschäftsordnung der
Bezirksvertretungen handelt, wiederholen. Aber warum überläßt
man dies der Regierung, warum regelt man dies nicht gleich jetzt
im Gesetze? Wiederum, weil man sich vor Konflikten scheut. Vorsicht
ist besser als Tapferkeit. Wir haben kein Vertrauen zur èechischen
Regierung und in Sprachenfragen schon gar nicht.
Hinterher, wenn nichts mehr zu ändern ist, werden auch die
deutschen Regierungsparteien in ihren Versammlungen Zeter und
Mordio schreien, jetzt und hier aber diese heiklen Dinge anzufassen,
gebricht ihnen der Mut.
Was sonst noch an der Vorlage Druck No 831
geändert wurde, ist wirklich nicht der Rede wert. Alles in
allem genommen, halten sich Verbesserungen und Verschlechterungen
die Wage, eher kann man sagen, daß die Vorlage Druck Nr.
831 durch die Bemühungen der deutschen Regierungsparteien
verschlechtert wurde. Ich frage nochmals, ist das Zufall oder
Absicht? Hört man die Regierung und den Herrn Berichterstatter
sprechen, so müßte man glauben, daß nur wirtschaftliche,
verwaltungstechnische Gründe, das Bestreben, die Verwaltung
zu vereinfachen und sparsamer zu gestalten, das Wohl der Staatsbürger
bei der Abfassung dieser Vorlage maßgebend gewesen sind
und daß, wenn nationalpolitische Folgen mit unterlaufen,
dies nur ein ungewollter Zufall sein könnte.
Meine Partei läßt sich aber durch
solche Scheingründe nicht irreführen. Wir sehen eine
gradlinige Entwicklung verlaufen von den. Rüstungskrediten
des Staatsvoranschlages 1927 über die Steuerreform, die Wehrgesetze
zu den jetzigen Vorlagen. Wie ein roter Faden zieht sich durch
all dies hindurch der Grundsatz des schärfsten Kampfes
gegen alle Minderheitsvölker dieses Staates, insbesondere
gegen das zahlreichste, das deutsche. Man scheut sich, das Minderheitsproblem
durch offene Gewaltanwendung zu Gunsten des èechischen
Staatsvolkes einseitig zu beenden, aber man
tut es etappenweise und sozusagen auf kaltem Wege, durch eine
Reihe sich gegenseitig ergänzender Gesetze. Sie bilden demnach
alle für uns eine Einheit.
Welchen Zweck die Wehrvorlagen hatten, hat
uns Herr Koll. Špaèek in
dankenswerter Offenheit gesagt, den tiefen Eindruck den seine
Worte im In- und Auslande gehabt haben, und immer noch machen,
konnte Herr Kollege Zierhut durch seine Beschwichtigungsversuche
nicht verwischen. Die Absicht, die diesen Vorlagen zu Grunde liegt,
ist uns ohneweiteres klar. Die Regierung will für alle Fälle
gerüstet sein. Sie will die deutschen Gemeinden und Bezirke
vollkommen in die Hand bekommen, um jeden wirklichen oder eingebildeten
Widerstand im Keime ersticken zu können.
Unter solchen Verhältnissen darf es den
Herrn Berichterstatter und die èechischen Regierungsparteien
nicht Wunder nehmen, wenn unser Blick auch auf die zwei Regierungsvorlagen
gegen die Zigeunerplage fällt, die eben der Senat verhandelt.
Was liegt näher, als daß man mit Zigeunern auch Immigranten
und Kolonisten meint. In diesen Vorlagen wird der Gendarmerie
die Möglichkeit des Waffengebrauches bei Zusammenrottungen
ungemein erleichtert. Nichts hindert, diese Gelegenheit praktisch
auch auf politische und nationale Demonstranten auszudehnen und
demnach zwei Fliegen mit einem Schlage zu treffen. Daher die lange
Reihe dieser gleichgerichteten Gesetze. Daher bemächtigt
sich die Regierung der autonomen Verwaltung und scheut sich nicht,
auch ihre eigenen Volksgenossen um den Rest der verfassungsmäßig
gewährleisteten Freiheit zu bringen, den Slovaken weiter
den Pittsburger Vertrag zu brechen und Podkarpatská Rus
seine international gewährleistete Sonderstellung zu verweigern.
Doch das sind innere Angelegenheiten dieser Gebiete, um die wir
uns nicht zu bekümmern haben.
Es ist der entscheidende Schritt zum èechischen nationalen
Einheitsstaate, der über die Leiche des deutschen Volkes
hinweggeht. Das ist die diesen Vorlagen zugrunde liegende Absicht,
die durch alle schönen Worte der Regierung und des Herrn
Berichterstatters hervorleuchtet, wie es letzterer
selbst im Ausschusse bestätigt hat, indem er sagte: "Die
innere Einheit ist das Ziel des Staates". Auf diesem Wege
sind ihm die deutschen Regierungsparteien gefolgt, wir folgen
ihm aber nicht! (Potlesk poslancù nìm.
strany národní.)