Pondìlí 27. èervna 1927

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 90. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v pondìlí dne 27. èervna 1927.

1. Øeè posl. dr Keibla (viz str. 1358 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden Vorlagen, die nunmehr... (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje):...... in ihrer endgiltigen Gestalt in parlamentarischer Beratung stehen, bedeuten geradezu einen Wendepunkt in der Geschichte dieses Staates. (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid. Prosím pana øeèníka, aby pokraèoval v øeèi.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Nicht nur, daß sie den inneren Aufbau des Staates neu regeln und ihm eine neue gesetzliche Grundlage geben, etwas endgiltiges an die Stelle von einstweiligem setzen, sondern sie haben auch... (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid. Prosím pana øeèníka, aby pokraèoval.

Posl. dr Keibl (pokraèuje):...eine grundsätzliche Bedeutung für das gesamte Verfassungs- und Verwaltungsrecht dieses Staates und diese ihre Bedeutung wird noch dadurch erhöht, daß deutsche Parteien an ihrem Zustandekommen mitwirken. (Rùznì výkøiky. Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Keibl (pokraèuje): Die Verfassung dieses Staates ist ein Werk der èechischen Revolutionsversammlung, von der die Minderheitsvölker ausgeschlossen waren. Daher war sie für diese zwar durch die Tatsache verbindlich, daß sie durch das geschichtliche Ereignis der Friedensverträge dem èechischen Staate eingegliedert wurden und der èechische Staat die Gewalt hatte, sie ihnen gegenüber zwangsweise zur Anwendung zu bringen. (Hluk. - Posl. inž. Kallina: Es hat doch keinen Zweck in diesem Lärm zu reden!) Aber ich verliere meine Minuten.

Die Minderheitsvölker, vor allem die Deutschen konnten bisher mit Recht darauf hinweisen, daß sie an dieser Verfassung keinen Teil hatten und daß sie sich rechtlich durch sie in keiner Weise gebunden fühlen. So lauteten denn auch die staatsrechtlichen Erklärungen vom Jahre 1920.

Jetzt aber wird durch diese Vorlagen, wenn sie auch nur den Aufbau der Bezirke und Länder zum Gegenstande haben, die Verfassungsfrage mittelbar zwar, aber wiederum aufgeworfen.

Man möge uns ja nicht mit dem Vorhalte kommen, daß es sich im vorliegenden Falle um gar nichts neues, sondern um die bloße Abänderung bereits bestehender Gesetze handle. Das kann man einem theoretischen Juristen einreden, der sich durch die Form, in welcher die Vorlagen zur Beratung kommen, gefangen oder besser gesagt, einschüchtern lassen mag, niemals aber uns, die wir praktische Politik zu machen berufen sind..

Wir sehen über diese Form hinweg, bezeichnen sie geradezu als Irreführung, da wir ganz genau wissen, daß das alte Gaugesetz mit allem, was drum und dran hängt, niemals Aussicht hatte, in Wirksamkeit zu treten, und zwar deswegen, weil die Machthaber es selbst niemals wollten.

Aber ganz abgesehen davon, auch das alte Gaugesetz hat die Revolutionsversammlung und keine von der ganzen Bevölkerung frei gewählte Volksvertretung beschlossen.

Jetzt aber wird ein wesentlicher Teil des Verwaltungsrechtes von der frei gewählten Volksvertretung geregelt, in der auch die Minderheitsvölker vertreten sind. Das gibt diesem Akt der Gesetzgebung eine derartige Bedeutung, verleiht ihm eine derartige ganz neue rechtliche Grundlage, daß man wohl zumindest vom Standpunkte des Politikers aus sagen muß, daß wir es hier mit etwas ganz Neuem zu tun haben, daß erst jetzt dieser Staat ein Verwaltungsrecht erhält, welches dem freien Willen des größten Teiles aller ihn bewohnender Völker entspricht, nicht nur eines Volkes, das zahlenmäßig das andere übertrifft.

Verwaltung und Verfassung sind miteinander eng verwandt. Die Verwaltung hat das auszuführen, was die Verfassung vorschreibt, vielfach wird erst aus der Verwaltung klar, wessen Geistes die Verfassung ist. Es ist deshalb nur selbstverständlich, wenn bei einer Neuordnung des Verwaltungsrechtes alte, ungelöste Fragen des Verfassungsrechtes wieder emportauchen und ebenfalls ihre Behandlung und Lösung fordern, mag das von Seite der Regierenden noch so unangenehm empfunden werden. Ein jedes Versäumnis in dieser Beziehung rächt sich. Wird eine solche Gelegenheit versäumt, so kann daraus mit Recht gefolgert werden, daß sich die Betroffenen mit der bestehenden Regelung der strittigen verfassungsrechtlichen Fragen abgefunden haben, und es ist mehr als fraglich, ob sich in Zukunft eine neue Gelegenheit bieten wird, das einmal Versäumte wieder nachzuholen.

Darum behaupte ich, daß jetzt die richtige Zeit und Gelegenheit gewesen wäre, dem ungelösten Problemen der Minderheitsvölker in diesem Staate näher zu treten und seine Lösung zu versuchen. Es ist nicht geschehen. Die èechischen Machthaber sind dieser Frage geflissentlich ausgewichen, die in der Regierungsmehrheit befindlichen Vertreter der Minderheitsvölker, insbesonders die deutschen Regierungsparteien haben den Mut nicht aufzubringen vermocht, das entscheidende Wort zu sprechen, weil sie von der blasen Furcht befallen sind, sonst aus der Regierung ausscheiden und künftig die so lieb gewordene Kameradschaft der èechischen Regierungsparteien meiden zu müssen. So bleiben denn die großen Probleme der inneren Politik dieses Staates weiter ungelöst. Aber verschwinden werden sie deshalb nicht. Sie werden weiter wirken und die weitere Entwicklung sehr zum Schaden der Minderheitsvölker beeinflussen, aber auch den èechischen Machthabern keinen Segen bringen. Die Verantwortung für das, was nun kommen muß, trifft die, welche nicht zur richtigen Zeit das rechte Wort fanden. Wir wissen uns von aller Schuld frei. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Horák.)

So wie die Dinge nun einmal liegen, ist es ganz sicher, daß die beiden Vorlagen ohne jede Änderung werden beschlossen werden. Es scheint daher müßig zu sein, überhaupt hiezu von dieser Stelle aus Stellung zu nehmen oder gar Abänderungsanträge zu stellen. Wenn meine Partei sich dennoch entschlossen hat, dies zu tun, so deswegen, weil sie sich verpflichtet fühlt, den wahren Zweck und die wahre Gestalt dieser Vorlagen aufzuzeigen, damit die deutsche Öffentlichkeit und insbesondere die künftige Generation erfahre, daß es doch noch Männer gegeben hat, welche in ernster Stunde der unverjährbaren Rechte ihres Volkes eingedenk, nicht Willens waren, die letzten Reste einer alten staatsbürgerlichen Freiheit stillschweigend abwürgen zu lassen.

Wir treten an die Vorlagen als an eine gegebene Tatsache heran. Wir messen und beurteilen sie an dem, was nach unserer Meinung sein sollte, und selbst bei den jetzigen, für uns Deutsche so ungünstigen Verhältnissen noch sein könnte. Daher kann das alte Gaugesetz samt allen seinen Anhängseln für uns kein Maßstab sein, es existiert einfach nicht für uns, so wie es auch für die Regierenden in Wirklichkeit nie bestanden hat. Das, was sein sollte, die Ordnung der politischen Verhältnisse nach dem Kriege, wie wir sie als für den Frieden und die Wohlfahrt aller Völker dieses Erdteiles nicht nur für wünschenswert, sondern auch für nötig erachten, haben wir sowohl in der abgelaufenen Wahlperiode, wie auch in dieser zu wiederholtenmalen in Reden und Erklärungen festgestellt. Diesbezüglich will ich allgemein Bekanntes nicht erst wiederholen. Auch heute noch steht meine Partei unverbrüchlich auf dem Boden des völkischen Selbstbestimmungsrechtes und der staatsrechtlichen Erklärungen vom Jahre 1920.

Gemessen an diesem Maßstab erscheinen die beiden in Verhandlung stehenden Vorlagen einfach als unannehmbar und überhaupt keiner Diskussion wert. Aber selbst, wenn wir diesen einzig richtigen Standpunkt nicht einnehmen, wenn wir der Tatsache Rechnung tragen, daß eine ungünstige geschichtliche Entwicklung uns zwingt, unsere Wünsche tief herunterzuschrauben, sozusagen nur um das bißchen nackte völkische Leben unseres Volkes besorgt zu sein, also wenn wir uns die graue Brille aufsetzen, durch welche die deutschen Regierungsparteien die hiesigen Verhältnisse zu sehen belieben, wenn wir uns also bloß das zum Maßstabe nehmen, was immerhin in diesem Staate noch sein könnte, fällt die Beurteilung nicht viel anders aus.

Denn täuschen wir uns nicht. Diese Vorlagen bedeuten das Grab der Selbstverwaltung in Bezirk und Land, dem die Selbstverwaltung in der Gemeinde bald folgen wird, soweit sie nicht schon in diesen Vorlagen eine wesentliche Einschränkung erfährt. Die Minderheitsvölker brauchen aber die Selbstverwaltung in Gemeinde, Bezirk und Land zur Sicherung und Entfaltung ihres völkischen Lebens, zur Wahrung und Erhaltung der letzten Reste ihrer völkischen Freiheit. Damit ist es nun vorbei. Ist es Zufall oder Absicht?

Der Herr Berichterstatter Dr Kramáø, wie auch der Motivenbericht sprechen von diesen Dingen selbstverständlich nicht. Ja, im Gegenteil, sie sagen, daß durch die Vorlagen eine neue, bessere Art von Autonomie eingeführt werde, eine neue, ehrliche Demokratie erstehen soll, durch welche für die Tätigkeit der Bevölkerung in den Bezirks- und Landesvertretungen sich neue, ungeahnte Möglichkeiten ergeben werden. Sie verschweigen aber ganz, daß das künftige Feld dieser Tätigkeit ein ganz eingeschränktes sein wird.

Ich kann mich hier auf Einzelheiten nicht einlassen, zumal diese Dinge noch in der Spezialdebatte zur Sprache kommen werden, aber es ist doch klar, daß jeder, der die Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Landes- und Bezirksvertretungen durchliest, zu dem Schlusse kommen muß, daß diese Vertretungen lediglich beratende Körperschaften des Landespräsidenten und des Bezirkshauptmannes sind, in allgemeine politische und Verwaltungsangelegenheiten nichts darein zu reden haben, da ja über Politik nur theoretisiert werden darf (§§ 30, 75), daß sie dem Wohlwollen ihres staatlich beamteten Oberhauptes ausgeliefert sind, der ziemlich willkürlich ihre Beschlüsse aufheben kann (§§ 60, 97), etwas, was auch die übergeordnete Regierungsstelle jederzeit amtswegig zu besorgen berechtigt ist. Es bleibt den neuen Vertretungskörpern lediglich die Verwaltung ihres Vermögens und ihrer Anstalten. Diese ist aber durch ein Netz von Vorschriften so eingeengt und eingeschränkt, die Möglichkeit, durch Umlagen ihre notwendigen Ausgaben sicherzustellen, derart gedrosselt, daß es überhaupt fraglich ist, ob sie den ihnen zugedachten kargen Aufgaben überhaupt werden gerecht werden können.

Dazu kommt, daß nach § 8 der Vorlage Druck Nr. 831 die Regierung unter den nichtigsten Vorwänden den Vertretungen in den Bezirken und Ländern ihre sachliche Zuständigkeit beliebig beschneiden und auf andere Organe der Verwaltung übertragen kann.

Wie grundverschieden war da doch der frühere Zustand! Hier muß wiederum der Stand der normalen Friedenszeit zum Vergleiche herangezogen werden, nicht der gegenwärtige, der Zustand der ernannten Bezirks- und Landesverwaltungskommissionen, welcher der breiten Öffentlichkeit nur als ein außerordentlicher, provisorischer, durch die Kriegs- und Nachkriegszeit hervorgerufener erschien, noch weniger aber der durch das Gaugesetz beabsichtigte, welcher der Bevölkerung niemals zum Bewußtsein gekommen ist. Da waren die Bezirksvertretungen, Bezirksausschüsse in Böhmen, die Landesausschüsse wirkliche autonome Körperschaften, welche innerhalb ihres Wirkungskreises Vorschriften machen konnten, über die Gemeinden die Aufsicht führten, Entscheidungen in Verwaltungssachen fällten. Die Landtage waren wirkliche gesetzgebende Körper, deren Mitglieder Immunitätsrechte besassen. Das alles, ohne daß die österreichische Staatsverwaltung es nötig hatte, oder auch nur versuchte, ihre Polizeinase überall hineinzustecken. Das alles gehört nun einer schöneren Vergangenheit an. Jetzt triumphiert die Regierung, der politische Beamte, die Polizei, der Knüppel.

Die Regierung kann jeder Gemeinde Vorschriften machen. Der Artikel 5 gibt ihr die gewünschte Möglichkeit dazu. Wer nicht folgt, wird schwer in Geldbusse genommen oder fliegt ins Loch. Keine Gemeinde mit eigenen Statut ist sicher, daß sie eines Tages durch einfache Verordnung gemäß § 3 der Vorlage Druck Nr. 831 aller ihrer uralten Rechte verlustig erklärt und einem Dorfe gleichgestellt wird. Alle Macht vereinigt sich in der Hand des Bezirkshauptmanns, des Landespräsidenten, des Innenministers und seiner Sbirren. Die alte autonome Verwaltung wird vollständig in die staatliche Verwaltung überführt. Mit ihr das ganze Vermögen der Bezirke und Länder, das einige 100 Millionen wert sein mag. Wie viel deutsches Vermögen geht da nicht wieder verloren! Es ist eine nationale Expropriation größten Stilles; viel größer und empfindlicher als die ganze Bodenreform. Dabei ist das alles nicht umsonst, sondern mit erheblichen Kosten verbunden, über deren Höhe noch kein Mensch etwas erfahren und die nach Angabe des Herrn Innenministers niemand, auch bei der Regierung noch berechnet hat, welche aber wieder die Gemeinden treffen werden, die ohnehin am Bankerott stehen.

Alle Bezirks- und Landesbeamten werden in den Staatsdienst übernommen. Zwar sollen ihnen nach der jetzigen Fassung der Vorlage ihre alten wohlerworbenen Rechte gewahrt bleiben. Allein genauere Vorschriften soll eine Regierungsverordnung treffen und der ominösen Sprachprüfung werden sie sich doch unterziehen müssen. Das heißt also mit der einen Hand wieder nehme, was man mit der anderen gibt. Wie viele Beamte werden nun in den deutschen Bezirken wieder abgebaut werden und mit ihren Familien dem Elend preisgegeben sein. Erst vor kurzem hat ein abgebauter Postbeamte in Leitmeritz sich, seine Frau und seine zwei kleinen Kinder erschossen, um dem Hunger entfliehen zu können. Ist das nicht für alle, welche jetzt daran gehen, diese Vorlagen ungeschaut zu genehmigen, ein grausiges Menetekel, insbesonders für die deutschen Regierungsparteien?

Und was die örtliche Abgrenzung der neuen Verwaltungsgebiete betrifft, so wäre zunächst auf den Widerspruch hinzuweisen, mit dem man die Daseinsberechtigung der einzelnen wiedererstandenen Länder zu begründen sucht. Man versucht das Gaugesetz dadurch abzutun, daß man erklärt, kleine Gebiete, Gaue, können sich als Verwaltungskörper II. Instanz weder selbst erhalten, noch auch eine ersprießliche Tätigkeit entfalten. Daher müssen große Verwaltungsgebäude geschaffen werden, insbesonders müsse aus diesen rein wirtschaftlichen Erwägungen und beileibe nicht aus irgendwelchen nationalpolitischen Gründen das Land Schleisen verschwinden und mit Mähren vereinigt werden. Als ob groß und klein in dieser Beziehung mit der räumlichen Ausdehnung identisch wäre. Der Grundsatz ist wohl an und für sieh richtig, aber statt der Begriffe Groß und Klein ist richtigerweise zu setzen: wirtschaftlich stark und sehwach. Wird nun der Grundsatz in dieser richtigen Form angewendet, so ergibt sich daß auf Grund der Steuerleistung sowohl die Slovakei, wie auch Podkarpatská Rus und dieses insbesondere, viel zu schwach sind, um sich aus eigenem zu erhalten, und künftig ständig passiv sein werden, also gar keine Daseinsberechtigung haben, während das räumlich kleine Schlesien wirtschaftlich stark genug wäre, ein eigenes Land zu bleiben. Wenn heute das Land Schlesien offiziell passiv ist, so hat es die èechische Regierung durch ihre Maßnahmen absichtlich und mit Vorbedacht selbst dorthin gebracht, um für ihre fadenscheinige Begründung einen scheinbaren Beweis zu haben. In der Vergangenheit aber war Schlesien stets ein hochaktives Land. (Výkøiky na levici.)

Es ist eben nicht wahr, daß rein wirtschaftliche Erwägungen diesen Bestimmungen zugrunde liegen, im Gegenteil, nationalpolitische Gründe sind hier die alleinige Triebfeder gewesen. Deswegen muß die Slovakei und Podkarpatská Rus als Land erhalten bleiben, obgleich sie passiv arbeiten werden und deshalb muß das deutsche Schlesien verschwinden, obgleich es ganz gut aktiv sein könnte. Ich will mich mit der schlesischen Frage nicht weiter beschäftigen, da hierüber noch Kollege Dr Koberg sprechen wird, betone nur noch in diesem Zusammenhange, daß das Land Schlesien das einzige rein deutsche Verwaltungsgebiet 2. Instanz in diesem Staate war und sozusagen ein Beispiel nationaler Autonomie höherer Ordnung darstellte. Daher war es auch uns Deutschen in Böhmen lieb und wert. Stürzt auch dieses, so bricht mit ihm wieder eine Stütze unseres Verlangens nach national getrennter Verwaltung als einem Teil unseres Rechtes auf Selbstbestimmung.

Was ferner das Land Böhmen betrifft, so ist es eine allgemein anerkannte Tatsache, daß es als ein einheitliches Verwaltungsgebiet zweiter Instanz unter allen Umständen zu groß war und ist. Wenn in der Vorkriegszeit kein Versuch unternommen wurde, hier eine Änderung eintreten zu lassen, so waren eben keine praktischen, sondern politische Erwägungen dafür maßgebend. Sie allein sind wiederum die Ursache, daß jetzt das Land Böhmen weiter bestehen muß, nachdem das Gaugesetz in den umgekehrten Fehler verfallen ist, das Land in eine große Zahl kleiner, durchaus ungleich er Verwaltungsgebiete zu zerschlagen.

Ich habe schon erklärt, daß wir dem alten Gaugesetz keine Träne nachweinen, aber es gehört doch allerhand dazu zu behaupten, die jetzige Regelung sei auch vom deutschpolitischen Standpunkte deswegen zu begrüßen, weil nur so es möglich geworden sei, die nationale Zweiteilung des Landeskulturrates und des Landesschulrates aufrecht zu erhalten. Als ob nicht in jedem Verwaltungskörper, ohne Rücksicht auf seine Größe solche Einrichtungen möglich wären - man braucht sie ja bloß zu wollen - und als ob diese zwei Körperschaften in ihrer heutigen Gestalt, Zusammensetzung und vor allem, was den nunmehr ganz eng gezogenen Wirkungskreis der deutschen Sektion des böhmischen Landesschulrates betrifft, überhaupt im Stande wären, wichtige Lebensinteressen der Deutschen wirksam gegen die Angriffe der èechischen Regierung zu schützen. Wie anders aber stünden die Dinge, wenn man auf den alten Gedanken der nationalen Zweiteilung Böhmens zurückgegriffen hätte!

Da wären große Gebiete herausgekommen, die alle Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung gehabt hätten. Daß so etwas die Kreise der èechischen Mehrheitsparteien und der Regierung empfindlich gestört hätte, daß wahrscheinlicherweise ein solches Verlangen das Ende der jetzigen Koalition bedeutet hätte, ist wohl klar, aber mit Verlaub, was sollte für die deutschen Regierungsparteien wohl wichtiger sein, die Lebensbedürfnisse des deutschen Volkes oder aber die Machtbedürfnisse der èechischen Regierung und ihrer Hintermänner? Sie haben sich für die èechische Regierung entschieden. Sie haben aber dem èechischen Machthunger auch dadurch Vorschub geleistet, daß sie es zuließen, daß nach § 2 der Vorlage Druck Nr. 831 die Sprengel der Bezirke durch bloße Regierungsverordnung bestimmt werden, ohne den betroffenen Bezirken und Gemeinden eine Möglichkeit zu bieten, sich gegen eine Vergewaltigung wirksam zu wehren.

Der Herr Innenminister hat im Ausschuß die Erklärung abgegeben, daß an eine Änderung der Gerichtsbezirkssprengel nicht gedacht werde. Derartige Versicherungen wiegen federleicht gegenüber der Tatsache, daß das Gesetz der Regierung das Recht verleiht, es zu tun. Wie lange wird sie sich an ihr Versprechen halten? Wie wird sie es auslegen? Sie kann ja Gerichtsbezirkssprengel ungeändert lassen, und doch Gemeinden eines Gerichtsbezirkssprengels einem anderen politischen Bezirke zuteilen und dadurch formell ihr gegebenes Versprechen halten aber dennoch das erzielen, was sie will, das deutsche Siedlungsgebiet weiter zerreißen, denn nur der politische Sprengel, nicht mehr der Gerichtssprengel ist künftig Träger einer Autonomie. Eng verknüpft mit jeder Selbstverwaltung sind die Bestimmungen über das Wahlrecht in die Selbstverwaltungskörper. Die Frage, wer zur Ausübung der Selbstverwaltung berufen ist, ist von grundlegender Bedeutung. So ist denn auch mit der Vorlage Druck Nr. 831 die Vorlage Druck Nr. 830 über die Wahlen in die Landes- und Bezirksvertretungen zur parlamentarischen Behandlung gestellt worden. Die in ihr vertretenen Grundsätze sind dieselben wie in der Vorlage Druck Nr. 831; möglichste Drosselung und Beschränkung der Rechte der Staatsbürger.

Dies wird auf viererlei Art erreicht:

1. Das Alter für das aktive Wahlrecht wird von 21 Jahren auf 24 Jahre, das Alter für das passive Wahlrecht in die Bezirksvertretungen mit 30 Jahren bestimmt, während es im alten Österreich mit 24 Jahren festgesetzt war.

2. Um eine möglichst große Zahl von Staatsbürgern von vornherein von der Wahl auszuschließen, wird die Dauer der Seßhaftigkeit überall ganz erheblich hinaufgesetzt; so wird für das aktive Wahlrecht in die Landes- und Bezirksvertretungen eine Seßhaftigkeit von 1 Jahre in einer Gemeinde des Landes oder Bezirkes gefordert, während für das aktive Wahlrecht in eine Gemeinde bisher eine Seßhaftigkeit von bloß Monaten genügte. Für das passive Wahlrecht in die Landes- und Bezirksvertretung wird eine Seßhaftigkeit von 2 Jahren gefordert, während bisher eine solche von 1 Jahre genügte.

3. Um aber den Staatsbürgern das Wählen möglichst zu verleiden, wird ihnen mit nachstehenden Bestimmungen gedroht: Da die Stimmzettel sowohl für die Bezirks-, wie auch für die Landesvertretungswahlen für jede der kandidierenden Parteien ganz überflüssigerweise gesondert gedruckt werden, ist zu erwarten, daß die Druckkosten außerordentlich hoch sein werden. Die Hälfte nun sollen die Parteien aus eigenem tragen, und wenn eine Partei nicht imstande ist, in der Landesvertretungswahl ein Mandat zu erreichen oder wenn sie dieses Schicksal trifft, wenn sie in der Bezirksvertretungswahl allein gestanden ist, hat sie diese Druckkosten ganz allein zu bezahlen. Hier wird also eine Art Geldstrafe gegen das Kandidieren angedroht. Das bedeutet aber, daß es in Zukunft den Oppositionsparteien schwer oder gar unmöglich sein wird, zu kandidieren, und daß dies ein Privilegium für die reichen Parteien sein wird, in erster Linie für die Regierungsparteien, weil diese sicher sein können, alle ihre Wahlauslagen oder wenigstens den größten Teil von der Regierung aus den Steuergeldern rückersetzt zu bekommen.

4. Wird mit großem Geschick versucht, den Wahlerfolg im Sinne der Regierung zu korrigieren. Darauf zielen die Bestimmungen Absatz 1, daß ein Drittel der Mitglieder der Bezirks- und Landesvertretungen von der Regierung ernennt werden und daß die Beamten, welche Referenten sind, in den Vertretungskörpern Sitz und Stimme haben, also eigentlich die ernannten Mitglieder um ihre Stimmen vermehren.

Der Sinn dieser Bestimmungen ist doch ganz klar: Sie sollen der Regierung ein Übergewicht über eine etwa vorhandene Opposition verbürgen. Es ist überflüssig zu sagen, daß die ernannten Mitglieder, wenn sie auch den Titel "Fachleute" führen, doch nur Regierungsmameluken sein werden, mögen sie auch "mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen, kulturellen, nationalen und sozialen Verhältnisse" ernannt worden sein. Anders wäre es, wenn die Verbesserung des § 12, Abs. 2 der Vorlage Druck Nr. 831 gelautet hätte, daß als Maßstab ihrer Ernennung der jeweilige Ausfall der Wahl selbst zu gelten hat, aber das wäre gegen den Geist der Vorlagen gewesen.


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