Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden Vorlagen,
die nunmehr... (Hluk.)
Pøedseda (zvoní): Prosím o
klid.
Posl. dr Keibl (pokraèuje):......
in ihrer endgiltigen Gestalt in parlamentarischer
Beratung stehen, bedeuten geradezu einen Wendepunkt in der Geschichte
dieses Staates. (Hluk.)
Pøedseda (zvoní): Prosím o
klid. Prosím pana øeèníka, aby pokraèoval
v øeèi.
Posl. dr Keibl (pokraèuje):
Nicht nur, daß sie den inneren Aufbau
des Staates neu regeln und ihm eine neue gesetzliche Grundlage
geben, etwas endgiltiges an die Stelle von einstweiligem setzen,
sondern sie haben auch... (Hluk.)
Pøedseda (zvoní): Prosím o
klid. Prosím pana øeèníka, aby pokraèoval.
Posl. dr Keibl (pokraèuje):...eine
grundsätzliche Bedeutung für das gesamte Verfassungs-
und Verwaltungsrecht dieses Staates und diese ihre Bedeutung wird
noch dadurch erhöht, daß deutsche Parteien an ihrem
Zustandekommen mitwirken. (Rùznì výkøiky.
Hluk.)
Pøedseda (zvoní): Prosím o
klid.
Posl. dr Keibl (pokraèuje):
Die Verfassung dieses Staates ist ein Werk der èechischen
Revolutionsversammlung, von der die Minderheitsvölker ausgeschlossen
waren. Daher war sie für diese zwar durch die Tatsache verbindlich,
daß sie durch das geschichtliche Ereignis der Friedensverträge
dem èechischen Staate eingegliedert wurden und der èechische
Staat die Gewalt hatte, sie ihnen gegenüber zwangsweise zur
Anwendung zu bringen. (Hluk. -
Posl. inž. Kallina: Es hat doch
keinen Zweck in diesem Lärm zu reden!) Aber
ich verliere meine Minuten.
Die Minderheitsvölker, vor allem die Deutschen
konnten bisher mit Recht darauf hinweisen, daß sie an dieser
Verfassung keinen Teil hatten und daß sie sich rechtlich
durch sie in keiner Weise gebunden fühlen. So lauteten denn
auch die staatsrechtlichen Erklärungen vom Jahre 1920.
Jetzt aber wird durch diese Vorlagen, wenn
sie auch nur den Aufbau der Bezirke und Länder zum Gegenstande
haben, die Verfassungsfrage mittelbar zwar, aber wiederum aufgeworfen.
Man möge uns ja nicht mit dem Vorhalte
kommen, daß es sich im vorliegenden Falle um gar nichts
neues, sondern um die bloße Abänderung bereits bestehender
Gesetze handle. Das kann man einem theoretischen Juristen einreden,
der sich durch die Form, in welcher die Vorlagen zur Beratung
kommen, gefangen oder besser gesagt, einschüchtern lassen
mag, niemals aber uns, die wir praktische Politik zu machen berufen
sind..
Wir sehen über diese Form hinweg, bezeichnen
sie geradezu als Irreführung, da wir ganz genau wissen, daß
das alte Gaugesetz mit allem, was drum und dran hängt, niemals
Aussicht hatte, in Wirksamkeit zu treten, und zwar deswegen, weil
die Machthaber es selbst niemals wollten.
Aber ganz abgesehen davon, auch das alte Gaugesetz
hat die Revolutionsversammlung und keine von der ganzen Bevölkerung
frei gewählte Volksvertretung beschlossen.
Jetzt aber wird ein wesentlicher Teil des Verwaltungsrechtes
von der frei gewählten Volksvertretung geregelt, in der auch
die Minderheitsvölker vertreten sind. Das gibt diesem Akt
der Gesetzgebung eine derartige Bedeutung, verleiht ihm eine derartige
ganz neue rechtliche Grundlage, daß man wohl zumindest vom
Standpunkte des Politikers aus sagen muß, daß wir
es hier mit etwas ganz Neuem zu tun haben, daß erst jetzt
dieser Staat ein Verwaltungsrecht erhält, welches dem freien
Willen des größten Teiles aller ihn bewohnender Völker
entspricht, nicht nur eines Volkes, das zahlenmäßig
das andere übertrifft.
Verwaltung und Verfassung sind miteinander
eng verwandt. Die Verwaltung hat das auszuführen, was die
Verfassung vorschreibt, vielfach wird erst aus der Verwaltung
klar, wessen Geistes die Verfassung ist. Es ist deshalb nur selbstverständlich,
wenn bei einer Neuordnung des Verwaltungsrechtes alte, ungelöste
Fragen des Verfassungsrechtes wieder emportauchen und ebenfalls
ihre Behandlung und Lösung fordern, mag das von Seite der
Regierenden noch so unangenehm empfunden werden. Ein jedes Versäumnis
in dieser Beziehung rächt sich. Wird eine solche Gelegenheit
versäumt, so kann daraus mit Recht gefolgert werden, daß
sich die Betroffenen mit der bestehenden Regelung der strittigen
verfassungsrechtlichen Fragen abgefunden haben, und es ist mehr
als fraglich, ob sich in Zukunft eine neue Gelegenheit bieten
wird, das einmal Versäumte wieder nachzuholen.
Darum behaupte ich, daß jetzt die richtige
Zeit und Gelegenheit gewesen wäre, dem ungelösten Problemen
der Minderheitsvölker in diesem Staate näher zu treten
und seine Lösung zu versuchen. Es ist nicht geschehen.
Die èechischen Machthaber sind dieser Frage geflissentlich
ausgewichen, die in der Regierungsmehrheit befindlichen Vertreter
der Minderheitsvölker, insbesonders die deutschen Regierungsparteien
haben den Mut nicht aufzubringen vermocht,
das entscheidende Wort zu sprechen, weil sie von der blasen Furcht
befallen sind, sonst aus der Regierung ausscheiden und künftig
die so lieb gewordene Kameradschaft der èechischen Regierungsparteien
meiden zu müssen. So bleiben denn die großen
Probleme der inneren Politik dieses Staates weiter ungelöst.
Aber verschwinden werden sie deshalb nicht. Sie werden weiter
wirken und die weitere Entwicklung sehr zum Schaden der Minderheitsvölker
beeinflussen, aber auch den èechischen Machthabern keinen
Segen bringen. Die Verantwortung für das, was nun kommen
muß, trifft die, welche nicht zur richtigen Zeit das rechte
Wort fanden. Wir wissen uns von aller Schuld frei. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Horák.)
So wie die Dinge nun einmal liegen, ist es
ganz sicher, daß die beiden Vorlagen ohne jede Änderung
werden beschlossen werden. Es scheint daher müßig zu
sein, überhaupt hiezu von dieser Stelle aus Stellung zu nehmen
oder gar Abänderungsanträge zu stellen. Wenn meine Partei
sich dennoch entschlossen hat, dies zu tun, so deswegen, weil
sie sich verpflichtet fühlt, den wahren Zweck und die wahre
Gestalt dieser Vorlagen aufzuzeigen, damit die deutsche Öffentlichkeit
und insbesondere die künftige Generation erfahre, daß
es doch noch Männer gegeben hat, welche in ernster Stunde
der unverjährbaren Rechte ihres Volkes eingedenk, nicht Willens
waren, die letzten Reste einer alten staatsbürgerlichen Freiheit
stillschweigend abwürgen zu lassen.
Wir treten an die Vorlagen als an eine gegebene
Tatsache heran. Wir messen und beurteilen sie an dem, was nach
unserer Meinung sein sollte, und selbst bei den jetzigen, für
uns Deutsche so ungünstigen Verhältnissen noch sein
könnte. Daher kann das alte Gaugesetz samt allen seinen Anhängseln
für uns kein Maßstab sein, es existiert einfach nicht
für uns, so wie es auch für die Regierenden in Wirklichkeit
nie bestanden hat. Das, was sein sollte, die Ordnung der politischen
Verhältnisse nach dem Kriege, wie wir sie als für den
Frieden und die Wohlfahrt aller Völker dieses Erdteiles nicht
nur für wünschenswert, sondern auch für nötig
erachten, haben wir sowohl in der abgelaufenen Wahlperiode, wie
auch in dieser zu wiederholtenmalen in Reden und Erklärungen
festgestellt. Diesbezüglich will ich allgemein Bekanntes
nicht erst wiederholen. Auch heute noch steht meine Partei unverbrüchlich
auf dem Boden des völkischen Selbstbestimmungsrechtes und
der staatsrechtlichen Erklärungen vom Jahre 1920.
Gemessen an diesem Maßstab erscheinen
die beiden in Verhandlung stehenden Vorlagen einfach als unannehmbar
und überhaupt keiner Diskussion wert. Aber selbst, wenn wir
diesen einzig richtigen Standpunkt nicht einnehmen, wenn wir der
Tatsache Rechnung tragen, daß eine ungünstige geschichtliche
Entwicklung uns zwingt, unsere Wünsche tief herunterzuschrauben,
sozusagen nur um das bißchen nackte völkische Leben
unseres Volkes besorgt zu sein, also wenn wir uns die graue Brille
aufsetzen, durch welche die deutschen Regierungsparteien die hiesigen
Verhältnisse zu sehen belieben, wenn wir uns also bloß
das zum Maßstabe nehmen, was immerhin in diesem Staate noch
sein könnte, fällt die Beurteilung nicht viel anders
aus.
Denn täuschen wir uns nicht. Diese Vorlagen
bedeuten das Grab der Selbstverwaltung in Bezirk und Land, dem
die Selbstverwaltung in der Gemeinde bald folgen wird, soweit
sie nicht schon in diesen Vorlagen eine wesentliche Einschränkung
erfährt. Die Minderheitsvölker brauchen aber die Selbstverwaltung
in Gemeinde, Bezirk und Land zur Sicherung und Entfaltung ihres
völkischen Lebens, zur Wahrung und Erhaltung der letzten
Reste ihrer völkischen Freiheit. Damit ist es nun vorbei.
Ist es Zufall oder Absicht?
Der Herr Berichterstatter Dr Kramáø,
wie auch der Motivenbericht sprechen von diesen Dingen selbstverständlich
nicht. Ja, im Gegenteil, sie sagen, daß durch die Vorlagen
eine neue, bessere Art von Autonomie eingeführt werde, eine
neue, ehrliche Demokratie erstehen soll, durch welche für
die Tätigkeit der Bevölkerung in den Bezirks- und Landesvertretungen
sich neue, ungeahnte Möglichkeiten ergeben werden. Sie verschweigen
aber ganz, daß das künftige Feld dieser Tätigkeit
ein ganz eingeschränktes sein wird.
Ich kann mich hier auf Einzelheiten nicht einlassen,
zumal diese Dinge noch in der Spezialdebatte zur Sprache kommen
werden, aber es ist doch klar, daß jeder, der die Bestimmungen
über die sachliche Zuständigkeit der Landes- und Bezirksvertretungen
durchliest, zu dem Schlusse kommen muß, daß diese
Vertretungen lediglich beratende Körperschaften des Landespräsidenten
und des Bezirkshauptmannes sind, in allgemeine politische und
Verwaltungsangelegenheiten nichts darein zu reden haben, da ja
über Politik nur theoretisiert werden darf (§§
30, 75), daß sie dem Wohlwollen ihres staatlich beamteten
Oberhauptes ausgeliefert sind, der ziemlich willkürlich ihre
Beschlüsse aufheben kann (§§ 60, 97), etwas, was
auch die übergeordnete Regierungsstelle jederzeit amtswegig
zu besorgen berechtigt ist. Es bleibt den neuen Vertretungskörpern
lediglich die Verwaltung ihres Vermögens und ihrer Anstalten.
Diese ist aber durch ein Netz von Vorschriften so eingeengt und
eingeschränkt, die Möglichkeit, durch Umlagen ihre notwendigen
Ausgaben sicherzustellen, derart gedrosselt, daß es überhaupt
fraglich ist, ob sie den ihnen zugedachten kargen Aufgaben überhaupt
werden gerecht werden können.
Dazu kommt, daß nach § 8 der Vorlage
Druck Nr. 831 die Regierung unter den nichtigsten Vorwänden
den Vertretungen in den Bezirken und Ländern ihre sachliche
Zuständigkeit beliebig beschneiden und auf andere Organe
der Verwaltung übertragen kann.
Wie grundverschieden war da doch der frühere
Zustand! Hier muß wiederum der Stand der normalen Friedenszeit
zum Vergleiche herangezogen werden, nicht der gegenwärtige,
der Zustand der ernannten Bezirks- und Landesverwaltungskommissionen,
welcher der breiten Öffentlichkeit nur als ein außerordentlicher,
provisorischer, durch die Kriegs- und Nachkriegszeit hervorgerufener
erschien, noch weniger aber der durch das Gaugesetz beabsichtigte,
welcher der Bevölkerung niemals zum Bewußtsein gekommen
ist. Da waren die Bezirksvertretungen, Bezirksausschüsse
in Böhmen, die Landesausschüsse wirkliche autonome Körperschaften,
welche innerhalb ihres Wirkungskreises Vorschriften machen konnten,
über die Gemeinden die Aufsicht führten, Entscheidungen
in Verwaltungssachen fällten. Die Landtage waren wirkliche
gesetzgebende Körper, deren Mitglieder Immunitätsrechte
besassen. Das alles, ohne daß die österreichische Staatsverwaltung
es nötig hatte, oder auch nur versuchte, ihre Polizeinase
überall hineinzustecken. Das alles gehört nun einer
schöneren Vergangenheit an. Jetzt triumphiert die Regierung,
der politische Beamte, die Polizei, der Knüppel.
Die Regierung kann jeder Gemeinde Vorschriften
machen. Der Artikel 5 gibt ihr die gewünschte Möglichkeit
dazu. Wer nicht folgt, wird schwer in Geldbusse genommen oder
fliegt ins Loch. Keine Gemeinde mit eigenen Statut ist sicher,
daß sie eines Tages durch einfache Verordnung gemäß
§ 3 der Vorlage Druck Nr. 831 aller ihrer uralten Rechte
verlustig erklärt und einem Dorfe gleichgestellt wird. Alle
Macht vereinigt sich in der Hand des Bezirkshauptmanns, des Landespräsidenten,
des Innenministers und seiner Sbirren. Die alte autonome Verwaltung
wird vollständig in die staatliche Verwaltung überführt.
Mit ihr das ganze Vermögen der Bezirke und Länder, das
einige 100 Millionen wert sein mag. Wie viel deutsches Vermögen
geht da nicht wieder verloren! Es ist eine nationale Expropriation
größten Stilles; viel größer und empfindlicher
als die ganze Bodenreform. Dabei ist das alles nicht umsonst,
sondern mit erheblichen Kosten verbunden, über deren Höhe
noch kein Mensch etwas erfahren und die nach Angabe des Herrn
Innenministers niemand, auch bei der Regierung noch berechnet
hat, welche aber wieder die Gemeinden treffen werden, die ohnehin
am Bankerott stehen.
Alle Bezirks- und Landesbeamten werden in den
Staatsdienst übernommen. Zwar sollen ihnen nach der jetzigen
Fassung der Vorlage ihre alten wohlerworbenen Rechte gewahrt bleiben.
Allein genauere Vorschriften soll eine Regierungsverordnung treffen
und der ominösen Sprachprüfung werden sie sich doch
unterziehen müssen. Das heißt also mit der einen Hand
wieder nehme, was man mit der anderen gibt. Wie viele Beamte werden
nun in den deutschen Bezirken wieder abgebaut werden und mit ihren
Familien dem Elend preisgegeben sein. Erst vor kurzem hat ein
abgebauter Postbeamte in Leitmeritz sich, seine Frau und seine
zwei kleinen Kinder erschossen, um dem Hunger entfliehen zu können.
Ist das nicht für alle, welche jetzt daran gehen, diese Vorlagen
ungeschaut zu genehmigen, ein grausiges Menetekel, insbesonders
für die deutschen Regierungsparteien?
Und was die örtliche Abgrenzung der neuen
Verwaltungsgebiete betrifft, so wäre zunächst auf den
Widerspruch hinzuweisen, mit dem man die Daseinsberechtigung der
einzelnen wiedererstandenen Länder zu begründen sucht.
Man versucht das Gaugesetz dadurch abzutun, daß man erklärt,
kleine Gebiete, Gaue, können sich als Verwaltungskörper
II. Instanz weder selbst erhalten, noch auch eine ersprießliche
Tätigkeit entfalten. Daher müssen große Verwaltungsgebäude
geschaffen werden, insbesonders müsse aus diesen rein wirtschaftlichen
Erwägungen und beileibe nicht aus irgendwelchen nationalpolitischen
Gründen das Land Schleisen verschwinden und mit Mähren
vereinigt werden. Als ob groß und klein in dieser Beziehung
mit der räumlichen Ausdehnung identisch wäre. Der Grundsatz
ist wohl an und für sieh richtig, aber statt der Begriffe
Groß und Klein ist richtigerweise zu setzen: wirtschaftlich
stark und sehwach. Wird nun der Grundsatz in dieser richtigen
Form angewendet, so ergibt sich daß auf Grund der Steuerleistung
sowohl die Slovakei, wie auch Podkarpatská Rus und dieses
insbesondere, viel zu schwach sind, um sich aus eigenem zu erhalten,
und künftig ständig passiv sein werden, also
gar keine Daseinsberechtigung haben, während das räumlich
kleine Schlesien wirtschaftlich stark genug wäre, ein eigenes
Land zu bleiben. Wenn heute das Land Schlesien offiziell passiv
ist, so hat es die èechische Regierung durch ihre Maßnahmen
absichtlich und mit Vorbedacht selbst dorthin gebracht, um für
ihre fadenscheinige Begründung einen scheinbaren Beweis zu
haben. In der Vergangenheit aber war Schlesien stets ein hochaktives
Land. (Výkøiky na levici.)
Es ist eben nicht wahr, daß rein wirtschaftliche
Erwägungen diesen Bestimmungen zugrunde liegen, im Gegenteil,
nationalpolitische Gründe sind hier die alleinige Triebfeder
gewesen. Deswegen muß die Slovakei und Podkarpatská
Rus als Land erhalten bleiben, obgleich sie passiv arbeiten werden
und deshalb muß das deutsche Schlesien verschwinden, obgleich
es ganz gut aktiv sein könnte. Ich will mich mit der schlesischen
Frage nicht weiter beschäftigen, da hierüber noch Kollege
Dr Koberg sprechen wird, betone nur noch in diesem Zusammenhange,
daß das Land Schlesien das einzige rein deutsche Verwaltungsgebiet
2. Instanz in diesem Staate war und sozusagen ein Beispiel nationaler
Autonomie höherer Ordnung darstellte. Daher war es auch uns
Deutschen in Böhmen lieb und wert. Stürzt auch dieses,
so bricht mit ihm wieder eine Stütze unseres Verlangens nach
national getrennter Verwaltung als einem Teil unseres Rechtes
auf Selbstbestimmung.
Was ferner das Land Böhmen betrifft, so
ist es eine allgemein anerkannte Tatsache, daß es als ein
einheitliches Verwaltungsgebiet zweiter Instanz unter allen Umständen
zu groß war und ist. Wenn in der Vorkriegszeit kein Versuch
unternommen wurde, hier eine Änderung eintreten zu lassen,
so waren eben keine praktischen, sondern politische Erwägungen
dafür maßgebend. Sie allein sind wiederum die Ursache,
daß jetzt das Land Böhmen weiter bestehen muß,
nachdem das Gaugesetz in den umgekehrten Fehler verfallen ist,
das Land in eine große Zahl kleiner, durchaus ungleich er
Verwaltungsgebiete zu zerschlagen.
Ich habe schon erklärt, daß wir
dem alten Gaugesetz keine Träne nachweinen, aber es gehört
doch allerhand dazu zu behaupten, die jetzige Regelung sei auch
vom deutschpolitischen Standpunkte deswegen zu begrüßen,
weil nur so es möglich geworden sei, die nationale Zweiteilung
des Landeskulturrates und des Landesschulrates aufrecht zu erhalten.
Als ob nicht in jedem Verwaltungskörper, ohne Rücksicht
auf seine Größe solche Einrichtungen möglich wären
- man braucht sie ja bloß zu wollen - und als ob diese zwei
Körperschaften in ihrer heutigen Gestalt, Zusammensetzung
und vor allem, was den nunmehr ganz eng gezogenen Wirkungskreis
der deutschen Sektion des böhmischen Landesschulrates betrifft,
überhaupt im Stande wären, wichtige Lebensinteressen
der Deutschen wirksam gegen die Angriffe der èechischen
Regierung zu schützen. Wie anders aber stünden die Dinge,
wenn man auf den alten Gedanken der nationalen Zweiteilung Böhmens
zurückgegriffen hätte!
Da wären große Gebiete herausgekommen,
die alle Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung
gehabt hätten. Daß so etwas die Kreise der èechischen
Mehrheitsparteien und der Regierung empfindlich gestört hätte,
daß wahrscheinlicherweise ein solches Verlangen das Ende
der jetzigen Koalition bedeutet hätte, ist wohl klar, aber
mit Verlaub, was sollte für die
deutschen Regierungsparteien wohl wichtiger sein, die Lebensbedürfnisse
des deutschen Volkes oder aber die Machtbedürfnisse der èechischen
Regierung und ihrer Hintermänner? Sie haben sich für
die èechische Regierung entschieden. Sie haben
aber dem èechischen Machthunger auch dadurch Vorschub geleistet,
daß sie es zuließen, daß nach § 2 der Vorlage
Druck Nr. 831 die Sprengel der Bezirke durch bloße Regierungsverordnung
bestimmt werden, ohne den betroffenen Bezirken und Gemeinden eine
Möglichkeit zu bieten, sich gegen eine
Vergewaltigung wirksam zu wehren.
Der Herr Innenminister hat im Ausschuß
die Erklärung abgegeben, daß an eine Änderung
der Gerichtsbezirkssprengel nicht gedacht werde. Derartige Versicherungen
wiegen federleicht gegenüber der Tatsache, daß das
Gesetz der Regierung das Recht verleiht, es zu tun. Wie lange
wird sie sich an ihr Versprechen halten? Wie wird sie es auslegen?
Sie kann ja Gerichtsbezirkssprengel ungeändert lassen, und
doch Gemeinden eines Gerichtsbezirkssprengels einem anderen politischen
Bezirke zuteilen und dadurch formell ihr gegebenes Versprechen
halten aber dennoch das erzielen, was sie will, das deutsche Siedlungsgebiet
weiter zerreißen, denn nur der politische Sprengel, nicht
mehr der Gerichtssprengel ist künftig Träger einer Autonomie.
Eng verknüpft mit jeder Selbstverwaltung sind die Bestimmungen
über das Wahlrecht in die Selbstverwaltungskörper. Die
Frage, wer zur Ausübung der Selbstverwaltung berufen ist,
ist von grundlegender Bedeutung. So ist denn auch mit der Vorlage
Druck Nr. 831 die Vorlage Druck Nr. 830 über die Wahlen in
die Landes- und Bezirksvertretungen zur parlamentarischen Behandlung
gestellt worden. Die in ihr vertretenen Grundsätze sind dieselben
wie in der Vorlage Druck Nr. 831; möglichste Drosselung und
Beschränkung der Rechte der Staatsbürger.
Dies wird auf viererlei Art erreicht:
1. Das Alter für das aktive Wahlrecht
wird von 21 Jahren auf 24 Jahre, das Alter für das passive
Wahlrecht in die Bezirksvertretungen mit 30 Jahren bestimmt, während
es im alten Österreich mit 24 Jahren festgesetzt war.
2. Um eine möglichst große Zahl
von Staatsbürgern von vornherein von der Wahl auszuschließen,
wird die Dauer der Seßhaftigkeit überall ganz erheblich
hinaufgesetzt; so wird für das aktive Wahlrecht in die Landes-
und Bezirksvertretungen eine Seßhaftigkeit von 1 Jahre in
einer Gemeinde des Landes oder Bezirkes gefordert, während
für das aktive Wahlrecht in eine Gemeinde bisher eine Seßhaftigkeit
von bloß Monaten genügte. Für das passive Wahlrecht
in die Landes- und Bezirksvertretung wird eine Seßhaftigkeit
von 2 Jahren gefordert, während bisher eine solche von 1
Jahre genügte.
3. Um aber den Staatsbürgern das Wählen
möglichst zu verleiden, wird ihnen mit nachstehenden Bestimmungen
gedroht: Da die Stimmzettel sowohl für die Bezirks-, wie
auch für die Landesvertretungswahlen für jede der kandidierenden
Parteien ganz überflüssigerweise gesondert gedruckt
werden, ist zu erwarten, daß die Druckkosten außerordentlich
hoch sein werden. Die Hälfte nun sollen die Parteien aus
eigenem tragen, und wenn eine Partei nicht imstande ist, in der
Landesvertretungswahl ein Mandat zu erreichen oder wenn sie dieses
Schicksal trifft, wenn sie in der Bezirksvertretungswahl allein
gestanden ist, hat sie diese Druckkosten ganz allein zu bezahlen.
Hier wird also eine Art Geldstrafe gegen das Kandidieren angedroht.
Das bedeutet aber, daß es in Zukunft den Oppositionsparteien
schwer oder gar unmöglich sein wird, zu kandidieren, und
daß dies ein Privilegium für die reichen Parteien sein
wird, in erster Linie für die Regierungsparteien, weil diese
sicher sein können, alle ihre Wahlauslagen oder wenigstens
den größten Teil von der Regierung aus den Steuergeldern
rückersetzt zu bekommen.
4. Wird mit großem Geschick versucht,
den Wahlerfolg im Sinne der Regierung zu korrigieren. Darauf zielen
die Bestimmungen Absatz 1, daß ein Drittel der Mitglieder
der Bezirks- und Landesvertretungen von der Regierung ernennt
werden und daß die Beamten, welche Referenten sind, in den
Vertretungskörpern Sitz und Stimme haben, also eigentlich
die ernannten Mitglieder um ihre Stimmen vermehren.
Der Sinn dieser Bestimmungen ist doch ganz
klar: Sie sollen der Regierung ein Übergewicht über
eine etwa vorhandene Opposition verbürgen. Es ist überflüssig
zu sagen, daß die ernannten Mitglieder, wenn sie auch den
Titel "Fachleute" führen, doch nur Regierungsmameluken
sein werden, mögen sie auch "mit Rücksicht auf
die wirtschaftlichen, kulturellen, nationalen und sozialen Verhältnisse"
ernannt worden sein. Anders wäre es, wenn die Verbesserung
des § 12, Abs. 2 der Vorlage Druck Nr. 831 gelautet hätte,
daß als Maßstab ihrer Ernennung der jeweilige Ausfall
der Wahl selbst zu gelten hat, aber das wäre gegen den Geist
der Vorlagen gewesen.