Pátek 29. dubna 1927

Wir wollen uns nun einen Moment kritisch bei den Geschäften der Nationalbank aufhalten. Ich habe Ihnen vorher schon gesagt, daß in den Bereich der Nationalbankgeschäfte in erster Linie fällt die Verwaltung der Vermögensabgabe der Staatsnotenschuld. Darüber haben wir schon gesprochen. Beschäftigen wir uns mit den Nostrogeschäften. Unter Nostrogeschäften dr Bank versteht man in erster Linie das Eskompte- und Lombardgeschäft. Ich will Sie darüber nicht aufklären, wie notwendig für die Wirtschaft das Lombard- und Eskomptegeschäft ist und daß erst dann, wenn der Nationalbank die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen, sie den Einfluß auf die Geldorganisation des Staates haben kann. Es ist bedrückend, wenn wir gerade diese Posten, die den größten Teil des Nostro-Geschäftes der Nationalbank darstellen sollten, verschwindend klein werden sehen. Wenn wir uns die Bilanz, bezw. den Ausweis der Nationalbank vom 18. März ansehen, finden wir darin den Posten "Escomptewechsel" mit 72,930.000. Wenn wir uns den Ausweis vom 27. April ansehen, sehen wir darin ausgewiesen 43,058.000, das ist also ein Rückgang um rund 30 Millionen in der Zeit vom 18. März bis 27. April. Beim Lombardgeschäft ist es derart, daß es am 18. März den Betrag von 38,575.000, im Ausweis vom 27. April den Betrag von 34 Millionen 645.000 ausmachte. Wir sehen, daß die Hauptbeweglichkeit zu ungunsten der Wirtschaft sich besonders im Eskomptegeschäft zeigt, während wir im Lombardgeschäft mehr oder minder eine bestimmte Stabilität haben. Das bringt schon das Geschäft mit den Lombardfristen mit sich. Wenn wir uns aber die Sache näher überlegen, kommt ein anderes Moment in Frage, nämlich: Warum kommt das Eskompte- und Lombardgeschäft der Nationalbank nicht in Fluß? Da liegt auf der anderen Seite speziell die Unbeweglichkeit durch die Staatsnotenschuld zu Tage, da wir, wenn wir die Staatsnotenschuld gedeckt hätten, auf dem Wege zur Goldwährung wären, während wir heute bei den gegebenen Verhältnissen lediglich von einer stabilisierten Papierwährung sprechen können. Solange die Nationalbank, bezw. die Finanzverwaltung nicht in der Lage ist, die Staatsnotenschuld wesentlich zu verringern, wird das Nostro-Geschäft der Nationalbank für Eskompte- und Lombard weniger frei sein. Diese Frage ist natürlich von großer Bedeutung für die Wirtschaft und da hat es mich ganz eigentümlich berührt, daß im Art. XIV der Einführungsbestimmungen, bezw. im Motivenbericht zum Übereinkommen ich folgendes gefunden habe: "Die landwirtschaftliche Produktion als eine der wichtigsten Komponenten des wirtschaftlichen Lebens erfordert diese Rücksichtnahme und Aufklärung ihrer Verhältnisse zu den Geschäften der èechoslovakischen Nationalbank."

Da gebe ich folgende Aufklärung: Es wurde nämlich infolge des politischen Einflusses der Agrarier in das Übereinkommen eine Bestimmung aufgenommen, daß die Nationalbank verpflichtet ist, 10% des Lombardportefeuilles für landwirtschaftliche Zwecke zu reservieren. Ich anerkenne vollkommen die wirtschaftliche Position der Landwirtschaft und die wirtschaftliche Notwendigkeit der Unterstützung durch das eigene Noteninstitut. Aber auf der anderen Seite muß ich genau dieselbe Forderung für die endere Wirtschaftskomponente erheben, die sich durch Handel, Industrie und Gewerbe darstellt, weil ich sonst einen einseitigen Standpunkt konstatieren müßte. Ich sage: Ich begrüße das auf das allerwärmste, muß aber für den anderen Wirtschaftsfaktor, für Handel, Gewerbe und Industrie, unbedingt dasselbe fordern. Sie werden sich erinnern, wenn Sie die Wirtschaftsgeschichte verfolgen, welche Schwierigkeit man gerade den Kreisen der Industrie, des Handels und Gewerbes bezüglich der Eskomptierung gemacht hat, welche Schwierigkeiten man bezüglich der Unterschriften gemacht hat, während man in diesem Falle - für die Landwirtschaft - die Sache sehr leicht gestaltet. Die Sache ist aber noch anders. Man hat mit einem 92tägigen Wechsellombard gerechnet, und dann erst mit der Eskomptierung, das bedeutet also in der Regel mit anderen Worten 184 Tage, und man hat gefordert, daß für den Wechsellombard ein Zinsfuß gewährt werde, der ein halbes bis ein Prozent unter dem üblichen Lombardsatz liegt. Ich begrüße auch das, muß aber schon aus wirtschaftlichen Gründen dasselbe für die andere Wirtschaftskomponente verlangen, besonders aus dem Grunde, weil gerade diese Komponente in unverhältnismäßig größerem Maßstabe für die Einnahmen des Staates sorgt. Ich werde bei der Steuerreform Anlaß nehmen, Sie über dieses Verhältnis aufzuklären.

Was nun die fremden Geschäfte anlangt, von denen ich vorher sprach von den 752 Millionen, fallen sie außerhalb des Rahmens der gesetzlichen Bestimmungen, die sonst den Bankinstituten auferlegt sind, und aus diesem Grunde, nachdem die Nationalbank doch auch ein privates Institut ist, konnte sie diese Geschäfte nicht übernehmen, diese Geschäfte mußten Eigengeschäfte der Finanzverwaltung bleiben, bezw. die Nationalbank übernahm sie in ihre Verwaltung nur als Kommissionär. Sie übernimmt dafür keine Haftung, wenn daraus Verluste entstehen, sie hat der Staat zu tragen. Sie bekommt lediglich eine Provision für die Besorgung dieser Geschäfte, sonst gehen sie diese als Eigengeschäfte nichts an.

Soweit möchte ich mich über das Verhältnis der Regierung zur Nationalbank geäußert haben. Bei dieser Gelegenheit kann ich mir nicht versagen, auch noch auf Folgendes kurz zu sprechen zu kommen. Wir sind in den vergangenen Jahren belehrt worden, daß man in nationaler Beziehung einen einseitigen Standpunkt eingenommen hat, und es ist ungemein unverständlich, daß man diesen Standpunkt auch auf ein Privatinstitut von solcher Bedeutung übertragen hat. Aus diesem Grunde ist es bedauerlich, daß sich bei der Generalversammlung vom 24. Feber l. J. derartige Szenen abspielen konnten, ich hätte sie nicht für möglich gehalten, wenn schon nicht aus inneren Gründen, so aus äußeren Prestigegründen dem Auslande gegenüber. Ebenso ist es bedauerlich, daß man bis zum heutigen Tage sich trotz der Bedeutung des deutschen Wirtschaftslebens nicht entschließen konnte, die Ausweise auch in deutscher Sprache erscheinen zu lassen, sondern sie französisch und englisch herausgab, und daß erst über Drängen die Zusage kam, daß man sie auch in deutscher Sprache herausgeben werde. Ich bin der Ansicht, bei dem ausgesprochenen Grundsatz "Gleiche mit Gleichen" müßte man endlich daran schreiten, den einseitigen Standpunkt zu verlassen und wirklich wirtschaftlich zu denken, Sie müßten zur Einsicht kommen, daß Sie mit dem einseitig nationalen Standpunkt die Wirtschaft nicht fördern, sondern rückwärts laufen lassen werden. In dieser Beziehung muß ich fordern, daß man auch auf deutscher Seite jene würdevolle Haltung beziehe, die auch dem Gegner den entsprechenden Respekt einzuflößen vermag. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany národní.)

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3. Øeè posl. dr Czecha (viz str. 726 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Dank der gütigen Unterstützung der Regierungspresse aller Zungen hat unser Mißtrauensantrag den Gegenstand eingehendster politischer Erörterung gebildet, die Öffentlichkeit nach langer Zeit wieder einmal ordentlich aufgerüttelt und damit allein schon seinen Zweck erfüllt. Da uns das Schicksal des Antrages keinen Augenblick zweifelhaft sein konnte, wollten wir von vornherein nichts anderes, als die Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Regierungsmehrheit plastisch aufzeigen, ihre Skrupellosigkeit allen demokratischen Einrichtungen dieses Staates gegenüber ans Tageslicht ziehen und den Widerstand der Bevölkerung gegen ihre reaktionären Absichten mobilisieren. Das ist tatsächlich in vollem Maße gelungen und gerne nehmen wir dafür das Jubelgeschrei der Regierungspresse über unser schmähliches Fiasko, über die fürchterliche Blamage der Opposition, über das elende Komödienspiel, gerne auch die persönlichen Anrempelungen in Kauf, die für einen großen Teil der èechoslovakischen Journalistik geradezu typisch, geradezu charakteristisch sind und deren geistige Rekordleistungen man immer und immer wieder bewundernd anstaunt. Gegen den Mißtrauensantrag wurde eine ganze Reihe von Einwänden und Anwürfen erhoben. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.) Einigen von diesen Anwürfen schloß sich auch der Herr Berichterstatter an. Mit diesen wollen wir uns auseinandersetzen.

Der Herr Berichterstatter meinte in seinem schriftlichen Bericht, in seinen Darlegungen im Initiativausschuß, aber auch hier vor wenigen Augenblicken von dieser Tribüne herab, daß unsere ganze Aktion nicht so sehr der Sorge um die Unverletzlichkeit der Verfassung entsprungen sei, als vielmehr politischen Erwägungen, und dem Herrn Berichterstatter sekundiert nun die deutschbürgerliche Presse, indem sie auf die völlige Aussichtslosigkeit und Wertlosigkeit des Antrages verweist und seinen demonstrativen agitatorischen Charakter aufzuzeigen bemüht ist. Dem gegenüber sei hier einfach festgestellt, daß der politische Charakter unserer Kundgebung keinen Augenblick zweifelhaft gewesen ist und nicht erst entlarvt werden mußte. Er ergibt sich aus der Einbegleitung und aus der Begründung unseres Antrages klar und deutlich und er liegt im ganzen Wesen dieser Aktion, die auf ein politisches Votum abzielt und schon darum politische Wirkungen auslösen muß. Es ergibt sich aber auch die Aussichtslosigkeit der Aktion aus der gegenwärtigen politisch-parlamentarischen Konstellation in diesem Lande. Doch Aussichtslosigkeit in diesem Parlamente, das ist, so lange die Regierungskoalition auf festeren Grundlagen stehen will, eigentlich zu neun Zehnten das Schicksal aller oppositionellen Aktionen. Auch die deutsch-bürgerlichen und die èechisch-bürgerlichen Parteien haben in der Zeit, in der sie sich oppositionell zu betätigen hatten, eine ganze Reihe von Aktionen unternommen, die ebenfalls mit dem Stigma der Aussichtslosigkeit belegt werden konnten, sie haben in Zentnermengen aussichtslose Anträge produziert, Anträge, die in dem Augenblick, in dem sie eingebracht waren, auch schon unmittelbar dem Tode geweiht gewesen sind. Ich frage nur: War nicht etwa die im Dezember 1925 überreichte Ministeranklage, an deren Kopf die Namen des Abg. Hlinka, des Ministers Dr Spina, des Vorsitzenden des Klubs der deutschen Christlichsozialen Dr Luschka stolz paradierten, gleichfalls zur Aussichtslosigkeit verurteilt, da sie mangels eines Verantwortlichkeitsgesetzes nicht einmal in Verhandlung gezogen, nicht einmal behandelt werden konnte, und in dem Augenblicke, da sie eingebracht wurde, schon in den Papierkorb wanderte? Wenn die Ministeranklage damals von den Parteien, die sich heute zu Mentoren aufwerfen, überreicht wurde, fragen wir: Woher nehmen diese Parteien die moralische Legitimation, uns den demonstrativ-agitatorischen und demagogischen Charakter unseres Antrages vorzuhalten?

Hohes Haus! Das Kurioseste ist, daß genau dieselben Parteien, die heute über uns zu Gericht sitzen, sich über unsere demagogischen Aktionen so sehr sittlich entrüsten, noch vor Jahresfrist - es war im März 1926 - eine Ministeranklage gegen die jetzige Regierung überreicht haben, daß zur Begründung dieser Ministeranklage die beiden heute aktiven deutschen Minister höchst persönlich ausgerückt sind, daß hiezu die deutsche christlichsoziale Partei drei Redner, der deutsche Landbund zwei Redner, darunter den Vizepräsidenten des Hauses Zierhut als Minderheitsberichterstatter stellten und daß alle Redner der heutigen deutsch - èechischen Koalition diese Aktion mit einer Verve, mit einem solchen Ernst, mit einer solchen Leidenschaft vertraten, daß sie sich dabei nicht nur den schärfsten Tadel ihrer heutigen Ministerkollegen, ihrer jetzigen Regierungskollegen zuzogen, sondern auch den Vorwurf der "planá demonstrace", der uns jetzt aus dem èechischen Blätterwalde entgegenrauscht. In ihrer Betrachtung über unseren Mißtrauensantrag gibt die christlich soziale "Deutsche Presse" ihrer Meinung Ausdruck, daß ein Mißtrauensantrag nur nichtparlamentarischen Regierungen gegenüber einen Sinn habe und bei parlamentarischen Regierungen zu rein politischen Kundgebungen und Demonstrationen ausarte. Demgegenüber sei darauf verwiesen, daß der von den deutschbürgerlichen Parteien im Vorjahre überreichte Mißtrauensantrag nicht gegen eine nichtparlamentarische Regierung, sondern genau so wie heute gegen ein parlamentarisches System gerichtet war. Es ist also die Argumentation der deutschen Regierungspresse durchaus falsch und unzutreffend. Sie ist nur auf die Spekulation mit der Uninformiertheit und Leichtgläubigkeit der Anhängerschaft dieser Parteien aufgebaut. Übrigens hat es mit der Aussichtlosigkeit von parlamentarischen Aktionen sein eigenes Bewandtnis. Am 16. März vorigen Jahres wurde nach dreitägiger Verhandlung der Mißtrauensantrag mit 155 Stimmen gegen 103 Stimmen abgelehnt, das Parlamentsprotokoll registriert aus diesem Anlasse bei der Verlautbarung des Stimmenergebnisses den Beifall in den Regierungsbänken; und 24 Stunden, nachdem der Mißtrauensantrag mit 155 gegen 103 Stimmen abgelehnt worden war, war die Regierung Švehla eine veritable Leiche, und weitere 24 Stunden darauf war die Beamtenregierung Èerný bereits konstituiert. Ich will damit nicht etwa sagen, daß der Rücktritt der Regierung durch den seinerzeitigen Mißtrauensantrag herbeigeführt wurde. Dagegen muß ich den Regierungsparteien in Erinnerung bringen, daß das Abstimmungsergebnis, daß die Mathematik allein das Schicksal von Regierungen und Regierungssystemen absolut nicht bestimmt, sondern auch andere Machtfaktoren und Machteinflüsse, die viel stärker sind als verfassungsmäßige Einflüsse und die durch die Erweckung des Gewissens der Öffentlichkeit, durch die Mobilisierung der gesamten Öffentlichkeit in Bewegung gesetzt werden.

Dafür ein kleiner Beweis aus der èechischen Geschichte. Als die Jungèechen im alten Österreich am 5. Mai 1892 durch den damaligen Abgeordneten Tilscher eine Ministeranklage überreichten und diese mit 238 Stimmen gegen 41 Stimmen abgelehnt wurde, erhob sich, wie Kolmer in seinem Werke über die österreichische parlamentarische Geschichte berichtet, der damalige jungèechische Abgeordnete Herold und rief triumphierend aus: "Wir haben vor zwei Jahren einen Kampf gegen die Punktationen unternommen, als kleine Partei, und man lächelte in ganz Österreich. Alle, welche die Macht in Händen hatten, lächelten über die jungèechische Bewegung, und wir können doch sagen, das ist kein Übermut, daß wir in dieser Frage gesiegt haben. Wir haben jetzt wenigstens den èechischen Ausgleich zum Stillstand gebracht und was jetzt in dieser Richtung getan wurde, geschieht ohne das böhmische Volk, das ist kein Ausgleich, das ist Gewalt." Diese Episode und dieses Stimmenverhältnis möchten wir den Spöttern und Göttern im èechischen Regierungslager in diesem Augenblicke in Erinnerung bringen.

Man tut im èechischen Regierungslager fürchterlich entrüstet darüber, daß just wir, just unsere Partei sich zu Verfechtern und Verteidigern der èechoslovakischen Verfassung aufwirft. Auch in deutschen Regierungskreisen findet man es befremdlich, daß deutsche Parteien für die Unverletzlichkeit der Verfassung eine Lanze brechen. Schon hat die "Deutsche Landpost" für diese Gruppe den Spitznamen der "Verfassungstreuen" geprägt, und die christlichsoziale "Deutsche Presse" ruft uns vorwurfsvoll zu, daß sich eigentlich kein Deutscher zum Verteidiger der Verfassung aufwerfen sollte, da man ihm in der Zukunft vorhalten könnte, daß er selbst mit allen erdenklichen Mitteln gekämpft hat, die Verfassung für immer und ewig für unabänderlich und unverbesserlich zu erklären. Mit der Logik dieser Darlegungen vermag ich mich nicht auseinanderzusetzen. Daß jemand, der in einem bestimmten, ganz genau unschriebenen Falle der Vergewaltigung der Verfassungsbestimmungen entgegentritt sich mit dem Makel behaftet, die Verfassung für immer und ewig unabänderlich und unverbesserlich zu erklären, ist haarsträubend. Da ist jede Auseinandersetzung ausgeschlossen.

Doch wenn dem so wäre, hätten die deutschen Regierungsparteien besser getan, ihre: Ratschläge rechtzeitig und schon 1926 an die Adresse der führenden Männer des deutschen Landbundes und der deutschen christlichsozialen Partei zu richten, an die Adresse der Minister Spina und Mayr-Harting, des Vizepräsidenten Zierhut und des Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen Partei Dr Luschka, die sämtlich in der vorjährigen Debatte als Redner aufmarschiert sind und sich in leidenschaftlichster Weise zu Verfechtern und Verteidigern der Verfassung aufgeworfen haben, die bei Begründung ihres Antrages der Regierung nicht nur die Verletzung der in der Verfassung niedergelegten Grundsätze über die Gleichberechtigung aller Staatsbürger, sondern auch den Bruch des St. Germainer Vertrages, auch die Mißachtung der internationalen Minderheitenschutzverträge, sowie eine ganze Reihe von Verstößen gegen die Verfassung, gegen das Sprachengesetz und gegen eine ganze Reihe anderer Gesetze zum Vorwurf gemacht haben. Dabei wolle festgehalten werden, daß die deutschen Regierungsparteien kurz vorher in der von Minister Spina, dem damaligen Klubvorsitzenden, am 18. Dezember abgegebenen staatsrechtlichen Erklärung neuerlich und feierlich bekundet haben, daß die dieser Gruppe angeschlossenen Parteien die Friedensverträge von St. Germain, Versailles und Trianon als Rechtsquellen nicht anerkennen und niemals als solche anerkennen werden. Es sollten also die deutschen Mehrheitsparteien und ihre Presse mit ihren Anwürfen gegen die deutschen Oppositionsparteien vorsichtiger zu Werke gehen.

Und nun, da wir gestellt wurden, ein Wort zur èechoslovakischen Verfassung. Sie war für uns niemals ein Heiligtum und ist es auch heute nicht, sie sollte es aber für jene sein, die sie seinerzeit mitgeschaffen, die sie mit dem Motto, mit der Präambel versehen haben, daß sie im Geiste der Gesetze ebenso wie im Geiste der modernen Grundsätze, welche in der Losung des Selbstbestimmungsrechtes enthalten sind, die Verfassung durchführen werden, und weiters heißt es dort, daß sie sich der Gesellschaft der Nationen als gebildetes, als friedliebendes, als demokratisches, als fortschrittliches Glied einreihen wollen. Sie, die diese Präambel mit beschlossen haben, sollten es vor allem sein, die diese Verfassung betreuen und behüten und gegen jeden Einbruch und Durchbruch verteidigen. Wir aber wurden, als die Verfassung gemacht wurde, nicht gefragt und nicht gehört, wir haben sie nicht mitberaten, wir haben sie nicht mit entschieden, wir tragen für sie keinerlei wie immer geartete Verantwortung. Für uns sind überhaupt Verfassungen bürgerlich kapitalistischer Staaten kein Gegenstand besonderer Anbetung. Was Verfassung und Verfassungsfragen sind, hat Ferdinand Lassale in einer seiner berühmten Reden klar, deutlich, packend in einer für jeden Sozialisten jeden Zweifel ausschließenden Weise gesagt: "Verfassungsfragen sind ursprünglich nicht Rechtsfragen, sondern Machtfragen, die wirkliche Verfassung des Landes existiert nur in den realen Machtverhältnissen, die im Lande bestehen. Geschriebene Verfassungen sind nur dann von Wert und Dauer, wenn sie der Ausdruck der wirklichen in der Gesellschaft bestehenden Machtverhältnisse sind." Hohes Haus, ebenso wenig wie dasjenige Recht ist, was in den Rechts- und Gesetzesbüchern steht, ebenso wenig ist auch das jenige eine wirkliche Verfassung, was man in die diversen Verfassungsurkunden und Verfassungsformeln hineingezwängt hat. Es gibt im Staate ganz andere Machtfaktoren, ganz andere Machteinflüsse, die machtvoller als die verfassungsmäßigen sind. Die Macht des Kapitalismus ist nirgends verfassungsmäßig niedergelegt und sie ist doch größer als die aller verfassungsmäßigen Machtfaktoren, geradezu typisch in unserem Lande. Wir haben uns daher auch bezüglich des Wertes der Verfassung niemals irgend einer Illusion hingegeben. Die verfassungsmäßigen Garantien des allgemeinen Wahlrechtes hatten in diesem Lande nur so lange Bestand und blieben nur solange unberührt, als den an der Macht befindlichen kapitalistischen Klassen des Wahlrecht nicht im Wege stand. Sowie sie aber die Unzulänglichkeit des Wahlrechtes für ihre Machtausübung erkannt hatten, wurde das Wahlrecht sofort durch die Wahlnovelle verfälscht, welche den Raub von hunderttausenden Wählerstimmen nach sich zog und die Annektierung dieser hunderttausende von Wählerstimmen durch die èechischen Machtklassen ermöglichte.

Aus demselben Gesichtswinkel heraus ist auch der Raub des Soldatenwahlrechtes zu beurteilen. Auch hier haben nicht Verfassungsfragen, sondern Machtfaktoren die Entscheidung herbeigeführt. Trotz alledem fällt es uns nicht im Traume ein, die Verfassung, deren ganze Strenge wir gegen uns auswirken lassen müssen, einfach der Willkür der herrschenden Klassen zu überantworten und uns ihrer im Kampfe des Proletariats um die Macht in diesem Staate nicht zu bedienen. Gerade in diesem Fall wollen wir, können wir dies mit ganz besonderem Nutzen tun, gerade hier können wir just an der Hand der Verfassung der Arbeiterklasse und allen arbeitenden Menschen in diesem Lande aufzeigen, wie die kapitalistischen Parteien aller Nationen vor keinem Mittel zurückschrecken, wenn es gilt, ihre Machtposition in dem Augenblick noch fester zu verankern, in welchem sie ihre Herrschaft bedroht fühlen. Darum ist auch der Bruch der von ihnen vor wenigen Jahren beschlossenen Verfassung für die Durchsetzung ihres Machtwillens auch nicht das leiseste Hindernis.

Die christlichsoziale "Deutsche Presse" meint, daß wir und die Kommunisten die Verteidigung der Verfassung nur vorheucheln und das Soldatenwahlrecht eingentlich nur im Interesse der Weltrevolution und nur aus Diktaturrücksichten fordern. Die deutsche christlichsoziale Partei vergißt dabei nur die Kleinigkeit, daß den sozialistischen Soldaten im Augenblick der Weltrevolution sicherlich eine für die deutsche christlichsoziale Partei viel wichtigere und unangenehmere Funktion zufallen wird, als die bloße Ausübung des Wahlrechtes.

Und nun zum Soldatenwahlrecht selbst. Wir sind von der ersten Stunde an für die Erteilung des Wahlrechtes an die Militärpersonen eingetreten. Die Soldaten bringen dem Staat durch die Erfüllung ihrer Dienstpflicht ein ungeheueres Opfer, die Erteilung des Wahlrechtes, die Gewährung des Kontrollrechtes, die Einräumung des Mitbestimmungsrechtes muß da als ein selbstverständliches Äquivalent erachtet werden. Die Zeit des Kadavergehorsams des Soldatenstandes ist doch hoffentlich vorbei, die Zeiten, da die Heere nichts anderes als willenlose Werkzeuge der herrschenden Klassen gewesen sind, gehören wohl hoffentlich schon der Vergangenheit an. Aus den Soldaten durch Entziehung des Wahlrechts Staatsbürger zweiten Grades, zweiter Klasse zu machen, würde einen schweren Rückfall in die militaristische Vorkriegsära bedeuten, und darum sind wir immer für das Soldatenwahlrecht eingetreten und setzen uns gegen den Raub des Soldatenwahlrechtes mit aller Entschiedenheit zur Wehr. Die Behauptung des Motivenberichtes, daß in die Armee dadurch politische Kämpfe getragen und die Disziplin erschüttert wurde, ist durch keinerlei wie immer geartete Tatsachen erwiesen, ebenso wenig erscheint uns die Darlegung des Ausschußberichtes belegt, daß das Militär trotz der ergangenen Verbote der Beteiligung an Versammlungen und Meetings, trotz Verbots der Beteiligung an Kundgebungen, Umzügen und Demonstrationen, trotz Verbots der Tragung von politischen Abzeichen massenhaft diese Maßnahmen übertreten hat, daß das Militär der stürmischesten Parteienagitation ausgesetzt wurde. Aus der Tatsache allein, daß die Soldaten kommunistisch oder sozialistisch gewählt haben, den Schluß ziehen zu wollen, daß sie das Wahlrecht lediglich als eine Gelegenheit zu Kundgebungen und Protesten gegen den schweren militärischen Dienst benützen, erscheint uns geradezu horribel. Im übrigen wird sich die Geneigtheit der Soldaten zu Protesten gegen das militärische System auch durch die Entziehung des Soldatenwahlrechtes kaum mindern, vielmehr wird gerade durch diese Maßnahmen, wie die Erfahrung gelehrt hat, die gegenteilige Wirkung erzielt werden und werden erst gerade durch die staatsbürgerliche Entrechnung der Soldaten zum Protest gegen diese Ma ßnahmen recht viele neue Sozialisten gezüchtet werden. Wenn der Herr Vizepräsident Zierhut in seiner namens der deutschen Regierungsparteien abgegebenen Erklärung meinte, daß die Entziehung des Soldatenwahlrechtes den Anforderungen, die an ein unpolitisches, seiner Aufgaben bewußtes Heer gestellt werden, entspricht, so steht diese Erklärung mit der ganzen Vergangenheit, wenigstens der èechoslovakischen Vergangenheit der Herren aus dem Landbündlerlager im Widerspruch. Aber diese Erklärung zeigt uns auch, wie rasch sich die Herren zum èechoslovakischen Kommisstandpunkt umgruppiert haben, und wenn ihre Umorientierung auch weiter in so rapidem Tempo um sich geht, werden wir uns in Zukunft schöne Sachen von ihnen zu versehen haben. Das unerhörteste dabei ist, daß die deutschen Regierungsparteien bemüht sind, ihrem reaktionären Standpunkt ein neues Mäntelchen umzuhängen und daß sie, um dies mit umso größerer Wirkung tun zu können, sogar den Spieß umdrehen und sich zu Anklägern gegen jene deutschen Parteien aufwerfen, die den Raub des Soldatenwahlrechtes bekämpft haben. Sie selbst geben in unbewachten Augenblicken zu, daß es bei der Entziehung des Soldatenwahlrechtes den èechischen Mehrheitsparteien vor allem darum zu tun war, daß ein möglichst èechisch eingestelltes Heer gesichert werde. Wörtlich schreibt die deutsche christlichsoziale "Deutsche Presse": "Wenn heute das sudetendeutsche Volk den Fall des Soldatenwahlrechtes begrüßt, wenn jeder vernünftige Èeche aus anderen Gründen dafür stimmt, so ist dies ein erfreuliches Zeichen einer fortschreitenden gesunden Entwicklung." Deutsche und Èechen stürzen sich auf das Soldatenwahlrecht und bringen es jeder aus einem ganz anderen Grunde zu Fall, und das soll ein Zeichen einer erfreulich fortschreitenden Entwicklung sein. In Wirklichkeit aber wurde das Soldatenwahlrecht von den deutschen und èechischen bürgerlichen Parteien aus denselben Gründen, u. zw. ausschließlich aus reaktionären Gründen mit vollster Einmütigkeit beseitigt. Nun bringen die deutschbürgerlichen Parteien den traurigen Mut auf, diese reaktionäre Maßnahme als großen Triumph und großen Erfolg des Deutschtums im selben Augenblicke anzupreisen, in dem auch die nationalistische èechische Bourgeoisie wegen dieses ungeheueren nationalen Erfolgs des Èechentums tüchtig auftrumpft. Wahrlich, noch nie wurde mit der Leichtgläubigkeit, mit der Lammsgeduld der Bevölkerung ein so frivoles Spiel getrieben!

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