Wir wollen uns nun einen Moment kritisch bei
den Geschäften der Nationalbank aufhalten. Ich habe Ihnen
vorher schon gesagt, daß in den Bereich der Nationalbankgeschäfte
in erster Linie fällt die Verwaltung der Vermögensabgabe
der Staatsnotenschuld. Darüber haben wir schon gesprochen.
Beschäftigen wir uns mit den Nostrogeschäften. Unter
Nostrogeschäften dr Bank versteht man in erster Linie das
Eskompte- und Lombardgeschäft. Ich will Sie darüber
nicht aufklären, wie notwendig für die Wirtschaft das
Lombard- und Eskomptegeschäft ist und daß erst dann,
wenn der Nationalbank die entsprechenden Mittel zur Verfügung
stehen, sie den Einfluß auf die Geldorganisation des Staates
haben kann. Es ist bedrückend, wenn wir gerade diese Posten,
die den größten Teil des Nostro-Geschäftes der
Nationalbank darstellen sollten, verschwindend klein werden sehen.
Wenn wir uns die Bilanz, bezw. den Ausweis der Nationalbank vom
18. März ansehen, finden wir darin den Posten "Escomptewechsel"
mit 72,930.000. Wenn wir uns den Ausweis vom 27. April ansehen,
sehen wir darin ausgewiesen 43,058.000, das ist also ein Rückgang
um rund 30 Millionen in der Zeit vom 18. März bis 27. April.
Beim Lombardgeschäft ist es derart, daß es am 18. März
den Betrag von 38,575.000, im Ausweis vom 27. April den Betrag
von 34 Millionen 645.000 ausmachte. Wir sehen, daß die Hauptbeweglichkeit
zu ungunsten der Wirtschaft sich besonders im Eskomptegeschäft
zeigt, während wir im Lombardgeschäft mehr oder minder
eine bestimmte Stabilität haben. Das bringt schon das Geschäft
mit den Lombardfristen mit sich. Wenn wir uns aber die Sache näher
überlegen, kommt ein anderes Moment in Frage, nämlich:
Warum kommt das Eskompte- und Lombardgeschäft der Nationalbank
nicht in Fluß? Da liegt auf der anderen Seite speziell die
Unbeweglichkeit durch die Staatsnotenschuld zu Tage, da wir, wenn
wir die Staatsnotenschuld gedeckt hätten, auf dem Wege zur
Goldwährung wären, während wir heute bei den gegebenen
Verhältnissen lediglich von einer stabilisierten Papierwährung
sprechen können. Solange die Nationalbank, bezw. die Finanzverwaltung
nicht in der Lage ist, die Staatsnotenschuld wesentlich zu verringern,
wird das Nostro-Geschäft der Nationalbank für Eskompte-
und Lombard weniger frei sein. Diese Frage ist natürlich
von großer Bedeutung für die Wirtschaft und da hat
es mich ganz eigentümlich berührt, daß im Art.
XIV der Einführungsbestimmungen, bezw. im Motivenbericht
zum Übereinkommen ich folgendes gefunden habe: "Die
landwirtschaftliche Produktion als eine der wichtigsten Komponenten
des wirtschaftlichen Lebens erfordert diese Rücksichtnahme
und Aufklärung ihrer Verhältnisse zu den Geschäften
der èechoslovakischen Nationalbank."
Da gebe ich folgende Aufklärung: Es wurde
nämlich infolge des politischen Einflusses der Agrarier in
das Übereinkommen eine Bestimmung aufgenommen, daß
die Nationalbank verpflichtet ist, 10% des Lombardportefeuilles
für landwirtschaftliche Zwecke zu reservieren. Ich anerkenne
vollkommen die wirtschaftliche Position der Landwirtschaft und
die wirtschaftliche Notwendigkeit der Unterstützung durch
das eigene Noteninstitut. Aber auf der anderen Seite muß
ich genau dieselbe Forderung für die endere Wirtschaftskomponente
erheben, die sich durch Handel, Industrie und Gewerbe darstellt,
weil ich sonst einen einseitigen Standpunkt konstatieren müßte.
Ich sage: Ich begrüße das auf das allerwärmste,
muß aber für den anderen Wirtschaftsfaktor, für
Handel, Gewerbe und Industrie, unbedingt dasselbe fordern. Sie
werden sich erinnern, wenn Sie die Wirtschaftsgeschichte verfolgen,
welche Schwierigkeit man gerade den Kreisen der Industrie, des
Handels und Gewerbes bezüglich der Eskomptierung gemacht
hat, welche Schwierigkeiten man bezüglich der Unterschriften
gemacht hat, während man in diesem Falle - für die Landwirtschaft
- die Sache sehr leicht gestaltet. Die Sache ist aber noch anders.
Man hat mit einem 92tägigen Wechsellombard gerechnet, und
dann erst mit der Eskomptierung, das bedeutet also in der Regel
mit anderen Worten 184 Tage, und man hat gefordert, daß
für den Wechsellombard ein Zinsfuß gewährt werde,
der ein halbes bis ein Prozent unter dem üblichen Lombardsatz
liegt. Ich begrüße auch das, muß aber schon aus
wirtschaftlichen Gründen dasselbe für die andere Wirtschaftskomponente
verlangen, besonders aus dem Grunde, weil gerade diese Komponente
in unverhältnismäßig größerem Maßstabe
für die Einnahmen des Staates sorgt. Ich werde bei der Steuerreform
Anlaß nehmen, Sie über dieses Verhältnis aufzuklären.
Was nun die fremden Geschäfte anlangt,
von denen ich vorher sprach von den 752 Millionen, fallen sie
außerhalb des Rahmens der gesetzlichen Bestimmungen, die
sonst den Bankinstituten auferlegt sind, und aus diesem Grunde,
nachdem die Nationalbank doch auch ein privates Institut ist,
konnte sie diese Geschäfte nicht übernehmen, diese Geschäfte
mußten Eigengeschäfte der Finanzverwaltung bleiben,
bezw. die Nationalbank übernahm sie in ihre Verwaltung nur
als Kommissionär. Sie übernimmt dafür keine Haftung,
wenn daraus Verluste entstehen, sie hat der Staat zu tragen. Sie
bekommt lediglich eine Provision für die Besorgung dieser
Geschäfte, sonst gehen sie diese als Eigengeschäfte
nichts an.
Soweit möchte ich mich über das Verhältnis der Regierung zur Nationalbank geäußert haben. Bei dieser Gelegenheit kann ich mir nicht versagen, auch noch auf Folgendes kurz zu sprechen zu kommen. Wir sind in den vergangenen Jahren belehrt worden, daß man in nationaler Beziehung einen einseitigen Standpunkt eingenommen hat, und es ist ungemein unverständlich, daß man diesen Standpunkt auch auf ein Privatinstitut von solcher Bedeutung übertragen hat. Aus diesem Grunde ist es bedauerlich, daß sich bei der Generalversammlung vom 24. Feber l. J. derartige Szenen abspielen konnten, ich hätte sie nicht für möglich gehalten, wenn schon nicht aus inneren Gründen, so aus äußeren Prestigegründen dem Auslande gegenüber. Ebenso ist es bedauerlich, daß man bis zum heutigen Tage sich trotz der Bedeutung des deutschen Wirtschaftslebens nicht entschließen konnte, die Ausweise auch in deutscher Sprache erscheinen zu lassen, sondern sie französisch und englisch herausgab, und daß erst über Drängen die Zusage kam, daß man sie auch in deutscher Sprache herausgeben werde. Ich bin der Ansicht, bei dem ausgesprochenen Grundsatz "Gleiche mit Gleichen" müßte man endlich daran schreiten, den einseitigen Standpunkt zu verlassen und wirklich wirtschaftlich zu denken, Sie müßten zur Einsicht kommen, daß Sie mit dem einseitig nationalen Standpunkt die Wirtschaft nicht fördern, sondern rückwärts laufen lassen werden. In dieser Beziehung muß ich fordern, daß man auch auf deutscher Seite jene würdevolle Haltung beziehe, die auch dem Gegner den entsprechenden Respekt einzuflößen vermag. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany národní.)
.
Hohes Haus! Dank der gütigen Unterstützung
der Regierungspresse aller Zungen hat unser Mißtrauensantrag
den Gegenstand eingehendster politischer Erörterung gebildet,
die Öffentlichkeit nach langer Zeit wieder einmal ordentlich
aufgerüttelt und damit allein schon seinen Zweck erfüllt.
Da uns das Schicksal des Antrages keinen Augenblick zweifelhaft
sein konnte, wollten wir von vornherein nichts anderes, als die
Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Regierungsmehrheit plastisch
aufzeigen, ihre Skrupellosigkeit allen demokratischen Einrichtungen
dieses Staates gegenüber ans Tageslicht ziehen und den Widerstand
der Bevölkerung gegen ihre reaktionären Absichten mobilisieren.
Das ist tatsächlich in vollem Maße gelungen und gerne
nehmen wir dafür das Jubelgeschrei der Regierungspresse über
unser schmähliches Fiasko, über die fürchterliche
Blamage der Opposition, über das elende Komödienspiel,
gerne auch die persönlichen Anrempelungen in Kauf, die für
einen großen Teil der èechoslovakischen Journalistik
geradezu typisch, geradezu charakteristisch sind und deren geistige
Rekordleistungen man immer und immer wieder bewundernd anstaunt.
Gegen den Mißtrauensantrag wurde eine ganze Reihe von Einwänden
und Anwürfen erhoben. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.) Einigen
von diesen Anwürfen schloß sich auch der Herr Berichterstatter
an. Mit diesen wollen wir uns auseinandersetzen.
Der Herr Berichterstatter meinte in seinem
schriftlichen Bericht, in seinen Darlegungen im Initiativausschuß,
aber auch hier vor wenigen Augenblicken von dieser Tribüne
herab, daß unsere ganze Aktion nicht so sehr der Sorge um
die Unverletzlichkeit der Verfassung entsprungen sei, als vielmehr
politischen Erwägungen, und dem Herrn Berichterstatter sekundiert
nun die deutschbürgerliche Presse, indem sie auf die völlige
Aussichtslosigkeit und Wertlosigkeit des Antrages verweist und
seinen demonstrativen agitatorischen Charakter aufzuzeigen bemüht
ist. Dem gegenüber sei hier einfach festgestellt, daß
der politische Charakter unserer Kundgebung keinen Augenblick
zweifelhaft gewesen ist und nicht erst entlarvt werden mußte.
Er ergibt sich aus der Einbegleitung und aus der Begründung
unseres Antrages klar und deutlich und er liegt im ganzen Wesen
dieser Aktion, die auf ein politisches Votum abzielt und schon
darum politische Wirkungen auslösen muß. Es ergibt
sich aber auch die Aussichtslosigkeit der Aktion aus der gegenwärtigen
politisch-parlamentarischen Konstellation in diesem Lande. Doch
Aussichtslosigkeit in diesem Parlamente, das ist, so lange
die Regierungskoalition auf festeren Grundlagen stehen will, eigentlich
zu neun Zehnten das Schicksal aller oppositionellen Aktionen.
Auch die deutsch-bürgerlichen und die èechisch-bürgerlichen
Parteien haben in der Zeit, in der sie sich
oppositionell zu betätigen hatten, eine ganze Reihe von Aktionen
unternommen, die ebenfalls mit dem Stigma der Aussichtslosigkeit
belegt werden konnten, sie haben in Zentnermengen aussichtslose
Anträge produziert, Anträge, die in dem Augenblick,
in dem sie eingebracht waren, auch schon unmittelbar dem Tode
geweiht gewesen sind. Ich frage nur: War nicht etwa die im Dezember
1925 überreichte Ministeranklage, an deren Kopf die Namen
des Abg. Hlinka, des Ministers Dr Spina, des Vorsitzenden
des Klubs der deutschen Christlichsozialen Dr Luschka stolz
paradierten, gleichfalls zur Aussichtslosigkeit verurteilt, da
sie mangels eines Verantwortlichkeitsgesetzes nicht einmal in
Verhandlung gezogen, nicht einmal behandelt werden konnte, und
in dem Augenblicke, da sie eingebracht wurde, schon in den Papierkorb
wanderte? Wenn die Ministeranklage damals von den Parteien, die
sich heute zu Mentoren aufwerfen, überreicht wurde, fragen
wir: Woher nehmen diese Parteien die moralische Legitimation,
uns den demonstrativ-agitatorischen und demagogischen Charakter
unseres Antrages vorzuhalten?
Hohes Haus! Das Kurioseste ist, daß genau
dieselben Parteien, die heute über uns zu Gericht sitzen,
sich über unsere demagogischen Aktionen so sehr sittlich
entrüsten, noch vor Jahresfrist - es war im März 1926
- eine Ministeranklage gegen die jetzige Regierung überreicht
haben, daß zur Begründung dieser Ministeranklage die
beiden heute aktiven deutschen Minister höchst persönlich
ausgerückt sind, daß hiezu die deutsche christlichsoziale
Partei drei Redner, der deutsche Landbund zwei Redner, darunter
den Vizepräsidenten des Hauses Zierhut als
Minderheitsberichterstatter stellten und daß alle Redner
der heutigen deutsch - èechischen Koalition diese Aktion
mit einer Verve, mit einem solchen Ernst, mit
einer solchen Leidenschaft vertraten, daß sie sich dabei
nicht nur den schärfsten Tadel ihrer heutigen Ministerkollegen,
ihrer jetzigen Regierungskollegen zuzogen, sondern auch den Vorwurf
der "planá demonstrace", der uns jetzt
aus dem èechischen Blätterwalde entgegenrauscht. In
ihrer Betrachtung über unseren Mißtrauensantrag gibt
die christlich soziale "Deutsche Presse" ihrer Meinung
Ausdruck, daß ein Mißtrauensantrag nur nichtparlamentarischen
Regierungen gegenüber einen Sinn habe
und bei parlamentarischen Regierungen zu rein politischen Kundgebungen
und Demonstrationen ausarte. Demgegenüber sei darauf verwiesen,
daß der von den deutschbürgerlichen Parteien im Vorjahre
überreichte Mißtrauensantrag nicht gegen eine nichtparlamentarische
Regierung, sondern genau so wie heute gegen ein parlamentarisches
System gerichtet war. Es ist also die Argumentation der deutschen
Regierungspresse durchaus falsch und unzutreffend. Sie ist nur
auf die Spekulation mit der Uninformiertheit und Leichtgläubigkeit
der Anhängerschaft dieser Parteien aufgebaut. Übrigens
hat es mit der Aussichtlosigkeit von parlamentarischen Aktionen
sein eigenes Bewandtnis. Am 16. März vorigen Jahres wurde
nach dreitägiger Verhandlung der Mißtrauensantrag mit
155 Stimmen gegen 103 Stimmen abgelehnt, das Parlamentsprotokoll
registriert aus diesem Anlasse bei der Verlautbarung des Stimmenergebnisses
den Beifall in den Regierungsbänken; und 24 Stunden, nachdem
der Mißtrauensantrag mit 155 gegen 103 Stimmen abgelehnt
worden war, war die Regierung Švehla eine veritable
Leiche, und weitere 24 Stunden darauf war die Beamtenregierung
Èerný bereits konstituiert.
Ich will damit nicht etwa sagen, daß der Rücktritt
der Regierung durch den seinerzeitigen Mißtrauensantrag
herbeigeführt wurde. Dagegen muß ich den Regierungsparteien
in Erinnerung bringen, daß das Abstimmungsergebnis, daß
die Mathematik allein das Schicksal von Regierungen und Regierungssystemen
absolut nicht bestimmt, sondern auch andere Machtfaktoren und
Machteinflüsse, die viel stärker sind als verfassungsmäßige
Einflüsse und die durch die Erweckung des Gewissens der Öffentlichkeit,
durch die Mobilisierung der gesamten Öffentlichkeit in Bewegung
gesetzt werden.
Dafür ein kleiner Beweis aus der èechischen Geschichte.
Als die Jungèechen im alten Österreich am 5. Mai 1892
durch den damaligen Abgeordneten Tilscher eine Ministeranklage
überreichten und diese mit 238 Stimmen gegen 41 Stimmen abgelehnt
wurde, erhob sich, wie Kolmer in seinem
Werke über die österreichische parlamentarische Geschichte
berichtet, der damalige jungèechische Abgeordnete Herold
und rief triumphierend aus: "Wir haben vor zwei Jahren einen
Kampf gegen die Punktationen unternommen, als kleine Partei,
und man lächelte in ganz Österreich. Alle, welche die
Macht in Händen hatten, lächelten über die jungèechische
Bewegung, und wir können doch sagen, das ist kein Übermut,
daß wir in dieser Frage gesiegt haben. Wir haben jetzt wenigstens
den èechischen Ausgleich zum
Stillstand gebracht und was jetzt in dieser Richtung getan wurde,
geschieht ohne das böhmische Volk, das ist kein Ausgleich,
das ist Gewalt." Diese Episode und dieses Stimmenverhältnis
möchten wir den Spöttern und Göttern im èechischen
Regierungslager in diesem Augenblicke in Erinnerung
bringen.
Man tut im èechischen Regierungslager fürchterlich
entrüstet darüber, daß just wir, just unsere Partei
sich zu Verfechtern und Verteidigern der èechoslovakischen
Verfassung aufwirft. Auch in deutschen Regierungskreisen
findet man es befremdlich, daß deutsche Parteien für
die Unverletzlichkeit der Verfassung eine Lanze brechen. Schon
hat die "Deutsche Landpost" für diese Gruppe den
Spitznamen der "Verfassungstreuen" geprägt, und
die christlichsoziale "Deutsche Presse" ruft uns vorwurfsvoll
zu, daß sich eigentlich kein Deutscher zum Verteidiger der
Verfassung aufwerfen sollte, da man ihm in der Zukunft vorhalten
könnte, daß er selbst mit allen erdenklichen Mitteln
gekämpft hat, die Verfassung für immer und ewig für
unabänderlich und unverbesserlich zu erklären. Mit der
Logik dieser Darlegungen vermag ich mich nicht auseinanderzusetzen.
Daß jemand, der in einem bestimmten, ganz genau unschriebenen
Falle der Vergewaltigung der Verfassungsbestimmungen entgegentritt
sich mit dem Makel behaftet, die Verfassung für immer und
ewig unabänderlich und unverbesserlich zu erklären,
ist haarsträubend. Da ist jede Auseinandersetzung ausgeschlossen.
Doch wenn dem so wäre, hätten die
deutschen Regierungsparteien besser getan, ihre: Ratschläge
rechtzeitig und schon 1926 an die Adresse der führenden Männer
des deutschen Landbundes und der deutschen christlichsozialen
Partei zu richten, an die Adresse der Minister Spina und
Mayr-Harting, des Vizepräsidenten Zierhut und
des Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen Partei Dr Luschka,
die sämtlich in der vorjährigen Debatte als Redner aufmarschiert
sind und sich in leidenschaftlichster Weise zu Verfechtern und
Verteidigern der Verfassung aufgeworfen haben, die bei Begründung
ihres Antrages der Regierung nicht nur die Verletzung der in der
Verfassung niedergelegten Grundsätze über die Gleichberechtigung
aller Staatsbürger, sondern auch den Bruch des St. Germainer
Vertrages, auch die Mißachtung der internationalen Minderheitenschutzverträge,
sowie eine ganze Reihe von Verstößen gegen die Verfassung,
gegen das Sprachengesetz und gegen eine ganze Reihe anderer Gesetze
zum Vorwurf gemacht haben. Dabei wolle festgehalten werden, daß
die deutschen Regierungsparteien kurz vorher in der von Minister
Spina, dem damaligen Klubvorsitzenden, am 18. Dezember
abgegebenen staatsrechtlichen Erklärung neuerlich und feierlich
bekundet haben, daß die dieser Gruppe angeschlossenen Parteien
die Friedensverträge von St. Germain, Versailles und Trianon
als Rechtsquellen nicht anerkennen und niemals als solche anerkennen
werden. Es sollten also die deutschen Mehrheitsparteien und ihre
Presse mit ihren Anwürfen gegen die deutschen Oppositionsparteien
vorsichtiger zu Werke gehen.
Und nun, da wir gestellt wurden, ein
Wort zur èechoslovakischen Verfassung. Sie war für
uns niemals ein Heiligtum und ist es auch heute nicht, sie sollte
es aber für jene sein, die sie seinerzeit mitgeschaffen,
die sie mit dem Motto, mit der Präambel versehen haben, daß
sie im Geiste der Gesetze ebenso wie im Geiste
der modernen Grundsätze, welche in der Losung des Selbstbestimmungsrechtes
enthalten sind, die Verfassung durchführen werden, und weiters
heißt es dort, daß sie sich der Gesellschaft der Nationen
als gebildetes, als friedliebendes, als demokratisches, als fortschrittliches
Glied einreihen wollen. Sie, die diese Präambel mit beschlossen
haben, sollten es vor allem sein, die diese Verfassung betreuen
und behüten und gegen jeden Einbruch und Durchbruch verteidigen.
Wir aber wurden, als die Verfassung gemacht wurde, nicht gefragt
und nicht gehört, wir haben sie nicht mitberaten, wir haben
sie nicht mit entschieden, wir tragen für sie keinerlei wie
immer geartete Verantwortung. Für uns sind überhaupt
Verfassungen bürgerlich kapitalistischer Staaten kein Gegenstand
besonderer Anbetung. Was Verfassung und Verfassungsfragen sind,
hat Ferdinand Lassale in einer seiner berühmten Reden klar,
deutlich, packend in einer für jeden Sozialisten jeden Zweifel
ausschließenden Weise gesagt: "Verfassungsfragen sind
ursprünglich nicht Rechtsfragen, sondern Machtfragen, die
wirkliche Verfassung des Landes existiert nur in den realen Machtverhältnissen,
die im Lande bestehen. Geschriebene Verfassungen sind nur dann
von Wert und Dauer, wenn sie der Ausdruck der wirklichen in der
Gesellschaft bestehenden Machtverhältnisse sind." Hohes
Haus, ebenso wenig wie dasjenige Recht ist, was in den Rechts-
und Gesetzesbüchern steht, ebenso wenig ist auch das jenige
eine wirkliche Verfassung, was man in die diversen Verfassungsurkunden
und Verfassungsformeln hineingezwängt hat. Es gibt im Staate
ganz andere Machtfaktoren, ganz andere Machteinflüsse, die
machtvoller als die verfassungsmäßigen sind. Die Macht
des Kapitalismus ist nirgends verfassungsmäßig niedergelegt
und sie ist doch größer als die aller verfassungsmäßigen
Machtfaktoren, geradezu typisch in unserem Lande. Wir haben uns
daher auch bezüglich des Wertes der Verfassung niemals irgend
einer Illusion hingegeben. Die verfassungsmäßigen Garantien
des allgemeinen Wahlrechtes hatten in diesem Lande nur so lange
Bestand und blieben nur solange unberührt, als den an der
Macht befindlichen kapitalistischen Klassen des Wahlrecht nicht
im Wege stand. Sowie sie aber die Unzulänglichkeit des Wahlrechtes
für ihre Machtausübung erkannt hatten, wurde
das Wahlrecht sofort durch die Wahlnovelle verfälscht, welche
den Raub von hunderttausenden Wählerstimmen nach sich zog
und die Annektierung dieser hunderttausende von Wählerstimmen
durch die èechischen Machtklassen ermöglichte.
Aus demselben Gesichtswinkel heraus ist auch
der Raub des Soldatenwahlrechtes zu beurteilen. Auch hier haben
nicht Verfassungsfragen, sondern Machtfaktoren die Entscheidung
herbeigeführt. Trotz alledem fällt es uns nicht im Traume
ein, die Verfassung, deren ganze Strenge wir gegen uns auswirken
lassen müssen, einfach der Willkür der herrschenden
Klassen zu überantworten und uns ihrer im Kampfe des Proletariats
um die Macht in diesem Staate nicht zu bedienen. Gerade in diesem
Fall wollen wir, können wir dies mit ganz besonderem Nutzen
tun, gerade hier können wir just an der Hand der Verfassung
der Arbeiterklasse und allen arbeitenden Menschen in diesem Lande
aufzeigen, wie die kapitalistischen Parteien aller Nationen vor
keinem Mittel zurückschrecken, wenn es gilt, ihre Machtposition
in dem Augenblick noch fester zu verankern, in welchem sie ihre
Herrschaft bedroht fühlen. Darum ist auch der Bruch der von
ihnen vor wenigen Jahren beschlossenen Verfassung für die
Durchsetzung ihres Machtwillens auch nicht das leiseste Hindernis.
Die christlichsoziale "Deutsche Presse"
meint, daß wir und die Kommunisten die Verteidigung der
Verfassung nur vorheucheln und das Soldatenwahlrecht eingentlich
nur im Interesse der Weltrevolution und nur aus Diktaturrücksichten
fordern. Die deutsche christlichsoziale Partei vergißt dabei
nur die Kleinigkeit, daß den sozialistischen Soldaten im
Augenblick der Weltrevolution sicherlich eine für die deutsche
christlichsoziale Partei viel wichtigere und unangenehmere Funktion
zufallen wird, als die bloße Ausübung des Wahlrechtes.
Und nun zum Soldatenwahlrecht selbst. Wir sind
von der ersten Stunde an für die Erteilung des Wahlrechtes
an die Militärpersonen eingetreten. Die Soldaten bringen
dem Staat durch die Erfüllung ihrer Dienstpflicht ein ungeheueres
Opfer, die Erteilung des Wahlrechtes, die Gewährung des Kontrollrechtes,
die Einräumung des Mitbestimmungsrechtes muß da als
ein selbstverständliches Äquivalent erachtet werden.
Die Zeit des Kadavergehorsams des Soldatenstandes ist doch hoffentlich
vorbei, die Zeiten, da die Heere nichts anderes als willenlose
Werkzeuge der herrschenden Klassen gewesen sind, gehören
wohl hoffentlich schon der Vergangenheit an. Aus den Soldaten
durch Entziehung des Wahlrechts Staatsbürger zweiten Grades,
zweiter Klasse zu machen, würde einen schweren Rückfall
in die militaristische Vorkriegsära bedeuten, und darum sind
wir immer für das Soldatenwahlrecht eingetreten und setzen
uns gegen den Raub des Soldatenwahlrechtes mit aller Entschiedenheit
zur Wehr. Die Behauptung des Motivenberichtes, daß in die
Armee dadurch politische Kämpfe getragen und die Disziplin
erschüttert wurde, ist durch keinerlei wie immer geartete
Tatsachen erwiesen, ebenso wenig erscheint uns die Darlegung des
Ausschußberichtes belegt, daß das Militär trotz
der ergangenen Verbote der Beteiligung an Versammlungen und Meetings,
trotz Verbots der Beteiligung an Kundgebungen, Umzügen und
Demonstrationen, trotz Verbots der Tragung von politischen Abzeichen
massenhaft diese Maßnahmen übertreten hat, daß
das Militär der stürmischesten Parteienagitation ausgesetzt
wurde. Aus der Tatsache allein, daß die Soldaten kommunistisch
oder sozialistisch gewählt haben, den Schluß ziehen
zu wollen, daß sie das Wahlrecht lediglich als eine Gelegenheit
zu Kundgebungen und Protesten gegen den schweren militärischen
Dienst benützen, erscheint uns geradezu horribel. Im übrigen
wird sich die Geneigtheit der Soldaten zu Protesten gegen das
militärische System auch durch die Entziehung des Soldatenwahlrechtes
kaum mindern, vielmehr wird gerade durch diese Maßnahmen,
wie die Erfahrung gelehrt hat, die gegenteilige Wirkung erzielt
werden und werden erst gerade durch die staatsbürgerliche
Entrechnung der Soldaten zum Protest gegen diese Ma ßnahmen
recht viele neue Sozialisten gezüchtet werden. Wenn der
Herr Vizepräsident Zierhut in seiner namens der deutschen
Regierungsparteien abgegebenen Erklärung meinte, daß
die Entziehung des Soldatenwahlrechtes den Anforderungen, die
an ein unpolitisches, seiner Aufgaben bewußtes Heer
gestellt werden, entspricht, so steht diese Erklärung mit
der ganzen Vergangenheit, wenigstens der èechoslovakischen
Vergangenheit der Herren aus dem Landbündlerlager im Widerspruch.
Aber diese Erklärung zeigt uns auch, wie rasch sich die Herren
zum èechoslovakischen Kommisstandpunkt
umgruppiert haben, und wenn ihre Umorientierung auch weiter in
so rapidem Tempo um sich geht, werden wir uns in Zukunft schöne
Sachen von ihnen zu versehen haben. Das unerhörteste dabei
ist, daß die deutschen Regierungsparteien
bemüht sind, ihrem reaktionären Standpunkt ein neues
Mäntelchen umzuhängen und daß sie, um dies mit
umso größerer Wirkung tun zu können, sogar den
Spieß umdrehen und sich zu Anklägern gegen jene deutschen
Parteien aufwerfen, die den Raub des Soldatenwahlrechtes
bekämpft haben. Sie selbst geben in unbewachten Augenblicken
zu, daß es bei der Entziehung des Soldatenwahlrechtes den
èechischen Mehrheitsparteien vor allem darum zu tun war,
daß ein möglichst èechisch eingestelltes Heer
gesichert werde. Wörtlich schreibt
die deutsche christlichsoziale "Deutsche Presse": "Wenn
heute das sudetendeutsche Volk den Fall des Soldatenwahlrechtes
begrüßt, wenn jeder vernünftige Èeche aus
anderen Gründen dafür stimmt, so ist dies ein erfreuliches
Zeichen einer fortschreitenden gesunden
Entwicklung." Deutsche und Èechen stürzen sich
auf das Soldatenwahlrecht und bringen es jeder aus einem ganz
anderen Grunde zu Fall, und das soll ein Zeichen einer erfreulich
fortschreitenden Entwicklung sein. In Wirklichkeit aber wurde
das Soldatenwahlrecht von den deutschen und èechischen
bürgerlichen Parteien aus denselben Gründen, u. zw.
ausschließlich aus reaktionären Gründen mit vollster
Einmütigkeit beseitigt. Nun bringen die deutschbürgerlichen
Parteien den traurigen Mut auf, diese
reaktionäre Maßnahme als großen Triumph und großen
Erfolg des Deutschtums im selben Augenblicke anzupreisen, in dem
auch die nationalistische èechische Bourgeoisie wegen dieses
ungeheueren nationalen Erfolgs des Èechentums tüchtig
auftrumpft. Wahrlich, noch nie wurde mit der
Leichtgläubigkeit, mit der Lammsgeduld der Bevölkerung
ein so frivoles Spiel getrieben!