Hohes Haus! Ich beziehe bei der Besprechung
des vorliegenden Berichtes des sozialpolitischen und Budgetausschusses
über das Gesetz nach Schaffung einer Einnahmegrenze für
Kriegsbeschädigte keine andere Stellung als die, welche ich
jeweils hier in dieser Hinsicht namens meiner Partei eingenommen
habe, wenn es die Besprechung von Lebensfragen der Kriegsbeschädigten
galt. Die Stellung ist die: Wir erklären die Fürsorgetätigkeit
des Staates gegenüber den Kriegsbeschädigten als eine
ungenügende und sagen weiter, daß sich in keinem Falle
die Gegensätzlichkeit zwischen den Versicherungen des Wohlwollens
gegenüber den sozial schwachen und hilfs. bedürftigen
Menschen und der tatsächlichen Hilfeleistung diesen Menschen
gegenüber so aufzeigt, wie gerade in diesem besonderen Fall.
Das ganze Jahr machten wir darauf aufmerksam und wir verstärken
unsere diesbezüglichen Meinungen in einer Zeit meine Herren,
in der trotz aller gegenteiligen Versicherungen, die wir auch
heute wieder vernommen haben, es dennoch gewagt werden soll, an
dem schlechten status quo in der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
zu rütteln. Das geschieht zwar durch die Behandlung der vorliegenden
Gesetzesvorlage noch nicht, dieselbe beläßt für
das Jahr 1927 noch den bis Ende 1926 geltenden Zustand, aber das
gilt eben nur für dieses Detail in der Kriegsbeschädigtenfürsorge.
Was des weitern an Absichten besteht, entnehmen wir nicht so sehr
den beruhigenden Ausführungen etwa der Herren von der Regierungsseite,
als vielmehr den uns doch ziemlich bedeutsam erscheinenden Äußerungen
des Chefs der Finanzverwaltung. Bei den Verhandlungen über
den Staatsvoranschlag hat der Herr Finanzminister ganz offen von
einer notwendigen Revision der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
gesprochen, eine Revision, die wenn sie der Chef der Finanzverwaltung
dieses Staates aufzeigt, doch etwa nur in dem Sinn einer verschlechternden
Tätigkeit gegenüber der bestehenden Gesetzgebung gemeint
sein kann, die immer versucht wird, für die Finanzverwaltung
etwas zu korrigieren, bei derartigen Dingen, die die Sorge aller
sozialeinsichtigen Menschen darstellt. Alles in allem: Hier scheint
der erste Prüfstein für die derzeitige Koalition gelegen
zu sein. Hierauf sind wir alle jene Menschen aufmerksam zu machen
verpflichtet, die mit uns bessern Willens sein wollen, als des
Willens. der sich anschickt - welche Ironie liegt in diesen Worten!
- sich gegen die bisher gepflogene Politik der sozialen Experimente
in Bewegung zu setzen. Durch eine planmäßigere Agenz
gegenüber den Absichten der Staatsverwaltung - und sie sind
vorhanden gewesen, das stellen wir hier fest - ist es noch einmal
möglich gewesen, diese Absichten auf eine Zeitlang hinauszuschieben,
zumindest ihre augenblickliche Verwirklichung zu verhindern. Es
besteht aber für uns darüber kein Zweifel, daß
es der größten Einflußnahme aller sozialeinsichtigen
Kreise dieses Hauses bedürfen wird, um zum Gegenteil des
beabsichtigten zu kommen, nicht zu einer Verschlechterung der
Kriegsbeschädigtenfürsorge, sondern zu einer Verbesserung
dieser Gesetzgebung in der Richtung. die wir schon im Verlaufe
dieses Jahres und zwar im Sommer durch unsere Initiativanträge
auch gezeigt haben. Meine Herren, dorthin zu gelangen, wohin uns
gebietet nicht nur unsere soziale Erkenntnis und die aus
dieser sozialen Erkenntnis konsequent springende Tat, sondern
dorthin zu gelangen - und diesen Appell richten wir an die Regierungsparteien
wohin die Erhaltung des bißchen Prestiges des Staates noch
zu gelangen gebietet, das muß unser Streben sein. Der èechoslovakische
Staat bleibt gerade bei seiner Kriegsbeschädigtengesetzgebung
nicht unbeobachtet. Diese Gesetzgebung wird auf dem Boden eines
internationalen Forums verglichen mit der Gesetzgebung gleicher
Art anderer Staaten und dabei stellen wir fest, daß
nichts so sehr das Ansehen des èechoslovakischen Staates
verletzen kann als diese vergleichende Kritik der Gesetzgebung
für die Kriegsopfer etwa in der Èechoslovakei und
die in anderen Staaten. Der Beweis für diese Behauptung fällt
uns nicht schwer, wir erbringen ihn nicht zuletzt
aus dem Meritum des heutigen Gesetzes heraus. Diese Gesetzesvorlage
bestimmt neuerdings, daß die Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte
5.000 bei wirtschaftlich selbständigen und 10.000 bei wirtschaftlich
nicht selbständig tätigen Kriegsverletzten festgelegt
wird. Es handelt sich dabei um eine Verlängerung des bis
zum Ende des heurigen Jahres geltenden gesetzlichen Zustandes,
der als er seinerzeit durch die Novelle vom 10. April 1924, Nr.
79, Gesetz wurde, schon damals unserer scharfen Kritik begegnete.
Wir standen damals auf dem Standpunkt und stehen auf diesem Standpunkt
heute noch, daß es eine Einkommensgrenze, an welche der
Bezug einer Rente gebunden ist, überhaupt nicht geben darf.
Grundsätzlich meinen wir das. Das Opfer, das der Kriegsbeschädigte
gebracht hat, ist ein solches, daß es überhaupt nicht
gewertet werden kann etwa durch Bewilligung einer Rente. Es wäre
das geradezu eine Sünde wider allen guten Geist, wollten
wir ein Honorar überhaupt als Äquivalent für das
gebrachte Opfer betrachten. Es kann die Höhe einer Rente,
die man zugesteht, aber doch unserer Meinung nach bis zu einem
gewissen Grad ein Zeugnis dafür sein, wie sehr man befähigt
ist, ein solches Opfer an Blut und Gesundheit, welches für
die gesamte Gesellschaft gebracht worden ist, einzuschätzen.
Der Bezug dieser Rente darf unserer Meinung nach nichts anderes
darstellen als ein unverletzliches Recht jedes Kriegsverletzten.
Es dürfte unserer Meinung nach höchstens
einen freiwilligen Verzicht auf dieses den Kriegsverletzten
zustehende Recht geben, niemals aber ein Gesetz, daß diese
Rentenbezüge nur bis zu der Grenze, eines Einkommens zugesteht,
über das hinaus die Kriegsverletzten dann der Rente verlustig
geben. Das geschieht nur bei uns in der Èechoslovakei und
sonst nirgends anders. Hiemit schafft
sich die Èechoslovakei in der ganzen internationalen Kriegsbeschädigtenfürsorge
eine Sonderstellung. Sie ist der einzige Staat, der eine Einkommensgrenze
festsetzt, an welche der Bezug der Rente gebunden ist, und in
derart konsequenter Form gesetzlich festlegt,
wie es in dem vorliegenden Gesetzentwurf wieder geschehen soll.
Kein Staat, sagte ich, hat eine solche Regelung geschaffen. Überall
ist der von uns empfohlene Grundsatz beachtet, daß die Rente
dem gebührt, der das Opfer gebracht hat und nicht gebunden
ist etwa an ein Einkommen, daß sich der Kriegsverletzte,
zurückgekehrt in sein ziviles Leben, irgendwie erarbeitet
hat. (Posl. Patzel: Hier wird daraus ein Rechenexempel gemacht!)
Jawohl.
Deutschland hat zwar in einer gewissen Form
eine Einkommensgrenze, doch ist sie weit höher gehalten und
so organisiert, daß bei Erreichung eines festgesetzten Einkommens
nicht die ganze Rente in Wegfall kommt, sondern lediglich eine
Abstufung der Rente eintritt. Ein Schulbeispiel: Ortszulage und
Ausgleichzulage wird unbeschadet jedweder Höhe des persönlichen
Einkommens des Kriegsbeschädigten zur Auszahlung gebracht.
Zu diesem Standpunkte sollten sich unserer Meinung nach - und
wir haben das ja auch schon bei der verschiedentlichen Behandlung
von Kriegsbeschädigtengesetzen der Regierung empfohlen -
auch unsere Regierung endlich durchringen können.
Es muß wiederholt darauf aufmerksam gemacht
werden, daß nichts das Ansehen des Staates im Auslande derartig
in der letzten Zeit herabgedrückt hat als gerade die Differenziertheit
unserer Kriegsbeschädigtengesetzgebung gegenüber anderen
Staaten. (Posl. Patzel: Dafür macht Dr Beneš in Genf
schöne Worte!) Jawohl.
Die Tendenz des vorliegendes Gesetzes ist doch
selbst für den Laien unverkennbar die, ein für die Staatskassa
geltendes Experiment einzurichten, dessen Rentabilität der
Kriegsverletzte zu tragen hat. Meine sehr Verehrten! Wie sehr
die ganze Sache, die im Gesetze festgelegt wird, für den
Kriegsbeschädigten und dessen Leben sich noch verdichtet,
erhellt im besonderen aus den Beobachtungen der Hilfsbereitschaft
der Organe der Staatsverwaltung insbesondere bei Einschätzung
des Einkommens des Kriegsverletzten.
Wir warnen neuerdings vor der unveränderten
Annahme der Vorlage und weisen wieder wie auch das letztemal bei
der Besprechung des ähnlichen Gesetzes in diesem Hause auf
unsere Abänderungsanträge hin, die gewiß nicht
aus einer demagogischen Gesinnung heraus dem Hause vorgelegt werden,
sondern die den Grundsatz der realen Verwirklichung durchaus nicht
außer Acht lassen. Vor kurzem haben sich hinter die gleichen
Anträge mit dem Brustton ihrer Überzeugung andere Herren
des Hauses gestellt als wir, die sich heute als Anwälte der
Regierungspolitik aufzutackeln bemüßigt sehen, wie
sich das insbesondere bei dem vorliegenden Gesetz dokumentiert.
Herr Koll. Zajicek hat als Sprecher
der Regierungsmehrheit im Ausschuß bei der Beratung des
vorliegenden Gesetzes und auch heute wieder bei der Stellungsnahme
zu dem Gesetz im Hause selbst auf eine Aussprache mit dem Minister
für soziale Fürsorge hingewiesen, die er in ihrem Effekt
als genügend stark wertet, seiner Meinung nach hiefür
betrachtet zu werden, daß die gesamte Kriegsbeschädigtengesetzgebung
in der nächsten Zeit schon einer grundlegenden Novellisierung
zugeführt werde. Das Versorgungsgesetz vom Jahre 1920, das
ja schon einmal durch die Novelle vom 25. Januar 1922 novelliert
wurde, soll einer neuen Novellierung zugeführt werden. die
angeblich mehr befriedigen werde, als das, was heute in Bezug
auf die Behandlung des vorliegenden Gesetzes an bescheidenen Wünschen
der Kriegsverletzten sich bemerkbar machte. Die Auflassung der
Bestimmung über eine Einkommensgrenze, an welche der Bezug
einer Rente für den Kriegsbeschädigten gebunden ist
oder der Wunsch nach einer entsprechenden Erhöhung dieser
Rente oder der Wegfall der Bestimmung bezüglich der Differenzierung
der selbständig Erwerbstätigen und der unselbständig
Erwerbstätigen soll diese Novelle bringen. Diese Novelle,
so sprach Koll. Zajicek im Ausschuß und so hat er
auch heute gesprochen, brauche nur Zeit zur Durchberatung und
Durcharbeitung, um dann in einer Form der gesetzgebenden Körperschaft
vorgelegt werden zu können, die nicht mehr einer abfälligen
Kritik bedarf.
Es muß uns erlaubt sein an der Verwirklichung
dieser Versprechungen auch des Herrn Ministers für soziale
Fürsorge doch einigermaßen zu zweifeln, nicht zuletzt
aus dem Umstande heraus, als das Gesetz über die Bestimmung
einer Einkommensgrenze ja durch die heutige Annahme den Zustand
wiederum ein ganzes Jahr lang schaffen soll, gegen welchen wir
im besonderen durch die eingebrachten, auf eine Novellierung der
ganzen Kriegsbeschädigtenfürsorge hinzielenden Initiativanträge
des Sommers hingewirkt haben. Notwendig allerdings wäre die
grundlegende Änderung unserer ganzen Kriegsbeschädigtengesetzgebung.
Ich sagte es schon, daß die èechoslovakische Kriegsbeschädigtengesetzgebung
nicht einzig und allein in den Details über die Bestimmung
einer Einkommensgrenze und in Bezug auf den Rentenbezug sich unvorteilhaft
von der anderer Staaten unterscheidet, sondern ich sagte auch,
daß der ganze Komplex der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
sich von der gleichen Gesetzesmaterie anderer Staaten in unvorteilhafter
Weise unterscheidet. Diese Gesetzgebung des èechoslovakischen
Staates ist im Kerne schlechter als irgendwo. Die Rentensätze
der Èechoslovakei finden sich in diesem niedrigen Ausmaße
in keinem anderen Staate.
Es beziehen nach den heute geltenden Bestimmungen
z. B. Invaliden von 20 bis 24% Erwerbsunfähigkeit,
täglich ganze 98 Heller, solche von 25 bis 35% 1,47 Kè,
solche von 35 bis 44% Erwerbsunfähigkeit 1,97 Kè und
das steigt, bis etwa die schwersten Invaliden, die eine Invalidität
bezw. Erwerbsunfähigkeit von 85 bis 100% aufzuweisen haben,
in der Lage sind, ganze 6,54 Kè
im Tage zu beziehen. In derselben Art und Weise lächerlich
gering sind die Bezüge der Witwen, die bekanntlich ohne Kinder
und unter 30% Erwerbsunfähigkeit keine Renten beziehen. Erst
dann, wenn sie für ein Kind zu sorgen haben oder wenigstens
30% Erwerbsunfähigikeit sind, bekommen sie 1,46 Kè
pro Tag, oder wenn sie zwei Kinder unter 16 Jahren zu versorgen
haben oder wenigstens 50% erwerbsunfähig sind 2,46 Kè
pro Tag. Die Sätze, die nach der geltenden Kriegsbeschädigtengesetzgebung
für Halbwaisen, Vollwaisen und Vorfahren
gelten, sind ebenso lächerlich gering als die von mir eben
bekanntgegebenen Rentensätze für Invaliden und Witwen.
Wie sehr wir uns in dieser Beziehung, meine Herren, von anderen
Staaten, selbst auch von jenen Staaten unterscheiden, welche durchaus
nicht die Vorteile eines Siegerstaates genießen, sondern
auch von den besiegten Staaten, davon spricht die Zusammenstellung
der Bezüge der Renten der Kriegsinvaliden in den verschiedenen
Staaten, welche durch das Fachsekretariat der internationalen
Arbeitsgemeinschaft der Kriegsinvaliden vor kurzer Zeit herausgegeben
wurde.
Ich werde es mir ersparen alle diese Sätze,
wie sie in den einzelnen Staaten Europas gelten, dem Hause vorzutragen,
aber ich möchte sie an einem besonderen Beispiel mir
vorzutragen gestatten, um den Gegensatz der Versorgung der Kriegsverletzten
in Deutschland und Österreich, also zweier aus dem Kriege
als besiegt geltenden Staaten und der Èechoslovakei aufzuzeigen.
Da heißt es z. B. die Kriegsblindenzulage in Deutschland
beträgt 611 Rentenmark, in Österreich 1627 Goldkronen,
während sie in der Èechoslovakei ganze 346,80 Goldkronen
beträgt. Oder zum Beispiel der Satz, der für 100%ige
Invalide gilt. Der 100%ige ledige Invalide bezieht in Deutschland
1032 Rentenmark, in Österreich
986 Goldkronen, in der Èechoslovakei hingegen nur 520 Goldkronen.
Oder um ein weiteres Beispiel zu gebrauchen: ein 50%iger lediger
Invalider bezieht in Deutschland 360 Rentenmark, in Österreich
49 Goldkronen, in der Èechoslovakei. einen Rentensatz,
der wiederum in keinem Verhältnis steht. Oder aber nehmen
wir z. B. den Fall einer erwerbsunfäligen Witwe ohne Kinderzulage.
Dieselbe bezieht in Deutschland 242 Rentenmark, in der Èechoslovakei
130 Goldkronen, oder ein Elternpaar, das z. B. in Deutschland
465 Rentenmark bezieht, erhält in der Èechoslovakei
nur 115 Goldkronen. Ich glaube, durch diese wenigen Zahlen, die
ich hier genannt habe, genau illustriert zu haben, wie großzügig
etwa kriegsbesiegte Staaten, wie Deutschland und Deutsch-Österreich,
im Vergleich zur Kriegsbeschädigten-Gesetzgebung in unserem
Staate, in der Èechoslovakei. vorgehen. Wir haben bei den
verschiedensten Anlässen, die sich ergeben, für die
Kriegsverletzten das Wort zu sprechen, an das Haus Appelle gerichtet.
die Kriegsbeschädigtenfürsorge
endlich nun einmal in Bahnen zu lenken, die auch der Kritik des
Auslandes Stand halten, auch daß die Beurteilung der Gesetzgebung
der Èechoslovakischen Republik aufhört, wie es etwa
durch das internationale Forum geschehen ist, das die Kriegsbeschädigtenorganisationen
einer Kritik unterzog, die nicht übergangen werden kann,
eine Kritik, die sehr viel für den Staat und sein verletztes
Aussehen im Auslande bedeutet, wenn sie Folgendes besagt: Die
Konferenz (nämlich der Kriegsbeschädigten) stellt
neuerlich fest, daß die Gesetzgebung der Èechoslovakei,
die dazu bestimmt ist, den verschiedenen Kategorien der Kriegsopfer
die für sie unentbehrliche Unterstützung sicherzustellen,
keine Verbesserung erfahren hat, obgleich die Konferenz des Jahres
1925 ausdrücklich auf die unzureichenden
Beträge der in der Èechoslovakei gewährten Entschädigungen
hingewiesen hat. Die Konferenz macht die Regierung der Èechoslovakei
auf die schwierige Lage aufmerksam, in der sich diejenigen ihrer
Staatsangehörigen, ganz gleich, ob sie
aus dem Offiziers- oder Mannschaftsstande hervorgingen, befinden,
die durch den Krieg ihrer Erwerbsfähigkeit oder ihres Unterhaltes
beraubt worden sind. Die Konferenz zweifelt nicht, daß die
Regierung der Republik bereit ist, so schnell wie möglich
die Bedingungen für die Entschädigung der Kriegsopfer
mit den von ihr angenommenen allgemeinen Grundsätzen in Einklang
zu bringen. Die Konferenz wendet sich außerdem an die öffentliche
Meinung in der Èechoslovakischen Republik und ersucht sie,
den Grundsätzen der Menschlichkeit,
die eine schnelle und wesentliche Hebung der Lage der Kriegsopfer
befürworten, zur Durchführung zu verhelfen. Dieser Appell
gelangt vom Auslande an die verantwortlichen Faktoren des èechoslovakischen
Staates.
Wir möchten von dieser Stelle aus in gleicher
Stärke einen Appell an die verantwortliche Führung des
Staates richten, mit der Novellierung der Kriegsbeschädigtenfürsorge,
so wie wir sie richtunggebend ausgewiesen haben in unseren eingebrachten
Initiativanträgen, nicht mehr zuzuwarten, sondern in der
schleunigsten Weise zu erledigen, in der ehesten Zeit einer tatsächlichen
Verwirklichung zuzuführen. In diesem Sinne stellen wir uns
natürlich auch gegen das heutige Gesetz ablehnend. Wir werden
für unsere Abänderungsanträge, nicht aber für
das Gesetz stimmen. (Potlesk poslancù nìm.
nár. socialistické strany dìlnické.)
Hohes Haus! Durch Beschluß der gesetzgebenden
Körperschaft wurde im Jahre 1922 das Wohnungsbeschlagnahmerecht
der Gemeinden praktisch außer Wirksamkeit gesetzt. Nachdem
aber die Regierung für ihre Bedürfnisse ein Wohnungsbeschlagnahmegesetz
benötigte, wurde ein solches geschaffen und zwar zu dem Zwecke,
um in der Hauptsache deutsche Staatsbedienstete in èechische
Gebiete und umgekehrt ungehindert versetzen zu können. Bei
der Novellierung des Gesetzes im Jahre 1923 wurde der sogenannte
Èechisierungsparagraph eingefügt. Das Gesetz ist nun
in allen folgenden Jahren immer wieder verlängert worden,
so auch diesmal. Es hat den Anschein, als ob
die Regierung an diesem befristeten Gesetz soviel Gefallen gefunden
hat, daß sie es nie außer Wirksamkeit setzen wird.
Wie sich nun praktisch diese besondere Wohnungsfürsorgemaßnahme
der staatlichen Behörden auslebt, was die Bevölkerung
davon verspürt, das will ich mich bemühen, an einem
Beispiel aufzuzeigen: In der Gemeinde Bergreichenstein wurde vor
zwei Jahren die staatliche Holzbearbeitungsfachschule aufgelassen.
Das der Stadt gehörende Gebäude wurde nun von der Stadtgemeinde
dazu benützt, das Schülerinternat des Realgymnasiums
in diese Anstalt zu verlegen und in dem Internat durch Umbauten
die Möglichkeit für eine größere Anzahl von
Kleinwohnungen zu schaffen. Außerdem wurde in dem freigewordenen
Gebäude eine Waisenpflege, eine Mutterberatungsstelle und
eine Jugendfürsorgeschutzstelle eingerichtet. In Bergreichenstein
herrscht fürchterliche Wohnungsnot wie überall, die
Wohnungsverhältnisse sind die denkbar traurigsten, die Menschen
wohnen dort in elenden Löchern zusammengepfercht, kurz und
gut, es ist Wohnungsnot wie leider überall. Eines Tages erhält
nun die Gemeinde Bergreichenstein von der politischen Bezirksverwaltung
in Schüttenhofen die Mitteilung, daß die politische
Behörde über Auftrag des Budweiser Divisionskommandos
die adaptierten Räume vollständig zum Zwecke militärischer
Einquartierung zu beschlagnahmen. Irgendeine gesetzliche Begründung
der Gemeinde zu übermitteln, hat man nicht für notwendig
erachtet, sondern hat einfach 250 Soldaten mit Sack und Pack geschickt,
sie haben die Jugendfürsorge, sie haben die Waisenpflege,
sie haben die Mutterschutzberatungsstelle einfach aufs Pflaster
gesetzt. Ihre Räumlichkeiten wurden ebenso wie die für
Kleinwohnungen gedachten Räume als militärische Ubikationen
beschlagnahmt. Nun wird seit Wochen ein Kampf darum geführt,
die militärische Einquartierung, die die Räume auf Grund
dieser famosen gesetzlichen Bestimmungen beschlagnahmt hat, wieder
hinauszubringen. Vor kurzem gab es in Bergreichenstein einen großen
Brand, es wurden einige Familien obdachlos, und trotzdem im Internatsgebäude
heute 15 Kleinwohnungen vorhanden wären, sind die Abbrändler
nicht imstande, Wohnung zu finden. Zwei Familien der Abbrändler
sind heute noch in einer Scheune untergebracht, eine Familie muß
in einer unbrauchbar gewordenen Schmiede hausen, aber in dem großen
Gebäude, wo 15 Wohnungen zur Verfügung stehen, ist Militär
einquartiert, und dieses Militär will nicht hinaus. Anfangs
hieß es, infolge der überzählig Eingerückten
habe die Beschlagnahme stattgefunden, jetzt will man einen Skikurs
veranstalten, und wenn diese Zeit vorüber sein wird, wird
man etwas anderes erfinden, um die militärische Einquartierung
weiter zu belassen. Dieses eine Beispiel zeigt deutlich und klar,
welche Erscheinungen dieses Gesetz gezeitigt hat, welches dem
Staat, der Regierung, den Behörden, insbesondere aber den
Militärbehörden solche Rechte einräumt. Aber es
soll nicht nur meine Aufgabe sein, an diesem Beispiel aufzuzeigen,
wie dieses Beschlagnahmegesetz wirkt, ich will auch mit einigen
Worten etwas über Bauförderung, Wohnungsfragen und Mieterschutz
sagen.
Es herrscht Wohnungselend, Wohnungsnot ist
überall, die Menschen müssen in elenden Löchern
hausen. Angesichts dieser traurigen Zustände müssen
wir uns fragen: Was ist mit dem neuen Bauförderungsgesetz?
Seit April 1925 ist das alte Gesetz außer Wirksamkeit getreten.
Gestatten Sie mir einige Betrachtungen darüber, was das alte
Gesetz geleistet hat. Die Bauförderungsgesetzgebung, die
von 1921 bis zum Mai 1926 zumindest in formeller Beziehung geführt
wurde, hat folgendes Ergebnis gezeitigt: Die Genossenschaften
haben innerhalb dieser Zeit 1263 Miethäuser mit 16.951 Wohnungen
gebaut, die Gemeinden 1362 Miethäuser mit 11.843 Wohnungen,
Private haben 1153 Miethäuser mit 7873 Wohnungen gebaut,
insgesamt also wurden 3778 Miethäuser mit 36.667 Wohnungen
gebaut. An sogenannten Familienhäusern bauten die Genossenschaften
12.745 mit 14.256 Wohnungen, die Gemeinden 601 Häuser mit
653 Wohnungen gebaut, insgesamt also wurden 3778 mit 11.715 Wohnungen,
insgesamt wurden gebaut 23.698 Familienhäuser mit 26.624
Wohnungen, oder insgesamt überhaupt 27.476 Häuser mit
63.291 Wohnungen. Der gesamte Aufwand für diese Bauten betrug
4.644 Mill. 680.971 Kè. Diese Summe ist allerdings nur
die sogenannte vom Staat errechnete Bausumme,
in Wirklichkeit sind die Bauten natürlich höher gekommen.
Was hat nun der Staat bisher effektiv zu diesen Bauten aufgewendet?
Die effektiven Ausgaben des Staates für den sogenannten staatlichen
Baubeitrag, Verzinsung und Amortisation betragen in der
Zeit der Bauförderungsfürsorge überhaupt bis zum
Jahre 1926 702,325.401 Kè. Von diesem Betrage wären
aber in Abrechnung zu bringen die vom staatlichen Baulosbeitrag
verwendeten Summen von 140 Millionen Kronen, so daß der
tatsächliche Aufwand des Staates
für Wohnungszwecke in der Periode von 1921 bis 1925, bzw.
1926 rund 560 Mill. Kronen beträgt. Wir müssen uns natürlich
fragen, ob denn dieser Betrag für den èechoslovakischen
Staat eine besondere Leistung darstellt, und wir kommen zu dem
Ergebnis, daß das keine besondere
Leistung ist. Wenn wir der Summe von 560 Millionen Kronen, die
tatsächlich aus Staatsmitteln ausgegeben wurde, entgegenhalten
die Militärausgaben, die mindestens 20 bis 25mal soviel in
derselben Zeit betragen wie die Lasten der Bauförderung,
so müssen wir von unserem Standpunkt sagen, daß für
die Bauförderung verhältnismäßig so gut wie
gar nichts geleistet worden ist, und es wäre sehr interessant,
die Frage aufzuwerfen, ob der èechoslovakische Staat nicht
die Aufwendungen, die für den Militarismus
gemacht wurden, nicht besser und wirtschaftlich zweckmäßiger
für die Bauförderung geleistet hätte, als für
die sog. nationale Verteidigung, als für die Beschaffung
von Mordwerkzeugen. Da hätten auch die Beträge zugelangt,
die man gnädigst der Bauförderung überließ.
In den bürgerlichen und Regierungsblättern kann man
die èechoslovakische Bauförderung sehr oft über
den grünen Klee loben hören. Ich will Ihnen an einem
Beispiel zeigen, wie ungerecht diese Lobeshymne ist. Die èechoslovakischen
Gemeinden als Erbauer von Wohnhäusern haben insgesamt während
der ganzen Bauförderungsperiode 12.496 Wohnungen zustande
gebracht. Ich stelle dem gegenüber nur das, was die Gemeinde
Wien in der Zeit vom Jahre 1922 bis September 1926 gebaut hat,
nämlich rund 25.000 Wohnungen. Die Gemeinde Wien hat also
für eine Stadt, die ein Siebentel der Bevölkerung des
èechoslovakischen Staates darstellt, in derselben Zeit,
ja in einer noch kürzeren Frist, die doppelte Anzahl von
Wohnungen zu bauen vermocht wie alle
èechoslovakischen Gemeinden zusammen zur gleichen Zeit.
Außerdem baut Wien im gegenwärtigen Momente wieder
an 5000 neuen Wohnungen und wir müssen sagen, daß eine
solche Bauförderung wenigstens nach unserer Auffassung jedenfalls
eine weitergehendere, zweckmäßigere
und begrüßenswertere ist, wobei noch zu beachten ist,
daß die Mittel dieser Bauförderung die Gemeinde Wien
direkt aufgebracht hat. (Posl. Hackenberg: Unter ungünstigeren
Verhältnissen!) Jawohl, unter ungünstigeren Verhältnissen
aufgebracht hat, da die Mieten in den neuen Häusern, an unseren
Zins gemessen, als außerordentlich billig zu bezeichnen
sind, wobei selbstverständlich die Wohnungen als solche den
sanitären Anforderungen in weitestgehender Weise entsprechen.
Das einzige, was man hier in diesem Staate als besonders günstiges
und wichtiges Moment für die Bauförderung bürgerlicherseits
ins Treffen führt, ist die Auflassung des Mieterschutzes.
Der Mieterschutz hat es der bürgerlichen Politik in diesem
Staate angetan und man erwartet nun das Heil von der Auflassung
des Mieterschutzes. Das neue Bauförderungsgesetz, das im
Juni dieses Jahres aufgelegt wurde, zeigt ja ganz deutlich, wohin
der Weg der Bauförderung führen soll. Auch hier nur
einige kleine Beispiele: In diesem Gesetz hat man sich, soweit
die Berechnungsgrundlage der Bauförderung in Betracht kommt,
die sog. Bittermannsche Theorie zurecht gelegt. Man kann darüber
verschiedener Meinung sein. Aber so, wie sich die Regierung in
ihren Vorlagen diese Theorie zurechtgelegt hat, fordert sie
geradezu zum Widerspruch heraus. Nach diesem Gesetzentwurf sollen
die Mieter in 6 Jahren den Betrag von rund 4 Milliarden Kè
aufbringen. Hohes Haus, seit Monaten ergeht sich die bürgerliche
Presse in wüsten Beschimpfungen gegen die Sozialversicherung,
in schweren Wehklagen darüber, daß die ganze Wirtschaft
wegen der Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmer zugrunde
gerichtet wird. Diese Beiträge der Unternehmer betragen im
Jahre höchstens 215 Millionen Kronen. Da geht der Staat zugrunde.
Wenn aber den Mietern, und unter ihnen wieder in weitaus
größtem Ausmaß den proletarischen Mietern, den
Arbeitern, innerhalb von 6 Jahren eine Summe von 4000 Millionen
Kè abgeknöpft werden soll, um die Zinsgeier zu befriedigen,
um den staatlichen Wohnbaufond zu schaffen,
so macht das augenscheinlich nach Auffassung der bürgerlichen
Politik unserer Volkswirtschaft gar nichts. Das verträgt
unsere Volkswirtschaft noch.