Diese Vorlage hat auch sonst noch viele angenehme
Seiten. Die Bauförderung, die sich aus dieser Vorlage ergeben
soll, schafft natürlich keine billigen Wohnungen. Wer da
glaubt, es werden dann mit diesen ungeheuren Summen billige Wohnungen
gebaut werden, irrt sehr. Man rechnet schon damit, daß,
wenn diese Vorlage Gesetz wird, die Wohnungen in diesen Häusern
- sie werden räumlich bescheiden genug sein - das Sechsfache
des Friedensmietpreises kosten sollen. Die Mieter sollen nun die
Annehmlichkeit erleben, innerhalb von 6 Jahren ihren gegenwärtigen
Mietbeitrag um das Vier- und Fünffache im erhöhten Ausmaß
zu erhalten. Eine Arbeiterwohnung, die heute noch nach
den gesetzlichen Bestimmungen 50 Kè kostet, soll also in
6 Jahren auf den Betrag von 250 Kè hinaufgetrieben werden.
Daß wir natürlich gegen solche gesetzlichen Vorschläge
und Maßnahmen sind, ist eine Selbstverständlichkeit.
Aber in der Vorlage wird der Mieterschutz neuerlich gelockert,
ja durch den § 54 soll er sogar beseitigt werden. Dieser
Paragraph besagt, daß sich Gemeinden, die den Baubeitrag
nicht bezahlen, von diesen dadurch befreien können, daß
sie, allerdings mit Zustimmung der politischen Behörde II.
Instanz, das Mieterschutzgesetz überhaupt beseitigen können.
Wir sehen also eine Bauförderung, die nichts anderes ist
als ein schwer reaktionäres Gesetz. Wir sehen auch weiterhin
einen Abbau des Mieterschutzes, und ich muß angesichts dieser
Sachlage die Frage stellen: Ist denn der Mieterschutz im gegenwärtigen
Moment noch nicht abgebaut genug? Finden die Hausbesitzer nicht
ohnedies Möglichkeiten genug, ihre Mieter aufs Pflaster zu
setzen? Sind nicht die Rechtsanwälte der Hausbesitzer schon
auf alle möglichen Kniffe gekommen, um die Mietparteien aufs
Pflaster zu setzen? Die heutigen Lockerungen des Mieterschutzgesetzes
sind ja derartiger Natur, daß, wenn sich der Mieter in die
Maschen dieses Gesetzes verstrickt, er unweigerlich aufs Pflaster
gesetzt wird. Wie weit die Dinge sich da schon entwickelt haben,
soll Ihnen ein kleines Beispiel der jüngsten Tage zeigen:
Ein Karlsbader Hausbesitzer, der infolge der fortschreitenden
Verarmung heute noch 15 Häuser besitzt, hat es glücklich
zustande gebracht, eine arme Witwe mit zwei Kindern im Wege der
exekutiven Räumung aufs Pflaster zu setzen. Was hat die arme
Frau gemacht? Sie hat zur Giftflasche gegriffen und liegt heute
sterbend im Krankenhaus, die Kinder fallen der öffentlichen
Fürsorge zur Last. Das sind die schönen Auswirkungen,
die die gegenwärtige Möglichkeit der Freiheiten des
Mieterschutzes zulassen. Wie wird es erst werden, wenn ein neues
Mieterschutzgesetz noch weit durchlässigere Bestimmungen
beinhaltet, um die Hausherren gegen die Mieter loszulassen? Wir
müssen also an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit die
Novellierung dieses Gesetzes verlangen und unserer Forderung nach
einem neuen wirklich guten und zweckentsprechenden Bauförderungsgesetz
neuerdings Ausdruck verleihen. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.)
Wir fordern die Regierung auf, insbesondere
das Ministerium für soziale Fürsorge, dessen ministerieller
Vertreter den Mieterschutz gerne auf die lange Bank hinausschieben
will, sofort daran zu gehen, ein zweckentsprechendes Gesetz vorzulegen,
damit durch Schaffung eines ordentlichen Bauförderungs- und
Mieterschutzgesetzes dieses Gesetz, das wir nie anerkennen, beseitigt
werde, weshalb auch wir heute von dieser Stelle aus erklären
müssen, daß wir gegen die Vorlage votieren werden.
(Potlesk poslancù nìm. strany soc. demokratické.)
Meine Damen und Herren! Ehe ich mich mit dem
eigentlichen Gegenstande beschäftige, muß ich meinem
Bedauern Ausdruck geben, daß der Vizepräsident, wenn
er schon gezwungen ist, mich in der Staatssprache zur Rede aufzufordern,
dies nicht auch nachher in meiner Muttersprache getan hat.
Meine Damen und Herren! Mit der Regierungsvorlage,
Druck Nr. 584, soll das schon mehrfach abgeänderte und verlängerte
Mieterschutzgesetz auf ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember
1927 verlängert werden. Es ist wohl ein trauriges Zeichen
der Zeit, in der wir leben, daß wir uns im achten Friedensjahr
noch immer nicht von einem solchen Relikt der Kriegszeit zu befreien
imstande sind. Schon während des Krieges mußten Verordnungen
erlassen werden, um die Inhaber von Wohnungen vor unrechtmäßiger
Ausbeutung und willkürlicher Kündigung zu schützen
Und seit Beendigung des Krieges haben wir eigentlich nichts anderes
gemacht, als diese Bestimmungen fortwährend weiter ausgebaut
und ihre Rechtswirksamkeit verlängert. Heute sieht sich die
Regierung veranlaßt und gezwungen, den einmal beschrittenen
Weg ein ganzes Jahr lang weiter zu gehen.
Mit dem Motivenbericht zu dem vorliegenden
Gesetzesantrag hat es sich die Regierung sehr bequem gemacht.
Mit seltener Offenheit gibt sie zu, daß die Wohnungsnot
immer noch bestehe, und stellt fest, daß sich das Mieterschutzgesetz
im Großen und Ganzen gut bewährt habe, so daß
man es ohne Bedenken verlängern könnte, zumal sie ja
das aus dem Zustande schwerster Krise noch nicht herausgekommene
Wohnungsproblem im kommenden Kalenderjahre durch eine Reihe von
Gesetzen werden zu lösen versuchen, wozu der dem Parlamente
bereits vorliegende Regierungsantrag Druck Nr. 460, auf ein neues
Bauförderungsgessetz den Auftakt bildet.
Und so wird heute hier im. Parlamente wirklich
nichts Weltbewegendes geschehen. Der von der Regierung selbst
als Notbehelf charakterisierte Gesetzantrag wird von der gut dressierten
Regierungsmehrheit widerspruchslos angenommen werden und nach
dem Muster des Sprichwortes "Da kann man nichts machen, da
muß was geschehen" wird man sich mit dem Versuche begnügen,
unter dem Schutze des alten Mieterschutzgesetzes die weiterhin
bestehende Wohnungskrise im kommenden Jahre in ihren Wurzeln und
Ursachen gründlich zu bekämpfen. Eine leichte Aufgabe
wird dies keineswegs sein, zumal allem Anscheine nach das neue
Bauförderungsgesetz keineswegs als ein taugliches Mittel
zur Behebung der Wohnungskrise bezeichnet werden kann. Es ist
wohl heute nicht der geeignete Augenblick, über diesen Gesetzesantrag
Nr. 460 hier zu sprechen. Aber soviel kann man schon heute konstatieren,
wenn man aufmerksam in den Reihen der Volksgenossen herumhorcht,
daß das neue Bauförderungsgesetz ein Unifizierungsgesetz
im wahrsten Sinne des Wortes zu werden verspricht, denn schon
dem Gesetzentwurf ist es gelungen, Hausbesitzer und Mieter in
einer einzigen Abwehrfront gegen dieses Gesetz zu vereinigen.
Und so wird den beiden gesetzgebenden Körperschaften ein
schweres Stück Arbeit bevorstehen, wenn sie sich mit dem
neuen Bauförderungsgesetz werden ernstlich zu befassen beginnen.
Wenn wir in nicht ausrottbarem Optimismus uns
der Hoffnung hingeben, daß wir heute zum letztenmal das
alte Mieterschutzgesetz verlängern, so muß ich vor
allem feststellen, daß meine Partei gar keine Veranlassung
hat, dem heute vorliegenden Regierungsantrag gegenüber eine
andere Haltung einzunehmen, als sie es in den früheren Jahren
hier in diesem Parlamente getan hat. Trotzdem wir gewußt
haben, daß alle unsere begründeten Anregungen und Antrräge
von der löblichen Regierungspìtka verächtlicher
wie die Luft behandelt werden, sind wir nicht müde geworden,
an der Verbesserung der einzelnen Paragraphe und Absätze
des Mieterschutzgesetzes, in denen kein System
und keine Folgerichtigkeit nachzuweisen war, mitzuarbeiten, wie
die langen Reden unserer Parlamentarier in den Ausschüssen
und im Plenum der bei den Häuser sowie die gestellten Abänderungsanträge
beweisen. Nach schnöder Zurückweisung unseres guten
Willens aber mußten wir schließlich die Verantwortung
für die Folgen dieses Gesetzes ablehnen und infolgedessen
dagegen stimmen. Und siehe da! Die Folgezeit hat uns Recht gegeben.
Heute, wo wir vor einer neuen Etappe des Kampfes gegen die Wohnungskrise
stehen, möge es uns gestattet sein, eine kleine Abrechnung
zu halten und auf die gewonnenen Erfahrungen zurückzublicken,
weil sie ja bei den kommenden Beratungen über das neue Bauförderungsgesetz
vielleicht nicht ganz wertlos sein werden.
Vor allem darf man nicht übersehen, daß
es keineswegs genügt, sich nur mit zwei wohnungspolitischen
Maßnahmen, nämlich mit dem Mieterschutz und der Bauförderung
zu befassen. Die Lösung der vielgestaltigen Wohnungsfrage
erfordert, daß man noch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen
in die Wege leite, wie z. B. die zeitgemäße Reform
der Bauordnungen, die Vorsorge für die genügende Erschließung
von Baugelände und Beseitigung der Hindernisse, die sich
hier aus dem Privateigentum ergeben, die Ermöglichung dezentralisierter
Siedlung durch Verbesserung und Verbilligung des lokalen Verkehrswesens,
Reform des Baurechtes, Verbilligung des Baues durch Begünstigung
neuer Bauweisen und Verwendung billiger Baustoffe, billigere Versorgung
mit Baumaterialien durch weitestgehende Typisierung und Normalisierung
u. dgl. mehr. Die alleinige Beschränkung auf die Schaffung
eines Mieterschutzes und auf mehr oder minder untaugliche Versuche
mit einer Bauförderung mußten natürlich den Kampf
gegen die Wohnungskrise schon von vornherein ergebnislos machen.
Wir waren uns dessen von allem Anfang an bewußt,
daß der Mieterschutz in einer Wirtschaftsordnung, die in
der Hauptsache auf die Freiheit des Privateigentums und der Vertragsschließung
gestellt ist, nicht von langer Dauer sein kann, schon aus dem
Grunde, weil ja der Mieterschutz letzten Endes ein sehr empfindlicher
Eingriff in das Wirtschaftsleben ist, in welchem die Preise aller
Güter durch die Gesetze des volkswirtschaftlichen Verkehrs
beistimmt werden. Aus diesem Grunde mußten wir daher immer
die Gesetze auf Mieterschutz und Bauförderung in der Richtung
prüfen, ob durch dieselben der Zeitpunkt näher gerückt
wird, in welchem mit ihrem Abbau oder ihrer Aufhebung begonnen
werden kann. Und wenn wir heute noch erkennen müssen, daß
an eine Aufhebung des Mieterschutzes nicht gedacht werden kann,
so müssen wir uns eingestehen, daß alle unsere Versuche
fehlgeschlagen haben, weil die von uns gemachten Gesetze weder
die Lage auf dem Wohnungsmarkte zu verbessern vermochten noch
auch die Mittellinie zwischen den gegensätzlichen Wünschen
der Hausbesitzer und der Mieter gefunden haben.
Daß die in diesem Staate gesetzlich festgelegte
Bauförderung ein glatter Versager gewesen ist, kann damit
bewiesen werden, daß heute noch
der empfindliche Wohnungsmangel unvermindert weiterbesteht und
daß wir in den Jahren 1925 und 1926 überhaupt keine
Baubewegung mehr hatten. Die Hauptursache für das Versagen
der Bauförderung ist darin zu suchen, daß es nicht
gelungen ist, den herrschenden Kapitalsmangel als die hauptsächlichste
Hemmung der privaten Bautätigkeit zu beseitigen. In dieser
Beziehung scheint aber das kommende Bauförderungsgesetz wieder
ein Versuch mit untauglichen Mitteln zu werden. Denn dieses Problem
ist nicht durch Schaffung eines Baufondes aus den Taschen der
Hausbesitzer und der Mieter alter Wohnungen zu lösen, sondern
lenkt uns auf das große Wirtschaftsproblem der heutigen
Zeit überhaupt hin, das eine Umstellung unserer ganzen Finanzverwaltung
von den fiskalischen Interessen weg auf die wirtschaftlichen Interessen
hin verlangt, um unsere zerrüttete Wirtschaft neu zu beleben,
Handel und Wandel zu fördern und Arbeitsmöglichkeiten
zu schaffen und die jetzt zerrissenen groß en Wirtschaftsgebiete
durch Niederlegung der Zollschranken neu erstehen zu lassen. Nur
durch Hebung der Gesamtwirtschaft kann die Bautätigkeit gefördert
werden.
Für die Lösung solcher Aufgaben ist
aber die hiesige Parlamentsmehrheit nicht zu haben. Vor kurzer
Zeit wurde im Ernährungsausschuß der Antrag gestellt,
den Handelsminister einzuladen, über die gegenwärtige
Wirtschaftskrise und über die Mittel zu deren Behebung Aufschluß
zu geben. Und flugs hat die Regierungsmehrheit diesen Antrag nieder
gestimmt und dadurch bewiesen, daß sie mit diesen unangenehmen
Dingen nicht behelligt werden will. Durch Vogel-Strauß-Politik
wird aber eine Gefahr nicht nur nicht abgewendet, sondern im Gegenteil
vergrößert.
Der durch das Versagen der Bauförderung
heute noch notwendige Mieterschutz hat aber die Gegensätze
zwischen Hausbesitzern und Mietern naturnotwendig steigern müssen.
Denn während die Hausbesitzer es als eine unerträgliche
Beschränkung empfinden, daß ihnen der Mieterschutz
nicht gestattet, die Mietzinse über das gesetzliche Höchstmaß
zu erhöhen und die Wohnungen aus einem anderen als einem
gesetzlich anerkannten Grunde zu kündigen, müssen sich
die Mieter gegen einen Abbau des Mieterschutzes wehren, weil sie
sonst befürchten müssen, das Objekt rücksichtsloser
Ausbeutung zu werden und bei dem herrschenden Wohnungsmangel im
Falle der Kündigung ohne Obdach zu bleiben. Der Hausherr
verwahrt sich dagegen, als der wirtschaftlich Stärkere zu
gelten, weil das Zinserträgnis seines Hauses für ihn
ein arbeitsloses Einkommen bedeutet, und ist unter Hinweis auf
den Entgang an Mietzins nicht mehr bereit, weitere Opfer für
die Erhaltung seines Hauses oder gar für eine Bauförderung
zu bringen. Der Mieter bedauert sich selbst als den wirtschaftlich
Schwächeren, weil er den Zins fast ganz aus seinem Arbeitseinkommen
zahlen muß, und wehrt sich mit vollem Recht gegen jede Verschlechterung
seiner Lebensführung, also auch gegen eine solche seiner
Wohnungssitten. Und in Verkennung der Tatsachen wird das Ausbleiben
der Bautätigkeit schließlich auf das Schuldkonto des
Mieterschutzes geschrieben und nicht nur die Hausbesitzer, sondern
alle am Baugewerbe Beteiligten werden zum Kampf gegen dasselbe
aufgerufen. Und der Widerstreit so gegenteiliger Interessen muß
die Regierung immer wieder in neue Verlegenheiten stürzen,
aus denen sie in aller Eile durch ein oberflächliches Kompromiß
einen Ausweg sucht, nicht bedenkend, daß sie den sozialen
Frieden immer aufs Neue bedroht, wenn sie jährlich die Frage
des Mieterschutzes aufwerfen muß. So aber gelingt es nicht,
die geforderte Mittellinie zwischen den Interessen der Hausbesitzer
und der Mieter zu finden und die Grenze zwischen antisozial wirkenden
und sozial unbedenklichen Mietzinssteigerungen zu bestimmen. Das
alles sind die nicht gewollten Erfolge des Mieterschutzgesetzes.
Meine Partei hat von allem Anfang an die Mängel
dieser Gesetzgebung erkannt und aufgezeigt, hat auch vor den logisch
zu erwartenden Folgen einer solchen verfehlten Gesetzgebung gewarnt,
wurde aber nie gehört. Heute haben wir die Genugtuung, daß
die tatsächliche Entwicklung uns Recht gegeben hat. Das Mieterschutzgesetz
hat natürlich keine neuen Wohnungen geschaffen, mußte
in seinem Prinzip aber bis heute aufrecht erhalten werden, solange
die Bautätigkeit nicht die genügende Anzahl von Wohnungen
geschaffen hat. Die Bautätigkeit ist aber eine Frage der
gesamten wirtschaftlichen Lage dieses Staates. Gelingt die Lösung
des wirtschaftlichen Problems, so ist damit auch die Frage der
Bauförderung gelöst, ohne Hausbesitzer und Mieter in
einen ständigen Interessenkampf zu hetzen.
Fast scheint es, daß auch im Lager der èechischen
Mehrheitsparteien hie und da Köpfe waren,
welche die ganze Tiefe des Wohnungsproblems und auch die untauglichen
Versuche zu seiner Lösung klar erkannten und daher die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit von dem sachlichen Inhalt weg auf die
nationale Seite hingelenkt haben. So ist unter den von
èechischer Seite gegen die Aufhebung des Mieterschutzes
vorgebrachten Argumenten, darauf hingewiesen worden, daß
im Falle der Aufhebung des Mieterschutzgesetzes die deutschen
Hausbesitzer ihren èechischen Mietern wegen ihrer Nationalität
die Wohnungen aufkündigen würden, wodurch die gesamten
èechischen Minderheiten im deutschen Sprachgebiet gefährdet
wären. Mit solchen Phrasen hat man für eine so wichtige
Vorlage eine èechische Stimmenmehrheit sich gesichert.
Und in dem Augenblicke, wo diese Mehrheit vorhanden
war, konnten alle wissenschaftlichen und sozialpolitischen Erwägungen
als gänzlich überflüssig wegfallen, weil ja schließlich
auch ein schlechtes Gesetz angenommen werden kann, wenn es nur
seinen nationalen Endzweck erfüllt.
Auf diesem Wege kann und will aber meine Partei
der Regierungsmehrheit keine Folge leisten. (Potlesk
poslancù nìm. strany národní.)
Das in Verhandlung stehende Gesetz ist ein
typisches Beispiel dafür, wie unsere Gesetze nicht eingehalten
werden. Gerade die heutige Vorlage, die eine Gesetzesverlängerung
bedeutet, zeigte uns, daß man eigentlich nur mit einem kleinen
Mittel versucht, jene Krise zu lösen, die die ganze Wirtschaft
erschüttert. Wenn wir die Sache des näheren betrachten,
finden wir, daß mit diesem Gesetze vorwiegend Geschäfte
gemacht werden, anstatt das Fürsorge gewährt wird. Wenn
das Gesetz in seinen ersten Paragraphen sagt, daß die Verschmelzung
mehrerer Wohnungen verboten ist, so wissen wir, daß in Wirklichkeit
niemand der Sache nachgeht, niemand sich darum kümmert, ob
Wohnungen verschmolzen werden oder nicht. Die Behörden wissen
ganz gut, daß Hunderte leer stehender Wohnungen da sind,
sie unternehmen aber nichts, dem entgegenzutreten. Niemand vermietet
diese leerstehenden Wohnungen, weil man sie zur Profitsucht und
zur Vermehrung des arbeitslosen Einkommens benötigt. Leer
stehende Wohnungen werden möbliert und dann sehr teuer weiter
vermietet. Sehr deutlich sehen wir das in den Großstädten,
besonders hier in Prag. Obzwar die Regierung und alle Behörden
davon Kenntnis haben, wird von keiner
Seite eingeschritten. Trotzdem wird heute gesagt, daß man
mit dem Gesetz vorläufig die Krise bannen wolle, besonders,
wie der Herr Referent Dubický sagte, soll verhindert
werden, das Wohnungen leerstehen. Das Gesetz wurde schon zweimal
novelliert, wird heute zum drittenmal verlängert, trotzdem
stehen Hunderte und Hunderte von Wohnungen leer, während
Arbeiter ohne Wohnungen sind. Wenn Herr Dubický sagt,
die Wohnungsnot könne nicht wegdekretiert werden, so ist
andererseits doch zu berücksichtigen, daß dieses Gesetz
eigentlich nichts anderes ist als ein Schwindel, ein Schein für
die breite Öffentlichkeit, um der besitzenden Klasse, den
Kapitalisten Vorteile zu gewinnen. Und wenn Herr Dubický
sagt, wir müssen mit den leeren Wohnungen wirtschaften,
so ist dem zu erwidern, daß diese Vorlage, dieses Gesetz,
kein Wirtschaften ist, sondern einfach eine Bestätigung der
Zustände, die heute herrschen. Herr Dubický sagt
uns weiter, der Staat werde in Zukunft nichts zur Wohnungsfürsorge
beisteuern, dafür werde er versuchen,
das schwere Problem der Wohnungskrise durch das neue Gesetz zu
erleichtern, welches angeblich allen Schichten der Bevölkerung
Wohltaten bringen und alle zufriedenstellen werde. Jedoch der
Anspruch des Herrn Dubický, daß der Staat
nach dem zukünftigen Gesetz nichts beisteuern werde, zeigt
uns schon, wie groß die Hoffnungen der Bevölkerung
auf dieses Gesetz sein dürfen. Wenn gesagt wurde, es müssen
die Gedanken des Gesetzes realisiert werden und auf der zweiten
Seite gesagt wird, der Status quo bleibe beibehalten, so ist das
nichts anderes, als daß die Wohnungskrise, die Wohnungsnot
beibehalten bleibt.
Auch der zweite Paragraph, der den politischen
Bezirksverwaltungen die Möglichkeit gibt, leerstehende Wohnungen
zu beschlagnahmen, wird natürlich nicht durchgeführt.
Ebenso wie der erste Paragraph vollständig übergangen
wird, wird auch der zweite Paragraph von den Behörden übergangen,
zum Vorteil der Besitzenden, zum Nachteil der armen Bevölkerung.
Es heißt: Leerstehende Wohnungen sind anzumelden. Doch was
sehen wir? Hunderte und Hunderte Wohnungen stehen nicht allein
in Prag, sondern insbesonders draußen
in den kleinen Provinzstädtchen leer, aber man verweigert
es, sie an Arbeiter zu vermieten, weil man Arbeiter nicht haben
will.
In den Dorfgemeinden, wo durch die Bodenreform
viele Hunderte Landarbeiter aus der Landwirtschaft herausgehoben
wurden, ist es besonders arg. Die Landarbeiter mußten die
Deputatwohnung räumen, bekamen aber eine andere Wohnung nicht,
so daß sie nun ohne Wohnung dastehen. Ein typisches Beispiel
zeigt uns Weidenau, wo eine ganze Arbeiterfamilie im vorigen Winter
in einer Scheune wohnen und schlafen mußte, während
in Weidenau selbst ungefähr 22 Wohnungen leer stehen. Hier
ist ein Beispiel dafür, daß die politischen Bezirksverwaltungen
einfach zusehen, wie Wohnungen leer stehen, während Arbeiter
gezwungen sind, in Löchern zu hausen, in Scheunen und Ställen
zu wohnen und die Kinder den Unbilden der Witterung auszusetzen.
Es kümmert sich niemand darum, trotz der vielen Worte, daß
mit diesem Gesetz angeblich die Wohnungskrise gemildert werde.
Es ist also nur Schein, das Gesetz selbst aber ist illusorisch.
Die politische Bezirksverwaltung hat nach § 2 des Gesetzes
die Möglichkeit, die Ablösung von jenen Leuten zu verlangen,
die ihre leere stehenden Wohnungen nicht hergeben wollen. Wir
sehen aber deutlich, daß auch dieser Punkt des Gesetzes
umgangen wird, daß die politischen Bezirksverwaltungen einfach
zusehen, wie aus früheren Wohnungen Geschäftslokale
und Kanzleien gemacht werden, wie die Wohnungen leer stehen und
die Besitzer es verweigern, diese Wohnungen zu vermieten. Sie
lassen auch keine Ablösungen für den Bau zu,
so daß auch dieser Punkt des Gesetzes vollständig illusorisch
ist. Überall sehen wir Waggonviertel emporwachsen und es
ist geradezu ein Kulturskandal für die Èechoslovakei,
wenn man bei einer Bahnfahrt allerorts Waggonviertels
erblicken kann.
Der § 3 besagt, daß zwei oder mehrere
Wohnungen in einer Gemeinde zu besitzen unzulässig ist, trotzdem
wissen wir, daß sich niemand darum kümmert, daß
dies nicht kontrolliert wird und wir würden gerne sehen,
wenn in Prag und in den größeren Städten einmal
eine Zählung stattfinden würde, wieviel Personen zwei
Wohnungen besitzen.
Im § 4 heißt es: Wohnungen dürfen für andere
Zwecke nicht verwendet werden. Aber selbst hier am Sitze der Regierung
in Žižkov hat der Mieterverband eine Anzeige
erstattet, daß aus Wohnungen Werkstätten ohne Bewilligung
der Behörden gemacht wurden. Und was ist eingetreten? Man
hat einfach nachträglich den betreffenden die Bewilligung
erteilt. Auf diese Art wird das Gesetz umgangen. Sie schaffen
Gesetze, die Sie selbst nicht einhalten. Sie halten nur jene Gesetze
ein, die gegen die arbeitende Bevölkerung gerichtet sind
und die sie zu ihren reaktionären Bestrebungen brauchen.
Wir sehen ferner, daß hier in Prag besonders
in den Vorstädten Wohnungen für Hotelzwecke verwendet
werden. Es werden Bewilligungen erteilt, aus Privatwohnungen Hotels
zu machen. Diese Hotels, die sicherlich nicht für den Fremdenverkehr,
nicht für die Reisenden verwendet werden, sind gewöhnlich
nichts anderes als verstecke Bordelle, als Stundenhotels für
die Straßenhuren, die ja sicherlich nicht für ihr Gewerbe
können. Für die hat man genügend Wohnungen, die
werden auf diese Art ausgeplündert, indem man durch hohe
Mieten sie um den Erwerb bringt. Für die Arbeiter aber gibt
es keine Wohnungen. So sieht die Wohnungsfürsorge aus, so
sieht aber auch die bürgerliche Moral aus, die Sie vorgeben
hochzuhalten. Das ganze Gesetz steht also nur auf dem Papier und
wenn Sie heute es erneut beschließen, so heißt das
nur, daß sie an der Wohnungskrise nichts ändern wollen.
Das, was Koll. Dubický gesagt hat, bedeutet nur,
daß keine wesentlichen Änderungen eintreten werden.
Eine Änderung wird nur insofern eintreten, als sie noch mehr
die breiten Massen des Volkes belasten werden, um auf der anderen
Seite Profite für die Kapitalisten zu schaffen. Dem Volke
verspricht man, den Kapitalisten gibt man. Wir lehnen natürlich
eine solche Wohnungsfürsorge ab, die nur ein Beispiel jener
merkwürdigen bürgerlichen Fürsorgetätigkeit
ist, die wir bei jedem Gesetz hier sehen. Es ist lächerlich,
wenn sie auch hier abstimmen werden. Das Parlament ist ja nichts
anderes geworden, als eine Abstimmungsmaschine ohne Rücksicht
darauf, ob die betreffenden Gesetze dem Volke entsprechen - oder
nicht. Die Hauptsache ist, für ihre Kreise Profite zu schaffen.
Geben Sie den Gemeinden wieder das Recht und die Möglichkeit,
leerstehende Wohnungen zu beschlagnahmen, das Sie Ihnen genommen
haben, weil ihnen die Profitsucht der Hausgeier vorschwebt. Schon
bei der damaligen Beschlußfassung schwebte ihnen vor Augen,
den Mieterschutz abzubauen und dem Hausbesitz ein Geschenk zu
machen. Nichts anderes als ein Geschenk ist das Gesetz an die
Hausbesitzer, während die Arbeiter leiden müssen. Der
Häuserwucher, der Kettenhandel mit Wohnungen, wird dadurch
nur gefördert. Man klagt über Wohnungsmangel.
Nehmen Sie aber das "Èeské Slovo" oder
eine andere bürgerliche Zeitung zur Hand und Sie finden,
daß Wohnungen genug zu haben sind, aber natürlich um
eine große Ablösungssumme und gerade Ihre Wählerschichte
ist es, die oft jene Wucherpreise für
Mieten zu zahlen hat, die Sie durch Ihre gesetzgeberische Tätigkeit
noch fördern. Die mittleren Schichten, besonders hier in
Prag die Beamten und der ganze Mittelstand, sind gezwungen, hohe
Preise für Wohnungen zu zahlen, auch für einzelne Zimmer,
und es wird durch dieses Gesetz dem Wohnungselend nicht abgeholfen.
Wir werden zum Bauförderungsgesetz, über
das Herr Dubický bereits gesprochen hat, bei Verhandlung
des Gesetzes prinzipiell Stellung nehmen. Es war nur notwendig,
diese wenigen Worte zu sagen, um der Öffentlichkeit zu zeigen,
daß die Verlängerung dieses Gesetzes nichts anderes
ist, als ein Schwindel mit der Wohnungskrise, als ein Schwindel
und Betrug an den Mietern, um die heute herrschenden Zustände
zu bestätigen und weiter zu belassen, Beschlagnahmen Sie
leerstehende Wohnungen, geben Sie den Gemeinden das Recht hiezu,
treten Sie gegen den Mietwucher auf und Sie werden dann die Möglichkeit
haben, die allgemeine Wohnungskrise zu bekämpfen. Es wurde
hier gesagt, die demokratischen Traditionen des Parlamentes werden
dadurch beeinträchtigt, daß sie für alles stimmen.
Wir aber glauben nicht an Ihre demokratischen Traditionen, es
war das nur ein Firnis auf ihrem Firmenschild der Demokratie.
Deutlich zeigt es sich, daß auch schon die früheren
Regierungen brutal einfach alles niedertrampelten und niederstimmten,
was sich gegen Sie gestellt hat. Sie werden natürlich auch
durch die jetzige Koalition, vielleicht leichter wie früher,
alles niederstimmen, was gegen ihre Intentionen gerichtet ist.
Es ist das nichts anderes als ein Zeichen der steigenden Reaktion,
die sich mit ihrem Hasse gegen die arbeitenden Schichten richtet.
Ihre Wohnungsfürsorge untergräbt Ihre eigene bürgerliche
Moral, während auf der anderen Seite die Tuberkulose ins
Unermeßliche steigt, Nehmen Sie die zusammengepferchten
Arbeiterfamilien, wo in einem Wohnraum ganze Familien, ja oft
zwei bis drei Familien zu leben gezwungen sind. Es ist unmöglich,
daß bei der herrschenden Teuerung, der Arbeitslosigkeit,
der teueren Miete, der Arbeiter sein Leben so einrichten
kann wie es erforderlich wäre. Deswegen sehen wir in der
Verlängerung des Gesetzes nichts als eine Bestätigung
jenes Kulturskandales, der in der Èechoslovakei besteht.
(Potlesk komunistických poslancù.)