Meine Damen und Herren! Der vorliegende Regierungsantrag,
Druck Nr. 632 enthält einen Gegenstand, der diese gesetzgebende
Körperschaft schon des öfteren beschäftigt hat
und der im heurigen Kalenderjahr bereits zum zweitenmale auf der
Tagesordnung des Abgeordnetenhauses erscheint. Am 15. März
d. J. wurde auf die Dauer des Jahres 1926 die Einkommensgrenze,
über die hinaus kein Anspruch auf den Bezug einer Kriegsbeschädigtenrente
besteht, mit 5000 Kè für wirtschaftlich selbständig
Tätige und mit 10.000 Kè für
wirtschaftlich unselbständig Tätige festgesetzt. Weil
nun diese gesetzliche Bestimmung mit 31. Dezember 1926 außer
Rechtskraft tritt, so verlangt die Regierung, daß die gleiche
den Bezug der Kriegsbeschädigtenrente ausschließende
Einkommensgrenze auch für das ganze Jahr 1927 gesetzlich
festgelegt werde. Die Zeit zwischen dem 15. März d. J. und
dem heutigen Tage ist wirklich viel zu kurz, als daß sich
an den Verhältnissen, die für die Bestimmung dieser
Einkommensgrenze maßgebend gewesen sind, grundlegende Änderungen
bemerkbar machen könnten. Schon damals mußte die Regierung
die unveränderte Beibehaltung dieser Einkommensgrenze mit
allerhand künstlich herbeigeholten Begründungen gegen
so manche schwerwiegende Argumente verteidigen und konnte schließlich
nur mit rücksichtsloser Ausnützung der Mehrheitsziffer
das Gesetz vom 4. Mai 1926, Zahl 74 S. d. G. u. V., in den beiden
gesetzgebenden Körperschaften durchbringen. Auch heute arbeitet
die Regierung im Motivenbericht ihres Gesetzesantrages mit den
gleichen Argumenten wie im März d. J. Sie findet, daß
an der Einkommengrenze nichts geändert werden muß.
Denn die wirtschaftliche Lage des Staates und die Lohnverhältnisse
haben sich angeblich im Laufe des Jahres 1926 gar nicht geändert
und auch für das Jahr 1927 ist keine Änderung zu erwarten,
sodaß kein sichtbarer Grund vorhanden zu sein scheint, die
Einkommensgrenze entweder höher zu bemessen oder herabzusetzen.
Über die mehrfach begründeten Wünsche,
die Einkommensgrenze zu vereinheitlichen und den widersinnigen
Unterschied zwischen wirtschaftlich selbständig und unselbständig
Tätigen fallen zu lassen, oder die Einkommensgrenze wenigstens
mit der doppelten Höhe des Existenzminimums zu bemessen und
vieles andere mehr, geht die Regierung zur Tagesordnung über
und stellt sich auf den Bequemlichkeitsstandpunkt, daß in
dieser Frage nichts weiter zu geschehen brauche.
Denn hier in diesem Staate gilt nichts die
Erfahrung früherer Jahre, gilts nichts der Wunsch und der
Notschrei des von diesem Gesetze unmittelbar betroffenen organisierten
Kriegsbeschädigtenheeres, hier gilt nur der Wille der Regierung
der zur Illustrierung echter Demokratie mit Hilfe der kommandierten
Regierungsmehrheit in Gesetzesparagraphe gegossen und den Bürgern
des "Freistaates" mit Gewalt aufgezwungen wird.
So wird wohl auch heute nichts anderes als
der Wille der Regierung geschehen und der Regierungsantrag mit
einer künstlich gemachten Mehrheit zum Gesetze erhoben werden.
Dafür scheint schon entsprechend vorgesorgt zu sein, daß
die Beratung des Plenums keine neue Überraschung bringe,
wie die Verhandlungen und die Abstimmungen im sozialpolitischen
Ausschuß vom 30. November d. J. gezeigt haben. Um nur ja
die Mehrheit für den Regierungsantrag sicherzustellen, hat
die Regierung, für den Fall, als es in der Regierungsmehrheit
nicht nur unselbständig abstimmende, sondern auch noch selbständig
denkende Menschen geben sollte, die von der papstartigen Unfehlbarkeit
der Regierung nicht so felsenfest überzeugt sein könnten,
durch den Mund des Berichterstatters im sozialpolitischen Ausschusse,
dem Herrn Abg. Malík, drohen lassen, daß dieses
Gesetz unbedingt angenommen werden müsse, weil sonst im entgegengesetzten
Falle das Gesetz vom 20. Feber 1926, Zahl 142 S. d. G. u. V. wieder
in Kraft treten könnte, das die Einkommensgrenze mit
4000, bezw. 8000 Kè festgesetzt, was unter den gegebenen
Verhältnissen nur eine Erschwerung für die Kriegsbeschädigten
bedeuten müßte. Hoffentlich werden dies alle Kriegsbeschädigten
erfahren und daraus ersehen können, mit
welchem Zynismus hier in dem Parlamente ihre berechtigten Forderungen
seitens der Machthaber und der Herrschenden behandelt werden.
Weil bei der heutigen Abstimmung auch kein
anderes Ergebnis als das vom 15. März d. J. zu erwarten ist,
könnte sich scheinbar das Pro- und, Contralager dieses Hauses
darauf beschränken, ihre alten Argumentationen noch einmal
in verbesserter Auflage vorzubringen und dann unter denselben
Bedingungen die gleiche Abstimmung vorzunehmen.
Aber heute stehen wir vor einer ganz neuen
politischen Situation, welche die Verhältnisse derartig wesentlich
umgeändert hat, daß alle ihre tragischen und komischen
Begleit- und Folgeerscheinungen in den Annalen des Parlamentes
festgehalten zu werden verdienen.
Am 15. März d. J. bestand die Regierungsmehrheit
des Abgeordnetenhauses noch aus der allnationalen tschechischen
Koalition, in der neben den 4 bürgerlichen auch noch zwei
sozialistische Parteien der Tschechen friedfertig beisammen sassen,
während alle deutschen Parteien sich in der Opposition befanden.
Damals haben alle deutschen Parteien, bürgerliche und sozialistische,
in seltener Einmütigkeit mit den gleichen Beweisgründen
denselben Regierungsantrag bekämpft, haben zu seiner Verbesserung
die gleichen Abänderungsanträge gestellt und, als diese
von der tschechischen Koalition abgelehnt wurden, gegen das Gesetz
gestimmt, wie man in den stenografischen Protokollen dieses Hauses
nachlesen kann. Auch noch nach dem 15. März bis tief in die
Sommertagung des Parlamentes hinein, hielt diese Einmütigkeit
vor. Da wir Deutschen zu unserer Entrüstung sehen mußten,
wie die Volksvertreter des Staatsvolkes stellenweise gegen ihr
besseres Wissen und Gewissen alle unsere Wünsche und Forderungen
ablehnen mußten, so beschlossen wir im Einvernehmen mit
der Organisation der Kriegsverletzten, Witwen und Waisen für
den heutigen Tag uns besser vorzubereiten und Verhandlungsgrundlagen
zu schaffen, die alle bisher delegierten Bestrebungen der Kriegsbeschädigten
in Form von Gesetzesanträgen enthalten sollten. So entstanden
jene Initiativanträge, die als Parlamentsdrucke Nr. 545,
549 und 557 von dem Bund der Landwirte, der deutschen christlichsozialen
Volkspartei, der deutschen Nationalpartei und der deutschen nationalsozialistischen
Arbeiterpartei gemeinsam, als Parlamentsdrucke Nr. 551, 556 und
234 von der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei und
als Parlamentsdrucke Nr. 494 und 555 von der kommunistischen Partei
unterfertigt und dem Hause vorgelegt wurden. (Posl. dr Schollich:
Du hast die große Gewerbepartei vergessen!) Mit Ausnahme
des Initiativantrages Nr. 234, der das Datum des 15. März
1926 trägt, wurden alle die anderen genannten Initiativanträge
zwischen den 23. und 28. Juni d. J. dem Parlamente vorgelegt,
also zu einer Zeit, wo bereits die drei deutschen Parteien
des Bundes der Landwirte, der Christlichsozialen und der Gewerbepartei
in die gemischtnationale Zollkoalition eingetreten waren und mit
den èechischen Zollparteien zusammen für eine ganze
Reihe von Gesetzeanträgen (Agrarzollgesetz, Kongruagesetz,
Beamtenbesoldungs- und Lehrergesetz, Zucker- und Spiritusgesetz
u. a.) gestimmt und 6 Abgeordnete dieses Hauses wegen der Vorfälle
bei der Abstimmung über das Kongruagesetz dem Staatsanwalte
ausgeliefert hatten. Trotzdem also die deutschen Zollparteien
offiziell in die Regierung eintraten und politischer Bindung mit
den èechischen Regierungsparteien getreten waren, sahen
sie noch keine zwingende Notwendigkeit, ihren Standpunkt vom 15.
März den Forderungen der Kriegsbeschädigten gegenüber
zu ändern, und gaben durch ihre Unterschriften
auf den genannten Initiativanträgen dieser Tatsache auch
sichtbaren Ausdruck.
Nach den Sommerferien des Parlamentes hat aber
plötzlich über Nacht dieses Bild eine gründliche
Änderung erfahren. Mit dem Augenblick, wo die drei deutschen
Zollparteien offiziell in die Regierung eintraten und der Ministerbank
des Herrn Ministerpräsidenten Švehla III zwei
deutsche Minister schenkten, haben sie das Bedürfnis gefühlt,
ihre Haltung gegenüber den Forderungen der Kriegsbeschädigten
einer Revision zu unterziehen, damit es doch einen Unterschied
zwischen denselben Parteien als Oppositionsparteien von früher
und als Regierungsparteien von heute gebe.
Zwar leisten die deutschen Regierungsparteien
den Kriegsbeschädigten noch immer die alten Versprechungen,
daß sie voll und ganz hinter den Forderungen derselben stehen,
der Herr Abg. Bobek hat sogar in der Massenversammlung
der Kriegsverletzten in Reichenberg am 31. Oktober d. J. für
seine Person die Versicherung abgegeben, daß er sich sowohl
bei seinen Klubkollegen wie auch bei den anderen Parteien dafür
einsetzen werde, daß die eingebrachten Initiativanträge
die Unterstützung seines Klubs und der anderen Parteien finden
mögen, der Abg. Zajicek hat im sozialpolitischen Ausschusse
am 30. November erklärt, daß er von seinen Ausführungen
im Plenum des Abgeordnetenhauses am 15. März 1926 nichts
zurücknehme, aber dann haben die drei deutschen Regierungsparteien
gegen ihre eigenen Initiativanträge gestimmt und so es unmöglich
gemacht, daß dieselben gleichzeitig mit dem vorliegenden
Regierungsantrag im sozialpolitischen Ausschuß in Verhandlung
gezogen werden. Da scheint mir keine Übereinstimmung zwischen
den demagogischen Worten in parlamentarischen Ausschüssen
und in den Volksversammlungen einerseits und zwischen den Taten
bei der Abstimmung im Parlamente andererseits zu sein.
Während die deutschen Regierungsparteien
die Lösung der Kriegsbeschädigtenfrage noch am 23. Juni
d. J. für so dringend hielten, daß sie darauf abzielende
Initiativanträge einbrachten, helfen sie heute, schon ein
halbes Jahr später, durch ihre Stimme mit, diese ihnen scheinbar
unbequem gewordenen Anträge unter den Tisch des Hauses verschwinden
zu lassen. Heute sind sie, wie der Herr Abg. Zajicek erklärte,
bereit, sich mit dem von der Regierung vorgeschlagenen Provisorium
auf Verlängerung des Elendes und der Not der Kriegsbeschädigten
auf ein weiteres Jahr 1927 abzufinden, heute vertrauen sie dem
bei einer Vorsprache ihnen gegebenen Versprechungen des Herrn
Ministers Šrámek, daß er dem Parlamente
eine Gesetznovelle vorlegen werde, in der die Wünsche nach
Anpassung der Einkommensgrenze an das neue Existenzminimum des
bevorstehenden Steuergesetzentwurfes, nach Verlängerung der
Anmeldefrist, nach besserer Fürsorge für die Schwerstbeschädigten,
nach Pflichtbeschäftigung der Kriegsverletzten und a. m.,
kurz der ganze Inhalt der Initiativanträge berücksichtigt
werden sollen.
Unverhohlen wird den Oppositionsparteien der
Vorwurf gemacht, daß sie das Kriegsbeschädigtenproblem
zu Agitationszwecken mißbrauchen. Die deutschen Regierungsparteien
glauben aber das Recht zu haben, konstatieren zu können,
daß unter dem Regime der sozialistischen Minister Habrman
und Dr. Winter für Kriegsbeschädigte nichts
geschehen ist, daß während deren Ära keine einzige
Forderung der Kriegsverletzten verwirklicht wurde. Das betrachten
die deutschen Regierungsparteien aber keineswegs als demagogische
Agitation, daß sie jetzt auf einmal alle ihre Forderungen
zum Schaden der Kriegsbeschädigten auf ein weiteres Jahr
zurückstellen, nur um dem bürgerlichen Minister Šrámek
Gelegenheit zu geben, den Nachweis zu liefern, daß er
als Chef des Ministeriums für soziale Fürsorge mehr
zu leisten in der Lage ist, als seine marxistischen Vorgänger.
Wenn niemand anderer, so werden doch die Kriegsbeschädigten
selbst es zum mindesten als wenig geschmackvoll finden, daß
auf ihre Kosten eine parteidemagogische Propaganda zu Gunsten
des neuen gemischtnationalen Rechtsblockes getrieben werden soll.
Wenn die deutschen Regierungsparteien heute
ganz erfüllt sind von dem Vertrauen auf eine Versprechung
eines Ministers, so können wir von der deutschen Nationalpartei
ihnen auf diesem Wege nicht folgen. Wir mußten es schon
zu wiederholtenmalen erleben, daß man in offener Haussitzung
den Ministern die Nichterfüllung gegebener Versprechungen,
ja sogar Wortbruch vorgeworfen hat, und haben daher zu solchen
Versprechungen auch unter dem geändertem Regime absolut kein
Vertrauen. Dabei befinden wir uns in Übereinstimmung mit
dem Herrn Sen. Dr. Medinger, der heute selbst zu dem Regierungslager
gehört, trotzdem aber vor kurzem in einer Versammlung ausdrücklich
erklärte, daß die Versprechungen nur für die Dummen
da sind, denn sie werden gegeben, um geglaubt, nicht aber um gehalten
zu werden.
Darum erscheint uns die Haltung der deutschen
Regierungsparteien gegenüber der Frage der Kriegsbeschädigten
trotz aller von ihrer Seite abgegebenen Erklärungen unverständlich.
Gerade jetzt, wo sie die Teilnahme an der Macht erlangt haben,
wäre zu erwarten, daß sie diese Macht auch in dem Sinne
benützen, um ihren früheren Forderungen entsprechend
zum Durchbruche zu verhelfen. Es scheint mir aber ein Zeichen
von Schwäche zu sein, wenn der Herr Abg. Zajicek sich
plötzlich auf den Standpunkt stellt, daß in einer Regierung
von 7 Parteien zwei deutsche Parteien nicht mit dem Kopfe durch
die Wand rennen können, wie er sich im sozialpolitischen
Ausschusse auszudrücken beliebte.
Solche Erscheinungen erfüllen uns aber
auch für die Zukunft mit großer Besorgnis. Ich will
es gerne glauben, daß die deutschen Regierungsparteien noch
immer die Absicht haben, die berechtigten Forderungen der Kriegsbeschädigten
zu vertreten und ihnen zur Anerkennung durch das Gesetz zu verhelfen.
Aber trotz der Teilnahme an der politischen Macht in diesem Staate
sind sie nicht in der Lage, ihren guten Willen augenblicklich
in die Tat umzusetzen. Ja mehr noch, durch den Eintritt in die
Regierung haben sie sich des freien Willens überhaupt begeben,
sie dürfen nicht mehr nach ihrem freien Willensentschluß
handeln, sondern sie stehen jetzt ganz unter dem Kommando
der èechischen Mehrheit in der Regierung und müssen
Ordre parieren, wenn sie ihre Stellung in der Regierung nicht
gefährden wollen. Aus dem in Volksversammlungen und der Presse
so viel gepriesenen Aktivismus ist eine drückende
Passivität, ein ungewolltes Dulden und eine nichtbeabsichtigte
Folgsamkeit geworden, die alle Hoffnung zuschanden werden läßt,
daß sich durch den Eintritt der Deutschen in die Regierung
an dem bisherigen System in diesem Staate etwas zum Besseren ändern
könnte. Die Enttäuschung, die die Kriegsbeschädigten
heute erfahren, wird nicht die einzige bleiben, und es wird gut
sein, wenn wir mit klarem Urteil der wenig verheißungsvollen
Zukunft gleich von allem Anfange an entgegensehen.
Die heutige Nachgiebigkeit der deutschen Regierungsparteien
in der Frage der Kriegsbeschädigten, dieses Abrücken
von den anerkannten Forderungen der Kriegsverletzten und diese
Kursänderung auf Grund der Versprechungen eines Ministers
ist aber speziell bei dem vorliegenden Regierungsantrag von der
größten Gefahr. Denn während die deutschen Regierungsparteien
zu dem Versprechen des Herrn Ministers Šrámek ein
so unbegrenztes Vertrauen haben, daß sie im Gegensatz zu
ihren früheren Absichten sogar bereit sind, ihre Initiativanträge
fallen zu lassen und sich auf ein weiteres Jahr mit einem Provisorium
zu begnügen, vergessen sie ganz, daß ein weitaus mächtigerer
Minister derselben Regierung, der allgewaltige Finanzminister
Dr. Engliš schon anläßlich des Wiederzusammentrittes
des Paramentes ebenfalls ein Versprechen geleistet hat, daß
nämlich ohne Reform des Kriegsbeschädigtengesetzes das
Budget nicht aktiv erhalten werden kann. Der Herr Finanzminister
beabsichtigt also, auf Kosten der Kriegskrüppel, der Kriegswitwen,
der Kriegswaisen und der alten Kriegereltern den Staatshaushalt
aktiv zu machen. Befürchten die deutschen Regierungsparteien
gar nicht, daß sie, die sich heute schon widerspruchslos
dem Diktate der Regierung so weit fügen und ihre eigenen
lnitiativanträge niederstimmen müssen, sich vielleicht
schon in kurzer Zeit dem "sic volo, sic jubeo" des Herrn
Finanzministers werden umsomehr unterordnen müssen? Dieses
Aufdecken der eigenen Schwäche und Ohnmacht ist nicht nur
gefährlich, sondern muß auch die unangenehmsten Folgeerscheinungen
in der Zukunft zeitigen, ganz abgesehen davon, daß es dem
in Worten ausgedrückten Optimismus der deutschen Minister
auf ihren Versammlungen am 5. Dezember d. J. in Landskron und
Reichenberg durch die nackten Tatsachen schon des heutigen Tages
widerspricht.
Unter solchen Erscheinungen hat meine Partei
keinen Anlaß, dem vorliegenden Regierungsantrag gegenüber
eine andere Haltung einzunehmen, wie am 15. März d. J. Wir
lehnen es ab, einem wirtschaftlich selbständig tätigen
Kriegsbeschädigten, der ein jährliches Einkommen
von 5000 Kè oder umgerechnet ein tägliches Einkommen
von 13 Kè 69 h besitzt, oder einem wirtschaftlich unselbständig
tätigen, der ein jährliches Einkommen von 10.000 Kè
oder ein tägliches Einkommen von 27 Kè 38 h hat, den
Anspruch auf eine Invalidenrente abzusprechen.
Jeder weiß, daß in einer Zeit, da die Regierung selbst
eine systematische Verteuerungspolitik durch Einführung fester
Agrarzölle, durch Erhöhung der Spiritus- und Zuckersteuer,
durch Abbau des Mieterschutzes und ähnliches betreibt, kein
gesunder Mensch mit solchen Bezügen sein Auslangen finden
kann, um wieviel weniger ein teilweise erwerbsunfähiger Kriegskrüppel,
der nicht nur sein nacktes Dasein mit solchen Einkünften
fristen, sondern auch noch für die erheblichen Kosten einer
ständigen ärztlichen Behandlung und für sonstige
Bedürfnisse aufkommen soll, die ein gesunder Mensch nicht
hat. In alle Welt muß man es hinausrufen, daß in diesem
glorreichen Siegerstaat ein Kriegsinvalide, der selbst unter der
peinlich genauen ärztlichen Konstatierung mit 100%
Erwerbsunfähigkeit anerkannt wurde, für sich und seine
Frau und zwei Kinder beispielsweise monatlich nur eine Rente von
376 Kè 66 h bekommt, während der nur teilweise arbeitsunfähige
Kamerad sich mit einem perzentuell niedrigeren
Rentenbezug begnügen muß, wobei es diesem letzteren
bei der herrschenden Arbeitslosigkeit und bei seiner körperlichen
Mangelhaftigkeit überlassen bleibt, das zum Leben fehlende
sich selbst irgendwie dazu zu verdienen. Um das Bild des Jammers
und des Elendes noch zu vervollständigen, lehnt es die Regierungsmehrheit
mit stolzer Geste ab, ein Gesetz auf Pflichtbeschäftigung
der Kriegsverletzten zu erlassen, das heute schon alle Kulturstaaten
besitzen, die an dem Weltkriege aktiv beteiligt waren. Durch keine
Argumente ist die Regierung dazu zu bringen, die Anmeldefrist
auf Kriegsbeschädigtenrente zu verlängern, trotzdem
ihr Beweise dafür geliefert wurden, daß durch die Schuld
ihrer eigenen Amtsorgane tausende von Kriegsverletzten ihren Anspruch
nicht rechtzeitig geltend machen konnten, weil das Gesetz zu spät
publiziert wurde oder weil Analphabeten von amtlichen Organen
selbst unter Mißbrauch der Amtsgewalt mit ihren berechtigten
Ansprüchen abgewiesen wurden und so der ihnen gebührenden
Rente ein für allemal verlustig gegangen sind. Keine Rücksicht
wird darauf genommen, daß mancher Kriegsbeschädigte
vor Ablauf der Anmeldefrist ganz oder teilweise gesund schien,
heute aber durch die natürliche Verschlimmerung seines Kriegsleidens
völlig erwerbsunfähig geworden ist, solchen Leuten soll
es auch weiter unmöglich bleiben, heute den Anspruch auf
eine Rente anmelden zu können. Demgegenüber aber werden
die Kriegsrentner fortwährend neuen ärztlichen Untersuchungen
unterzogen und durch die sogenannten "Todesurteile"
dieser Untersuchungskommissionen immer mehr und mehr durchgesiebt,
weil wahrscheinlich die große Sterblichkeit unter den Kriegsverletzten
die Zahl der Kriegsrentner dem widerwillig zahlenden Staate zu
langsam vermindert. Und während die Regierung jeder Forderung
nach Verbesserung der Kriegsbeschädigtenfürsorge überhaupt
gar kein Gehör schenken will und durch leere Versprechungen
die endgiltige Lösung dieser Frage fortwährend hinausschiebt,
sind die amtlichen Organe mit einer geradezu affenartigen Behendigkeit
am Werke, wenn es heißt, einen ja einmal festgestellten
Übergenuß an Kriegsverletztenrente mit möglichster
Beschleunigung den armen Kriegsopfern wieder abzuziehen.
Eine solche Kriegsbeschädigtenfürsorge
ist nicht allein ein Hohn auf die primitivsten Grundsätze
der Humanität, sie ist auch ein furchtbarer und gänzlich
unverständlicher Rechtsbruch.
Während der Herr Außenminister Dr
Beneš jetzt augenblicklich bei der Genfer Völkerbundtagung
wieder einmal in Pazifismus und Abrüstungsideen der ganzen
Welt ein erhebendes Schauspiel vorzuführen sich bemüssigt
fühlt, will gleichzeitig der Herr Verteidigungsminister
Udržal daheim die Hoheitsrechte dieses
Staates erweitern und immer mehr junge Staatsbürger für
den Waffen- und Kriegsdienst heranziehen, die Zeit der Wehrdienstpflicht
entgegen den bestehenden Gesetzen verlängern, durch ein nach
Milliarden zählendes Investitionsbudget die Ausrüstung
ins Wahnsinnige steigern und sozusagen das ganze Volk durch die
vormilitärische Jugenderziehung in den Dienst des Militarismus
stellen.
Dem Recht des Staates, das Leben und die Gesundheit
der Staatsbürger für den Kriegsdienst zu fordern, stellt
die Regierung aber das angemaßte Recht des Staates entgegen,
sich der heiligen Pflicht entziehen zu dürfen, für die
Opfert des Krieges und deren menschenwürdige Versorgung aus
Staatsmitteln Vorkehrungen zu treffen. Das ist eine Logik, die
wirklich nur die Regierungsparteien zu verstehen imstande sind,
die aber der beschränkte Untertanenverstand der Oppositionsparteien
eben nicht zu fassen vermag. Aus diesen Gründen wird meine
Partei dem vorliegenden Regierungsantrag ihre Stimmen verweigern.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany
národní.)
Hohes Haus! Der in Verhandlung stehende Entwurf
beinhaltet keine Änderung des früheren gesetzlichen
Zustandes, sondern beharrt bei der im alten Entwurfe festgelegten
zweifachen Einkommensgrenze. Heuer ist man nicht in den Fehler
des Vorjahres verfallen, die Gültigkeit des Gesetzes mit
31. Dezember ablaufen zu lassen und erst einige Monate im Nachhinein
wieder an die Verlängerung des Gesetzes zu schreiten, welches
durch die heutige Vorlage wieder bis 31. Dezember 1927 in Wirksamkeit
tritt. Ein ex lex-Zustand wurde heuer wenigstens vermieden. Wir
stimmen für die befristete Vorlage, damit sie rechtzeitig
unter Dach und Fach gebracht wird und damit die Gefahr gebannt
wird, daß nicht etwa bei Eintritt des ex lex-Zustandes etwa
das alte Gesetz mit seiner noch geringeren Einkommensrente in
Anschlag kommt. Allerdings liegen in dieser einfachen Prolongierung
eines bestehenden Zustandes keine neuen positiven Errungenschaften,
sondern es bedeutet dies nur die Verhütung und Vorbeugung
größeren Unrechts für jene, die der Krieg in Krankheit
stieß. Selbstverständlich bleiben unsere viel weiter
zielenden Forderungen aufrecht und wird es vornehmlich Aufgabe
der Regierung sein, neue Einkommensquellen zu suchen, um die weiteren
berechtigten Wünsche der Kriegsverletzten in Bälde weitestgehend
zu erfüllen. Solche neue Steuerquellen lassen sich gewiß
leicht und spielend finden, ohne daß neue Steuern unsere
erwerbenden Stände, die unter ohnehin großem Steuerdruck
seufzen, neu belasten. Es gibt einen Weg, den weiteren Wünschen
der Invaliden gerecht zu werden und ich will Ihnen diesen einfachen
und sicher zum Sieg führenden, diesen gangbaren Weg auch
zeigen. Ich knüpfe diesbetreffs an die im volkswirtschaftlichen
Teile aller Tagesblätter enthaltenen Nachrichten an, daß
es Unternebmen gibt, die, sage und schreibe, Rekorderträge
von cca 100%, 104% abwerfen. Erträge von 25% werden nur so
nebenbei als minderwertig registriert.
Ich werde mir die Mühe geben, eine Statistik
dieser Unternehmungen zu verfassen, bei denen zwar nicht der Segen
der Arbeit, sondern der Segen der Spekulation rasend geworden
zu sein scheint. Solche Unternehmungen, die abnormale Gewinne
ausweisen, stehen nicht vereinzelt hier, und diese Rekordgewinne
könnten durch eine Invalidenzuschlagssteuer recht ausgiebig
zu Gunsten der Invaliden gedrosselt werden. Wer sucht, der findet.
Hier braucht es aber gar keines großen Suchens und Fahndens,
hier kann der Paktolus sehr reichlich fließen, und dies
um so mehr, wenn die verantwortlichen Organe der Regierung überdies
ein zwar gerechtes, dabei aber ein strenges Auge haben, auf alle
verschleierten Bilanzen und Abschlüsse. Landwirtschaft und
Gewerbe können sich nicht rühmen, mit solchen hohen
Prozentgewinnen zu arbeiten, im Gegenteil, sie sind herzlich froh,
wenn sie überhaupt nur - und auch das ist nicht mehr der
Fall - glatt durchs Jahr gehen. Die erwähnten mühelos
von vielen eingestrichenen Millionengewinne sind ein überaus
günstiges und überaus ertragreiches Steuerobjekt für
die lnvalidenfürsorge und auch für andere Zwecke. Wer
nur papierene Anträge zimmert, um den Invaliden zu helfen,
ohne auf neue Einnahmsquellen hinzuweisen, leistet bloß,
milde gesagt, eine theoretische Fleißarbeit. Der Ernst dieser
Sache erfordert, daß wir vorerst, wenn wir es mit der Invalidenhilfe
gut meinen, die Bedeckungsgelder hiefür aufbringen und an
allen anderen Seiten und Enden sparen, um Geldmittel für
die Invalidenfürsorge mobil zu machen. Mein Klub glaubt,
daß durch die Auflassung der Bezirksämter große
Ersparnisse erzielt werden, die den Invaliden direkt zugute kommen
könnten. Also ein neuerlicher Bedeckungsmodus wäre auch
hier zu finden. Hätte man von allem Beginne die politischen
Bezirksverwaltungen nicht nur als Durchlaufsbehörden behandelt,
sondern in ihre Hand eine weitreichende Entscheidung gelegt, so
wäre man weit besser gefahren und so wäre ein großer
Teil so vieler, übervieler Härten und so vieles Unrechtes
vermieden worden.
Die Verlautbarungen, bis zu welchen Terminen
die Gesuche einzubringen gewesen wären, wären auch auf
den Amtstagen der politischen Behörden intensiver behandelt
worden und für uns gelten auch dieselben Wünsche, die
die slovakischen Kollegen betreffend Anmeldung in den Ausschüssen
wiederholt äußerten.