Pátek 10. prosince 1926

Wir wenden uns gegen die Umsatzsteuer auch noch aus anderen Gründen, und zwar deshalb, weil sie die Konkurrenzfähigkeit einer ganzen Reihe von Industrien auf das schwerste gefährdet. Die Umsatzsteuer wird ja nicht einmal, sondern im Industrieprozeß, im Erzeugungsprozeß einigemal bezahlt. Wir müssen damit rechnen, daß im Durchschnitt die Umsatzsteuer beim Fertigprodukt fünf, sechsmal ja manchmal noch öfters in der Fertigware einkalkuliert erscheint. Diese Tatsache ist es, die unserer Industrie die Arbeit immer schwieriger macht, sodaß sie ihre Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland verliert. Wenn Sie bedenken, daß sie im Deutschen Reich nur 3/4% Umsatzsteuer bezahlt, daß Deutsch-Österreich, vom 1. Dezember, also seit ein paar Tagen, die Umsatzsteuer und die Luxussteuer überhaupt aufgehoben hat, werden Sie erkennen, in welchen Schwierigkeiten sich unsere Wirtschaft befinden wird, wenn die Umsatzsteuer noch weitere Jahre auf unserer Produktion lasten sollte.

Für das kommende Jahr wird die Umsatzsteuer auf 1.9 Milliarden berechnet und sie erreicht damit die höchste Post aller Staatseinnahmen. Das zeigt uns nicht nur ihre Wichtigkeit, sondern zeigt uns geradezu eine ungeheure Belastung des Konsums und der Produktion. Herr Dr Engliš hat im Budgetausschuß am 4. Dezember zwar erklärt, es werde seine erste Aufgabe sein, die Umsatzsteuer zu ermäßigen, und es werde ihn freuen, wenn wir schon früher als nach drei Jahren daran gehen könnten, die Umsatzsteuer zu ermäßigen, aber wir nehmen diese sehr höfliche, freundliche und hoffnungsvolle Aussicht nur sehr skeptisch auf. Wir wissen, daß solche Versprechungen schon immer gemacht worden sind. Wenn das Gesetz einmal da ist, denkt niemand daran, die Umsatzsteuer zu ermäßigen, die Finanzminister werden bis zum letzten Tag darauf bestehen, diese ungerechte und unsoziale Steuer weiterhin einzutreiben, und werden diese Steuer weiterhin als wichtigsten Bestandteil der Finanzkalkulation betrachten.

Meine Herren, wir haben in den heutigen Ausführungen verschiedener Redner immer die Ansicht wiederkehren gehört, daß die Pauschalierung der Umsatzsteuer eine Milderung dieser Steuer bedeuten würde. Das ist sie zweifellos, aber gerade in dem Augenblick, wo von der Steuermoral so viel gesprochen wird, wo wir so viel hören, daß Unmoral beseitigt werden soll durch eine Ermäßigung, gerade in diesem Moment glauben wir nicht, daß das der richtige Weg ist, denn die Pauschalierung gibt im Gegenteil viel mehr Gelegenheit zur Verschleierung der Tatsachen und der richtigen Ansätze. Wir sind Gegner dieser Art der Verschleierung, wir wollen eine ganz klare eindeutige Besteuerung haben, aber wir wollen auch die allgemeine Herabsetzung dieser Steuer. Wir haben deshalb im Ausschuß den Antrag gestellt, die Umsatzsteuer auf 1% herabzusetzen, was mit Rücksicht auf unsere Nachbarn, wie Deutschland und Deutsch-Österreich noch immer die höchste Umsatzsteuer in den mitteleuropäischen Staaten bedeuten würde. Wir verlangen ferner, daß die Steuerkommissionen zur Veranlagung der Umsatzsteuer herangezogen werden, und daß der gegenwärtig normale Zustand, daß die Steuerbehörde autoritativ die Bemessung der Umsatzsteuer vornimmt, beseitigt wird, Da die Mehrheit jedoch den gegenteiligen Standpunkt einnimmt, da sie dieses Gesetz, das auch von ihr als unsozial und ungerecht betrachtet wird, doch annehmen wird und zwar in der vorliegenden Form, werden wir gegen die Umsatzsteuer und gegen die Gebührenermächtigung der Regierung stimmen. (Potlesk poslancù nìm. nár. socialistické strany dìlnické.)

4. Øeè posl. de Witte (viz str. 1325 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Regierung der internationalen Bürgerkoalition hat das Volk über ihre Absichten und über die wahren Ursachen, die zu der Bildung der internationalen Front der Besitzklasse in diesem Staate führten, nicht lange im Zweifel gelassen. Es ist diesem Zusammenschlusse zwar keine Verständigung über die nationale Frage vorangegangen, wohl aber die internationale Verständigung über die Erhöhung der Profitrate und über die Einhaltung eines streng antisozialen, politisch, wirtschaftlich und kulturell reaktionären Kurses. Im Wörterbuche einer solchen Regierung muß das Wort "Humanität" als ein Fremdwort stehen, mit dem man nichts anfangen kann, als das Wort, über dessen Unübersetzbarkeit und Unverwendbarkeit man sich ohne weiters international einigen konnte. Für diese Tatsache ist - neben vielen anderen - das Bestreben der Regierung, die traurige Lage der Kriegsbeschädigten noch mehr zu verschlechtern, ein beredtes Beispiel. Dieselbe Regierungsmehrheit, die durch Einführung hoher Lebensmittelzölle die Lebenshaltung ungemein verteuerte, dieselbe Regierung, die nun auch die Wohnungsmieten in die Höhe schrauben will, dieselbe Regierung, die uns dieser Tage erst durch den Mund des Verteidigungsministers verkündete, daß ihr für den Militarismus kein Opfer zu hoch sei und daß sie für die Bewilligung einer neuen Kriegsführung schon die notwendige parlamentarische Mehrheit hinter sich habe, dieselbe Regierung läßt die Verstümmelten, Verkrüppelten und Verlendeten, die Witwen und Waisen des letzten Krieges, hungern, ja sie schickt sich an, vielen von ihnen noch mehr Hunger als bisher zu diktieren.

Da hat vor kurzem ein Regierungsblatt geschrieben, daß die Vollvalorisierung der Wohnungsmieten kommen müßte, daß es darob aber durchaus nicht nötig sei, auch die Gehälter und Löhne zu valorisieren, den Kriegsbeschädigten mutet die Regierung aber zur Verteuerung und Zinserhöhung noch eine Kürzung ihrer kläglichen Rente zu. Das Leben auf der Insel der Glückseligen wird immer herrlicher! Allerdings wird es auch von der Welt nach und nach auch immer besser in seiner ganzen Herrlichkeit erkannt. Denn die Regierung kann es doch mit ihren ganzen Dispositionsfondsmillionen nicht hindern, daß die Wahrheit durchsickert und daß z. B. am internationalen Kriegsverletztenkongreß in Genf an der Hand der amtlichen Ziffern aus allen Ländern festgestellt wurde, daß von allen Staaten der Welt die Èechoslovakische Republik ihre Kriegsbeschädigten am schlechtesten behandelt. Es wurde ein internationaler Appell an die Èechoslovakei gerichtet, doch nicht so weit hinter anderen Staaten zurückzublieben, und darauf fand der Finanzminister der internationalen Bürgerkoalition auch gleich eine dieser Koalition würdigen Antwort: Streichen wir noch 145 Millionen und nehmen wir den kleinsten Rentenempfängern diese Rente völlig! Daß die Èechoslovakei, die gerade in Genf so oft den Mund gebraucht hat, um sich in empfehlende Erinnerung zu bringen - daß sie just in Genf mit ihrer Kriegsbeschädigtenfürsorge an den internationalen Pranger gestellt wurde, ist für sie zwar eine derbe Ohrfeige gewesen, aber auch eine wohlverdiente, und die Durchführung der vom Finanzminister angekündigten Absichten würde wahrscheinlich von der Welt nicht mit nur einer Ohrfeige gedankt werden, so wenig auch im allgemeinen heute die Humanität eine gangbare Münze ist. Was erst würde die Welt dazu sagen, wenn sie im Detail wüßte, wie man hier mit den Kriegsopfern umgeht! Unser Kriegsbeschädigtengesetz - noch ein Produkt der allnationalen Koalition - trägt alle Mängel der Kompromißpolitik an sich, aber es ist bezeichnend für den Geist der neuen internationalen Bürgerkoalition, daß sie nicht nur nicht daran denkt, die Mängel des Gesetzes, unter denen die Kriegsopfer leiden, zu beheben, sondern daß sie diese Härten noch verschärfen will. Wäre auch nur ein Funken sozialen Gefühles bei dieser Mehrheit zu finden, so hätte nicht in ihrem Namen der Finanzminister Rentenstreichungen ankündigen dürfen, so hätten die Regierungsparteien unseren Antrag auf Einsetzung der 145 Millionen, die Herr Dr Engliš den Kriegsbeschädigten vorenthalten hat, nicht niederstimmen dürfen.

Um diese Handlungsweise der Regierungsparteien gründlich zu kennzeichnen, muß man sich nur das Gesetz und die Erfahrungen, die damit gemacht wurden, ein wenig unter die Lupe nehmen. Die Verpflichtung der Èechoslovakischen Republik gegenüber den hierher zuständigen Kriegsopfern ist evident, denn die Èechoslovakische Republik ist in allen Rechten, also auch in allen Pflichten Nachfolger der österreichischen Monarchie. Sie reiht ja auch die von Österreich assentierten Landsturmmänner ohne weiteres in ihr Heer ein. Aber so, wie sie sich in der Frage der Kriegsanleihe sehr wenig ehrenhaft gedrückt hat, so will sie sich auch in der Frage der Kriegsopfer so billig als möglich aus der Affäre ziehen. Unserem Kriegsbeschädigtengesetz ist das Unterhaltsbeitragsgesetz vom 23. September 1919 vorangegangen. Nebenbei: Das ist ja auch ein feines Gesetz! In seinem § 4 ist ganz ausdrücklich gesagt, daß die Frau des zur Waffenübung Eingerückten sich selbst erst assentieren lassen muß und daß sie vom Arzte als erwerbsunfähig erklärt werden muß, wenn sie Anspruch auf den Unterhaltsbeitrag haben soll. Eine groteske Bestimmung, denn 1. ist die Notlage, in die die Frau gerät, ihr doch vom Staate aufgezwungen, zu deren Behebung also der Staat moralisch verpflichtet, und 2. wie will der Staat, dessen Arbeitslose ständig nach Hunderttausenden zählen, der arbeitsfähigen Reservistenfrau die Erwerbsmöglichkeit garantieren? Am 20. Feber 1920 kam dann das Kriegsbeschädigtengesetz heraus, das mit 1. Mai 1920 in Kraft trat, und am 25. Jänner 1922 novelliert wurde. Ab 1. Mai 1920 erhielten alle Kriegsbeschädigten, die ihren Rentenanspruch anmeldeten, den Unterhaltsbeitrag statt der Rente vorschußweise ausgezahlt. Die Rente nach dem ersten Gesetz war niedriger und so entstanden Übergenüsse, die später, nach Festsetzung der Rente, abgezogen wurden. Oft resultierte auch völlige Einstellung der Rente. Aber - was das Ärgste ist - bis heute sind viele dieser Durchrechnungen noch unerledigt. Das Ministerium für soziale Fürsorge gab mit Akt, Zahl 29.694/V-1922 das Versprechen, bis 15. September 1925 alles erledigt zu haben. Bis heute - mehr als ein Jahr später - warten noch viele, viele auf die Erfüllung des Versprechens.

Und wie sieht nun das novellierte Kriegsbeschädigtengesetz aus? Die fetten Renten, die dem Herrn Finanzminister ob ihrer Höhe schlaflose Nächte bereiten, betragen mit Einrechnung der Teuerungszulage monatlich 45 Kronen bei den Leichtverletzten, bis zu 300 Kronen für die gänzlich Erwerbsunfähigen. Um 300 Kronen monatlich zu erhalten, muß man blind oder völlig gelähmt sein, keine Arme oder Beine mehr haben oder in ähnlichem Zustand sich befinden. Wenn man das Glück gehabt hat, beide Hände einzubüssen, kann man in Friedensgeld umgerechnet, täglich eine Krone Rente erhalten. So verschwendet der Staat das Steuergeld. Ein Invalide, der zu 50% erwerbsunfähig ist, erhält monatlich samt Teuerungszulage 112.50 Kè Rente. Das sind täglich 37 Friedensheller. (Posl. Schweichhart: Betteln könnte er da gehen!) Das glaube ich. Davon macht die Teuerungszulage 12 Friedensheller aus und mit denen möchte der Herr Finanzminister noch den Staat retten.

Und wie fürsorglich betreut der Staat die Invalidenkinder! Ein Invalide bis zu 24% Erwerbsunfähigkeit bekommt für ein Kind monatlich 3 Kronen, bei 50% Erwerbsunfähigkeit für ein Kind 7.50 Kè, bei 100% Erwerbsunfähigkeit für ein Kind 20 Kronen monatlich. 3 Kronen, oder 30 Friedensheller monatlich, oder ein Friedensheller täglich für ein Kind! Wenn das Kind so glücklich ist, einen Totalkrüppel zum Vater zu haben, erhält es 6 Friedensheller täglich, wahrhaft fürstlich zahlt der Staat. Aber Seelsorgerkind zu sein, ist allerdings noch besser als Kind eines Kriegsblinden zu sein. Denn nach § 1, Abs. 2 des Kongruagesetzes gebührt dem Kinde eines Seelsorgers ein jährlicher Erziehungsbeitrag von 1224 Kronen. Das sind monatlich 102 Kronen oder fünfmal so viel als das Kind des Kriegsblinden bzw. 34mal so viel als das Kind des Leichterinvaliden erhalten kann. Wer seine Kinder versorgt haben will, den ist also zu raten: Gehe nicht in den Krieg, werde lieber Seelsorger.

Die Witwen und Waisen nach Kriegsopfern sind in ähnlichem Maßstabe - selbstverständlich nicht wie die Seelsorger, sondern wie die Invaliden - bedacht. Die Witwe erhält bei 30% Erwerbsunfähigkeit monatlich 75 Kè, das sind 7.5 Friedenskronen, bei 50% Erwerbsunfähigkeit monatlich 112.50 Kè, d. s. 11 Friedenskronen und bei 75% Erwerbsunfähigkeit monatlich 129.16 Kè oder 12.5 Friedenskronen. Halbwaisen erhalten 50 Kè. Wenn der Gefallene mehr als 3 Kinder hatte, ermäßigt sich der Satz, dessen Höchstgrenze für alle Kinder, auch wenn es 10 sind, jährlich 2400 Kè für alle zusammen nicht übersteigen darf. Das wären also bei 10 Kindern eines Gefallenen jährlich 24 Friedenskronen oder monatlich 2 Friedenskronen für ein Kind. In Ansehung der kriegerischen Gelüste des Herrn Ministers Udržal ist also heute schon allen Familien weise Beschränkung der Kinderzahl dringend anzuraten. Vollwaisen erhalten 75 Kronen oder 7 1/2 Friedenskronen monatlich. Das sind täglich 25 Friedensheller. Der Vater dieses Kindes, der den Heldentod fürs Vaterland gestorben ist, wußte also wenigstens, wofür er es getan. 25 Friedensheller für sein Kind, das durch diesen Tod Waise geworden. Ich muß schon sagen, die Gesellschaft kennt ihre Pflicht und kennt das Sprichwort: Opfer für Opfer. Es gibt auch endlich eine Vorfahrenrente. Die Eltern des Gefallenen können monatlich 50 Kè oder täglich 1 1/2 Friedenskronen bekommen, wenn sie bis zu 75% erwerbsunfähig sind. Natürlich verhindert es der sorgliche Staat durch weise Beschränkungen, daß die Anwärter derart fürstlicher Renten der Prasserei verfallen, die doch sehr unchristlich wäre. Er verfügte also, daß die Rente eingestellt werde, wenn der Rentenanwärter, der mit 30 oder 40 Friedenshellern täglich sich nicht einteilen kann, noch eine Arbeit verrichtet, die ihm, falls er unselbständig ist, 10.000, wenn er einen Gewerbeschein hat, 5000 Kronen jährlich bringt. Wenn also so ein Invalider noch zur Not Schuhe flicken kann und auf diese Weise jährlich 500 Friedenskronen oder monatlich rund 40 Friedenskronen verdient, so sagt die Wohltätigkeit der Gesellschaft, die den Schuster bejubelte, als er heil zum drittenmal an die Front zog, ein starres "Stop". Die Gesellschaft weiß, was sich gehört.

Und eben jetzt veranstaltet das Ministerium für soziale Fürsorge eine Hetzjagd auf die Invaliden, indem es alle Invalidenämter anweist, bei den Steueradministrationen und bei den Arbeitsgebern nachzuforschen, ob nicht doch so ein Invalide das Existenzminimum überschreite. Dann gibt es Rückzahlungsaufträge - Hussah, das ist ein forsches Jagen! Wieviel menschliche Verzweiflung, wieviel Jammer und Tränen die Folgen sind: wie könnte die Gesellschaft, so sentimental sein, danach zu fragen. Ist doch die Praxis der Rentenstreichung ohnedies schon furchtbar. Es gibt Landtrafiken, die jährlich 1800 Kè abwerfen. Das genügt aber schon, um dem Invaliden oder der Kriegerwitwe die Rente zu streichen. Es wird Witwen die Rente gestrichen, wenn sie, um den Wohnungszins bestreiten zu können, einen Bettgeber aufnehmen. Sofort konstruiert der moralische Staat daraus ein Konkubinat und man stellt die Ren te ein. In Deutschland erhält ein mit 60% Erwerbsunfähigkeit klassifizierter Kriegsbeschädigter monatlich 700 Kè Rente (Výkøiky posl. Hackenberga.) und dazu jährlich cca 2000 Kè Teuerungszuschlag. Bei uns zahlt man im gleichen Falle 180 Kè, den Teuerungszuschlag inbegriffen, also rund ein Viertel dieses Betrages, den man in Deutschland zahlt. Ununterbrochen quält man die Invaliden mit Revisionsuntersuchungen, deren Kosten höher sind, als der Erfolg für die Staatskasse sein kann. Dabei zeichnen sich die Untersuchungen sehr negativ aus durch ihre Oberflächlichkeit, man nimmt keine Rücksicht auf die ärztlichen Zeugnisse der Distriktsärzte, man mißachtet die Superabitrierungsakte, man nimmt bei Feststellung der Erwerbsfähigkeit auf den speziellen Beruf des Invaliden keinen Bedacht mehr. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.)

Ich möchte Ihnen aus der unendlichen Zahl von Fällen, über die ich sprechen könnte, mit Rücksicht auf die kurze Redezeit nur einige wenige herausgreifen, die illustrieren sollen, wie die Zustände heute bei uns tatsächlich sind. In Engelhaus bei Karlsbad liegt ein Kriegsinvalide seit 47 Monaten an das Bett gefesselt. Er konnte nicht zur sozialärztlichen Untersuchung gehen. Der Distriktsarzt wie auch das Stadtamt von Engelhaus haben bestätigt, daß der Mann unfähig ist, das Bett zu verlassen. Trotzdem begab sich keine Untersuchungskommission zu ihm und man gab dem Mann keinen Rentenbescheid. Erst auf weitere Urgenz gab man dem seit vier Jahren bettlägerigen einen vorläufigen Rentenbescheid auf 40% Erwerbsunfähigkeit, 60% ist der Mann erwerbsfähig. Man gibt dem gänzlich Hilflosen, dem Blinden, Leuten die geführt werden müssen, in einem solchen Zustand, Leuten, die nur essen können, wenn ihnen ein anderer mit dem Löffel das Essen gibt, diesen bedauernswerten Opfern des Krieges gibt man einen monatlichen Zuschuß - so gnädig, so einsichtsvoll und verständig ist der Staat - von 40 Kè. Man sage mir, wo in der Welt kann man für 40 Kè monatlich einen Menschen dafür gewinnen, daß er die Betreuung eines derart hilflosen Menschen dauernd übernehme? Aber das furchtbarste ist, daß die Leute selbst um diese lumpigen 40 Kè noch Monate und Jahre lang Kämpfe führen müssen. Ein Beispiel dafür: Ein mit 100% Erwerbsunfähigkeit klassifizierter Invalide aus Joachimsthal, der sich selber nicht helfen kann und ständig jemanden zu seiner Bedienung braucht, hat um die Hilflosenrente angesucht und um die Bemessung der Rente nach der Novelle vom Jänner 1922. Nicht nur, daß ihm die Hilflosenzulage nicht bewilligt wurde, er hat auch bis jetzt seine Rentenregelung noch nicht erhalten. Was würde mit ihm geschehen, wenn er nicht Geschwister hätte, die zum Glück nicht im Kriege gedient haben oder im Kriege nicht zu Krüppel geschossen wurden, und sich nun seiner annehmen? Man zahlt keine Rente weiters an Kriegsdienstleister, die in Bergwerke und so weiter kommandiert wurden und bei denen sich erst später die Folgen zeigten, man hat durch zu baldigen Ablauf der Anmeldefrist Zehntausende Menschen um ihren Rentenanspruch gebracht. Viele Kriegsbeschädigte oder deren Unterstützungsbedürftige Angehörige haben die Frist versäumt, teils deshalb, weil sich die Kriegsfolgen erst später zeigten, teils aus Unwissenheit. Viele tausende Kinder sind so infolge eines Versagens der Gemeinden oder der Vormünder um ihren Anspruch gekommen. Besonders die aus der Gefangenschaft Heimgekehrten, bei denen sich häufig erst jetzt die schweren Erschütterungen ihrer Gesundheit bemerkbar machen, sind die Leidtragenden der zu frühen Beendigung der Anmeldefrist. Wir appellieren deshalb an die Regierung, daß sie umgehend einen Antrag auf Neueröffnung dieser Frist vorliege, nachdem ein früherer diesbezüglicher Initiativantrag unseres Klubs nicht ihren Beifall gefunden hat, wobei ich als selbstverständlich annehme, daß man mindestens ein Jahr als neue Anmeldefrist festlege. (Posl. Hackenberg: Die Regierungsparteien fordern ihre eigene Regierung in einer Resolution auf, das zu tun! - Hluk. - Místopøedseda Zierhut zvoní.) Das machen sie gewöhnlich so, das ist ein beliebter Schwindel, um draußen denen, die nicht alle werden, vorzugaukeln, daß sie die Interessen der Armen und Hilfebedürftigen vertreten, während dort, wo man die Macht wirklich ausnützen könnte, aus anderen Rücksichten vollständig darauf verzichtet wird. Wie gesagt, wir fordern mindestens ein Jahr als neue Anmeldefrist und die Nötigung hiezu ist umso dringender, als die meisten Menschen, besonders die altgewordenen und nun gebrechlichen Eltern von Kriegsgefangenen und Invaliden umständliche Menschen sind, die man nicht zum Opfer einer für sie zu schnellen Entscheidung werden lassen darf. Wir müssen auch gegen die Absicht, einem Teile der Invaliden die Rente zu kürzen, schärfsten Protest einlegen, denn diese Absicht zu verwirklichen hieße, sich mit unauslöschlicher Schande zu bedecken.

Es lag gestern im Budgetausschuß die Vorlage der Regierung vor, die Einkommengrenze, bis zu welcher noch eine Rente bezahlt werden kann, so wie bisher zu belassen. Die christlichsoziale Vertretung verhielt sich hiezu völlig schweigsam, obwohl die Herren von der christlichsozialen Partei draußen verbreiten, sie seien es, die den Invaliden die Erhöhung der Einkommengrenze durchsetzen würden. Tatsächlich wurde auch die Regierungsvorlage vom Ausschuß zum Beschluß erhoben. Die deutschen Zöllner, die sich draußen so gerne als Freunde der Kriegsopfer geben und jeden Gedenkstein für Kriegsopfer umjubeln, stimmten geschlossen gegen die Kriegsverletzten. Nur Herr, Stenzl (Rùzné výkøiky.) glaubte.... (Hluk. - Výkøiky: Dann ist er der Festredner!) Jawohl, wenn ein Gedenkstein eingesegnet wird, dann sind die Herren die Festredner, aber dort, wo es gilt, eine Tat zu setzen für die Kriegsverletzten, die etwas kostet, in diesem Augenblick versagt ihre hohe Liebe und alles ist in die Luft vergangen. Also: Nur Herr Stenzl glaubte die Täuschung der Invaliden noch fortsetzen zu können, indem er einen Resolutionsantrag einbrachte, man möchte bei der nächsten Novellierung des Invalidengesetzes auf die Beschwerden über die Einkommensgrenze Rücksicht nehmen. Warum nicht gleich? Was sagen denn die Mitglieder seiner Standespartei, was sagen die Gewerbetreibenden dazu, daß er sie wieder vertrösten will, hinaus bis auf den St. Nimmerleinstag? Mit Zöllen und mit dem Zurückschrauben der Sozialpolitik hatte man es eiliger, da hat man nicht erst zu warten brauchen. Daß sich die Kriegsverletzten aber einen solchen Hohn gefallen lassen sollen, daß sie sich von Herrn Stenzl überdies noch foppen lassen sollen, ist doch wohl eine zu arge Zumutung an sie. Ich appelliere deshalb an das Haus, daß es den im Ausschuß niedergestimmten Antrag des deutschen sozialdemokratischen Klubs annehme, der das Einkommen, bis zu welchem die Rente bezahlt werden muß, für Selbständige und Unselbständige mit 12.000 Kè festsetzen will. Auch das ist noch sehr wenig nur ein tägliches Einkommen von 3 1/3 Friedenkronen! Und dafür könnte füglich auch noch ein Christlichsozialer stimmen. (Výkøiky: Sie stimmen Ihre eigenen Anträge nieder!) Ja, und dem müßte sich kein zollbeflissener Landbündler entgegenstellen und auch kein Gewerbeparteiler müßte es als unstatthaft finden, daß ein im Kriege verletzter Gewerbetreibender bis 12.000 Kè incl. seiner Rente jährlich verdienen dürfe, ohne damit schon als ein Parasit am Staatskörper betrachtet zu werden. So geben wir denn den deutschen Regierungsparteien vor aller Öffentlichkeit die Möglichkeit, zu ihren Reden in den Kriegsverletztenversammlungen zu stehen. Sollten Sie hier wiederum gegen die Kriegsverletzten entscheiden, so würden sie damit den Namen ihrer Parteien auf immer an den Pranger heften, auf dem die Herzlosigkeit zur Schau gestellt ist. Die Annahme unserer Anträge würde auch noch lange keinen Idealzustand schaffen, denn auch dann, wenn alle ihnen zustimmen, würde nur ein winzig kleiner Teil der großen Schuld der Gesellschaft gegen diejenigen abgetragen sein, die ihr bestes, ihre graden Glieder, ihr sehendes Auge auf das Gebot der Gesellschaft opfern mußten. Nur ein ganz kleines Teilchen der Riesenschuld würde abgestattet sein, den Frauen und Kindern gegenüber, die Unsägliches gelitten, die um alles gekommen sind durch denselben Krieg, der andere aus der Gesellschaft in Reichtum und Macht überschüttete. Um so schlimmer, wenn Sie selbst diese Anträge noch abzulehnen die Courage hätten.

Der Herr Verteidigungsminister hat den neuen Krieg an die Wand gemalt. Ich beneide ihn nicht um den Mut, der dazu gehört, von neuen Kriegen zu reden, während noch die Opfer des letzten Krieges hungernd, frierend und fiebernd ihre Qual durch die Straßen schleppen. Dieser Staat, der es auch heute noch als seine höchste Aufgabe betrachtet, Gendarm im Interesse des Poincaréschen Frankreich zu sein, ist ein Militärstaat, dem gegenüber das Wilhelminische Preußen eine wahre Friedensidylle war. Aber was können die Unmassen Soldaten schon nützen, wenn sie wissen, daß ihrer oder ihrer Hinterbliebenen nur der Hunger harrt, falls das kommt, was man in der militärischen Sprache den Ernstfall nennt. Es muß ja wirklich anfeuernd sein für die Soldaten zu sehen, wie das christliche Vaterland die Opfer des Militarismus behandelt. Der Verteidigungsminister der internationalen Bürgerkoalition hat neuerdings als sein Programm die militärische Erziehung der Jugend verkündet. Von Kindheit an soll die Menschheit militaristisch verseucht werden. Es soll den Menschen überhaupt das Denken ausgetrieben werden, um aus Ihnen Werkzeuge zu machen, mit denen man nach Belieben schaften und walten kann. Nun wohl an, man wird dafür sorgen müssen, daß diese Jugend, die der vormilitärischen Erziehung zugeführt wird, ein Lehrbuch in die Hand bekommt, das ihr den Staat als das schildert, was er ist, ein Lehrbuch, an dessen Spitze eine Schilderung des Loses derer steht, die wirklich für das sogenannte Vaterland in die Schützengraben, in die Hölle von Dreck und Feuer gegangen sind, um dann, wenn sie gebrochen, verstümmelt, blind oder lahm nach Hause gekommen, vom lieben Vaterland gnädigst einen Knochen hingeworden zu bekommen, der ihnen auch noch ununterbrochen strittig gemacht wird.

Stimmen Sie, die Sie heute Mehrheit hier bilden, gegen unsere Anträge, falls Sie glauben, das vor Ihrem Gewissen verantworten zu können, aber dann hüten Sie sich wenigstens, noch einmal zu den Kriegsverletzten, Witwen und Waisen zu gehen und dort ihre Rolle als. Heuchler und Pharisäer zu spielen!

Diese Invaliden, diese Kriegerswitwen und Kriegerswaisen, die das praktische Christentum unserer Patentchristen mit Schmerzen kennen lernen, und die Massen des Volkes, die Zeugen der christlichen Behandlung unglücklicher Menschen durch Lippenchristen sind, werden nicht versäumen, aus den Tatsachen die notwendigen und selbstverständlichen und im Interesse der Wiederhebung der Menschheit begrüßenwerten Schlußfolgerungen zu ziehen.

Dann aber würde Ihnen, die Sie heute dank der Vergeßlichkeit und Langmütigkeit so vieler Menschen hier regieren können, die Möglichkeit bald benommen sein, von neuem Kriege zu planen und die Opfer des alten Krieges, die noch nicht unter der Erde liegen, mit elenden Bettelsuppen zu verhöhnen. (Potlesk poslancù nìm. soc. dem. strany dìlnické.)

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